Mit Innovationskraft gegen die Klimalast
Intelligente Umwelttechnologien brauchen schlaue Förderung
Frieder Kettemann, Bundesministerium für Bildung und Forschung
(Bildquelle: Adobe Stock | 226173135 | Andrii Yalanskyi)
Kurz & Bündig
Mit der Förderbekanntmachung „Digital GreenTech – Umwelttechnik trifft Digitalisierung“ ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf der Suche nach innovativen interdisziplinären Ideen für intelligente Umwelttechnologien. Am Schnittpunkt zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit ist die Umwelttechnik ein wichtiger Treiber auf dem Weg zu einer ressourceneffizienten und umweltschonenden Wirtschaftsweise. Forschungsförderung setzt dafür wichtige Anreize.
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„Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird die Fördermaßnahme vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut, einer unabhängigen Organisationseinheit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Ansprechpartnerin für Fragen zur Fördermaßnahme ist Frau Dr. Anne Gunkel, anne.gunkel@kit.edu, 0721-608-24481. Weitere Informationen finden sich unter www.digitalgreentech.de.“
Mit der Fördermaßnahme „Digital GreenTech“ unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Digitalisierung von Umwelttechnologien in den Bereichen Wasserwirtschaft, Landmanagement sowie Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft. Innovative Umwelttechnik kann dazu beitragen, natürliche Ressourcen nachhaltiger zu nutzen und Umweltbelastungen zu mindern. Darüber hinaus winken gute Marktchancen für deutsche Unternehmen auf dem nationalen und internationalen Markt. Forschungsförderung schafft wichtige Anreize für Innovationen in diesem Sektor.
Das Marktvolumen der deutschen Umwelttechnik- und Ressourceneffizienzbranche beläuft sich laut des Umwelttechnik-Atlas für Deutschland 2021 aktuell auf annähernd 400 Milliarden Euro pro Jahr. In der Unternehmensbefragung werden die durchschnittlichen Wachstumsraten der deutschen Branche auf acht Prozent pro Jahr geschätzt und auch die globalen Marktchancen als sehr hoch angesehen. In dieser positiven Ausgangslage gilt die Digitalisierung als starker Treiber für die dynamische Weiterentwicklung der Branche. Außerdem rückt das Thema Nachhaltigkeit als zweiter großer gesellschaftlicher Trend und zunehmend auch als Wirtschaftsfaktor immer stärker in den Blickpunkt. Am Schnittpunkt dieser beiden Megatrends steht die Umwelttechnik. Richtig eingesetzt, stellt die Digitalisierung einen innovativen Werkzeugkasten zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele dar. Gerade in der GreenTech-Branche, in der der Umweltschutz prinzipiell im Fokus steht, kann sie Optimierungen oder gar Innovationssprünge mit positiven ökologischen Effekten und hohem wirtschaftlichem Potential ermöglichen.
Mit dem Aktionsplan „Natürlich.Digital.Nachhaltig.“ hat das BMBF schon 2019 die Notwendigkeit erkannt, Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung konsequent zusammenzudenken. Deutschland will bei der Digitalisierung aktiver Treiber für mehr Ressourceneffizienz sein und entscheidend zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen. Schon heute sind positive Auswirkungen der Digitalisierung spürbar: Prozesse und Systeme werden schneller, günstiger, agiler und in Echtzeit steuerbar. Liefer- und Wertschöpfungsketten können optimiert und dadurch Ressourcen und Energie eingespart werden. Die Erfassung, Verknüpfung und intelligente Auswertung von Daten ermöglicht ein systematisches Umweltmonitoring und ein besseres Verständnis der komplexen Veränderungen des Erdsystems. Digitalisierung schafft aber auch neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Möglichkeiten, zum Beispiel durch die datenbasierten Innovationen der Sharing Economy: Produktionskapazitäten können unternehmensübergreifend ausgelastet werden; der Abfall eines Betriebs kann zum Rohstoff eines anderen Betriebs werden, wenn entsprechende Plattformen zur Verfügung stehen.
Die Potenziale der Digitalisierung gehen jedoch über diese ersten Schritte hinaus. Mit den richtigen Rahmenbedingungen kann die Digitalisierung entscheidend zur Umsetzung einer defossilisierten, ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft oder zur optimalen Steuerung von komplexen ökologischen und gesellschaftlichen Systemen beitragen. Auf dem Weg zu dieser Vision muss auch die Forschungsförderung wichtige Anreize setzen. Das BMBF hat daher die Fördermaßnahme „Digital GreenTech – Umwelttechnik trifft Digitalisierung“ gestartet. Mit der Förderung will das Ministerium die Entwicklung intelligenter Umwelttechnologien voranbringen. Ziel ist es, unsere natürlichen Ressourcen nachhaltiger zu nutzen und Umweltbelastungen zu mindern. Dabei sollen Anwender und digitale Ideengeber kooperieren und ihr Wissen aus den Bereichen Digitalisierung und Umwelttechnologien zusammenführen.
Die Digitalisierung ist bereits seit Langem ein wichtiger Bestandteil aller laufenden
Förderaktivitäten des BMBF im Bereich Umwelttechnologien und wird von vielen Unternehmen auch eigenmotiviert betrieben. Die Digital GreenTech-Bekanntmachung zielt jedoch darüber hinaus darauf ab, speziell
auch Partner aus der Informations- und Kommunikationstechnik anzusprechen, die sich bisher seltener an Förderbekannt-
machungen aus dem Bereich Nachhaltigkeit beteiligt haben – beispielsweise Forschungspartner aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Denn nicht jede digitale Innovation, die in anderen Branchen schon erfolgreich eingesetzt wird, ist auch schon in der Umwelttechnik angekommen.
Um auch interdisziplinäre Forschungen zu ermöglichen, liegt der Fokus der Bekanntmachung weder auf einem speziellen Anwendungsfeld noch auf einer spezifizierten digitalen Technik wie der Künstlichen Intelligenz. Mögliche Anwendungsfelder sind Wasserwirtschaft, Kreislaufwirtschaft, Ressourceneffizienz, nachhaltiges Landmanagement und Geotechnologie. Als Anwendungsbereiche ausgeschlossen sind hingegen der Energiesektor, Fragestellungen aus der Landwirtschaft, zu Mobilität und zur
Luftreinhaltung; hier existieren schon zahlreiche andere staatliche Förderprogramme.
Technologische Schwerpunkte können die intelligente Nutzung von Daten, die Schaffung autonomer Systeme, die Vernetzung von Systemen sowie digitale Interaktionen sein. Mit diesem breiten Fokus hat die Bekanntmachung beim ersten Stichtag im Juni 2020 viel positive Resonanz erzeugt. Aus den in großer Zahl eingereichten Projektideen wurden elf Forschungsvorhaben ausgewählt, die im Frühjahr 2021 gestartet sind. Beteiligt sind knapp 60 Institutionen aus Wissenschaft, Verwaltung, Verbänden und Wirtschaft, darunter auch ein hoher Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Eine Beteiligung von Praxispartnern soll sicherstellen, dass die Forschungsergebnisse im Anschluss an die Projektphase praktisch umgesetzt werden.
Zusätzlich wurden in dieser ersten Förderrunde 23 Kurzprojekte mit einer maximalen Laufzeit von sechs Monaten gefördert. Ihr Ziel war es, Konzepte für die Beantragung von Langprojekten zu erarbeiten und entsprechende Verbundpartner zu gewinnen. Die
Projektideen reichten die Interessenten in Form eines dreiminütigen Videos ein, um digitale Konzepte besser darzustellen zu können als in Papierform möglich – ein Novum in der Forschungsförderung des BMBF. Nach der Kurzprojektphase werden zunächst zwei Projektideen als zweijähriges Forschungsprojekt im Rahmen der Fördermaßnahme weitergefördert; teilweise ergaben sich Anschlussförderungen in anderen Fördermaßnahmen.
Um die Zusammenarbeit zwischen den Projekten zu stärken und sie zu vernetzen, wird auch ein wissenschaftliches Querschnittsprojekt gefördert: Das „Netzwerk Digital GreenTech (NetDGT)“, das von der Gesellschaft für Informatik e.V. organisiert wird, kümmert sich auch um die Synthese der Ergebnisse sowie deren Transfer in Gesellschaft und Praxis. Weiterhin untersucht NetDGT in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut e.V., welche Nettogewinne die entstehenden digitalen Lösungen für die Nachhaltigkeit bringen.
Da die Bekanntmachung thematisch breit aufgestellt ist, stellen die laufenden Forschungsprojekte ein vielfältiges Portfolio dar und beschäftigen sich mit Fragen wie: Wie kann künstliche Intelligenz dabei helfen, Recyclingverfahren zu verbessern? Mit welchen digitalen Tools können Wasserversorgungs- und -entsorgungsnetze effizienter überwacht und gesteuert werden? Wie können komplexe Stoffströme in Echtzeit nachverfolgt werden?
Das Projekt „CYCLOPS“ entwickelt beispielsweise ein frei verfügbares und quelloffenes digitales Tool, das das Recycling von Kunststoffen erleichtert. Der Verbund unter Leitung des Kunststoff-Zentrums SKZ versucht, Materialströme automatisiert zu klassifizieren, damit sie sich optimal verwenden lassen. Christoph Kugler, Gruppenleiter Digitalisierung beim SKZ, erläutert: „Künftig sollen die Maschinen durch künstliche Intelligenz erkennen, für welche Anwendungen Materialien eines bestimmten Typs geeignet sind“. Grundlage für die angewandte Forschung im Projekt CYCLOPS sind sowohl Prozessdaten aus den Maschinen, welche die Materialqualität beschreiben können, als auch Daten entlang des Lebenswegs von Material und Produkt. Im Rahmen des Projektes werden somit die Transparenz und die Informationsdichte erhöht, die nach wie vor zu den größten Hemmnissen der Kreislaufwirtschaft zählen.
Ebenfalls mit künstlicher Intelligenz, aber mit einem gänzlich anderen Einsatzgebiet, beschäftigt sich das Projekt „K2I“ unter Leitung des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Ziel ist es, Spurenstoffe in Oberflächengewässern besser aufzuspüren. In Flüssen und Seen finden sich eine Vielzahl von unerwünschten Substanzen, die in einer geringen Konzentration von weniger als einem Millionstel Gramm (< 1 µg/l) vorkommen, sogenannte Spurenstoffe. Durch neue Analyse- und Auswertungsmethoden ist es mittlerweile möglich, bisher nicht bekannte oder beachtete Substanzen besser nachzuweisen. Solche Analysen erzeugen umfangreiche Datenmengen, die bis dato in Einzellaboren erhoben und ausgewertet werden. Diese Daten wollen die Forschenden im Verbundprojekt K2I in einer laborübergreifenden Cloudlösung zusammenführen und auswerten. Damit können Wasserversorger organische Spurenstoffe schnell entdecken und auf Grundlage einer überregionalen Datenbasis mögliche Quellen eingrenzen.
Insgesamt hat das BMBF für die Projekte, die aus dem ersten Stichtag hervorgegangen sind, bereits rund 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für neue, innovative Projektideen gibt es mit dem zweiten Förderaufruf (Stichtag: 31. Oktober 2022) eine weitere Fördermöglichkeit. Und vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen wird das BMBF das Thema Digital GreenTech auch zukünftig auf der Agenda haben und weiter voranbringen.