Nach Corona ist vor Corona
Warum wir nicht mit Krisen leben, sondern sie nutzen sollten
Dirk Werth, Chefredakteur IM+io
Brexit, Trump, Corona, das ist vermutlich erst der Anfang. Was wir aktuell erleben, ist eine Folge von verhängnisvollen Krisen, die tiefgreifende Veränderungen in der Welt, aber auch in unserem persönlichen Leben nach sich ziehen. Einzige Gemeinsamkeit dieser Krisen ist, dass wir keine von ihnen wirklich geahnt und sie vorab als extrem unwahrscheinlich eingeschätzt haben. Nun, die Erkenntnis ist: Unwahrscheinlich bedeutet nicht unmöglich. Dazu kommt, dass der Mensch dazu neigt, Risiken nicht objektiv wahrzunehmen. Einfachstes Beispiel: Das Fliegen (vielleicht erinnern Sie sich noch daran: Das ist die Art zu reisen, bei der man ein Flugzeug besteigt). Nun, das Fliegen ist um ein Vielfaches sicherer als Autofahren, wird aber gemeinhin als wesentlich gefährlicher wahrgenommen.
Heute sehnt sich jeder von uns danach, das Ende der Pandemie zu erleben. Endlich krisenfrei weitermachen! Aber – und ich fürchte, das ist die schlechte Nachricht – wenn ich mir die Entwicklung der letzten Jahre ansehe, dann ist das „Nach-Corona“ nur „Vor-der-nächsten-Krise“. Wie diese aussehen wird, darüber gibt es bestimmt schon Spekulationen, allerdings weiß das niemand gewiss. Sicher ist aber: Sie wird kommen, und ich glaube, sie wird schnell kommen.
Wenn wir nun einmal voraussetzen, dass dies so ist, was heißt das dann für uns beziehungsweise – und darauf möchte ich den Fokus der weiteren Betrachtung legen – was bedeutet das für die Wirtschaft? Die nahe liegende Frage ist natürlich: Kann die jeweilige Krise nicht als Chance gesehen und richtig genutzt werden? Ja, das geht tatsächlich, selbst wenn die eigene Branche besonders hart von der Krise betroffen ist.
Ein schönes Beispiel ist Ryanair, die mittlerweile – an Passagierzahlen gemessen – größte Airline Europas. Ryanair hatte wie alle anderen Fluggesellschaften auch 2020 ein katastrophales Jahr. Das Geschäft brach um 80 % ein, unterm Strich ein Verlust von 200 Millionen Euro. 99 Prozent der Flotte am Boden geparkt. Prognose für 2021: ungewiss. Und was macht das Unternehmen zum Ende des Katastrophenjahres? Es bestellt weitere 75 Flugzeuge des in Verruf geratenen Unglücksjets 737 MAX. Listenpreis: fast 8 Milliarden US-Dollar. Und das ist kein Einzelfall! In seiner Geschichte hat Ryanair immer dann in großem Stil Flugzeuge bestellt, wenn die Krise am größten war. Ergebnis: Ryanair ist heute die bei Weitem profitabelste Airline in Europa. „Operation Krise“ geglückt!
Aber auch in anderer Hinsicht ist Umdenken gefragt. Gehen Sie davon aus, dass die nächste Krise schon vor der Tür steht. Welche das ist und was sie für uns bedeutet, das ist die große Frage, die ich Ihnen hier leider nicht beantworten kann. Aber ich kann Ihnen sagen: Wenn mittlerweile Krise auf Krise, Umbruch auf Umbruch folgt, dann ist möglicherweise die Optimierung des Status quo nicht die beste Erfolgsformel. Vielmehr muss es den Unternehmen und der Gesellschaft darum gehen, sich bestmöglich an Veränderungen – auch radikale – anpassen zu können. Wandlungsfähigkeit und Resilienz sind hier die Zauberformeln. Nur wenn ich in der Lage bin, mich kurzfristig, effektiv und effizient zu adaptieren, kann ich wirtschaftlich erfolgreich sein. Wer sich also heute schon an schwierige Umstände anpassen und sie beherrschen kann, der wird es auch morgen, übermorgen und in der nächsten Krise tun.
Wandeln Sie sich wandlungsfähig!