Die Quantifizierung der Welt
Wellenreiten der Datenflut oder untergehen im Datenfluss?
Editorial, Chefredakteur Dirk Werth
Wir messen, also sind wir.“ Was wir heutzutage erleben, ist der Beginn der Vermessung von allem, von Produkten, Unternehmen, Menschen, ja der ganzen Welt. Bei jedem Schritt unseres Daseins entsteht bereits eine Vielzahl an Daten – täglich werden es mehr. Allein in den letzten zwei Jahren ist durch diese Art der Vermessung etwa die Hälfte aller weltweit verfügbaren Daten entstanden. Social Media Plattformen erfassen Klicks, Likes, Impressions. Apps zählen Schritte oder Kalorien. Sensoren sammeln Prozesse. Aber diese Quantifizierung ist es auch, die wir wollen und woran wir unseren Wert festmachen. Je mehr Follower, desto bedeutsamer, je mehr Schritte, desto fitter, je mehr Sensordaten, desto besser die Prozesse – so die gängige Meinung. Doch ist diese ständige Quantifizierung tatsächlich zukunftsweisende Chance oder gar bedenkliche Kontrolle?
Neue Technologien und Geschäftsmodelle ermöglichen diese „Vermessung der Welt“. Eine Welt, die sich scheinbar immer schneller und einfacher quantifizieren lässt. Ein aktuelles Beispiel zeigt, welche Dynamik sich auch hier in den vergangenen Monaten entwickelt hat. So ist nur binnen weniger Tage nach dem Start der offiziellen Corona-App des Bundes diese bereits über 10 Millionen Mal installiert worden.
Während die Risiko-Ermittlung der Corona-App Infektionsketten mittels Smartphones nachverfolgt und damit einen positiven Beitrag leisten will, wird die ständige Quantifizierung auch kritisch betrachtet. So können Kalorien- oder Schrittzähler etwa zur Selbstoptimierung beitragen, gleichzeitig tut sich dort jedoch auch eine „dunkle Seite einer vermessenen Welt“ auf. Die Psychologin Dr. Vivian Suchert beschreibt in ihrem gleichnamigen Artikel ebensolche Grenzen der digitalen Selbstvermessung in der aktuellen IM+io. Dr. Gerrit Fröhlich, Universität Trier, zeigt in seinem Beitrag auf, dass man mittels Selbstvermessung doch ebenfalls das Potential habe, sich gegen die Norm zu wenden. Er beschreibt, inwiefern die Medienkompetenz Einfluss auf die Ambivalenz des Selftrackings hat. Welch positiven Einfluss Sensoren auf die Gesundheitsprävention im Handwerk haben können, macht der Beitrag vom August-Wilhelm Scheer Institut deutlich.
„Quantified Everything“ schließt – wie der Name bereits sagt – jedoch nicht nur die Selbstvermessung von Individuen ein. Ein Beispiel dafür ist die in dieser Ausgabe beschriebene Studie der Universität St. Gallen zum Thema Reifegradmonitoring. Durch das sogenannte Reifegradmonitoring könne etwa der Mehrwert von 4.0-Projekten im Supply Chain Management gemessen werden. Wie Unternehmen Prozesse erfassen und die gesammelten Daten vor allem sinnvoll zur Prozess- und Geschäftsmodelloptimierung nutzen, ist Thema des Beitrags von Christina Collmann, Previsionz GmbH.
Egal, ob es um die Messung der eigenen Fitness oder der Quantifizierung von Prozessen im Unternehmen geht, mit immer mehr Daten steigt auch die Komplexität. Es gilt: Wer den Überblick behält, gewinnt. Dieses und weitere sind Themen der aktuellen Ausgabe. Wir hoffen, Ihnen das vielseitige Thema „Quantified Everything“ beim Lesen näher zu bringen und Ihr weiteres Interesse anzuregen.
Ihr