Technik erleben & begreifen – Wie dem Fachkräftemangel langfristig begegnet werden kann
Das Fachmagazin IM+io zu Besuch bei der Wissenswerkstatt Saarbrücken
Seit Jahren kann beobachtet werden, dass die Nachfrage nach naturwissenschaftlichen und technischen Ausbildungsberufen wie Studiengängen stark zurückgeht – dies nimmt natürlich auch Einfluss auf die Erfolgschancen der Digitalisierung von Forschung und Wirtschaft. Das Konzept der Wissenswerkstatt stellt eine Möglichkeit dar, wie man auf diese Entwicklung reagieren kann, nämlich indem das Interesse des Nachwuchses gefördert wird. Wie das genau funktionieren kann, hat Nicole Maas, die Leiterin der Wissenswerkstatt Saarbrücken, in einem Interview mit der IM+io erklärt.
IM+io: Frau Maas, können Sie uns kurz das Konzept der Wissenswerkstatt erklären und an wen sie sich richtet?
NM: In der Wissenswerkstatt können Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 18 Jahren Phänomene aus Naturwissenschaft und Technik live erleben und spannende Versuche und Projekte selbst durchführen. Auf einer Fläche von 450m² gibt es eine mechanische Werkstatt für Metall- und Holzbearbeitung, Labore für Physik, Elektro- und Steuerungstechnik sowie einen Raum für Robotik, 3D-Druck und Laser Cutting. Zum Beispiel können Kinder und Jugendliche in Praxiskursen Roboter programmieren oder Propellerfahrzeuge konstruieren und zusammenbauen.
IM+io: Die Zielgruppe sind also hauptsächlich Kinder und Jugendliche, die noch zur Schule gehen. Worin liegt denn der Vorteil, dass solche Kurse in der Wissenswerkstatt und nicht zum Beispiel direkt an Schulen besucht werden können?
NM: Das Problem ist, dass sich Schulen oft solche aufwendigen Kurse einfach nicht leisten können, wodurch viele Schüler gar nicht die Möglichkeit haben, eine Begeisterung in diesem Bereich zu entwickeln und sich später für einen solchen Berufszweig zu entscheiden. Und der demografische Wandel in Deutschland lässt bereits heute einen deutlichen Fachkräftemangel im Bereich der technischen Berufe erkennen. Es ist abzusehen, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch zuspitzen wird. Genau hier setzt die Wissenswerkstatt an und vermittelt Wissen in den Bereichen, die durch das schulische System nicht mehr abgedeckt werden. Zum Beispiel Arbeitslehre, Werken, Technik und Konstruktion werden hier praktisch gelehrt und angewendet, wodurch Interesse und Begeisterung beim Nachwuchs geweckt werden. Ein großer Vorteil ist hier auch, dass das gesamte Angebot kostenfrei für jedes Kind, unabhängig von Herkunft oder Finanzkraft, ist. Wir versuchen also, wirklich alle Altersgruppen und Bildungsschichten zu erreichen und ihnen zum einen eine experimentelle Spielwiese zur Freizeitgestaltung zu bieten und zum anderen eine Möglichkeit zu schaffen, ihre Talente zu fördern.
IM+io: Die von euch angebotenen Termine sind fast immer ausgebucht. Man kann also sagen, dass die Nachfrage gewaltig ist. Beschränkt sich diese auf den regionalen Umkreis oder geht sie auch darüber hinaus?
Ja, das ist korrekt. Die Veranstaltungen sind regelmäßig ausgebucht. Ungefähr 40% der Teilnehmer kommen aus privatem Interesse und kommen dann auch meistens aus der nahen Umgebung. Die anderen 60% nehmen im Klassenverband im Rahmen ihres schulischen Unterrichts teil und kommen aus der ganzen Region. Teilweise kommen Schulklassen aus grenzübergreifenden Gebieten und legen Strecken von über 80km zurück, um die Werkstatt zu besuchen.
IM+io: Wie sieht die Zukunftsplanung der Wissenswerkstatt aus? Gibt es Pläne, das Angebot auszubauen?
NM: Auf Grund der starken Nachfrage, ist eine Erweiterung des Angebotes natürlich angedacht. Das Problem hierbei ist das dafür notwendige Personal. Momentan erhält die Wissenswerkstatt Unterstützung von einer Mitarbeiterin im Bundes Freiwilligen Dienst (BFD), von studentischen Hilfskräften und einigen Ehrenämtern. Eine Aufstockung um Fachpersonal steht jedoch im direkten Zusammenhang mit dem Ausbau der Förderstrukturen und der Unterstützung des Netzwerks. Ein Kursangebot auf rein ehrenamtlicher Basis ist nämlich nicht umsetzbar. Wir brauchen dafür Fachpersonal wie beispielsweise Meister der Elektrotechnik oder Profis aus der Praxis und dafür wiederum weitere Unterstützer.
IM+io: Erhalten Sie weitere Unterstützung, durch zum Beispiel ein Alumni-Netzwerk oder einen Förderverein?
NM: Als gemeinnütziger Verein finanziert sich die Wissenswerkstatt e.V. eigenständig über saarländischen Verbände und Partnerunternehmen. Hierzu zählen sowohl KMU als auch Großunternehmen. Neben den Trägern wird die Wissenswerkstatt durch zahlreiche Förderer und Stiftungen unterstützt. Die Wissenswerkstatt und damit auch die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen für Technik lebt von diesem Engagement. Und je mehr mitmachen, umso vielseitiger kann das Angebot gestaltet und ein grundlegendes technisch-naturwissenschaftliches Interesse flächendeckend im Land gesichert werden. Als „Ausgezeichneter Ort der Ideen“ 2016 wurde dieses Engagement bereits auch auf Bundesebene gewürdigt.
IM+io: Was würden Sie sich von Politik und Wirtschaft wünschen, um das Konzept Wissenswerkstatt nachhaltig und zukunftssicher zu etablieren?
NM: Grundlegend ist es weniger eine Forderung an Politik und Wirtschaft. Tragend wäre es, wenn die Wissenswerkstatt dem Lehrpersonal aufzeigen könnte, was an Schulen notwendig sein könnte. Sie wäre damit eine Inspiration, sozusagen ein Leuchtturm, für all jene Lehrer, die die Wichtigkeit eines Unterrichts mit Praxiselementen und Technologieorientierung in der Wahrnehmung stärken und diesen auch allen Schülern zugänglich machen wollen.
IM+io: Also abschließend: Wohin können sich interessierte Unterstützer wenden?
NM: Informieren Sie sich auf unserer Webseite oder kontaktieren Sie mich gerne direkt unter: Dr. Nicole Maas Wissenswerkstatt Saarbrücken e.V. +49 (0) 681 / 959 110 84 info@wiwe-sb.de