Aus Second-Use wird Pre-Loved
Im Gespräch mit Sigrid Born, Spenden & Sparen e.V.
(Titelbild: © Spenden & Sparen e.V.)
Kurz und Bündig
„Frauen helfen Frauen“ war im Jahre 2002 die Grundidee, um Frauenhäusern in Bonn und Umgebung finanziell zu helfen. Inzwischen unterstützt „Spenden & Sparen“ auch viele andere gemeinnützige und wohltätige Einrichtungen, wie z. B. die Obdachlosenhilfe, Behinderteneinrichtungen und Hospize in Bonn. Dem Verein werden gebrauchte Gegenstände des Alltags gespendet, die dann in einem kleinen Ladenlokal zu sozialen Preisen verkauft werden. Der Erlös wird wiederum gespendet.
Das Geschäftsmodell eines üblichen Second-Hand-Ladens ist altbekannt: Privatleute bringen Kleidung, die sie nicht mehr tragen, in den Laden, der diese für sie an private Interessenten verkauft. Der erzielte Erlös wird nach einem vereinbarten Schlüssel zwischen beiden Parteien aufgeteilt. Anders ist das bei „Spenden & Sparen“, einem kleinen gemeinnützigen Geschäft im Bonner Norden: Wer dort gebrauchte Bekleidung oder andere Gegenstände des Alltags abgibt, spendet diese. Das rein ehrenamtliche Team von „Spenden & Sparen“ verkauft die Ware, der Erlös geht an vordefinierte karitative Vereinigungen und soziale Projekte. Über Konzept und Perspektiven haben wir mit Sigrid Born gesprochen, die sich in dem Geschäft einmal pro Woche engagiert.
Frau Born, Sie sind ehrenamtlich bei „Spenden & Sparen“ tätig. Wann und wie ist das Konzept entstanden?
SB: Im Gründungsjahr 2002 motivierte zwei ehemalige Oxfam-Mitarbeiterinnen die Idee, Bedürftigen in Bonn zu helfen, vornehmlich den Frauenhäusern. Beispielgebend und Wegweiser war das bereits bestehende Projekt „Apfelbäumchen e.V.“ in Köln, das ein ähnliches Konzept vertritt. Der Verein „Spenden & Sparen“ ist von Anfang an gemeinnützig und korporatives Mitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Rhein-Sieg. Inzwischen unterstützt „Spenden & Sparen“ auch viele andere gemeinnützige und wohltätige Einrichtungen, wie zum Beispiel die Obdachlosenhilfe, Behinderten-Einrichtungen, Hospize, aber eben auch die beiden Frauenhäuser in Bonn.
In den ersten Jahren waren die Umsätze noch sehr bescheiden. Man hat sich gefreut, wenn an einem Tag 20 DM zusammenkamen. Heute kommen wir mit unserem weiterhin rein ehrenamtlichen Engagement auf eine jährliche Spendensumme von circa 100.000 Euro. Möglich wird dieser Erlös durch die Unterstützung von rund 40 Frauen. Sie kümmern sich grundsätzlich um alle anfallenden Arbeiten. Die individuelle Arbeitszeit beträgt dabei fünf bis zehn Stunden.
Die Preise sind so gestaltet, dass sich insbesondere sozial schwache Mitbürger, wie Arbeitslose, Obdachlose, Empfänger von Sozialhilfe sowie Geflüchtete, bei uns mit Kleidung und anderen Gegenständen des täglichen Lebens versorgen können. Dabei ist es uns wichtig, dass sich jede und jeder von ihnen willkommen fühlt und Wertschätzung erfährt. Unseren Kundinnen und Kunden gibt es zudem ein gutes Gefühl, dass sie mit ihren Einkäufen wiederum anderen Menschen in den Einrichtungen, die wir unterstützen, helfen können.
Wie muss man sich Ihren Arbeitsbereich konkret vorstellen, das heißt, wofür sind Sie zuständig?
SB: Zusammen mit den Kolleginnen sichten und sortieren wir die eingehenden Spenden, entscheiden über die Preisgestaltung und zeichnen die Ware entsprechend aus. Anschließend bringen wir diese in den Laden zum Verkauf. Wichtig ist dabei natürlich auch ein gewisses Gespür für die entsprechende Präsentation. Da kommt täglich so einiges zusammen, überwiegend Kleidung, aber auch Bettwäsche, Handtücher, Geschirr, allerlei Krimskrams, der tatsächlich aber auch gefragt ist. Vieles stammt aus Nachlässen, und man muss genau hinschauen, ob es sich nicht vielleicht sogar um ein tolles Markenprodukt handelt. Neulich hatten wir sogar Schuhe von Prada und eine edle Handtasche. Das macht die Arbeit sehr interessant! Manches Fake-Produkt ist aber auch dabei, da ist der Rat aller gefragt, wie wir damit umgehen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Preisgestaltung. Hauptsache, die Ware ist in Ordnung, und jemand anderes hat Freude damit.
Was passiert zum Beispiel mit den Kleidungsstücken, die nicht mehr verkauft werden?
SB: Was kaputt oder unbrauchbar ist, kommt in die Altkleiderverwertung. Es schaut regelmäßig jemand vorbei, der die Säcke abholt und in die Verwertung leitet. Das ist alles sehr nachhaltig, wie ich finde.
Wie groß ist das Team, und wie setzt es sich zusammen? Was ist Ihr persönlicher Hintergrund?
SB: Wir sind montags bis freitags in zwei Schichten mit vier bis fünf Frauen besetzt. Es handelt sich nach wie vor um ein reines Frauenteam, das gemeinhin aus Rentnerinnen aus der Mitte der Gesellschaft besteht. Unser Altersdurchschnitt ist dabei sehr hoch, er liegt bei 74 Jahren. Das ist natürlich eine Tatsache, die uns große Sorgen bereitet.
Ich selbst bin mit meinen 64 Jahren noch relativ jung. Bis zur Rente habe ich im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und ehrenamtlich einige Jahre bei der Bonner Tafel gearbeitet.
Bonn mit seinen vielen, auch internationalen Institutionen ist ja generell eine eher wohlhabende Kommune. Wer sind Ihre Spender und wer Ihre Kund:innen? Haben Sie in den vergangenen Monaten ein verändertes Verhalten beziehungsweise Bewusstsein bei Spendern und Käufern feststellen können?
SB: Unsere Spender kommen traditionell aus allen sozialen Schichten. In letzter Zeit nehmen wir wahr, dass, insbesondere bei Kleiderspenden, neben dem sozialen Aspekt des Helfens der ökologische Gedanke des „Second-Use“ als Motiv an Bedeutung gewinnt. Es wird also nicht einfach der Kleiderschrank entrümpelt, sondern die erneute Nutzung und damit der sorgsame Umgang mit Rohstoffen zum weiteren Beweggrund.
Kunden kommen nach wie vor vornehmlich aus den unteren Sozialschichten. Das Motiv liegt da in den ökonomischen Zwängen. Allerdings lassen sich nach und nach bei uns auch neue Interessenten sehen, jene, für die als Konsumenten das Thema Nachhaltigkeit eine wachsende Rolle spielt. Dabei handelt es sich vorrangig um junge Leute, die ihr verändertes Bewusstsein gezielt leben. Second-Use heißt dann ich nicht selten „Pre-Loved“, da steckt schon eine andere Wertschätzung hinter.
Auch wenn „Spenden & Sparen“ eine reine non-profit Unternehmung ist, so fallen doch alle üblichen Tätigkeiten wie Akquise, Preisfindung, Lagerhaltung, Buchhaltung und Ähnliches an. Wie werden die ehrenamtlich bewältigt? Und werden Sie von einem Steuerberater unterstützt?
SB: Nein, als rein ehrenamtlich agierender Verein leisten wir uns keinen Steuerberater. Das funktioniert gut, denn die Buchhaltung ist aufgrund der Gemeinnützigkeit relativ einfach. Wir zahlen keinerlei Gehälter und haben bis auf die regelmäßigen Kosten wie Miete, Strom oder Material keine Posten, die wir ausweisen müssen. Dafür brauchen wir auch keine IT-Unterstützung. Wir haben allerdings eine Internetseite, die ehrenamtlich gepflegt wird. Ansonsten fallen bei uns – wie schon erwähnt – die täglichen Aufgaben eines normalen Einzelhandels an, aber das funktioniert wirklich gut. Wir profitieren davon, dass unsere Vorsitzende, Petra Laimann, über jahrelange einschlägige Berufserfahrung verfügt und so verlässlich die Richtlinien vorgeben kann.
Sind Sie mit Ihrem Konzept alleingestellt, oder haben Sie bereits Nachahmer gefunden? Wie ist das Verhältnis zu gewerblichen Second-Hand-Läden?
SB: „Spenden & Sparen“ ist in unserer Region tatsächlich ohne Nachahmer geblieben und damit ein Solitär. Gewerblich betriebene Second-Hand-Läden betrachten uns, Gott sei Dank, nicht als Konkurrenten. Im Gegenteil, wir haben zu ihnen ein gutes Verhältnis. Einige kaufen und spenden sogar bei uns.
Uns machen eher die Billigläden mit Waren aus oft prekären Produktionsverhältnissen Sorgen. Leider macht sich nicht jeder Käufer Gedanken darüber, dass für seinen preiswerten Einkauf an einer Stelle, in einem anderen Land, der hohe Preis menschenverachtender Arbeitsverhältnisse gezahlt wird.
Wenn Sie die Möglichkeiten und Ressourcen dazu hätten, was würden Sie bei „Spenden & Sparen“ verändern und wie?
SB: Ich bin ja erst seit einem Jahr dabei, aber wie ich so aus dem Kolleginnenkreis höre, würden wir gerne das Ladenlokal renovieren. Wir brauchen eigentlich auch mehr Platz. Unsere Lagerräume sind viel zu klein, gleiches gilt für den Verkaufsraum, in dem wir nur einen Teil unserer Ware anbieten können.
Natürlich wird es auch wichtig sein, unsere Alterspyramide bei den ehrenamtlichen Helferinnen zukunftsfähig zu gestalten, wir brau-
chen also mehr und jüngere Mitarbeiterinnen. Wir diskutieren auch darüber, dass wir unsere allgemeine Werbung und die konkrete Spendenakquise professionalisieren müssen. Ich persönlich würde mir da auch ein Engagement in den sozialen Medien wünschen.