Mega-Projekte werden üblicherweise als ein Desaster für den (Steuer-) Zahler wahrgenommen. Das Pricing-Verhalten der anbietenden Unternehmen, die aus Prestigegründen „um jeden Preis“ den Projektzuschlag bekommen wollen, führt aber noch häufiger bei ihnen selbst zu einer ruinösen Gewinnsituation. Zielmargen dürfen nicht aus Minimummargen abgeleitet werden und der technisch orientierte Vertrieb muss mehr Zeit in die Preiskalkulation investieren und sich Preisverhandlungstaktiken aneignen, die der professionelle Projekteinkäufer schon lange beherrscht.
1. Margenprobleme bei Mega-Projekten
Obwohl viele im Projektgeschäft tätige Unternehmen in letzter Zeit die Genauigkeit ihrer Kostenkalkulation sowie ihr Risiko-und Vertragsmanagement erheblich verbessert haben, sind Mega-Projekte für sie fast immer kommerzielle Albträume. Resignierend kommen große Bauunternehmungen, IT-Infrastruktur-Anbieter und industrielle Anlagenbauer gleichermaßen zu der Erkenntnis, dass insbesondere bei prestigeträchtigen Projekten nahezu kein Gewinn zu erzielen sei. Die immer professionelleren Preisverhandlungstaktiken ihres Counter-Parts auf Kundenseite, dem Projekt-Einkauf, kommen für sie erschwerend hinzu.
Gerade diese Entwicklung im Einkauf veranlasst einige Anbieter, ihr eigenes Preismanagement auf den Prüfstand zu stellen. Entsprechende Analyseergebnisse zeigen, dass Projekte – nahezu größenunabhängig – allzu voreilig zu unvergleichbaren Einzelfällen deklariert werden. Aufgrund der hohen Projektkomplexität lehnt der Vertrieb differenzierte Reglementierungen kategorisch ab und verlässt sich nur auf sein Bauchgefühl. Viel zu wenige Basiskennzahlen werden definiert und nachgehalten. Diese fehlende Transparenz ist mitunter sogar willkommen. Mangelt es an klaren Zielen, gibt es auch keinen Benchmark zur Messung des Pricing-Erfolgs.
2. Pricing Excellence-Ansatz für das Projektgeschäft
Der kommerzielle Projektmisserfolg ist vorprogrammiert, wenn bei mehr als 1.000 Arbeitsstunden zur technischen Angebotsausarbeitung kaum Zeit in die Preisfindung und Preistaktik investiert wird. Eine systematische Verbesserung des Preismanagements im Projektgeschäft ist aufwendig und erfordert neben Systematik auch viel Disziplin. Der bewährte Pricing Excellence-Ansatz – dargestellt in Abbildung 1 – besteht für Mega-Projekte aus fünf Elementen.
2.1 Projektakquisitions-/ Angebotsstrategie
Dauerhaft im Projektgeschäft erfolgreiche Unternehmen lenken ihre begrenzten Angebotsressourcen effizient auf die richtigen Angebotsanfragen. Hierzu bewerten sie zunächst systematisch die objektive Attraktivität jeder Projektopportunität: Wie groß ist das Projektvolumen und welche Nachverkaufsmöglichkeiten bestehen? Wie hoch ist die Realisierungschance beziehungsweise die Projektabbruchgefahr? Welche Marge ist zu erzielen? Wie hoch ist die Referenzwirkung des Projekts? Letztere ist bei Mega-Projekten zweifelsohne hoch. Hieraus aber abzuleiten, man müsse ein solches Projekt „um jeden Preis“ gewinnen, stellt sich oft als gravierender Fehler heraus. Öffentliche Ausschreibungen (halb-)staatlicher Unternehmen sind in vielen Ländern so strikt geregelt, dass nur der kostengünstigste Anbieter ausgewählt werden darf. Ob es wirklich für mehrere Projekte dieser Art mitbieten will, muss sich jedes Unternehmen genau überlegen.
Außerdem gilt es zu analysieren, wie gut das ausgeschriebene Projekt zum anbietenden Unternehmen passt (Projekt-Fit): Ist ausreichend Spezial-Know how vorhanden, eventuell auch, indem Konsortialpartner einbezogen werden? Ist das Projekt mit der kurz-, mittel-und langfristigen Ressourcenplanung kompatibel? Können Vorteile aus anderen Projekten gegenüber dem Wettbewerb ins Spiel gebracht werden? Best Practice-Unternehmen bewerten kontinuierlich ihr Portfolio an Projektopportunitäten anhand einer zweidimensionalen Matrix aus Projekt-Attraktivität und -Fit, um nur die relevantesten Projekte für die Angebotsabgabe auszuwählen.
Wie im späteren Verhandlungs-und Projektverlauf ist es bereits vor Angebotsabgabe wichtig, sich in die Situation des Projektentscheiders auf Kundenseite zu versetzen. Typischerweise hat er bereits früh eine Rollenvorstellung von jedem Ausschreibungsteilnehmer. Wer weiß, dass dem eigenen Unternehmen die Rolle zugewiesen ist, ohne realistische Chance auf den Auftrag den Projektpreis zu drücken, soll gar nicht anbieten.
Die „Won-Order-Rate“ ist eine der wichtigsten Kennzahlen im Projektgeschäft. Insbesondere durch ein konsequentes No-Bid-Verhalten, das anhand einer eigenen Kennzahl zu messen ist, können Unternehmen ihre „Won-Order-Rate“ und damit ihre gesamte Angebotseffizienz erheblich steigern.
2.2 Angebots-Preiskalkulation
Eine möglichst exakte Kostenabschätzung mit entsprechenden Risikozuschlägen ist die Basis jeder Projektpreiskalkulation. Nachfolgend besteht die Herausforderung darin, den maximal erzielbaren Projektpreis abzuleiten, mit dem der Anbieter am Ende aller Verhandlungsrunden das Projekt gewinnen kann. Hierbei ist die Frage zentral, mit welcher projektspezifischen Zielmarge ein Preis-Leistungs-Verhältnis erzielbar ist, das aus Kundensicht geringfügig besser ist als das aller mitbietenden Wettbewerber.
Sinnvollerweise wendet fast jedes Unternehmen ein margenabhängiges Preiseskalationssystem an. Hierdurch wird sichergestellt, dass niedrigmargige Projekte nur von höheren Entscheidungsinstanzen im Unternehmen freigegeben werden. Das sehr typische Analyseergebnis in Abbildung 2 zeigt aber, dass viele Entscheidungsträger im Projekt-Pricing die kostenseitige Minimum-Marge mit ihrer Zielmarge gleichsetzen. Speziell für das Projektgeschäft entwickelte Pricing-Modelle leiten demgegenüber die aus Kundensicht objektiv gerechtfertigte Zielmarge her.
Grundlage hierfür ist das genaue Verständnis der kundenindividuellen Entscheidungskriterien zur Projektvergabe sowie deren relativer Gewichtung. Anschließend muss man sich die Zeit nehmen, um mit einem Entscheidungsunterstützungsmodell abzuleiten, wie gut der Kunde das anbietende Unternehmen im relativen Wettbewerbsvergleich pro Kriterium wahrnimmt, wie in Abbildung 3 gezeigt wird. Diese Analyseergebnisse lassen sich in einen Wert verdichten, der – innerhalb einer vorgegebenen Bandbreite – den maximal gerechtfertigten Projektpreis spezifiziert. Unternehmen im Projektgeschäft müssen das breite Know-how der in den Angebotsprozess involvierten Personen nutzen, um zur bestmöglichen Wettbewerbsvorteilseinschätzung zu gelangen. Gleichzeitig verbessert sich durch dieses Vorgehen fortwährend die Prognosegüte des Preisvorschlagmodells. Die Erkenntnis, dass wertorientiert eine Projektpreisdifferenzierung nach Zielmärkten, Zielregionen, Zielkundensegmenten, und weiteren Kriterien realisierbar ist, gibt dem Angebotsteam die notwendige Bestätigung, dass sich der Aufwand zur systematischen Zielmargenberechnung finanziell lohnt.
2.3 Verhandlungsvorbereitung
Insbesondere bei Mega-Projekten vergehen Monate bis Jahre zwischen der ersten Angebotsabgabe und der finalen Projektentscheidung. Nach einer Phase, in der primär die Abstimmung technischer Details zur Projektausführung sowie das rechtliche Vertragswerk im Vordergrund stehen, spitzt sich die Preisverhandlung immer mehr zu. Gerade jetzt muss sich das anbietende Unternehmen insbesondere Zeit für diejenigen Aspekte nehmen, die für den erzielbaren Preis relevant sind. Es gilt abzuschätzen, welche Präferenzen sich im Projektentscheidungsteam auf Kundenseite, dem sogenannten Buying-Center, herauskristallisieren. In der Regel ist es möglich, Skeptiker dort durch gezielte Informationen besser von der eigenen Projektlösung zu überzeugen und diejenigen Mitglieder im Buying Center zu bestärken, die sich bislang dem Anbieter gegenüber wohlgesinnt gezeigt haben. Hierbei ist immer wieder zu validieren, ob der aus objektiven Leistungsvorteilen und -nachteilen abgeleitete, maximale Zielpreis nach aktuellsten Informationen noch richtig berechnet ist.
Es gilt, systematisch herauszufinden, in welche Richtung die situationsspezifische Verhandlungsstärke, die sogenannte „Balance of Power“, den aus Kundenperspektive subjektiv gerechtfertigten Preis beeinflusst. Um die eigene Verhandlungsstärke systematisch herzuleiten, muss sich das Unternehmen folgende Fragen stellen: Wie hoch sind die negativen Konsequenzen für uns, wenn wir den Projektauftrag nicht erhalten? Wie hoch ist hieran gemessen der Nachteil für den Auftraggeber, wenn er nicht mit uns als seinem präferierten Partner zusammenarbeiten kann? Wie hoch ist der Aufwand, entsprechende Alternativen zu finden (Wechselkosten)? Wer verspürt einen höheren Zeitdruck, die Projektverhandlung möglichst schnell zum Abschluss zu bringen? Geht der Kunde spezielle Risiken ein, wenn er das Projekt mit uns macht oder wenn er es mit anderen Anbietern durchführt? Steht hinter unserem Verhandlungspartner noch ein (End-)Kunde, der eine spezielle Präferenz für oder gegen die von uns offerierte Lösung hat? Ein Projekt-Verkäufer muss in jeder Verhandlungssituation die „Balance of Power“ richtig einschätzen können.
Abbildung 4 zeigt, dass Menschen ihre eigene Verhandlungsstärke unterschätzen. Um dem entgegenzuwirken, müssen sie sich vor jeder Verhandlung intensiv mit den für die „Balance of Power“ maßgeblichen Einflussfaktoren auseinandersetzen. Auch für diese Aufgabe hat die Verbreitung von Entscheidungsunterstützungssystemen in letzter Zeit zugenommen.
2.4 Preisdurchsetzungstaktik
Der typische Projekteinkäufer ist in Pricing-Taktiken und in Verhandlungsführung gut geschult. Besonders im industriellen Umfeld sind wegen mangelnder technischer Expertise dagegen kaum „Vollblut-Verkäufer“ zu finden. Verhandlungsführend sind hier zumeist Ingenieure, die mit gezielten Preisdurchsetzungs-Schulungen ihren Verhandlungserfolg im Projektgeschäft deutlich steigern.
Ihre anfänglichen Fehler bestehen darin, auf die Persönlichkeit und den Argumentationsstil ihrer Verhandlungspartner falsch einzugehen. Auch setzen sie die Stärken ihres eigenen Verhandlungsteams nicht richtig ein. Dies wird besonders deutlich, wenn die ranghöchste Person im Unternehmen in ihrer Verhandlungsrolle fast ausschließlich auf die Vergabe von Preiszugeständnissen reduziert wird. Auch die Taktik des Projektverkäufers bei der Sequenz und der Höhe von Preiszugeständnissen ist oftmals für den Einkäufer zu leicht durchschaubar und zum eigenen Vorteil nutzbar. Typische Schwächen des Verkäufers zeigen sich auch darin, wie er seine eigene Argumentationstaktik aufbaut und dass ihm Gegenargumente auf – leicht vorhersehbare – Forderungen und Anschuldigungen seitens des Einkaufs fehlen. Die Professionalität eines guten Projektverkäufers zeichnet sich dadurch aus, wie er Preiszugeständnisse mit der Forderung nach Gegenleistungen verbindet und Preisnachlässe umgeht, indem er weniger margenschmälernde Leistungszugeständnisse ins Spiel bringt.
2.5 Nachtrags-Pricing & Preiscontrolling
Besonders bei Mega-Projekten erkennen die Auftraggeber oft erst während der Projektrealisation notwendige Änderungen, die meistens zu einem höheren Aufwand führen. Deshalb benötigt das ausführende Unternehmen in dieser Projektphase nicht nur technische Projektmanagement-Kompetenzen, sondern auch Fähigkeiten im Nachtrags-Pricing. Zu oft werden aber Änderungen gratis oder nicht kostendeckend umgesetzt, nur um Konflikte mit dem Auftraggeber zu vermeiden. Dabei hat das ausführende Unternehmen in dieser Situation eine starke Verhandlungsposition, um einen guten Nachtragspreis durchzusetzen. Es bedarf klarer Regeln für die Projektmanager, welche Änderungen im Projektverlauf abgerechnet werden, welche Änderungen dem Kunden proaktiv vorgeschlagen werden, wer über die Marge entscheidet und wie der Preis der Änderungen berechnet wird. Die besten Unternehmen erzielen mit einem so gestalteten Regelwerk bis zu 30 Prozentpunkte Margenaufschlag.
In der Projektdurchführungsphase besteht eine hohe Controlling-Notwendigkeit. Mehrkosten und fakturierte Nachtragserlöse müssen einander verursachungsgerecht gegenübergestellt werden. Viele Unternehmen nutzen diese Kennzahlen auch, um hieran die variable Vergütung ihrer Projektmanager zu bemessen. Dies gibt einen Anreiz, um für jeden Margenpunkt zu kämpfen. Die Preiscontrolling-Ergebnisse lassen sich außerdem gut für internes Benchmarking bei zukünftigen Projekten nutzen.
LITERATUR
Simon, H., Fassnacht, M.: Preismanagement: Strategie – Analyse – Entscheidung – Umsetzung, 3. Auflage. Wiesbaden. 2008
Simon, H.: Preisheiten: Alles, was Sie über Preise wissen müssen, 1. Auflage. Frankfurt. 2013
Herr, S., Beducker, Th., Frahm, M.: Power Pricing für Industriegüter: Gewinne steigern durch erfolgreiches Preismanagement, 2. Auflage. Frankfurt. 2013
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Stefan Beek