„Mit unserer Technik hätte Schneewittchen niemals in den Apfel gebissen“
Kurz & Bündig
Senorics verfolgt die Vision, Spektroskopie massenmarkttauglich zu machen. Zur Zielgruppe gehören Anbieter von B2C- oder B2B-Produkten, die ihren Kunden die Erkennung von Inhaltsstoffen oder Zusammensetzungen als Mehrwert bieten wollen. Direkte Messwerte und präzise Aussagen zu Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln und Getränken, von Kleidung, Flüssigkeiten, Kunststoffen und vielem mehr sollen Entscheidungsprozesse verbessern und Automatisierung ermöglichen.
Das Start-up Senorics präsentiert sich im umkämpften Sensormarkt mit einer neuartigen Analysetechnik. Sie ermöglicht den Nachweis und die Messung von Inhaltsstoffen und Verunreinigungen in einer Vielzahl von Feststoffen und Flüssigkeiten, wie z.B. in Lebensmitteln, Kunststoffen oder Arzneimitteln. Dabei ist sie klein und preiswert herstellbar. In jüngerer Vergangenheit erregte vor allem das Konzept „Plan B“ Aufmerksamkeit – ein Analysegerät für Bier, mit dem kleine Brauereien und Hobbybrauer die Inhaltsstoffe der Maische bestimmen können. Über das Gesamtkonzept haben wir mit Gründer Robert Langer gesprochen.
IM+io: Herr Langer, wie sieht Ihr Businessmodell konkret aus und wodurch differenzieren Sie sich von Ihren Marktbegleitern?
RL: Unser Geschäftsmodell lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wir bauen alltagstaugliche Sensorik zur Erkennung von Inhaltsstoffen und Zusammensetzungen und erleichtern Unternehmen aller Größen die Integration in ihre Produkte. Der erste Teil bezieht sich auf unsere einzigartige spektroskopische Sensortechnologie. Bei Spektroskopie wird eine Probe mit nahinfrarotem Licht bestrahlt. Anhand der Wellenlängenverteilung des reflektierten Lichts können Inhaltsstoffe erkannt und ihre enthaltene Menge bestimmt werden. Im Labor ist das schon seit Jahrzehnten Standard, jedoch im Alltag noch nicht angekommen. Bisherige Technologien waren nämlich entweder preiswert oder leistungsfähig – nicht aber beides gleichzeitig. Unsere Technologie ermöglicht nun Sensoren, die diese beiden wichtigen Eigenschaften kombinieren, und macht so den Weg frei für den Einsatz in Alltagsprodukten wie Haushaltsgeräten, Fahrzeugen oder auch in vielen Servicebereichen. Der zweite Teil bezieht sich darauf, dass wir nicht nur die reinen Sensoren zur Verfügung stellen, sondern vielmehr einen kompletten „Werkzeugkasten“ aus Hardware, Software und Serviceelementen. Die Kunden können daraus gezielt diejenigen Elemente auswählen, die sie gemäß ihres Vorwissens und Bedarfs benötigen, um die Integration unserer spektroskopischen Sensoren in ihre Produkte durchzuführen – von rundum sorglos bis zu hochgradig individuell. Beide Einzelteile unseres Geschäftsmodells und damit auch die Kombination sind so am Markt noch nicht verfügbar und differenzieren uns damit deutlich vom Wettbewerb.
IM+io: Warum wird Sensortechnik im „Kleinformat“ benötigt?
RL: Unsere Vision ist es, Spektroskopie massenmarkttauglich zu machen. Deshalb gehören zu unserer Zielgruppe Anbieter von B2C- oder B2B-Produkten, die ihren Kunden die Erkennung von Inhaltsstoffen oder Zusammensetzungen als Mehrwert bieten wollen. Dieser Mehrwert unserer Technologie ist für Verbraucher, aber auch für viele Industriezweige sehr groß. Direkte Messwerte und präzise Aussagen zu Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln und Getränken, von Kleidung, Flüssigkeiten, Kunststoffen und vielem mehr verbessert Entscheidungsprozesse und ermöglicht Automatisierung. Ein paar Beispiele: Beim Kauf einer Ananas oder Avocado könnte der Kunde direkt messen, ob die Reife passt. Ein Staubsauger würde erkennen, um welche Art von Bodenmaterial es sich handelt und seinen Betriebsmodus optimieren. Das Bügeleisen könnte mit der Sensor-Hilfe seine Temperatur automatisch ans zu glättende Stoffmaterial anpassen. Die Waschmaschine würde allein erkennen, welche Materialien in der Trommel sind und wie schmutzig sie sind, um das richtige Programm zu wählen und die Waschmitteldosierung zu ermitteln. Es gibt immens viele mögliche Szenarien, die wir wiederum unmöglich alle selbst abdecken können. Mit unserer Technik hätte Schneewittchen niemals in den Apfel gebissen! Wir bieten den genannten Werkzeugkasten an, der möglichst viele Menschen und Firmen in die Lage versetzen soll, selbst Material-Sensing-Lösungen auf Basis von Spektroskopie und unserer Technologie zu entwickeln.
IM+io: Wie und wann kam es zur Gründungsidee für Senorics und wer sind die Gründer/ welchen Hintergrund haben sie?
RL: Ursprungort für unsere Sensortechnologie ist die Exzellenzuniversität TU Dresden. Am dortigen Institut für Angewandte Photophysik (IAPP) beschäftigen sich Forscher bereits seit vielen Jahren mit dem Thema organische Elektronik, die auch Grundlage für unsere Entwicklung ist. Senorics haben wir 2017 aus der TU Dresden ausgegründet. Gefunden hatte sich dafür ein vierköpfiges Team. Dr. Ronny Timmreck, Dr. Robert Brückner und Dr. Matthias Jahnel sind allesamt Experten auf dem Gebiet der organischen Elektronik. Sie waren bis dato bereits erfolgreich als Wissenschaftler tätig, unter anderem auch für Fraunhofer oder das Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed). Ich selbst habe viele Jahre Unternehmen in der Gründungsphase beraten. Mit Senorics wagte ich selbst diesen Schritt, weil mich die Idee der Technologie überzeugt hat und das Team inhaltlich und menschlich super ist.
IM+io: Wie haben Sie den Start Ihres Unternehmens finanzieren können, und wie sichern Sie Ihre Finanzierung für die weitere Eroberung des Marktes?
RL: Wir haben Ende 2018 in einer Seed-Finanzierungsrunde 2,3 Millionen Euro einwerben können. Neben dem Hauptinvestor Ventura Investment GmbH zählen auch der Technologiegründerfonds Sachsen sowie die TUDAG TU Dresden Aktiengesellschaft zu unseren Investoren. Für diese Unterstützung und das Vertrauen waren und sind wir damals wie heute sehr dankbar. Das hat dazu beigetragen, dass wir stetig wachsen konnten. Inzwischen beschäftigt Senorics bereits 35 Mitarbeiter. Ende 2019 sind wir in neue, größere Büroräume gezogen. Unseren Wurzeln bleiben wir räumlich aber treu. Nur ein knapper Kilometer liegt zwischen unserem neuen Standort und dem IAPP auf dem TU-Campus. Die weitere Finanzierung für die Fortsetzung unseres Wegs soll natürlich aus einer neuen Finanzierungsrunde voraussichtlich Anfang nächsten Jahres kommen. Wir sind dafür fortlaufend mit Investoren im Gespräch, treffen aber auch gerne jederzeit neue. Letztlich müssen Investoren und Senorics einfach zusammenpassen. Da das bereits gut funktioniert hat, sind wir hier sehr optimistisch, dass es auch bei der nächsten Runde passt.
IM+io: Auch ZEISS hat im vergangenen Jahr in Senorics investiert und eine technologische Kooperation mit Ihnen vereinbart. Wie sieht diese Kooperation aus? Besteht nicht die Gefahr, dass Senorics zur reinen verlängerten Innovationswerkbank des großen Partnern mutiert? Wo ist der Mehrwert für Senorics?
RL: Mit ZEISS entwickeln wir sehr kleine und kosteneffiziente Sensoren für die Industrie. Einsatzmöglichkeiten dafür wären beispielsweise die Qualitätskontrolle oder das Prozessmonitoring bei Herstellern von Lebensmitteln, Kunststoffen, Arzneimitteln oder auch Agrarprodukten. Klar ist ZEISS ein großer Konzern und wir ein Start-up. Aber bei dieser Zusammenarbeit profitieren beide Seiten. Wir zum Beispiel von der langjährigen Erfahrung bei ZEISS, wenn es um Entwicklung, Fertigung und Vermarktung optischer und photonischer Systeme und der dazugehörigen digitalen Lösungen geht. Als weltweit agierendes Unternehmen erschließen sich durch die Partnerschaft mit ZEISS für uns Kontakte, die wir so vielleicht nicht bekämen. Andererseits ist unsere Technologie wiederum für unseren Partner ein Gewinn. Sie können damit neue Anwendungen entwickeln und erweitern damit das Angebot für ihre Kunden. Als verlängerte Innovationswerkbank verstehen wir uns also bei Weitem nicht. Es ist eine Kooperation auf Augenhöhe.
IM+io: Wie sieht die Zukunftsplanung von Senorics aus? Soll daraus ein großes Unternehmen werden, oder haben Sie eher eine Exit-Strategie?
RL: Wir arbeiten aktuell gerade mit Hochdruck am Ausbau unseres beschriebenen Werkzeugkastens, zum Beispiel an einem Evaluations-Kit für Flüssigkeiten, das schon bald auf den Markt kommen soll. Ein Evaluations-Kit für feste Stoffe gibt es bereits, das als Beispiel Textilien erkennen kann. Auch die Software- und Serviceangebote werden laufend ausgebaut. Damit wollen wir natürlich auch unseren Kundenkreis von derzeit bereits 30 Auftraggebern noch deutlich ausbauen. Vor allem auch international, denn wir sehen nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika und Asien großes Interesse, was uns sehr freut. Wie es weitergehen soll? Wir möchten mit unseren Kunden innovative Einsatzbereiche für unsere Technologie ausloten. Die Vision Spektroskopie in den Massenmarkt zu bringen, soll Realität werden. Wir wollen wachsen, ganz klar.