Die Kunst der digitalen Transformation
Schaefflers Digitalisierungs-Roadmap
Jürgen Henn und Susanne Gottschalk, Schaeffler AG
(Titelbild: © Schaeffler AG)
Kurz und Bündig
Digitalisierung beschränkt sich nicht ausschließlich auf digitale Technologien. Die digitale Transformation erfordert eine tiefgreifende Veränderung der Denkweise und greift in zahlreiche Facetten wie technologische, fachliche, kulturelle und vor allem auch menschliche ein. Für eine erfolgreiche digitale Transformation setzt Schaeffler auf die Balance zwischen Tradition und Innovation mit einer klaren Ausrichtung und einem umfangreichen Bild des Weges von der Entwicklung der Strategie bis zu ihrer Umsetzung – so wie die von Schaeffler skizzierte Digitalisierungs-Roadmap.
Digitalisierung entfaltet ihre wahre Kraft nicht allein durch Technologie – digitale Transformation ist ein gestalterisches Vorhaben, das von Menschen gemacht wird. Schaeffler als „Motion Technology Company“ setzt auf die Balance zwischen Tradition und Innovation, um das Unternehmen erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen. Orientierung hierfür gibt die Digitalisierungs-Roadmap als unternehmensweites Rahmenwerk und Leitbild für die digitale Transformation bei Schaeffler.
Die Schaeffler Gruppe mit Hauptsitz in Herzogenaurach ist keine „Born-Digital Company“. Und unsere Mitarbeiter:innen sind nicht ausschließlich „Digital Natives“ oder „Digital Savvy“, also Menschen, die mit einem tiefgreifenden Verständnis für digitale Technologien aufgewachsen sind. Als „Motion Technology Company“ liegt unsere Expertise in innovativer Bewegungstechnologie, die sich in Anwendungen von Autos über Maschinen bis hin zu Windkraftanlagen wiederfindet. Der Kern und das verbindende Element all unserer Produkte in den sechs Kategorien – „guide, transmit, generate, drive, energize and sustain motion“ – ist Bewegung und wird dies auch in Zukunft sein.
Die Kunst besteht für uns darin, das Unternehmen in der Balance zwischen Tradition und Innovation erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen. Hierfür ist eine klare Ausrichtung notwendig – eine Roadmap, die uns den Weg weist von der Entwicklung bis zur Umsetzung.
Teil I: Digitalisierungsstrategie – Das Zielbild
Die Digitalisierungsstrategie ist das Herzstück unserer Digitalisierungs-Roadmap. Sie zeichnet ein greifbares und nachvollziehbares Bild der digitalen Transformation bei Schaeffler. Neben den angestrebten Zielen, den Fokusbereichen und Schwerpunkten werden auch die Zusammenhänge und das Wechselspiel der technologischen, fachlichen, kulturellen und menschlichen Facetten veranschaulicht.
Durch die Ausgestaltung des strategischen Zielbilds in Form von drei Perspektiven, vier „Digital Solution Pillars“ und drei „Digitalization Enablern“ schaffen wir einen strukturierten Rahmen, um Digitalisierungsaktivitäten in allen Divisionen (Automotive Technologies, Automotive Aftermarket, Industrial), Funktionen und Regionen erfolgreich anzugehen und umzusetzen.
Die drei Perspektiven
Die drei Perspektiven – auch wenn sie je nach Betrachter:in unterschiedlich gewichtet werden können – sind allesamt von gleicher Bedeutung und interagieren miteinander:
Business-Perspektive: Digitalisierung bedeutet nicht, unser bestehendes Geschäftsmodell zu ersetzen – aber wenn wir digitale Lösungen als essenziellen Bestandteil integrieren, kann das wiederum dazu beitragen, Wettbewerbsvorteile zu erzielen und innovative Produkte und Services zu entwickeln. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert die enge Kooperation und Abstimmung zwischen den Business- und Digitalisierungsexpert:innen.
Businessexpert:innen kennen die Ziele und Bedürfnisse des Unternehmens, während Digitalisierungsexpert:innen digitale Lösungen identifizieren und implementieren, um diese Ziele zu erreichen. Kern der Zusammenarbeit ist es, alle Aktivitäten im Bereich Digitalisierung darauf auszurichten, das bestehende Geschäft zu optimieren und gleichzeitig Chancen für ein neues zu schaffen.
Daten-Perspektive: Für uns sind Daten eine der treibenden Kräfte hinter der Digitalisierung, und sie spielen deshalb eine zentrale Rolle in der digitalen Transformation. Hochwertige Daten, die zur richtigen Zeit intern und extern geteilt werden, bieten in Kombination mit intelligenter Analytik bedeutende Erkenntnisse, um effektive Entscheidungsprozesse zu unterstützen und funktionale Optimierungen voranzutreiben. Die Nutzung von Daten als strategische Ressource ermöglicht es uns, fundierte Maßnahmen zu ergreifen und den Wert unserer Digitalisierungsaktivitäten zu maximieren.
IT-Perspektive: Moderne Software-Anwendungen und robuste IT-Infrastrukturen bilden das Rückgrat unserer Digitalisierungsstrategie. Sie sind die technologische Basis, ohne die die angestrebten Ziele nicht erreicht werden können. Eine starke IT-Infrastruktur gewährleistet die Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit und Sicherheit der digitalen Transformation, was wiederum die erfolgreiche Umsetzung der gesamten Strategie ermöglicht.
Die vier Digital Solution Pillars
Stellt man sich die digitale Transformation als großes Bild vor, dann wären die vielen unterschiedlichen digitalen Lösungen wie Mosaiksteine, die gemeinsam ein Motiv formen. Die Kategorisierung in vier „Digital Solution Pillars“ gibt unserem Bild Struktur:
Smart Products: Wenn wir von smarten Produkten sprechen, sind alle Produkte und Services gemeint, die entweder digital optimiert oder komplett digital sind. Die volle Bandbreite reicht dabei von digitalen Zusatzinformationen für physische Produkte, intelligenter Software in idealerweise vernetzten mechatronischen Systemen über datengetriebene Softwareprodukte bis hin zu digitalen Servicelösungen. Durch digitale Technologien und verstärkte Nutzung von Daten können diese Produkte und Services personalisierte Erfahrungen bieten, die Effizienz und die Funktionalität steigern, Benutzer:innenfreundlichkeit erhöhen und neue Möglichkeiten für innovative Geschäftsmodelle eröffnen. Gleichzeitig ermöglicht uns die kontinuierliche Sammlung von Nutzungsdaten eine bessere Anpassung an die Bedürfnisse unserer Kund:innen und erleichtert die Weiterentwicklung der Produkte im Laufe der Zeit. Im Blick haben wir dabei sowohl unsere Automotive- wie auch unsere Industriekund:innen.
Digital Value Chain: Mittels der „Digital Value Chain“ treiben wir die Integration von digitalen Technologien und Datenflüssen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Schaeffler voran. Das umfasst alle Prozesse mit deren horizontaler und vertikaler Integration sowie die digitale Integration und Interaktion mit all unseren Geschäftspart-
ner:innen. Durch Automatisierung, Echtzeitdaten, Kundenorientierung, Agilität, verbesserte Zusammenarbeit und Innovation können wir nicht nur Prozesse und Kanäle optimieren, sondern auch bessere Entscheidungen treffen und flexibler auf Veränderungen reagieren.
Cyber-physical Equipment: „Cyber-physical Equipment“ bedeutet bei Schaeffler die Transformation des physischen Equipments, vor allem von Fabriken und Produktionsmaschinen, durch Vernetzung und Digitalisierung. Intelligente Software im oder am Equipment und dessen Vernetzung ermöglicht uns eine präzise Überwachung, Steuerung und Optimierung von Equipment, was wiederum zu einer genaueren Kontrolle der Abläufe, zur Minimierung von Ausfallzeiten und zur Verbesserung der Gesamtleistung führt.
Digital Workplace: Der digitale Arbeitsplatz zeichnet sich für uns vor allem durch seine umfassende Anwendbarkeit aus – und betrifft alle Aufgabenprofile sowohl im Büro als auch in der Produktionsumgebung. Das Ziel ist die Implementierung digitaler Lösungen und kollaborativer Plattformen, um die individuelle Produktivität sowie die Arbeitsabläufe und die Kommunikation in allen Arbeitsbereichen zu verbessern. Durch die Nutzung digitaler Technologien werden Mitarbeiter:innen in die Lage versetzt, effektiver zusammenzuarbeiten, Informationen schneller zu teilen und Aufgaben effizienter zu erledigen. Die Art und Weise zu verändern, wie Menschen arbeiten und miteinander kommunizieren erfordert aber weit mehr als digitale Lösungen – digitale Kompetenz ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor und deshalb eigener Bestandteil der Digitalisierungsstrategie von Schaeffler.
Die drei Digitalization Enabler
Ähnlich den unterschiedlichen Farbtönen in einem Bild verleihen die drei „Digitalization Enabler“ den zuvor genannten Digitalisierungslösungen Tiefe und Substanz:
Digital Foundation: Dieser Enabler dreht sich um die gemeinsame technische Grundlage für alle digitalen Lösungen aus den vier „Digital Solution Pillars“. Dazu gehören übergreifende IT-Infrastruktursysteme, Daten- und Anwendungsplattformen sowie eine vertrauenswürdige Umgebung für Cybersicherheit. Ein weiterer Fokus liegt auf den grundlegenden quer über alle digitalen Lösungen relevanten Daten. Diese Basis legt für uns den Grundstein für eine kohärente und effiziente digitale Landschaft.
Digital Ecosystem: Für uns ist eine erfolgreiche digitale Transformation keine Einzelleistung. Wir konzentrieren uns auf Partnerschaften, Kooperationen und das gemeinsame Schaffen von Mehrwert mit Technologiepartner:innen, Geschäftspartner:innen, Verbänden, Universitäten oder Startups. Ziel ist es, das Geschäft voranzubringen und Raum für Innovationen zu schaffen. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren haben wir ein umfassendes Netzwerk geschaffen, das die Grundlage für kreative Zusammenarbeit und Synergien bildet.
Digital Competence: Der Mensch steht im Fokus der digitalen Transformation. Wir schaffen eine Unternehmenskultur, die Digitalisierung bejaht und aktiv vorantreibt – wir wollen eine Denkweise stärken, die Veränderung und Innovation als maßgebliche Faktoren für den langfristigen Unternehmenserfolg begreift. Dabei spielen ein ganzheitliches und umfassendes Change-Management, kontinuierliche Kompetenzentwicklung, agile Methoden und die Offenheit für digitale Weiterentwicklung eine zentrale Rolle.
Teil II: Umsetzung der Digitalisierungsstrategie
Die Illustration strategischer Zusammenhänge reicht für eine erfolgreiche digitale Transformation nicht aus –wir müssen das angestrebte Zielbild in die Realität umsetzen. Die folgenden sechs Kategorien haben wir als essenzielle Faktoren identifiziert, um die Strategie Schritt für Schritt zu verwirklichen, flexibel auf neue Trends reagieren zu können und uns kontinuierlich anzupassen:
Digital Operating Model: Ein hoch komplexes und gestalterisches Vorhaben wie die digitale Transformation eines Unternehmens erfordert eine klare Zuweisung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Im „Digital Operating Model“ definieren wir, wer welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Kontext der digitalen Transformation übernimmt und wie die Zusammenarbeit gestaltet wird.
Digital Regulations: Die sich stetig ändernde digitale Landschaft bringt eine Vielzahl an Vorschriften mit sich. Wir stellen uns daher regelmäßig die Frage, welche Vorschriften relevant sind, wie darauf reagiert und die Strategie entsprechend angepasst werden kann.
Digital Technology Innovations: Die schnelle Weiterentwicklung digitaler Technologien verlangt nach kontinuierlicher Adaption, um die neuesten technologischen Möglichkeiten frühzeitig und konsequent zu nutzen. Dazu analysieren und verproben wir konstant den neuesten Stand der Entwicklungen, um davon zu profitieren.
Digital Architecture: Die gesamte digitale Landschaft ist hoch komplex und benötigt eine klare Bebauungsstruktur. Mit einer umfassenden, transparenten und nachvollziehbaren digitalen Architektur schaffen wir ein harmonisches Gesamtbild aller relevanten Komponenten, Standards und Designs.
Digital Initiatives: Die klare und zielgerichtete Umsetzung unserer Digitalisierungsstrategie erfolgt über entsprechende Initiativen und Projekte. Dies beinhaltet die Festlegung von Zielen, Priorisierung, Ressourcenallokation, Projektmanagement und Change-Management – und das alles im Rahmen eines gesamten und integrierten Portfolios.
Digital Maturity: Wie misst und bewertet man den Fortschritt der digitalen Transformation in einem Unternehmen? Mithilfe von ausgesuchten Metriken und unseres Digital Maturity Index werden die digitale Reife unseres Unternehmens fortlaufend bewertet, Fortschritte in Bezug auf die Zielerreichung gemessen und strategische Entscheidungen zur Optimierung der digitalen Transformation getroffen.
Digitalisierungsroadmap - Das Gesamtbild:
Die digitale Transformation ist kein IT-Projekt mit definiertem Anfang und Ende und einem starren Ziel, das einmalig erreicht werden kann. Stattdessen handelt es sich um einen kontinuierlichen und iterativen Prozess, der Menschen, das Geschäft, die Daten und digitale Technologien miteinander verbindet. Schaefflers Digitalisierungs-Roadmap, die auf unsere individuellen Gegebenheiten und Ziele zugeschnitten ist, ermöglicht uns, die Chancen der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen – durch die harmonische Integration von Expertise, Innovation und einer klaren Vision für das „Big Picture“ der digitalen Transformation bei Schaeffler.