Stabilitätsanker der nachhaltigen Stromerzeugung
Wie Windenergie durch Big Data zur Energiewende verhilft
Wolfram Axthelm, Bundesverband WindEnergie
Kurz & Bündig
Digitalisierung bedeutet für Produktion und Nutzung von Windenergie längst mehr als das Smartphone und die Zoom-Konferenz. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten gründet der aktuelle Erfolg der Windenergie nicht nur auf der breiteren Flächenbereitstellung, die nach wie vor die Basis bildet. Einen entscheidenden Beitrag leistet die digitale Revolution mit Blick auf Anlagenentwicklung, Service und Wartung, Prognosesicherheit und neue technische Systeme.
Die Windenergie wird zunehmend zur tragenden Säule der deutschen Energiewirtschaft. Im vergangenen Jahr kam bereits mehr als ein Drittel des in Deutschland erzeugten und ins öffentliche Netz eingespeisten Stroms aus Windenergieanlagen an Land und auf See. Der Erfolg gründet in der digitalen Revolution. Als Masseträger mit hoher Prognosesicherheit sind die Anlagen in ganz Deutschland effizient und leistungsstark. Herausfordernd bleiben die Themen Akzeptanz und örtliche Wertschöpfung.
Nach schwachen Jahren beim Zubau arbeitet sich die Branche wieder nach vorn. Dort wo in den Bundesländern Regional- und Landesplanung neue Flächen errichten oder das Repowering durch die Weiternutzung vorhandener Flächen jetzt Fahrt aufnimmt, steigen die Genehmigungszahlen. Der Erfolg der Windenergie gründet dabei längst nicht nur auf der Flächenbereitstellung, auch wenn diese nach wie vor die Basis bildet. Vielmehr leistet auch die digitale Revolution einen entscheidenden Beitrag dazu. Anlagenentwicklung, Service und Wartung, Prognosesicherheit und neue technische Systeme sind dabei wichtige Themen.
Die Anlagenentwicklung ist beeindruckend. Während im gesamten Anlagenpark die einzelne Windenergieanlage über durchschnittlich 1,8 Megawatt Leistung verfügt, hat jede dritte neu genehmigte Windenergieanlage inzwischen mindestens über 5 Megawatt Leistung. An der Spitze stehen Neugenehmigungen mit 6,6 Megawatt. Die Innovationsschritte sind dabei beachtlich. Die spezifische Generatorenleistung stieg seit 2014 im Zweijahresschnitt um jeweils 20 Prozent. Zwei von drei neu genehmigten Anlagen verfügen heute über eine Nabenhöhe von über 149 Meter, und bei jeder zweiten Anlage liegt der Rotordurchmesser über dieser Schwelle. In der Spitze werden aktuell Anlagen mit 170 Meter Rotordurchmesser genehmigt. Nicht nur diese Kennzahlen weisen nach oben, auch beim Thema Systemintegration geht die Entwicklung seit der im EEG 2014 vorgenommenen Einführung einer verpflichtenden Fernsteuerbarkeit von Anlagen in der Direktvermarktung weiter. Basis der Fernsteuerung ist ein intensiver Echtzeit-Datenaustausch zwischen Anlagen und Direktvermarktern. Letztere werden so in die Lage versetzt, die Anlagenleistung zu steuern und zu regeln. Dies gewährleistet durch die Regelung der Menge des eingespeisten Stroms eine wachsende Flexibilität und Netzdienlichkeit der Anlagen.
Im Bereich Service und Wartung wurde schnell erkannt, dass sich die Menge der Daten, die eine Anlage sammelt, nutzbar auswerten lässt. Quälte man sich früher durch ganze Stapel von Datenblättern, gibt es heute über moderne Leitwarten eine laufende Datenfernüberwachung. Die Auswertung der technischen Kennzahlen lässt kleinste Abweichungen am Betriebsablauf erkennen und macht frühes Agieren möglich. Davon profitiert seit einigen Jahren der Servicesektor. Lange bevor kleinste technische Auffälligkeiten zu Problemen führen, kann nun punktgenau gehandelt werden. Die datenbasierte Instandhaltung mit Lebenslaufakten der einzelnen Anlagen setzt sich mittlerweile als Standard durch. Und selbst bei der Kontrolle der Rotorblätter wird zukünftig wohl das menschliche Auge in Standardfällen durch Drohnen mit hochauflösenden Kameras ersetzt. Der digital optimierte Anlagenservice sichert eine technische Verfügbarkeit der Windenergie an Land von gut 98 Prozent und wird so zum Schlüssel des Erfolgs.
Der nächste Baustein liegt in den immer genaueren Wettermodellen und deren Abgleich mit gemessenen Einspeisewerten in Referenzwindparks. Daraus lassen sich den Netzbetreibern heute zuverlässige Prognosen zur erwarteten Einspeisung liefern. Große Forschungsprojekte wie ORKA, EWeLiNE oder PerduS haben die Voraussetzungen geschaffen, die Vorhersagen an die Notwendigkeiten einer erneuerbar getragenen Energiewirtschaft anzupassen. Die dadurch inzwischen erreichte Prognosesicherheit der Windenergie – verbunden mit dem optimalen Betrieb einzelner Anlagen und ganzer Parks – machen es möglich, die Lastflüsse im Netz sehr geordnet zu steuern. Dies lässt die Windenergiebranche zu einem Stabilitätsanker der nachhaltigen Stromerzeugung werden. Ganz neu kommen jetzt die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung und technische Systeme zur Minderung von Vogelkollisionen an Windenergieanlagen hinzu. Auch diese stützen sich auf die konzentrierte Nutzung von digitalen Infrastrukturen. Bei der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung, für die die Branche lange gestritten hat, geht es darum, das nächtliche Blinken zu reduzieren. Windenergieanlagen müssen, sobald ihre Gesamthöhe 100 Meter erreicht, als Luftfahrthindernis gekennzeichnet werden. Die Befeuerung ist also sicherheitstechnisch erforderlich, verursacht jedoch Akzeptanzprobleme. Radar- oder Transpondergesetze sind inzwischen zugelassen und werden absehbar die nächtlichen Lichtemissionen um bis zu 95 Prozent reduzieren können. Nur wenn sich ein Luftfahrzeug nähert, geht das Licht noch an. Große Hoffnung setzen Teile der Branche in technische Systeme zur Minderung von Vogelkollisionen. Hier kommt in den laufenden Forschungsvorhaben nun auch Künstliche Intelligenz zum Zuge, um die Wirkung der technischen Systeme zu verbessern.
Die Energiewende ist vor allem von zwei Elementen gekennzeichnet: Statt einer überschaubaren Zahl zentraler Kraftwerke produzieren Millionen dezentrale Erneuerbare Energieanlagen den CO2-freien Strom. Neben dem immer schon fluktuierenden Verbrauch gibt es nun auch eine fluktuierende wetterabhängige Erzeugung. Eine erfolgreiche Energiewende braucht deshalb eine breit ausgerollte digitale Infrastruktur. Sie schafft das Fundament der Energiewende. Der Datentransfer zwischen den Erzeugern und zwischen denen, die Netze und den Vertrieb organisieren, und mehr und mehr auch dem Endverbraucher schafft in der modernen Energiewirtschaft die Versorgungssicherheit. Big Data ist in der Welt der Erneuerbaren Energien kein Schlagwort, sondern Realität. Digitalisierung ist hier längst mehr als das Smartphone und die Zoom-Konferenz.
(Bildquelle: Luftaufnahme Windenergieanlage. © BWE)