Klassische Einsparpotenziale beim Kauf sind für die europäischen Verbraucher ausgeschöpft. Sie suchen neue Möglichkeiten, weniger, aber dafür besser zu konsumieren. Das Europa Konsumbarometer 2013, eine Studie der Commerz Finanz GmbH zeigt, dass der alternative Konsum diese Lösungen bietet: Wiederverwertung, gemeinsamer Konsum („Powershopping“), Selbermachen, Teilen statt besitzen („Shareconomy“) und Tauschbörsen stehen hoch im Kurs. Der E-Commerce nimmt eine Doppelrolle ein: Einerseits verändert er die Konsummuster, andererseits wachsen die Anforderungen der Verbraucher an das Shopping im Netz. Der Handel ist gefragt, heute die Weichen für den Konsum von morgen zu stellen.
1. Verändertes Kaufverhalten
Durch die Finanzkrise, die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien und technologische Entwicklungen in Form von Smartphones, Tablets, Cloud und Apps sind neue Konsummuster entstanden. Dies zeigt das Europa Konsumbarometer 2013, eine repräsentative Verbraucherbefragung unter 6.500 Europäern im Auftrag der Commerz Finanz GmbH. Die europäischen Verbraucher müssen mit ihrem Budget haushalten. Mehr als zwei Drittel der Europäer (71 Prozent) verfügen nicht über ausreichend finanzielle Mittel für den Konsum. 61 Prozent möchten weniger, dafür aber besser konsumieren. 52 Prozent bevorzugen es, nicht zu kaufen, sondern andere Konsummöglichkeiten zu nutzen. 82 Prozent recherchieren systematisch den niedrigsten Preis, wie Abbildung 1 zeigt.
2. Alternative Konsumstrategien
Immer häufiger verlassen die Verbraucher die klassischen Einkaufswege. Die neuen Konsummuster haben sowohl soziale als auch nachhaltige Komponenten und schonen das Budget.
2.1 Gebrauchtkauf, Teilen und Tauschen, gemeinsames Kaufen als anhaltende Nutzungsmuster
68 Prozent der Europäer sind bereit, künftig Gebrauchtwaren zu kaufen. Durch das Internet wird der Secondhand-Markt für viele Verbraucher zur Selbstverständlichkeit. Das Prinzip der „Shareconomy“ übertragen die Europäer zunehmend auf gemeinsame Anschaffungen. Dies gilt vor allem für selten genutzte Produkte. Neben der Garten- und Heimwerkerausstattung teilen sie vorrangig die Freizeit- und Sportausrüstung und den Pkw. Mehr als jeder Zweite (53 %) ist an Tauschgeschäften interessiert. Tauschbörsen bieten die Möglichkeit, sich mit Dienstleistungen auszuhelfen. 44 Prozent sind bereit, kleine Reparaturen künftig über Tauschkreise oder im privaten Umfeld abzuwickeln. 62 Prozent der Europäer möchten in Zukunft Gruppenkauf-Rabatte im Internet nutzen.
2.3 Wiederverwertung und „Do it yourself“ statt Neukauf
Das wachsende Umweltbewusstsein sorgt dafür, dass die Verbraucher Wiederverwertungsmöglichkeiten sondieren, bevor sie neue Produkte ansammeln und damit die Umwelt belasten. 73 Prozent der Europäer können sich vorstellen, in den kommenden Jahren Produkte wiederzuverwerten.
2.4 Mieten und Flatrates als Alternativen
Auch die Nutzung zur Miete stellt für die Europäer eine interessante Alternative dar. Rund ein Drittel würde die Sportausrüstung (31 %) oder Garten- und Heimwerkergeräte (33 %) mieten. Flatrates sind vor allem für zuvor definierte Vorsorgeleistungen im Bereich der Gesundheit (43 %), Wartungs- und Reparaturleistungen (33 %) und bei der Fahrzeugnutzung (29 %) interessant.
2.5 Saisonales und Regionales sind beliebt
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Marke spielen das soziale Engagement des Unternehmens sowie dessen ethisches Verhalten und Umweltaspekte eine entscheidende Rolle. Dies spiegelt sich in der Vorliebe für saisonale Produkte aus der Region wider (95 %). 75 Prozent der Europäer wollen in den kommenden Jahren möglichst oft direkt beim Erzeuger kaufen.
3. Internet und mobile Endgeräte beeinflussen den Konsum
Das Internet verändert die Kaufgewohnheiten. Den intensiven Austausch schätzen die Verbraucher ebenso wie die Möglichkeit, Produkte zu teilen oder Waren und Dienstleistungen zu tauschen. 83 Prozent der Europäer beabsichtigen, künftig online zu kaufen. 33 Prozent sind bereit, Einkäufe per Smartphone oder Tablet zu erledigen, wie in Abbildung 2 zu sehen ist.
3.1 Zunehmende „Macht“ der Verbraucher: Information und Bewertung
Verbraucher schätzen Preisvergleichsseiten als Informationsquellen. Heute konsultieren bereits 78 Prozent der Europäer solche Seiten im Vorfeld eines Kaufs. Auf der Suche nach Informationen vernetzen sich die Verbraucher, um gegenseitig Bewertungen, Tipps und Empfehlungen auszutauschen. Mehr als ein Viertel der Europäer (26 %) gibt an, dass Erfahrungsberichte von Fremden zu einem bestimmten Produkt künftig an Bedeutung gewinnen.
3.2 Kauf im Internet: Tendenz steigend
Durch das Internet verlieren stationäre Geschäfte ihre Rolle als bevorzugte Einkaufsorte. Online-Shopping ist für die Europäer keine Besonderheit mehr – 78 Prozent haben Produkte online erworben. 83 Prozent können sich dies in Zukunft vorstellen. 62 Prozent der Europäer möchten künftig das Modell des „Powershopping“ nutzen und durch Gruppenkäufe von besonderen Konditionen im Netz profitieren.
3.3 Stationärer Handel: sinkender Einfluss der Verkäufer
Dennoch bleiben Ladengeschäfte integraler Bestandteil des Kaufprozesses – auch als Schaufenster, in dem die Verbraucher Produkte entdecken und auswählen, bevor sie über das Internet bestellen („Showrooming“). Gerade bei Käufern, die den haptischen Kontakt zum Produkt suchen, kann der Handel vor Ort punkten. Als Haupthindernis des virtuellen Kaufs geben 43 Prozent der Europäer an, dass sie das Produkt nicht sehen oder anfassen können. Jeder fünfte Befragte (21 %) kann die Qualität von Waren und Dienstleistungen im Internet nicht einschätzen. 14 Prozent bevorzugen es, mit einem Verkäufer zu sprechen und sich beraten zu lassen.
3.4 Mobile Endgeräte: der Supermarkt in der Tasche
Längerfristig möchten 33 Prozent der Europäer M-Commerce praktizieren. Fast jeder dritte Befragte wäre bereit, in Zukunft per Smartphone oder Tablet zu bezahlen. Ein Drittel der Konsumenten (33 %) will zudem die Scan-Funktion des eigenen Smartphones zum Einkaufen nutzen.
3.5 Soziale Netzwerke: die Einkaufspassagen von morgen
Das Internet hat den Weg für soziale Netzwerke geebnet, die im Begriff sind, zu neuen Einkaufspassagen von morgen zu werden. 29 Prozent der Europäer würden künftig virtuell kaufen.
3.6 Perspektivenwechsel – die Sicht des Handels
Auf dem Weg zum Check-out sind Bezahlseiten laut Sage Pay Benchmark Report für den Onlinehandel 2013 die kritischste Stelle im Kaufprozess. 46 Prozent aller Käufer springen hier ab. Die richtige Zusammensetzung der Bezahlverfahren ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im Onlinehandel. Bei den unterschiedlichen Payment-Optionen gilt es, die Erwartung der Nutzer und die Anforderungen an die Rentabilität des Webshops in Einklang zu bringen. Eine besondere Rolle nimmt die Zahlart „Finanzierung“ ein, bei der dem Shopbetreiber keine wiederkehrenden Kosten entstehen. Finanzierungsangebote erhöhen den Wert des Warenkorbes und bieten zusätzliche Erträge statt Paymentkosten. Bei der Umsetzung kommt es auf die Gestaltung der Antragsstrecke an. Eine kurze nutzerfreundliche Online-Kreditantragsstrecke steigert die Conversion für Kreditantrag und Kaufabschluss und erhöht so Umsatz und Ertrag des Onlineshops. Responsive Webdesign ermöglicht auf mobilen Endgeräten eine bequeme Bedienung.
4. Verantwortungsvoller Konsum
Europas Verbraucher wenden sich verstärkt den Marken zu, die sich nachhaltig und glaubhaft engagieren. Für solche Produkte akzeptieren sie auch einen höheren Preis. Mehr als die Hälfte der Europäer (55 %) beabsichtigt, ihr Konsumverhalten künftig an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten.
4.1 Transparenz und soziale Verantwortung gefragt
Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist bei der Kaufentscheidung nach wie vor das wichtigste Auswahlkriterium (siehe Abbildung 3). Soziales und ökologisches Engagement einer Marke sind ebenso von Bedeutung. 61 Prozent der Befragten geben an, beim Kauf künftig das Image der Firmen hinsichtlich der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung im Blick zu behalten. Ein umweltfreundliches Verhalten der Unternehmen ist für mehr als jeden zweiten Europäer von Bedeutung (58 %).
4.2 Dialog mit Herstellern erwünscht
Die nachhaltige Orientierung der Verbraucher wirkt sich auf ihre Beziehung zu Marken aus. So sind 70 Prozent der Europäer daran interessiert, von den Markenherstellern in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen einbezogen zu werden.
4.3 Langfristige Nutzung bevorzugt
Nachhaltige Hightechartikel und Haushaltsgeräte sind beliebt. Über 80 Prozent der europäischen Verbraucher entscheiden sich heute für Geräte, die sie langfristig nutzen können.
5. Herausforderung für Hersteller und Handel
Hersteller und Handel sind gefragt, kreative Antworten auf die neuen Konsummuster der Kunden zu finden. Deutlich wird dies an den Prinzipien „Teilen oder Tauschen statt Kaufen“, die sich mit Internet, Smartphones, Cloud und Apps rasant verbreiten und auch traditionelle Geschäftsmodelle verändern können.
Im Extremfall wären die künftigen Abnehmer der Hersteller keine Konsumenten mehr, sondern Sharing-Services. In jedem Fall müssen Hersteller und Handel umdenken. So bedeutet der Trend „Nutzen statt Besitzen“ beispielsweise, dass die Güter vor allem langlebig sein müssen. Dabei geht es nicht nur um Sparen, Nachhaltigkeit oder neue Geschäftsmodelle. Der intelligente Verzicht wird zunehmend auch zu einem neuen Lebensstil für den gilt: „Teilen ist das bessere Haben“.
LITERATUR
1. Commerz Finanz GmbH, Europa Konsumbarometer 2013 – Europas Verbraucher setzen auf alternativen Konsum. München. 2013
2. Sage Pay Benchmark Report für den Onlinehandel. Frankfurt. 2013. S. 21
Anja Wenk