Herausforderungen von Startups in der Informationsbeschaffung
Startups können definiert werden als junge, nicht etablierte Firmen mit innovativen Technologien, Produkten oder Geschäftsmodellen. [2] Startups existieren in nahezu allen Branchen und den verschiedensten Ausprägungen. In diesem Beitrag werden primär Technolgie-Startups betrachtet, das heißt diejenigen, die einen besonderen Technologiebezug in ihren Produkten haben. [3] [4]
Die bekanntesten Startup-Unternehmen sind diejenigen, die besonders erfolgreich sind. Längst nicht alle Entrepreneur-Projekte münden jedoch im Geschäftserfolg – vielmehr scheitert die Mehrheit in den ersten Jahren. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 50% und bis zu 90% der Startups nach wenigen Jahren aufgeben. Warum scheitern aber so viele junge Unternehmen? Eine naheliegende Antwort liegt darin, dass im Moment der Gründung oftmals noch existenzielle geschäftsrelevante Fragestellungen ungeklärt sind. Zwar zielen ausformulierte Business Plans genau darauf ab, solche Unsicherheiten zu eliminieren. Beispielsweise in der Einschätzung des Kundenverhaltens zeigen sich jedoch schnell die Grenzen der Planbarkeit. Gründer folgen daher oftmals dem Motto »Es ist besser unvollkommen anzufangen, als perfekt zu zögern«. Eine bekannte Studie aus dem Jahr 2013 identifizierte die wichtigsten Gründe für das Scheitern von Startups. Die befragten Entrepreneure gaben an, dass fehlender Marktbedarf, überlegener Wettbewerb, Pricing-Probleme und mangelhafte Geschäftsmodelle zu den Hauptursachen für das Scheitern gehören (Abb. 1). [3]
Viele der Hauptgründe für das Scheitern von Startups lassen sich auf fehlende oder fehlerhafte Informationen über das Geschäftsumfeld und die relevanten Technologien zurückführen. Warum fällt es aber Startups offensichtlich so schwer, ihren strategischen und operativen Informationsbedarf zu decken? Einen Anhaltspunkt liefert die Gegenüberstellung charakteristischer Merkmale von Startups mit denen etablierter Unternehmen.
Im Gegensatz zu etablierten Unternehmen können Startups (per Definition) nur auf eine kurze Unternehmensgeschichte zurückblicken. Sie haben deshalb wenig Erfahrung im Umgang mit ihren internen Geschäftsprozessen, welche meistens kaum formal definiert sind. Aufgrund ihrer geringen Größe ist der Handlungsraum von Startups in einigen Aspekten stark eingeschränkt. Für die Informationsbeschaffung bedeutet die geringe Unternehmensgröße beispielsweise, dass sich der Zukauf von Markt- und Technologiestudien oft nicht lohnt bzw. nicht finanzierbar ist. Auch sind aufwendige Trend- oder Szenarioanalysen für Neugründungen oft nicht zu stemmen. Als neue Marktteilnehmer können Startups zudem nicht in gleichem Maße auf Erfahrungen im Umgang mit Kunden und Technologen zurückgreifen wie etablierte Unternehmen. Vielmehr müssen sie schnell lernen „wie der Markt tickt“ und das nötige technologische Erfahrungswissen aufbauen.
Insgesamt stehen Startups also vor der Herausforderung, ihre benötigten Markt- und Technologieinformationen sowie das Wissen und die Erfahrung im Umgang mit Kunden innerhalb sehr kurzer Zeit und mit begrenztem Budget zu generieren.
Informationsbeschaffung in Startups
Bezüglich ihres Informationsbedarfs unterscheiden sich Startups untereinander beachtlich. Technologiegeprägte Startups verfolgen oft eine Technology-Push-Strategie. Ausgehend von einem lediglich vermuteten, latenten Kundenbedürfnis entwickeln sie neue Produkte indem sie bestehende Technologien verbessern, sie neu verknüpfen oder ganz neue Technologien entwickeln, welche das Produkt realisieren. Ihr Informationsbedarf liegt daher primär in technologischen Informationen, welche den Produktentwicklungsprozess unterstützen. Beispielsweise benötigt ein Startup welches neuartige Elektroautos entwickelt, Informationen über die Leistungsfähigkeit der zur Auswahl stehenden Komponenten-Technologien (z.B. Antriebsstrang, Bremsen etc.) sowie Wissen über die technologischen Trends. Auch Entwicklungen, die sich im Bereich der technisch-rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Zulassungsvorschriften und Normen) abzeichnen, sind für das Startup hochrelevant. Ausgehend von diesen Informationen kann die Firma die richtigen Technologieentscheidungen treffen und das anvisierte Produkt erfolgreich realisieren. Erst in einer späteren Phase (im Zuge der Markteinführung) gewinnen Marktinformationen und die Ausrichtung des Marketings an Bedeutung.
Startups welche nach dem Market-Pull Prinzip agieren, haben ein bereits expliziertes Kundenbedürfnis und bestehende Produkte als Ausgangspunkt. Ihr Informationsbedarf ist von Anfang an sehr stark auf Marktinformationen ausgerichtet. Beispielsweise benötigt ein Startup, welches Freizeitmode online vermarktet hauptsächlich Informationen über die potenziellen Käufergruppen sowie deren Vorlieben, Preissensitivitäten und Kaufverhalten im Webshop.
Zu dem Problem, Marktinformationen zu generieren, insbesondere wenn es um das Einschätzen von Kundenverhalten geht, haben sich einige neue Methoden etabliert, auf die Startups zurückgreifen können. Hierzu zählt etwa die Philosophie des Lean Startup und den dazugehörigen Methoden, mit denen Startups durch iteratives Testen minimal-funktionsfähiger Produkte das benötigte Marktwissen erlernen können. Diese Methoden sind jedoch nicht direkt auf das Generieren von Technologieinformationen übertragbar. [2] Zwar lassen sich auch in der Technologieentwicklung durch das validierte Testen von Prototypen schnell wertvolle Informationen gewinnen. Allerdings stößt diese Methode schnell an ihre Grenzen, wenn es um komplexe Produkte geht. So lässt sich – um im Beispiel des Elektroautoentwicklers zu bleiben – die Fahrdynamik eines zu entwickelnden Fahrzeugs nur Testen, wenn die entsprechenden, aufeinander abzustimmenden Subsysteme wie Fahrwerk, Antriebsstrang, Lenkung etc. bereit stehen. Die Aufgabe, minimal funktionsfähige Prototypen aufzubauen ist daher wesentlich zeitaufwendiger und teurer als das Testen von Kundenreaktionen in Bereichen mit geringerer Technologietiefe (wie z.B. das Erproben neuer Modeartikel in einem Webshop).
Disruptive Entwicklungsnetzwerke
Bei der Entwicklung komplexer technologischer Produkte sind Startups daher auf weitere Vorgehensweisen angewiesen, die den Technologieentwicklungsprozess unterstützen. Als ein Erfolgsfaktor für Technologie-Startups hat sich der Aufbau von sog. disruptiven Entwicklungsnetzwerken bewährt. In diesen Netzwerken geschieht die Technologie- und Produktenwicklung des Startups in einem offenen Prozess gemeinsam mit Netzwerkpartnern auf Augenhöhe (Abb. 2). Startups können dabei ihre Entwicklungszeiten beachtlich reduzieren und gleichzeitig die idealen Voraussetzungen für radikale Innovationen schaffen.
Entwicklungsnetzwerke (auch: Disruptive Network Approach, DNA) sind Kooperationsverbünde aus Unternehmen mit innovativen Entwicklungszielen und einer gemeinsamen Strategie für die Erreichung dieser Ziele.
Sie eignen sich besonders dann, wenn disruptive bzw. radikale Innovationen das Ziel der Entwicklung sind und wenn komplexe Technologien für das Produkt notwendig sind. Ein Erfolgsbeispiel für das Vorgehen nach dem Disruptive Network Approach ist das Aachener Spin-Off Streetscooter. Das Startup entwickelte gemeinsam mit einem Netzwerk aus Zulieferern und weiteren Partnern ein serienreifes Elektro-Zustellfahrzeug. Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit im Netzwerk konnten die Entwicklungskosten und die benötigte Zeit auf einen Bruchteil der in der Automobilbranche üblichen Werte reduziert werden. Heute produziert die Streetscooter GmbH erfolgreich für die Deutsche Post AG, die seit Anfang 2015 Eigentümer von Streetscooter ist. Grundidee der disruptiven Entwicklungsnetzwerke ist die Annahme, dass das Teilen von Wissen zu Wettbewerbsvorteilen führt. Ähnlich wie bei Open Innovation-Methoden teilen die Unternehmen ihre Entwicklungsziele, um von der Expertise Externer zu profitieren. Im Gegensatz zu klassischen Open Innovation- Ansätzen geschieht der Austausch jedoch in einem beschränkten, eng geknüpften Netzwerk. Der wesentliche Vorteil eines auf eine übersichtliche Anzahl an vertrauenswürdigen Partnern beschränkten Netzwerkes ist, dass hier wesentlich mehr Informationen getauscht werden können, da der Adressatenkreis als relativ sicher eingestuft wird.
Disruptive Netzwerke befähigen insbesondere kleinere Unternehmen dazu, Technologie- und Produktentwicklungen zu realisieren, die die Unternehmen alleine nicht stemmen können. Schon in den ersten Phasen der Produktentwicklung werden dabei alle relevanten Partner für das zu entwickelnde Produkt einbezogen. Hierzu gehören die Lieferanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette, Vertriebspartner, Zulassungsbehörden und Anbieter von Komplementärprodukten. Ein entscheidender Unterschied zu klassischen Lieferketten sind weitgehend offene Vorgaben für das zu entwickelnde Bauteil/ Produkt. Anstelle von starr definierten Lastenheften werden die Spezifikationen gemeinsam im Projektverlauf bestimmt. Durch die offenen Produktanforderungen in frühen Phasen (»Fuzzy Front End«) eröffnet sich ein Gestaltungsspielraum, der Innovationen befördert. Charakteristisch für disruptive Entwicklungsnetzwerke ist, dass die beteiligten Partner sowohl eigene Interessen als auch gemeinsame Ziele verfolgen. Deswegen ist auch die Wahl der Netzwerkpartner entscheidend für den Erfolg. Nur wenn die gemeinsamen und individuellen Ziele miteinander harmonieren (Tauschgeschäfte zu gegenseitigem Vorteil) wird die Zusammenarbeit langfristig gelingen. [5]
Neben den Synergieeffekten der Zusammenarbeit werden die Wissenspotenziale von Netzwerken immer noch oft unterschätzt. Für technologiegeprägte Startups bilden sie jedoch eine der wichtigsten Informationsquellen. Zudem bieten informelle Netzwerke den Vorteil, dass dort auch solche Informationen getauscht werden, die sonst nicht frei zugänglich sind. Hierzu zählen z.B. Experteneinschätzungen, Erfahrungen, Stimmungsbilder oder „Informationen aus erster Hand“. Nicht nur können die Informationen in einem effektiven Netzwerk kostenfrei beschafft werden, sie sind häufig auch schneller verfügbar. Einem gut positionierten Netzwerkpartner werden die Informationen von anderen Partnern darüber hinaus auch zugetragen, ohne dass dieser danach fragt (»Information Push«). Das Netzwerk fungiert in diesem Fall als Monitoring- bzw. Frühwarnsystem.
Durch intelligentes Vorgehen kann in Netzwerken das Wissen vieler Experten einbezogen werden und zum gegenseitigen Vorteil ausgetauscht werden. In einer zunehmend komplexen Technologiewelt werden Netzwerke auch in Zukunft absehbar eine immer wichtigere Rolle in Produkt- und Technologieentwicklungsprojekten (und somit insb. für Startups) spielen.
LITERATUR
[1] Erfolgreiche Technologiefrüherkennung – von der Pflicht bis zur Kür. G. Schuh et al. In: ZWF – Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 11 /2014, Seite 796-800.
[2] The Lean Startup – How Constant Innovation Creates Radically Successful Businesses. E. Ries, 2011.
[3] The Top 20 Reasons Startups Fail – Post-Mortem Study on 101 Startups. CBInsights, 2014. Einsehbar auf: https://www.cbinsights.com/blog/startup-failure-reasons-top.
[4] Deutscher Startup Monitor 2014. S. Ripsas und S. Tröger. Herausgeber: KPMG in Deutschland, 2014.
Einsehbar auf: https://www.kpmg.com/DE/de/Documents/deutscher-startup-monitor-2014-compressed.pdf.
[5] Radikale Innovation durch effiziente Netzwerke – Erkenntnisse des Aachener Projekts StreetScooter. P. Müller,
G. Kasperk, A. Kampker, Springer 2013, Seiten 25-48. ISBN: 978-3-658-03101-5
Günther Schuh, Felix Lau