Das doppelte Ich – Digitale Zwillinge erobern mehr und mehr Lebensbereiche
Editorial, Dr. Dirk Werth, Chefredakteur IM+io
Haben Sie sich schon einmal selbst gegoogelt? Alle Daten, die Sie dabei finden, ergeben Ihren „digitalen Schatten“ im Netz und akkumuliert sogar Ihren „digitalen Zwilling“ – Ihr Abbild im Internet mit Informationen wo Sie surfen, was Sie kaufen oder wen Sie bei Facebook liken. Ob dem Internet- Nutzer dies behagt, ist eine Frage der persönlichen Bewertung, verbunden mit Themen des Datenschutzes und der Datensouveränität. Die Industrie dagegen fragt in den vergangenen Jahren bewusst und gezielt nach „digitalen Zwillingen“ von Komponenten, Produkten und Produktionsstätten. Je mehr Daten über ein Produkt bekannt und digital erfasst sind, desto eher können Probleme noch vor Produktionsbeginn erkannt und beseitigt werden. Dank der schon seit Jahrzehnten angewendeten CAD-Technologie, die sich nun mit Technologien wie Predictive Maintenance oder dem Internet of Things verbindet, werden mittlerweile Autos vor ihrem Erstauftritt auf dem Montageband zunächst virtuell bis zur letzten Schraube auseinandergenommen und wieder zusammengebaut; Produkte werden als Computermodell entwickelt, getestet und bis zur Serienreife weiterentwickelt, ohne jemals prototypisch gebaut zu werden. Selbst Lebensmittel können in Zukunft in Computermodellen getestet und ihr Produktionsprozess bis hin zum Vertrieb digital simuliert werden, noch bevor sie ihren Weg erstmals zum Gaumen gefunden haben.
Der Vorteil digitaler Zwillinge liegt in den Vorhersagen, die durch eine Simulation getroffen werden können: diese senken potenziell Entwicklungs- und Produktionskosten, erhöhen die Möglichkeit, Risiken abzuschätzen und steigern damit insgesamt die Qualität. Doch haben digitale Zwillinge auch Schattenseiten. Das Darknet ist der Zwilling des uns bekannten Internets – ein Segen für politisch Verfolgte und zugleich ein Hort für kriminelle Aktivitäten. Gewissermaßen ein dunkler digitaler Zwilling, der sich seit Langem im Fadenkreuz der deutschen und internationalen Strafverfolgungsbehörden befindet.
Welche weiteren Potenziale ein digitaler Zwilling für die industrielle Produktion aufweist, zeigt seit Jahren bereits die Smartfactory Kaiserslautern. Die Anwendungsfelder dehnen sich hierbei zunehmend aus. Der digitale Patient könnte auch einmal Ihr Leben retten, wenn seine Daten mit den Krankheitsbildern anderer Patienten abgeglichen werden können.
Mit der vorliegenden Ausgabe digitalisieren wir auch das Fachangebot der IM+io weiter – das Magazin erhält gewissermaßen einen immer schärfer konturierten „digitalen Zwilling“: Zum Start unserer neuen Ausgabe finden Sie die Beiträge dieser und älterer Ausgaben unter der URL www.www.im-io.de. Zudem bieten wir einen ersten digitalen Vorgeschmack auf unsere kommenden Themen. Neben dem digitalen Zwilling ist auch das Original erneuert: Neben der neuen Covergestaltung erscheint die IM+io ab sofort bei AWSi Publishing, dem neuen Verlagsangebot des AWS-Institutes. Dies bedeutet den Startschuss für weitere spannende Veröffentlichungen – so viel sei bereits verraten. Aber auch in dieser Ausgabe finden Sie Neues: Mit unserer neuen Rubrik „Out of the Box“ führen wir die thematische Verbreiterung der IM+io konsequent fort. Last but not least finden Sie in dieser Ausgabe erstmals das Editorial geschrieben von mir als Chefredakteur der IM+io. Prof. Dr. h. c. mult. August-Wilhelm Scheer als Herausgeber und ich werden Sie zukünftig im Wechsel in die jeweiligen Fokusthemen einführen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihrem digitalen Zwilling viel Spaß und zahlreiche überraschende Erkenntnisse beim Lesen unserer neuen Ausgabe.
Ihr Dirk Werth, Chefredakteur IM+io