Intelligente Netze als neue Infrastruktur entlasten Nutzer und Netzbetreiber, indem sie Routineoperationen automatisieren, relevante Informationen situationsabhängig recherchieren, bewerten und basierend darauf Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Ausgehend von sich evolutionär weiter entwickelnden Funktionalitäten und Architekturprinzipien Intelligenter Netze und neuartigen, insbesondere auch übergreifenden Anwendungsszenarien mit vielfältigen qualitativen Potenzialen auf mehreren Ebenen wird eine aktuelle Konsolidierung des Architekturprinzips sowie der verschiedenen Einsatz- und Skalierungsprinzipien in neuen Anwendungsfeldern erforderlich, um Treiber und Hemmnisse zu erkennen, aus denen sich konkrete Anforderungen für die Weiterentwicklung und Ausbreitung Intelligenter Netze ergeben [1].
1. Intelligente Netze
Zu Intelligenten Netzen existieren heute je nach zugrundeliegender Anwendungsperspektive unterschiedliche Sichtweisen und Abgrenzungen. Vor dem Hintergrund der Komplexität und Dynamik der Einsatzfelder erstaunt dies wenig und zeigt letztlich, wie schwierig es ist, die Funktionsprinzipien, Wirkungszusammen-hänge und den Nutzen von Intelligenten Netzen prägnant und umfänglich zu definieren.
Aufgrund des zunehmend offenen und breiten Zusammenwirkens unterschiedlichster Technologie- und Anwendungsfelder ist aber gerade hier die Schaffung einer begrifflichen Klarheit hin zu einem erweiterten Netzbegriff essentiell und bildet zugleich einen entscheidenden Erfolgsfaktor für die Entwicklung und Umsetzung. Denn die Auseinandersetzung mit dem Thema „Intelligente Netze“ spielt sowohl auf Unternehmens- als auch auf politischer Ebene eine wichtige Rolle, was nicht zuletzt anhand der zahlreichen Aktivitäten im Umfeld der Nationalen IT-Gipfel-Prozesse 2012 und 2013/2014 zu sehen ist.
Nach [2] werden unter Intelligenten Netzen „Infrastrukturen verstanden, die durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) neue Eigenschaften und innovative, übergreifende Anwendungsmöglichkeiten erfahren.“ Generell stützen sich „Intelligente Netze“ auf alle integrierbaren Kommunikationsnetze, so nutzen sie die klassischen Breitbandnetze (Festnetz oder Mobilfunk), lokalen Netze sowie Haus- Anlagen- und Gerätevernetzungen mit ihren zunehmend „intelligenten Infrastrukturendpunkten“, die auf der Basis von Embedded Systems und CPS-Architekturen entstehen.
Klassisch wurde das Telekommunikationsnetz oder das Energienetz separat, also getrennt voneinander, mit zusätzlichen „intelligenten“ Funktionen angereichert und optimiert. Beispiele aus dem Telcobereich sind der Service 800 („Freephone“) oder die Anrufbeantworterfunktion, die auf der kommunikationstechnischen Transportinfrastruktur aufsetzen und einen erweiterten Kundennutzen bringen. Der Einsatz solcher intelligenter Zusatzfunktionen bzw. die intelligente Vernetzung mit neuen technischen Infrastrukturen bewirken den evolutionären Wandlungsprozess der Intelligenten Netze.
Aber auch die zugrunde liegende Architektur Intelligenter Netze unterliegt einem fortschreitenden evolutionären Wandel, der in starkem Maße durch die Virtualisierung getrieben wird. Zum einen eröffnet dies vielfältige Möglichkeiten, Netzinfrastrukturen dynamisch anzupassen und applikationsspezifisch zu gestalten. Zum anderen werden Anstrengungen unternommen, durch standardisierte Schnittstellendefinitionen aller Netzwerkelemente adaptierbare, dynamische Funktionen für die Konfiguration und den Betrieb in die bis dato statischen Netzwerkstrukturen zu induzieren. Dadurch vereinfacht sich das Management der Netze, wodurch sich Betriebskosten signifikant senken und die Effizienz und Bandbreitennutzung steigern lassen.
Unter diesem Aspekt sind die aktuellen Entwicklungen mit dem Schlagwort „Software Defined Networking“ zu nennen. Allerdings eröffnet diese Technologie auch neue, potentielle Angriffsmöglichkeiten auf die Sicherheit und Verfügbarkeit der Netze, die genauestens untersucht und unterbunden werden müssen.
All diese Überlegungen beziehen sich sowohl isoliert auf eine Anwendungs-Infrastruktur als auch übergreifend auf mehrere Infrastrukturen wie Verkehr, Energie oder Gesundheit und ermöglichen somit die Hebung bisher ungenutzter Synergie-Effekte, und das auch über unterschiedliche Anwendungs-Infrastrukturen hinweg. Dies ist insbesondere für direkte und indirekte Netzeffekte der Fall. Direkte Netzeffekte entstehen, wenn sich durch zusätzliche Netzverbindungen der Nutzen für alle Teilnehmer erhöht. Indirekte Netzwerkeffekte existieren, wenn der Nutzen der Teilnehmer mit der Netzgröße zunimmt, diese Nutzensteigerung jedoch nicht durch unmittelbare Kommunikationsbeziehungen zwischen den Akteuren entsteht, sondern durch komplementäre Güter oder Leistungen wie Dienste oder Schnittstellen. So sind ohne oder bei einer isolierten intelligenten Vernetzung Netzeffekte auf die jeweilige Infrastruktur beschränkt. Eine Verknüpfung mit weiteren Infrastrukturen ermöglicht infolgedessen die Generierung und Potenzierung weiterer direkter, starker Netzeffekte basierend auf deren Kombination. Für indirekte Netzeffekte, deren Wirkungsspektrum weitaus vielfältiger ist und in weitere Sektoren und Netze strahlt, gilt dies gleichermaßen. Die Potenziale sind enorm. Betrachten wir die historische Entwicklung und die wirtschaftliche, institutionelle und soziale Bedeutung einzelner Infrastrukturen über die Zeit hinweg, so wird deutlich, welche Entwicklungsmöglichkeiten erst in der Kombination dieser vormals getrennt voneinander optimierten Systeme stecken.
Zum aktuellen Zeitpunkt werden jedoch häufig die Begriffe Infrastruktur und Anwendung bzw. App vermischt. Intelligente Netze sind keine neuen Anwendungen, die das Internet als Netzwerk nutzen, sondern ein innovativer Typ von Infrastruktur, auf dem neue Anwendungen und Services basieren können.
Intelligente Netze lassen sich als dynamisches, evolutionäres Phänomen verstehen.
Abbildung 1 stellt eine evolutionäre Sichtweise auf Intelligente Netze in den Vordergrund, deren Entwicklung bereits in den 1980ern mit intelligenten Funktionsmodulen für neue Services in geschlossenen Telefonnetzen begann und die in den 90ern zu vom Transportsystem unabhängigen, verteilten Dienstestrukturen führte. So sind Entwicklungen wie zum Beispiel ISDN oder auch Cloud Computing jeweils als Evolutionsstufe zu verstehen, auf deren Basis wiederum neue Funktionen und Vernetzungen von Komponenten hinzutreten können. Die Unabhängigkeit von Transportsystem und Dienstsystem entwickelt sich parallel. Jede Entwicklungsstufe öffnet den Raum für die Evolution Intelligenter Netze weiter und ermöglicht so in Zukunft auch die intelligente Vernetzung vormals physisch und logisch getrennter Systeme und Sektoren.
Die aktuelle Evolutionsphase ist technologisch dabei zunächst durch neue heterogene Transportsysteme, das Internet und verteilte Service- und Datenstrukturen gekennzeichnet. Diese sind wiederum gepaart mit intelligenten Infrastrukturelementen, zu denen beispielsweise CPS – Cyber Physical Systems zählen. Es ist abzusehen, dass die Herausforderungen verbunden mit der massiven Verbreiterung in neue Einsatzfelder, die weitere Skalierung und ihre Handhabung wohl die nächsten Evolutionsphasen bestimmen werden. Auf funktionaler Ebene herrscht Einigkeit, dass „mit Hilfe intelligenter Netze […] der automatisierte Austausch großer Mengen von Daten und unterschiedlichster technischer Geräte kontextbasiert gesteuert und koordiniert“ wird. [4]
Abstrakt formuliert handelt es sich bei Intelligenten Netzen somit um klassische oder neue Infrastrukturen, in denen moderne Transportsysteme vielfältige IKT-HW/SW-Funktionsmodule („Intelligenz“) miteinander verbinden, um neue Eigenschaften und innovative Anwendungsmöglichkeiten mit einem Mehrwert für die beteiligten Akteure zu erzielen. Die „Intelligenz“ ist darin auf vielfältige Art „embedded“ also als integrierte Einheit aus Soft- und Hardware entwickelt, wie Abbildung 2 zeigt. Hierzu zählen beispielsweise:
- Services, die die für ihre Aufgabenerfüllung erforderlichen Inputs und Arbeitsschritte weitgehend autonom sowie ggf. netz- und domainenübergreifend ausführen
- Endgeräte mit eingebetteten Systemen und automatischen Bearbeitungsprozessen
- Zentrale Datenstrukturen eines Anwendungsfeldes (Service Data), die in einem Intelligenten Netz allen teilnehmenden Modulen zur Verfügung stehen sowie
- eine Vielzahl von (teil)automatischen Werkzeugen mit spezialisierten oder generellen Funktionalitäten (App Network Tools) für viele Intelligente Netze.
Die Implementierung der Intelligenz (in Abbildung 2 dargestellt) wird durch Schnittstellendefinitionen, Funktionsprinzipien und –module unterstützt, die auch über Anwendungsfelder hinaus prinzipielle Wirksamkeit für alle Intelligenten Netze haben können und damit den Skaleneffekt auslösen. Dies ist ein zentrales zukünftiges Wirkungsfeld für klare Definitionen und Standards, um eine erfolgreiche IN-Evolution zu ermöglichen.
2. Qualitative Potenziale Intelligenter Netze
Die „Digitalisierung“ unserer Gesellschaft geschieht im Wesentlichen durch die Weiterentwicklung zunehmend „Digitaler Infrastrukturen“ für Mensch, Wirtschaft und Gesellschaft auf der Basis der IuK-Technologieentwicklung in allen Bereichen des täglichen Lebens [8]. Die Verknüpfung der „Digitalen Infrastrukturen“ wird in „Intelligenten Netzen“ zunächst für die fünf definierten Anwendungsfelder Energie, Gesundheit, Verkehr, Verwaltung und Bildung sowie in sich zunehmend verbreiternden und überlappenden Einsatzfeldern wie Produktion (smart factory), Logistik oder „Smart Homes“ bis hin zu „Smart Cities“ oder „Smart Regions“ erfolgen und stellt eine zentrale Schlüsselkomponente für die zukünftige wirtschaftliche Stärke und Innovationskraft Deutschlands dar [4]. Auf diesem Weg entwickeln sich „Intelligente Netze“ zu einer neuen, bedeutenden Infrastruktur einer digitalen Gesellschaft und zu einem der größten und tiefgreifendsten Infrastrukturprojekte des 21. Jahrhunderts [4]. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass sich vielfältige Potenziale erkennen lassen, die sich sowohl aus einer isolierten Betrachtung einzelner Einsatzfelder als auch aus einer erweiterten und übergreifenden Betrachtung dieser Einsatzfelder ergeben.
Potenziale Intelligenter Netze ergeben sich nicht nur in den fünf „klassischen Einsatzfeldern“, sondern v. a. auch in einer Erweiterung dieser einerseits und einer übergreifenden Betrachtung dieser andererseits.
(1) Betrachtung der Potenziale isolierter Einsatzfelder
Zu den häufig genannten Potenzialen in den fünf typischerweise diskutierten Einsatzfeldern zählen z. B. Verkehrssicherheit, effizientere und qualitativ bessere Gesundheitsversorgung, geringere Umweltbelastung, Effizienzgewinne in der Verwaltung oder auch verbesserte und aufeinander abgestimmte Kommunikationsprozesse zwischen Bildungsinstitutionen. Hier existiert mittlerweile eine Vielzahl konkreter Beispiele.
(2) Potenziale durch Erweiterung der Einsatzfelder
Ausgehend von der hier zugrunde gelegten Sichtweise einer evolutionären Entwicklung Intelligenter Netze lassen sich die grundlegenden mit neuen Prinzipien erweitern und auch auf andere Einsatz-/Infrastrukturbereiche übertragen. Hierzu könnten beispielsweise Smart Media und Broadcast zur Realisierung einer kapazitätsoptimierenden und zielgerichteten Verteilung von Inhalten über intelligente Infrastrukturen oder auch smart factory zur Realisierung einer intelligenten Produktions- und Fabriksteuerung zählen. Diese Beispiele lassen sich vielfältig ergänzen und erweitern. Letztlich bieten sich vor allem Bereiche, in denen bisher getrennte, proprietäre Systeme vorherrschen, an. Dort kann ein Intelligentes Netz mit seiner Architektur zu neuen Anwendungen bzw. Verknüpfungen mit anderen Anwendungen einen nachhaltigen Zusatznutzen generieren und zu hoher Effizienzsteigerung führen. Konkrete Ansatzpunkte zu einer so verstandenen verbesserten Transparenz und Steuerung von Prozessen in (oder nahezu in) Echtzeit durch Vernetzung, Abbildung und Analyse von physischen und virtuellen bzw. immateriellen Elementen (Cyber Physical Systems, Internet der Dinge) bieten sich in vielen Feldern von Wirtschaft und Gesellschaft an.
(3) Potenziale durch Verknüpfung der Einsatzfelder
Weitere Potenziale für Intelligente Netze lassen sich schließlich auch bei Betrachtung der sich durch die Kombination unterschiedlicher Einsatzfelder ergebenden Potenziale erkennen. Ein konkretes Beispiel ist die Kombination der Einsatzfelder Energie und Mobilität. Dies liegt nahe, da das Mobilitätsverhalten den Energieverbrauch in den Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und privaten Haushalten beeinflusst. Abbildung 3 zeigt auf Grundlage von Expertenworkshops und Expertengesprächen generierte Wachstums- und Innovationspotenziale (hellblaue Zellen) und Synergiepotenziale (dunkelblaue Zellen), die möglicherweise durch die Verknüpfung der jeweiligen Bereiche erwartet werden könnten.
Vor dem unter (2) skizzierten Ansatz einer Erweiterung der Einsatzfelder ergeben sich zusätzliche neue Potenziale sicherlich auch aus der Verknüpfung zwischen Energie und Smart Factory, da der dortige Automatisierungsfortschritt einen direkten Einfluss auf die Verteilung und den Verbrauch von Energie hat. Als weiteres wichtiges übergreifendes Anwendungsfeld ist schließlich das Konzept „Smart City“ zu sehen, das verschiedene Intelligente Netze (Verkehr, Wasserversorgung, Energie etc.) verknüpft und dessen wesentliche Potenziale insbesondere erst durch diese Verknüpfung entstehen.
Vor dem Hintergrund einer IN-Evolution sowie der Idee einer Erweiterung und einer Verknüpfung der diskutierten Einsatzfelder lassen sich somit einige qualitative Potenziale Intelligenter Netze zusammenfassen:
- Für Unternehmen ergeben sich sowohl in den einzelnen, voneinander isolierten Einsatzfeldern als auch in ihrer Erweiterung und Verknüpfung zum einen Effizienzverbesserungen in der Prozessgestaltung und zum anderen Ansatzpunkte für die Entwicklung innovativer oder gar disruptiver Produkte und Dienstleistungen. So ist es sicherlich zweckmäßig, Synergien zwischen Verkehrssteuerung und Energiebereitstellung zu nutzen.
- Aus der Sicht des Industriestandortes Deutschland kann eine Vorreiterrolle im Hinblick auf Intelligente Netze zu vielversprechenden Innovationen führen, welche die deutsche Wettbewerbsposition stärken und die Position Deutschlands auf internationaler Ebene verbessern können. Gleichzeitig wird die Rolle der deutschen Industrie als Wegbereiter für neue Schlüsseltechnologien (insbesondere in der Mikroelektronik, bei virtuellen Netzarchitekturen, aber auch in Bereichen wie Service Data Management, Datensicherheit oder Cyber Security) gestärkt. All das gilt nur, wenn es gelingt, die erforderlichen technologischen Kompetenzen zu entwickeln und unternehmerisch sowohl national, aber vor allem auch international einzusetzen.
- Aus gesellschaftlicher Sicht können durch den Einsatz Intelligenter Netze natürliche Ressourcen geschont werden und zudem durch verbesserte Koordination und Automatisierung die Lebensqualität gesteigert werden. Diese Verbesserungen können einen wesentlichen Ausgangspunkt für gesellschaftliche Innovationen im Hinblick auf neue Herausforderungen (beispielsweise demografische Entwicklung, Gesundheitsversorgung im Alter und auf dem Land) darstellen.
3. Herausforderungen
Um diese und die sich vor dem Hintergrund eines evolutionären IN-Ansatzes zukünftig noch weiter ergebenden Potenziale realisieren zu können, sind Anpassungen verschiedener Rahmenbedingungen auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen insbesondere:
(1) Industriepolitik:
Als wesentliche „Enabler“ Intelligenter Netze gelten bestimmte Schlüsseltechnologien wie die Mikro- und Nanoelektronik und IKT, Sicherheitskonzepte für Schutz- und Management von Daten und CyberSecurity sowie eine gezielte Forschungs-, Industrie- und Standortförderung. Konkrete Ansatzpunkte hierfür sind beispielsweise die Förderung von Pilotprojekten, die Identifikation und das Forcieren von Innovationsbäumen, das Einnehmen einer Vorreiterrolle in Bezug auf existierende und funktionierende Intelligente Netze (beispielsweise Energie oder Smart City), die Initiierung von industriellen Standardisierungsprozessen oder auch die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Innovationscluster und Unternehmensgründungen.
(2) Technisch:
Voraussetzung für das Funktionieren Intelligenter Netze sind zum einen Informationssicherheit, Ausfallsicherheit und Energieeffizienz auf allen Architekturebenen. Denn nur, wenn es gelingt, die Herstellung und Anwendung der verschiedenen Komponenten über alle Schichten und Ebenen hinweg sicher und energieeffizient zu gestalten, lässt sich die Akzeptanz Intelligenter Netze gewährleisten. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Sicherstellung der Interoperabilität innerhalb und zwischen den dargestellten Schichten und Systemen. Dafür braucht es (global) abgestimmte Standards für Schnittstellen und Dienste bzw. Dienstkomponenten.
Die Weiterentwicklung Intelligenter Netze erfordert nicht nur eine technische Vernetzung, sondern vor allem auch die Herausbildung branchen- und schichtenübergreifender Netzwerke und Kooperationen.
(3) Vernetzung:
Das Konzept Intelligenter Netze basiert auf Vernetzung, Verknüpfung oder Integration von intelligenten Komponenten mit klassischen Infrastrukturen auf verschiedenen Ebenen bis hin zur Anwendungsebene. Diese technische Vernetzung kann nur erzielt werden, wenn auch auf strategischer und operativer Ebene branchen- und insbesondere schichtenübergreifend Netzwerke und Kooperationen existieren, die gemeinsam Intelligente Netze weiterentwickeln und hier als Lösungsanbieter agieren. Zwingende Voraussetzung hierfür ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit innerhalb der Wertschöpfungskette zwischen Anbietern von Komponenten, Plattformen und darauf basierenden Anwendungen. Anstöße hierfür können von der Politik kommen – beispielsweise durch eine Fokussierung auf die Weiterentwicklung und Ausbreitung Intelligenter Netze als strategisches wirtschaftspolitisches Ziel (wie die Energiewende) und/oder durch eine Anpassung institutioneller Rahmenbedingungen. Gefördert werden sollte die Vernetzung aber auch durch die Unternehmen selbst, indem sie sich zu branchenübergreifenden Clustern verbinden oder Plattformen zur Integration und Kooperation anbieten bzw. nutzen. Diese Plattformen können virtuell sein oder auch physisch das gemeinsame Ausprobieren neuer Anwendungen und Ideen unterstützen. Für beide Formen existieren mittlerweile erste Konzepte. Die außerordentlich langwierige und schleppende Entwicklung von offenen Plattformen und Standards für die Heimvernetzung sollte ein Lehrstück für die Notwendigkeit sein, die erforderliche Interoperabilität bei Intelligenten Infrastrukturnetzen frühzeitig und nachhaltig sowie mit geeigneter Unterstützung aus Politik und Verbänden – auch auf internationaler Ebene − anzugehen.
(4) Daten- und Nutzerschutz:
Unabhängig vom jeweiligen Einsatzfeld und den konkreten technischen Komponenten ist eine wesentliche Grundlage für Intelligente Netze die transparente Verknüpfung bisher getrennt gehaltener Datenbestände und Funktionen. In der Konsequenz entstehen Ansammlungen von Daten, für deren Nutzung, Zugang und Verknüpfung ein rechtlicher Rahmen zum Daten- und Nutzerschutz erforderlich ist (Open bzw. Big Data-Ansätze, Anonymisierung). Es ist selbstverständlich, dass in diesem Kontext auch unabhängig von einer Personenbezogenheit von Daten Integrität, Verfügbarkeit und Authentizität, also Sicherheit kritischer Infrastrukturen im weiteren Sinne, einen wichtigen Stellenwert einnehmen.
(5) Aus- und Weiterbildung:
Die skizzierte evolutionäre Entwicklung erfordert einerseits den Aufbau und die kontinuierliche Weiterentwicklung von Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen in der Zusammenführung der erforderlichen Hardware und Software-Applikationen auf und zwischen sämtlichen Ebenen. Erforderlich sind somit Experten sowohl mit horizontalen als auch mit fundierten vertikalen Kompetenzen. Zum anderen sind unternehmerisches Denken und unternehmerische Kompetenzen erforderlich, um die sich durch Intelligente Netze ergebenden innovativen Geschäftsmodelle zu erkennen und besser umzusetzen sowie die Evolution Intelligenter Netze zu nutzen.
Diese Vielzahl an Herausforderungen zeigt deutlich, dass der nächste Schritt in der Evolution der Intelligenten Netze nur durch eine koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Akteure aus unterschiedlichen Bereichen erfolgen kann. Erforderlich erscheint in diesem Zusammenhang zum einen die Ermittlung des insbesondere in den skizzierten Herausforderungen erkennbaren FuE-Bedarfs zu sein, um die Potenziale Intelligenter Netze rascher auszuschöpfen sowie zum anderen die Förderung von Großforschungsvorhaben, durch deren Ergebnisse Pilotprojekte auf unterschiedlichen Ebenen wie Industrie, Landesebene oder Regierung ermöglicht und realisiert werden können.
4. Zusammenfassung
Ein wichtiges Kriterium für eine breite, skalierbare Technologie- und Umsetzungsentwicklung ist ein aktualisiertes, übergreifendes Evolutionsverständnis Intelligenter Netze. Die aktuelle Evolutionsphase, die durch neue Anforderungen und Lösungen bestimmt ist, bedarf eines konsensfähigen Architekturkonzepts mit zugehörigen Beschreibungsmodellen und Nomenklaturen, um den breiten Einsatz zu fördern. Die gemeinsamen Beschreibungsmodelle schaffen die Voraussetzung, um die Funktionen und Träger Intelligenter Netze zu identifizieren sowie für vielfältige Einsatzfelder leicht skalierbar, mehrfach nutzbar und damit effizient einsetzbar zu gestalten. Die Implementierung der Intelligenz muss durch Schnittstellendefinitionen, Funktionsprinzipien und -module erfolgen, die auch über Anwendungsfelder hinaus prinzipielle Wirksamkeit für alle Intelligenten Netze haben können und damit den Skaleneffekt auslösen. Dies ist ein zentrales zukünftiges Wirkungsfeld für klare Definitionen und Standards, um die erfolgreiche IN-Evolution zu ermöglichen. Die Evolution Intelligenter Netze vollzieht sich zum einen innerhalb der heute ausgewiesen einzelnen Anwendungsfelder, besonders aber zukünftig übergreifend über verschiedene Anwendungsfelder sowie durch die Ermöglichung vielfältiger neuer Anwendungsfelder – hin zu einer breiten Palette neuer Anwendungen auf der Basis von Intelligenten Netzen. Hieraus ergeben sich vielfältige qualitative Potenziale für Unternehmen (zum Beispiel innovative Anwendungen und Geschäftsmodelle), den Standort Deutschland (beispielsweise Innovationen, Vorreiterrolle, Stärkung der Schlüsseltechnologien) sowie die Gesellschaft (zum Beispiel Ressourcennutzung, Komfortverbesserung, gesellschaftliche Innovationen). Zur Realisierung sind verschiedene Voraussetzungen auf technischer und industriepolitischer Ebene sowie in Bezug auf das Datenhandling, Bildung und Vernetzung erforderlich, denn eine evolutionäre Weiterentwicklung Intelligenter Netze erfordert zudem eine Vernetzung auf organisatorisch-strategischer Ebene sowie auf der Ebene der Kompetenzen. Insbesondere benötigen Intelligente Netze Schlüsseltechnologien und -kompetenzen als Enabler – wie die Mikro- und Nanoelektronik, Service Data Management, Datensicherheit sowie Cyber Security, deren Weiterentwicklung strategisch und industriepolitisch zu fördern sind. In Richtung Endkunde/Nachfrageseite ist der Mehrwert Intelligenter Netze noch stärker zu thematisieren, um die Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhöhen. In Richtung Weiterentwicklung Intelligenter Netze ergeben sich vielfältige offene Fragen, die wichtige Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsaktivitäten darstellen könnten. Zu ihnen zählen insbesondere Fragen der Abgrenzung und Definition Intelligenter Netze, Konzepte und Zusammenwirken dezentraler und zentraler Intelligenz, Werkzeuge für die systematische Skalierung und Verbeiterung von Einsatzfeldern, Verknüpfungs- und Erweiterungsmöglichkeiten Intelligenter Netze sowie der Einfluss der Internationalisierung.
LITERATUR
[1] Der Beitrag basiert auf dem auf dem Nationalen IT-Gipfel 2012 in Essen vorge-stellten Orientierungspapier des Münchner Kreis „IN-Evolution: Intelligente Netze – Status, Potenziale und Herausforderungen“, vgl. BMWi (Hrsg): Intelligente Netze: Potenziale und Herausforderungen. München 2012. S. 11-18
[2] BITKOM/Fraunhofer ISI (Hrsg.): Gesamtwirtschaftliche Potenziale intelligenter Netze in Deutschland – Kurzfassung. Berlin. 2012. S. 8
[3] Münchner Kreis (Hrsg.): „IN-Evolution: Intelligente Netze – Status, Potenziale und Herausforderungen“, In: BMWi (Hrsg): Intelligente Netze: Potenziale und Herausforderungen. München. 2012. S. 12
[4] Arbeitsgruppe 2 des Nationalen IT-Gipfels (AG2) (Hrsg.): Digitale Infrastrukturen als Enabler für innovative Dienste. Berlin. 2012
[5] Münchner Kreis (Hrsg.): „IN-Evolution: Intelligente Netze – Status, Potenziale und Herausforderungen“, In: BMWi (Hrsg): Intelligente Netze: Potenziale und Herausforderungen. München. 2012. S. 13
[6] Z. B. BITKOM/Fraunhofer ISI (Hrsg.): Gesamtwirtschaftliche Potenziale intelligen-ter Netze in Deutschland – Kurzfassung. Berlin. 2012
[7] Münchner Kreis (Hrsg.): „IN-Evolution: Intelligente Netze – Status, Potenziale und Herausforderungen“, In: BMWi (Hrsg): Intelligente Netze: Potenziale und Herausforderungen. München. 2012. S. 15
[8] Münchner Kreis et al. (Hrsg.): Zukunftsbilder der digitalen Welt – Nutzerperspektiven im internationalen Vergleich. 2011
Arnold Picot, Nico Grove, Jörg Eberspächer, Johann Kranz, Rahild Neuburger, Bernd Wiemann