Wirkung zeigen!
August-Wilhelm Scheer, Herausgeber IM+io
(Titelbild: © Adobe Stock | 431551867 | Andrew Gardner)
Kein Unternehmen kann heute noch nach dem Prinzip des Manchesterkapitalismus seine Profite maximieren. Eine rigorose Ausbeutung von Menschen und Ressourcen, um den Markt zu beherrschen, ist aus der Zeit gefallen. Aber auch heute werden immer noch Verfehlungen gegenüber der Umwelt unnötig in Kauf genommen. Die Herausforderungen der Klimakrise und auch ein gestiegenes Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber dem globalen Süden erfordern jedoch ein radikales Umdenken.
Neben den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben, die die Richtung weisen, geht es zunehmend um die Betrachtung des „Impact“ unternehmerischen Handelns. Auch wenn heute das Konsumverhalten in der Breite noch eher von Preissensitivität geprägt ist, zeigen sich doch bereits Tendenzen zu jenem impactorientierten Kaufverhalten. Neutral betrachtet steht Impact für Auswirkung. Wenn heute aber immer mehr Impact Start-up Unternehmen entstehen, dann geht es gezielt um „positive impact“, um öko-
logische, soziale und ethische Geschäftsmodelle. Brand Purpose soll hier den Unterschied machen, die Positionierung der Marke mit einem gesellschaftlich positiv belegten Zweck soll Kunden überzeugen.
Wie aber sieht es mit bestehenden Unternehmen aus, die – vom Mittelstand bis zum Großkonzern – über vielfältige und komplexe Lieferketten verfügen und den Wert ihrer Marke aus einer konkreten Produkt- oder Dienstleistungspalette schöpfen, deren „Auswirkung“ schlicht die Befriedigung der bisherigen Marktnachfrage ist? Für sie stellt sich nicht zuletzt die Frage, ob eine Orientierung hin zu Impact nicht im Widerspruch zum wirtschaftlichen Erfolg steht.
Unternehmen, die sich ihre Innovationskraft bewahrt haben, zeigen jedoch, dass dieser potenzielle Widerspruch auflösbar ist. Viele erste Schritte zu mehr Ressourcenschonung bei gleichzeitigem ökonomischem Vorteil sind möglich. Dazu gehört ein strategisches Umdenken weg vom rein quantitativen Output hin zum qualitativ bewerteten Outcome. Wenn etwa ein Unternehmen Produktkomponenten herstellt, wird häufig noch eine hohe Anzahl fehlerhafter Teile hingenommen. Diese werden aussortiert, und der Schwund ist einkalkuliert. Verändert man den Fokus auf die Maximierung des Outcome von Ressourcen, so ist das Ergebnis eine im Idealfall durchgängige Qualität und damit die möglichst lückenlose Vermarktbarkeit der gesamten Produktion. Das ist ökonomisch sinnvoll und spart entsprechende Komponenten zur Herstellung ein. Hier wird – wie so oft – eine fortschrittliche Digitalisierung der Produktion zum Enabler. Wenn ganze Prozessketten end-to-end digital abgebildet und überwacht werden, werden notwendige Optimierungsschritte bis in die Lieferketten hinein jederzeit erkennbar und möglich.
Ich bin überzeugt davon, dass mit den neuen Möglichkeiten, die die digitale Transformation für Unternehmen bietet, viele zukunftsfähige Lösungen gelingen können. Lösungen, die sowohl die Wirtschaftskraft stärken als auch dem Anspruch an positiven Impact gerecht werden. Im Kern geht es darum, Unternehmen flexibler aufzustellen, nämlich als „Composable Enterprise“. Die Eigenschaft composable kann man mit zusammensetzbar, kombinierbar oder komponierbar übersetzen. Jene Komponierbarkeit sichert Agilität, Flexibilität, Innovationsfreudigkeit, geringe Komplexität und Resilienz.
Der Begriff des Composable Enterprise wurde von Gartner Analysten geprägt, um eine neue, flexible IT-Architektur zu beschreiben, die sich weg von monolithischen ERP Systemen hin zu dezentralen Einheiten entwickelt. Damit wird eine wichtige Voraussetzung für agiles unternehmerisches Handeln geschaffen. Businessmodelle können so sehr viel schneller an aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen angepasst, verändert oder ganz neu ausgestaltet werden. Dieses Konzept muss aus meiner Sicht jedoch viel breiter gedacht werden, wenn es Unternehmen flexibles Handeln, auch mit Blick auf wachsende Anforderungen an positiven Impact, ermöglichen soll. Dezentrale, komponierbare IT-Einheiten können ihre Wirkkraft nur entwickeln, wenn auch das Unternehmen selbst dezentral und flexibel aufgestellt ist. Dazu muss es wenig komplex sein, denn Komplexität steht Agilität und Flexibilität diametral entgegen. Monolithische Unternehmen mit einer Vielzahl ineinander verwobener Untergliederungen und Prozesse unter zentraler Führung sind zwangsläufig komplex. Dezentrale unternehmerisch und autonom arbeitende modulare Einheiten mit lockerer Kopplung reduzieren diese Komplexität deutlich.
Der Nutzen der Digitalisierung liegt nicht allein in dem Einsatz einer neuen Technik, sondern in organisatorischen Änderungen und neuen Geschäftsmodellen, die von ihr inspiriert werden. Sie zahlen sich nicht nur in Kostenreduktionen und Umsatzsteigerungen aus. Sie ermöglichen es Unternehmen, sich auf Veränderungen durch Gesetzgebung, Konsumverhalten und gesellschaftliche Anforderungen einzustellen, ohne den wirtschaftlichen Erfolg zu gefährden.