Netflix statt Schulfernsehen
Digitale Plattformen unterstützen den Skill Shift bei der Deutschen Telekom
Birgit Bohle, Stephan Kasulke, Deutsche Telekom AG
Kurz & Bündig
Jede Investition in die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter ist auch eine in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Davon ist man bei der Deutschen Telekom AG überzeugt und setzt dafür mit einem innovativen Bildungs-Ökosystem den Rahmen. Lebenslanges Lernen soll so angesichts der disruptiven Kraft der Digitalisierung zur Kernqualifikation werden.
Wann immer es dieser Tage um das Lernen geht, geht es auch um COVID-19 und darum, wie Wissenstransfer unter den Bedingungen des Social Distancing gelingen kann. Einiges klappt bereits gut, manche Wünsche bleiben noch unerfüllt. Einen kräftigen Schub hat das Thema „Digitales Lernen“ auf jeden Fall bekommen. Bei der Deutschen Telekom wurde in den vergangenen drei Jahren massiv in die Weiterentwicklung neuer Lernformate investiert. Sie wurden an den konkreten Herausforderungen sowohl der Mitarbeiter als auch des Unternehmens ausgerichtet. Das kommt dem Konzern jetzt zugute.
Die Deutsche Telekom treibt die Digitalisierung der Gesellschaft voran und unterstützt ihre Kunden darin, ihren ganz persönlichen digitalen Lebensstil zu entwickeln. Das rasante Tempo der Veränderungen betrifft das Unternehmen dabei auch selbst und stellt Organisation und Mitarbeiter vor immer neue Herausforderungen. Denn in nie gekanntem Tempo verändert sich die Arbeitswelt, immer kürzer wird die Halbwertszeit unseres Wissens. Eine Detecon-Studie kommt zu dem Schluss, dass sie nur noch bei maximal fünf Jahren liegt. Das bedeutet, dass sich Skills, die ich zu Beginn meiner Berufstätigkeit erlange, am Ende meiner Karriere nicht mehr nutzbringend anwenden lassen. Sie sind praktisch wertlos.
Auch wenn derlei Berechnungen schwierig sind, so erleben wir doch alle, wie dies auf immer mehr Berufe zutrifft. Und nicht nur das. In vielen Bereichen übernehmen Maschinen und Algorithmen bereits komplett. Sie sind nicht nur stets auf dem neuesten Stand, sondern liefern dank Big Data zuverlässig bessere Ergebnisse ab. Reisebranche, Finanzsektor, Versand- handel: Überall verändert Digitalisierung auf diese Weise die Arbeitswelt. Eine McKinsey- Studie rechnet vor, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre weltweit 14 Prozent aller Arbeitsplätze aufgrund zunehmender Digitalisierung wegfallen. Die Schätzungen des World Economic Forums gehen noch weiter und sprechen von weltweit bis zu einer Milliarde Menschen, die angesichts des technologischen Wandels zu- mindest nach- und umgeschult werden müssen. Die Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt sind in derlei Schätzungen noch gar nicht berücksichtigt.
Zugleich aber entstehen viele neue Anforderungen und damit neue Aufgaben. In der Technologiebranche, mehr noch als anderswo, braucht es ständig neue Skills.
Nur ein aktuelles Beispiel: Historisch bedingt gibt es bei der Telekom sehr viele Prozess- und Systemmanager für extern entwickelte IT- Systeme an Bord. Heute hingegen wird eigene Software-Kompetenz zum Wettbewerbsfaktor, und so wächst der Bedarf an Softwareentwicklern in den nächsten Jahren. Nicht alle Kompetenzen werden auf dem Arbeitsmarkt auffindbar sein. Kann es also gelingen, in einem derart großen Maßstab gestandene Mitarbeiter umzuschulen? Und wenn es jetzt nicht gelingt, wie kann eine Kultur geschaffen werden, in der es zukünftig selbstverständlich ist, sich auf die veränderten Herausforderungen einzustellen? Für die Deutsche Telekom als einem der großen Arbeitgeber Deutschlands waren Aus- und Weiterbildung schon immer wichtige Anliegen. Dazu einige Zahlen: Bei der Deutschen Telekom arbeiten aktuell 230.000 Menschen, allein in Deutschland sind es rund 92.000. Von ihnen sind fast zwei Drittel bereits 46 Jahre oder älter. Die Expertise der älteren Kollegen wird geschätzt und gebraucht. Zugleich jedoch werden auch ständig neue Skills und Fähigkeiten benötigt. Manche bringen junge Kollegen als Digital Natives mit. Aber das allein reicht nicht. Der Wissenshunger und -bedarf des Unternehmens kennt kein Ende. Eine Entwicklung zu einem lernenden Unternehmen scheint daher unabdingbar.
Vor diesem Hintergrund sind passgenaue Bildungsangebote für die Belegschaft essenziell. Allein im Jahr 2018 haben die Mitarbeiter der Telekom weltweit rund vier Millionen Stunden in die eigene Qualifizierung investiert. Im gleichen Jahr wurde der Ausbau digitaler Lernformate massiv forciert. Seitdem stieg die Zahl der online absolvierten Trainings um eine Million Stunden in diesem Jahr. Die Zahl klassischer (also analoger) Trainingsformate ging 2020, auch als Folge der COVID-19-Pandemie, um 63 % zurück.
Mit dem Ausbau der digitalen Formate wird ein völlig neuer Ansatz verfolgt, der „you- learn“ genannt wird. Dahinter verbirgt sich ein ganzheitliches Konzept, bei dem der Mitarbeiter selbst größere Verantwortung für den eigenen Lernpfad übernimmt. Zu den Kernelementen gehört deswegen der sogenannte Career Coach. Der gibt – bezogen auf das aktuelle Jobprofil – nicht nur Tipps zum erfolgreichen Lernen, sondern bietet direkt auch alternative Jobprofile an und spricht Trainingsempfehlungen aus. Das unternehmensweite HR-Portal wurde zu einer Art Informationshub aufgewertet, auf dem alle wichtigen Bereiche zusammenlaufen.
Im Mittelpunkt der Entwicklungen aber stehen Lernplattformen mit besonders hohem Aufforderungscharakter, die „Learning Experience Plattformen“. Das Angebot orientiert sich dabei an den Vorlieben und Bedürfnissen des Anwenders und macht entsprechende Vorschläge. Von klassischen Seminarangeboten unterscheidet es sich in etwa so fundamental wie Netflix vom trockenen Schulfernsehen vergangener Tage. Und es sieht den populären Streaming-Anbietern tatsächlich auch ähnlich. Dazu arbeitet das Unternehmen mit führenden Anbietern sogenannter MOOC (Massive Open Online Courses) zusammen, die Inhalte kommen von den weltweit besten Universitäten und Online-Anbietern.
Dieser neue individualisierte Ansatz kommt bei den Anwendern gut an. Die Zufriedenheit mit den persönlichen Lernangeboten steigt seit Einführung kontinuierlich an und liegt bereits bei 85 Prozent. Aus gutem Grund: Die Freude am Lernen und das persönliche Lerntempo stehen im Vordergrund. Anwender loben besonders, dass sie die Angebote im laufenden Arbeitsprozess wahrnehmen können.
Nutzerfreundlichkeit und niedrigschwellige Angebote sind Wesensmerkmale dieses neuen Bildungsangebots. Ausdrücklich wird daher der mobile Zugang zu den Trainings unterstützt. Kollegen werden ermuntert, die Angebote auch zwischendurch zu nutzen, ganz wie es in den eigenen Tagesablauf passt. Aktuell wird mit ganz neuen Formen der Incentivierung experimentiert. In einigen Landesgesellschaften werden dazu Erfahrungen mit einer digitalen Bildungswährung, den T-Coins, gesammelt. Für absolvierte Trainings, aber auch für gegebene Schulungen, können Mitarbeiter Punkte sammeln, die sich etwa gegen Produktgutscheine einlösen lassen.
Teil des neuen Bildungssystems, aber mit einem leicht anderen Ansatz, ist das „Social Learning“, das im gesamten Unternehmen immer populärer wird. Hier lernen die Beschäftigten voneinander. Die Lerncommunity „Lernen von Experten (LEX)“ wächst seit zwei Jahren rasant. Im internen sozialen Netzwerk des Unternehmens hat diese Gruppe sogar die meisten Follower. Mehr als hundert Online-Sessions, meist zwischen 30 und 60 Minuten lang, kann man hier Monat für Monat verfolgen. Angeboten werden sie von Kollegen für Kollegen – und das mit steigender Beliebtheit.
Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, die die Digitalisierung in der Fort- und Weiterbildung schafft. Nicht alle Wege werden letztendlich weiterverfolgt werden. Das muss auch gar nicht sein. Wie in anderen Bereichen brauchen wir auch beim Thema Bildung ein verändertes Selbstverständnis. Eines, das die gemeinsame Suche nach den besten Lösungen wertschätzt. Und das hilft, falsche Wege zu erkennen und zu korrigieren.
Und damit sind wir beim Thema Kultur angekommen. Dem Start der Initiative „you- learn“ ging eine intensive Beschäftigung mit der Frage voraus, welche Kultur im Unternehmen gebraucht wird, um auch zukünftige Herausforderungen zu bestehen. Ein Ergebnis dieser Diskussionen, an der sich viele tausend Mitarbeiter beteiligten, betrifft die Leitlinien. Sie wurden jüngst um den Punkt „Bleibe neugierig und wachse“ ergänzt. Damit wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, welchen Wert wir der Bildung beimessen.
Als Unternehmen setzt die Deutsche Telekom dafür den Rahmen. Darin sehen wir tatsächlich eine der wesentlichen Aufgaben für die zukünftige Personalarbeit. Das Ziel ist ein ganz neues Bildungs-Ökosystem, das Mitarbeiter auf ihrer Bildungs- und Karrierereise durch unser Unternehmen begleitet. Lebenslanges Lernen wird angesichts der disruptiven Kraft der Digitalisierung zur Kernqualifikation werden.
Die Leitplanken dafür setzen, die Motivation der Mitarbeiter stärken – das können und müssen Unternehmen tun. Etwa, indem sie – wie gesehen – die nötigen Plattformen und Rahmenbedingungen für diese Aufgaben schaffen. Die Chancen ergreifen, das müssen die Mitarbeiter aber selbst. Genau dazu braucht es eben nicht nur Wissbegierde, Veränderungsbereitschaft, Disziplin und Selbstmotivation. Unabdingbar ist auch das gemeinsame Verständnis vom Wert der Bildung – für die eigene Zukunft und die des Unternehmens. Denn das versteht sich von selbst: Jede Investition in die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter ist auch eine in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
Der Krisenmodus, in den die Pandemie viele Unternehmen zwang, hat gezeigt: Die Bereitschaft, sich an veränderte Bedingungen anzupassen, ist auf allen Seiten groß. Der Umgang mit neuen, digitalen Werkzeugen stellt keine unüberwindbaren Hürden dar. Aber es liegt an den Unternehmen, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das betrifft nicht nur die technische Infrastruktur und notwendige Freiräume im Arbeitstag, sondern auch eine Kultur, in der selbstgesteuertes und freudiges Lernen zum beruflichen Alltag gehört.
Das Virus hat uns alle viel gelehrt über die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und wie wir Wichtiges von weniger Wichtigem unterscheiden. Die Erkenntnisse daraus werden den Alltag bei der Telekom zukünftig bereichern. Wie genau das „Neue Normal“ aussehen wird, daran wird aktuell gearbeitet. Digitale Tools aber, das steht jetzt schon fest, werden noch wichtiger. Und die digitalen Bildungsangebote werden dabei eine bedeutende Rolle spielen.