VUKA-Geschäftsprozesse
Der ultimative Erfolgsclash in Unternehmen
Dirk Werth, Chefredakteur IM+io
(Titelbild: © AdobeStock | 297909924 | New Afrika)
Die heutige Geschäftswelt ist geprägt vom radikalen Wandel unter beispiellosen Turbulenzen. Mit digitaler Disruption, globalen Klimakatastrophen, zerbrechenden Lieferketten, rückläufigem Wirtschaftswachstum und kulturellen Unruhen stehen Unternehmen vor einer gewaltigen Herausforderung, wenn es darum geht, die zukünftige Langzeitperformance zu gewährleisten. In Leadershipzirkeln stehen daher aktuell die VUKA-Prinzipien hoch im Kurs. „VUCA“, das Akronym für die englischen Begriffe “Volatility”, “Uncertainty”, “Complexity” und “Ambiguity”, wird als Allheilmittel für die paradigmatische Ausrichtung von Unternehmen nicht nur in wirtschaftlichen Notlagen gesehen. Die VUKA-Prinzipien beziehen sich auf die Idee, dass die Geschäftswelt zunehmend von schnellen Veränderungen, Unsicherheit, komplexen Problemen und mehrdeutigen Situationen geprägt ist und sich Unternehmen daher in die Lage versetzen müssen, flexibel und agil auf solche Herausforderungen zu reagieren, um erfolgreich zu sein. Soweit die gängige (Lehr- und Praxis-) Meinung.
Gleichzeitig kann man ein Revival des Prozessmanagements beobachten. Während das Hypethema der 1990er Jahre in den Dot-Com und Post-Dot-Com Zeiten eher ein Nischendasein fristete, ist es in den letzten Jahren wieder auf die Agenda der meisten Unternehmen gerückt. Eindrucksvolle Signale sind der Aufstieg des Startups Celonis zum Dekacorn, also einem Startup mit einer Bewertung von über 10 Milliarden USD, oder die Akquisition des Prozessspezialisten Signavio durch die SAP für rund eine Milliarde Euro. Klassisches Prozessmanagement ist also wieder en vogue: Mein Geschäft muss wohlstrukturiert sein, die Prozesse klar spezifiziert, konsequent implementiert und immerwährend controlled. Das Unternehmen im SOP Kleid („Standard Operation Procedures“).
Diejenigen, die sich anpassungsfähig und flexibel zeigen, sind diejenigen, die in dieser turbulenten Welt überleben können. Muss man also auf die Effizienz und Effektivität, ja auf die Vorhersehbarkeit strukturierter Geschäftsprozesse verzichten und sich stattdessen dem Chaos und der Unsicherheit stellen? Das klingt vielleicht abschreckend, und es widerspricht dem Gesetz des Stärkeren. Denn damit würden nicht vorranging Unternehmen erfolgreich sein, die mit starken und kostengünstigen Prozessen aufgestellt sind, sondern eher Unternehmen, die sich agil zeigen können und schnell auf Veränderungen reagieren oder neue Chancen nutzen beziehungsweise sogar Marktstörungen in ihrem Sinne nutzen können. Diejenigen, die sich zu sehr auf Sub-Prozesse verlassen, könnten Gefahr laufen, in ihrer eigenen Ordnung gefangen zu sein.
Natürlich bedeutet das nicht, dass Sub-Prozesse völlig verworfen werden sollten. Sie können nach wie vor in bestimmten Bereichen nützlich sein, um die Effizienz zu steigern. Aber Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass sie in einer Welt leben, in der die Dinge nicht immer nach Plan verlaufen.
Möglicherweise sind Geschäftsprozesse und VUKA wie zwei Pole in der Welt der Unternehmensführung, und der Schlüssel zum Erfolg in der Zukunft liegt irgendwo dazwischen. Ich persönlich glaube eher, dass es einer neuen Generation von robusten, ja, resilienten Geschäftsprozessen bedarf: Strukturen, die gewissermaßen mitschwingen können, verbiegbar sind, aber gleichzeitig unglaublich belastbar. So in etwa wie man Wolkenkratzer in Erdbebengebieten baut. Ja, in der heutigen Welt des unberechenbaren Chaos, in dem sicher Geglaubtes plötzlich doch nicht mehr gilt, da ist es genau das, was wir brauchen, zumindest, wenn Sie hoch hinaus wollen: Skycraping Processes. Ich drücke Ihnen fest die Daumen für Ihr (hoffentlich nicht allzu experimentelles) Bauvorhaben!