Timing - zum effektiven Umgang mit der Zeit
Leseprobe exklusiv für die Leserinnen und Leser der IM+io
August-Wilhelm Scheer, Scheer Holding
„Timing– zum effektiven Umgang mit der Zeit – Erfahrungen und Empfehlungen von August-Wilhelm Scheer“ unter diesem Titel erscheint in Kürze im Springer Verlag das neue, von autobiographischen Erfahrungen geprägte Buch von Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer. Mit einer kurzen Zusammenfassung des Kapitels „Timing-Erfahrungen als Unternehmensgründer“ und einer Leseprobe über die Gründung der IDS Prof. Scheer GmbH, der späteren IDS Scheer AG, bietet IM+io Leserinnen und Lesern erste Einblicke in das spannende Buch.
Schlaflose Nächte, große Erfolge und Fast- Katastrophen haben August-Wilhelm Scheer in seinem Unternehmerleben begleitet und tun es noch. Einblicke in entscheidende Phasen von der Gründung des Software- und Beratungshauses IDS Scheer 1984 bis heute gibt er in dem Kapitel „Timing-Erfahrungen als Unternehmensgründer“. Vom Start-up der Universität des Saarlandes bis zur börsennotierten IDS Scheer AG führte ein wechselvoller Weg. Diese Unternehmensgeschichte endet 2009 mit dem Verkauf an die Software AG. Die von Scheer 1997 gegründete imc AG hat sich da bereits als erfolgreicher ELearning Anbieter aufgestellt, doch Scheers Unternehmergeist wollte mehr. Er schildert den dann eingeschlagenen Weg vom Business Angel für Start-ups über den Rückkauf der Consulting Sparte der IDS, ihrer Sanierung und Neustart als Scheer GmbH sowie deren Wachstum in der Scheer Unternehmensgruppe.
Auszug aus „Gründung der IDS Prof. Scheer GmbH“
[…] Mit fachlicher Unterstützung meines Steuerberaters und 50 000 DM privatem Anfangskapital gründete ich 1984 das Unternehmen „Integrierte Datenverarbeitungssysteme (IDS) Prof. Scheer GmbH“. Mit meinem Namen als Bestandteil der Firma wollte ich mich offen im Universitätsumfeld zu dem Unternehmen bekennen, und mit dem Professorentitel wollte ich das Unternehmen schmücken. Als wir später eine Niederlassung in den USA gründeten, wurden wir häufig nach der Bedeutung des Zusatzes „Prof.“ gefragt. Man meinte, dass es eine Abkürzung für „professional“ heißen würde. Der Professorentitel hat in den USA nicht so einen hohen Stellenwert wie in Deutschland. In den USA schmücken sich eher Professoren mit den Namen großer Unternehmen, mit denen sie Beraterverträge haben, als umgekehrt.
Nach der Gründung bewog ich einige Mitarbeiter des IWi, zum Unternehmen zu wechseln. Es war ein Glücksfall, dass Alexander Pocsay das Angebot annahm. Er wurde nach meiner nur kurzen Anfangszeit als Geschäftsführer mein Nachfolger, der das Unternehmen operativ führte und den Wachstumskurs steuerte.
Meine weitere Tätigkeit als Geschäftsführer war mir vom Kultusministerium untersagt worden, da es mit meiner Funktion als Universitätsprofessor nicht zu vereinbaren wäre.
Ich beteiligte Alexander Pocsay mit einem zweistelligen Prozentsatz am Unternehmen und zwei weitere Mitarbeiter mit einstelligen Beträgen.
Meine Rolle definierte ich als aktiven Aufsichtsrat und arbeitete mit Alexander Pocsay eng zusammen. Wir ergänzten uns perfekt. Er war sehr stark in der operativen Umsetzung, genoss großes Vertrauen bei den Mitarbeitern, arbeitete sich schnell in neue Themen ein und war unermüdlich. Meine Stärke waren die Entwicklung fachlicher Strategien, der Drang zur Expansion und der Kontakt zu wichtigen Partnern. Wir verstanden uns beinahe „blind“.
Das Profil eines Gründungsteams ist entscheidend für den Erfolg eines Start-ups. Es sollte möglichst fachlich divers zusammengesetzt sein, und der unternehmerisch stärkste Gründer sollte die Mehrheit der Anteile besitzen. Nach meiner Erfahrung scheitern viele Start-ups an Streitigkeiten unter den Gründern, weil unterschiedliche fachliche Meinungen bestehen oder plötzlich unterschiedliche persönliche Interessen zutage treten. Deshalb ist es wichtig, dass die am stärksten unternehmerisch engagierte Person der stabile Pfeiler des Unternehmens ist. Auch wir mussten uns nach einiger Zeit von zwei Gesellschaftern trennen.
Alexander Pocsay und ich gestalteten in einem engen fachlichen und persönlichen Verhältnis die Entwicklung der IDS vom Start in 1984 bis zum erfolgreichen Börsengang 1999.
Leider schied Alexander Pocsay aufgrund einer schweren Krankheit zum 1. Oktober 2000 aus dem Unternehmen aus, blieb ihm aber als Gesellschafter und Aufsichtsrat bis zum Verkauf der Anteile an die Software AG in 2009 treu verbunden. Auch heute ist er nach der Genesung von seiner Krankheit ein engagierter und kompetenter Freund und Aufsichtsrat meiner Unternehmen.
Mit der Gründung eines Unternehmens ist es natürlich noch nicht getan. Wir mussten als nächstes für die IDS Prof. Scheer festlegen, welche konkreten Leistungen wir dem Markt anbieten wollten. Für ein IT-Unternehmen betrifft dies vor allem die Entscheidung, ob es ein Service- oder Produktunternehmen sein will. Wir starteten erst einmal mit Beratungsleistungen, also Services.
Auf jeden Fall war der Zeitpunkt für die Unternehmensgründung 1984 das perfekte Timing. Mit meiner Bekanntheit als „CIM-Papst“ und unseren Erfahrungen aus den bereits durchgeführten Projekten am IWi konnten wir mit einem hohen Bekanntheitsgrad und großem Kompetenzpotenzial starten. Wir entwickelten für einige Industrieunternehmen IT-Strategien, darunter auch für das saarländische Unternehmen Villeroy & Boch. Allerdings kannten wir uns nicht in den Problemen aller Branchen aus. Unsere fachliche Heimat waren Industrieunternehmen. In die Branchen Versicherungen, Banken, Handel oder Öffentliche Verwaltung mussten wir uns erst einarbeiten. Um ein Beratungsprojekt zur Verbesserung der Geschäftsprozesse in einem Unternehmen einer neuen Branche zu akquirieren, konnten wir zwar mit unserem generellen Wissen über das Prozessmanagement punkten, hatten aber Probleme bei den detaillierten branchen- und unternehmensbezogenen Fragestellungen. Ich erinnere mich noch an Situationen, in denen mir innerlich der Schweiß auf der Stirn stand und ich kämpfen musste, um Kunden von unseren Fähigkeiten zu überzeugen. Hatten wir aber erst einmal ein Projekt akquiriert, dann haben wir es durch harten Arbeitseinsatz und hohes Engagement auch erfolgreich abgeschlossen.
Wir starteten also mit Beratungsprojekten. Dadurch brauchten wir nicht in Vorleistungen einer Produktentwicklung zu treten. Durch Beratungsprojekte bekommt man zudem engen Kundenkontakt und lernt die echten Probleme der Kunden kennen.
Auf jeden Fall ist für IT-Unternehmen auch ein eigenes Produktangebot neben den Consultingdienstleistungen anzustreben. Die erfolgreichsten IT-Unternehmen sind Produktanbieter. Hard- oder Softwareprodukte können vom Marketing gezielter beworben werden und besitzen eine stärkere Identifizierungskraft für das Unternehmen. Produktumsätze können stärker als Consultingumsätze skalieren, da sie nicht so eng an den Aufbau von menschlichen Ressourcen gebunden sind […]