Rechnende Häuser
Wenn Rechenzentren heiße Luft in warme Wohnungen verwandeln
Jerome Evans, firstcolo GmbH

(Titelbild: © Adobe Stock | 822116716 | areef)
Kurz und Bündig
Rechenzentren sind entscheidend für die Entwicklung von Smart Citys, da sie große Datenmengen verarbeiten, die zur Optimierung städtischer Prozesse genutzt werden. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz rücken dabei immer mehr in den Fokus. Unterstützt durch Modernisierungen, Abwärmenutzung und politische Maßnahmen sind Betreiber in der Lage, die Potenziale zu erkennen und hervorzuheben und eine Veränderung als strategischen Vorteil zu nutzen.
Der Großteil der Weltbevölkerung lebt heute in Städten, was zu enormen Herausforderungen in Bezug auf Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch und Lebensqualität führt. In diesem Kontext gewinnen die Konzepte Green IT und Smart City immer mehr an Bedeutung, da sie sich mit der Frage beschäftigen, wie sich Technologie nutzen lässt, um Kommunen nachhaltiger und lebenswerter zu gestalten. Doch je innovativer Städte werden, desto wichtiger erweist sich der Datenaustausch zwischen Menschen, Geräten und Systemen vor Ort. Und da Informationen verarbeitet und gespeichert werden müssen, wächst auch der Bedarf an Rechenzentrumskapazität. Rechenzentren gelten aus diesem Grund als so etwas wie eine neue Infrastruktur, die zu modernen Städten dazugehört. Jedoch machen sie nicht gerade durch ihre positive Energiebilanz von sich reden. Und auch aus stadtplanerischen Gründen regt sich häufig Widerstand gegen einen weiteren Ausbau, der für den Erfolg smarter Cities erforderlich ist. Es gilt also, Rechenzentren nachhaltiger zu gestalten und sie insgesamt besser ins Stadtbild zu integrieren.
Die Branche ist sich dieser Problematik bereits bewusst und hat sich mit dem Pakt für klimaneutrale Rechenzentren (Climate Neutral Data Centre Pact, CNDCP) dazu verpflichtet, ab 2030 klimaneutral zu operieren. Das Erreichen dieses Ziels erfordert unterschiedliche Methoden, die verschiedene Szenarien abdecken und den gesamten Lebenszyklus eines Rechenzentrums berücksichtigen. So gilt es zu beachten, dass eine große Menge der Emissionen eines Rechenzentrums auf seinen Bau zurückzuführen sind. Ein erheblicher Teil der Bauarbeiten stützt sich auf die Verwendung von energiedichtem Beton und Stahl. Eine Modernisierung kritischer Infrastrukturen kann gleichzeitig zu einer effizienteren Nutzung der vorhandenen Stromversorgung führen. Diese lässt sich für eine höhere Dichte und wachsende IT-Lasten nutzen, beispielsweise durch den Austausch von USV-Anlagen, energieeffiziente Server und Speichersysteme oder die Anpassung der Kühltechnik. Auf diesem Weg lassen sich durch die Modernisierung bestehender Objekte nennenswerte einmalige wie auch langfristige Emissionseinsparungen erzielen. Ähnliches gilt, wenn bestehende Gebäude zu Rechenzentren umgebaut werden. Dies ist unter anderem auch notwendig, um die Energieeffizienzziele aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz mit spezifischen Schwellwerten in Bezug auf den PUE eines Rechenzentrums zu erreichen.
Big Data verarbeiten
Rechenzentren spielen also eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung intelligenter Städte. Sie bilden die Kerninfrastruktur, die den auf Smart Citys spezialisierten Unternehmen ermöglicht, Daten aus verschiedenen Quellen zu sammeln, zu verarbeiten und zu analysieren. So werden Einblicke gewonnen, mit denen Effizienz und Funktionalität der Stadt verbessert werden können. Dadurch, dass sie die Verarbeitung großer Informationsmengen in Echtzeit ermöglichen, tragen Datacenter etwa dazu bei, den Straßenverkehr zu optimieren und den Energieverbrauch zu reduzieren. Eine der wichtigsten Funktionen von Rechenzentren in Smart Citys besteht darin, die Verarbeitung von Big Data möglich zu machen. So liefern sie die technische Infrastruktur, die benötigt wird, um Informationen aus einer Vielzahl von in der Stadt vorhandenen Sensoren und Geräten zu verarbeiten. Dabei handelt es sich um Daten, die zum Beispiel von Verkehrskameras, Wetterstationen und intelligenten Messgeräten gesammelt werden. Durch die Analyse dieser Daten lassen sich Muster identifizieren, die darauf hinweisen, wo Verbesserungen vorgenommen werden können. So tragen Datacenter beispielsweise indirekt dazu bei, dass Verkehrsflüsse überwacht und Prognosen des Verkehrsaufkommens erstellt werden können, um Staus zu vermeiden oder die Routen von öffentlichen Verkehrsmitteln zu optimieren.
Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung
Indem moderne Rechenzentren Echtzeitdaten zur Energieerzeugung und -nutzung weiterleiten, tragen sie maßgeblich zur Energieeffizienz bei. Durch die Analyse dieser Daten können Städte Energieverschwendung reduzieren und den Verbrauch optimieren, indem sie beispielsweise intelligente Beleuchtungssysteme einsetzen oder den Energiebedarf von Gebäuden steuern. Green IT spielt also eine entscheidende Rolle für Smart Citys. Traditionelle RZs verbrauchen jedoch viel Energie und haben einen erheblichen ökologischen Fußabdruck. Nachhaltige Varianten setzen deshalb auf energieeffiziente Technologien und erneuerbare Energiequellen, um den Energieverbrauch zu minimieren und den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Sie nutzen zum Beispiel Kühlungstechniken, die weniger Energie benötigen, oder erzeugen ihren eigenen Strom aus Solarenergie oder Windkraft. In Deutschland gibt es bereits mehrere Smart-City-Projekte, die auf Nachhaltigkeit setzen. Ein Neubaugebiet in Frankfurt etwa nutzt die Abwärme von Rechenzentren zum Beheizen von Wohnungen. Diese Form des Wärme-Recyclings wird in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen.
Ob als Privatperson oder als Unternehmen: Das seit einigen Jahren verstärkt aufkommende Bemühen um mehr Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Trend. Die IT-Branche gilt als eine der größten Stromverbraucher:innen und ist sich ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt daher in besonderem Maße bewusst. Gerade Serverhardware für neue Technologien wie Blockchain, Machine Learning und Artificial Intelligence wird gezwungenermaßen immer leistungsstärker und so kommt es in Datacentern, die diese Informationsflüsse verarbeiten, zu einem höheren Energieverbrauch. Daher spielt ein energieeffizienter Betrieb eine immer bedeutendere Rolle. Fest steht, dass das Thema Nachhaltigkeit nun schon seit geraumer Zeit für die Betreiber:innen von Rechenzentren und auch für die Nutzer:innen ins Rampenlicht rückt. Mit der richtigen Strategie lassen sich große Mengen an Strom einsparen, woran viele deutsche Betreiber bereits durchaus erfolgreich arbeiten.
Um den Ansatz einer Green IT weiter zu verfolgen, arbeiten Betreiber:innen von Rechenzentren rund um die Uhr an neuen Lösungen und Strategien, mit denen sie diesem Ziel Stück für Stück näherkommen. Externe Rechenzentren lösen für viele Betriebe das Problem eines sehr hohen Bedarfs an zusätzlichen Server- und Cloud-Infrastrukturen, dem sie durch einen Mangel an IT-Ressourcen häufig nicht gerecht werden können. Aus einer Überforderung entstehen nämlich nicht selten empfindliche Sicherheitslücken und nachhaltige Gesichtspunkte gehen verloren. Allerdings ist eine große Zahl an Rechenzentren in vielen Fällen nur bis zu 20 Prozent ausgelastet – was häufig an einer Orientierung an den Betriebsspitzen liegt, die nur selten erreicht werden. Durch die Migration der bereits bestehenden Infrastrukturen lässt sich diese große Lücke deutlich verkleinern – so können bis zu 50 Prozent der verwendeten Energie eingespart werden. Betroffene Server laufen in der Folge sicherer sowie effizienter und lassen sich deutlich einfacher skalieren.
Gerade die in die Höhe schnellenden Energiepreise sorgen dafür, dass Green IT und Energieeffizienz in Rechenzentren eine immer größere Rolle spielen. Da die IT-Infrastruktur von Industrieunternehmen riesige Mengen an Strom beansprucht, entstehen hier zunächst einmal erhebliche Mehrkosten. Bewusstes wirtschaftliches Handeln im Sinne des Unternehmens und eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie müssen dabei aber keineswegs im Widerspruch zueinander stehen. Durch die Auslagerung der Daten in eine Private-Cloud-Umgebung sinkt der Energiebedarf pro genutzter Server-Ressource, wodurch sich der effektive Energie-Verbrauch durch eine höhere Effizienz stark senken lässt. Colocation-Betreiber setzen zusätzlich ebenso auf „grüne“ und hocheffiziente Hardware. Sensoren, die Luftveränderungen messen, Kühlsysteme, die Wasser und Strom sparen, sowie energieeffiziente Prozessoren – unterschiedlichste Maßnahmen zahlen auf die Nachhaltigkeit in neusten Rechenzentren ein. Nach und nach schaffen es die Betreiber so, dem steigenden Datenaufkommen Herr zu werden und dabei Aspekte der Nachhaltigkeit immer weiter in den Fokus zu rücken.
Die Politik muss mitziehen
Als ein wichtiger Hebel für mehr Klimaschutz erweist sich die Nutzung von Abwärme. Doch um diese abgeben zu können, braucht es jemanden, der die Abwärme auch tatsächlich abnehmen kann – und will. Allerdings fehlen vielerorts noch die dafür nötigen Fernwärmenetze der vierten Generation. Bleibt es bei den vorgesehenen Regelungen, lassen sich neue Rechenzentren zukünftig nur noch dort ansiedeln, wo solche Abwärmenetze vorhanden oder verbindlich vorgesehen sind. Dabei muss die Standortwahl von Rechenzentren einer anderen Logik folgen als die der Abwärmenetze. Es braucht dort Datacenter, wo in großem Umfang Strom aus grundlastfähigen Quellen bereitsteht und ein hoher regionaler Bedarf an Rechenpower herrscht. Bereits existierende Rechenzentren sind aufgrund der eingesetzten Kühltechnologien zudem nur mit hohem oder sehr hohem Aufwand für eine Abwärmenutzung umrüstbar. Gleichzeitig gilt es den grünen Strommix auch politisch stärker voranzutreiben. Schließlich können Vorgaben zur Abnahme von Ökostrom nur bei einem ausreichenden Angebot Wirkung entfalten. Deutschland braucht leistungsfähige und sichere Rechenzentren. Deshalb unterstützen gerade Rechenzentrumsbetreiber:innen in Deutschland ausdrücklich das Ziel, ihre Energiebilanz weiter zu verbessern und die Digitalisierung klimafreundlich zu gestalten. Auch in der Zukunft werden Green IT und Smart Citys daher eine zentrale Rolle bei der Gestaltung nachhaltiger urbaner Lebensräume spielen. Fortschritte in Bereichen wie Künstlicher Intelligenz, Internet der Dinge (IoT) und erneuerbaren Energien eröffnen dabei neue Möglichkeiten, um Städte noch effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Zusammenarbeit und Innovation erweisen sich als Schlüssel, um die Vision einer nachhaltigen und lebenswerten urbanen Zukunft zu realisieren.