Ich will doch nur spielen!
Warum Lernspiele die Mitarbeitermotivation steigern
Sven R. Becker, Stephan Urbanski, imc AG
Kurz & Bündig
Wissen und Wissensvermittlung werden zunehmend als Produktionsfaktor betrachtet. Organisationen investieren vermehrt in Weiterbildung, vor allem in digitale Trainings (E-Learning). Allerdings sind die Abschlussraten eher gering. Um die Motivation zu fördern, können spielerisch vermittelte Lerninhalte helfen.
Wenn es um den Begriff des Spielens geht, denkt man zumeist als Erstes an Kinder. Dass dies jedoch zu kurz greift, zeigt schon der Begriff des „Homo ludens“ [1], des spielenden Menschen. Der Spieltrieb des Menschen ist altersunabhängig sehr ausgeprägt. Das Spiel als menschliche Aktivität kann ungeahnte Kreativität und Energie freisetzen. Heutzutage spielen wir zu großen Teilen digital. Diese Spielaffinität machen sich Bildungseinrichtungen und Unternehmen in Form von Lernspielen zunutze.
Es gilt, je jünger, desto mehr wird gespielt: Unter 30 Jahren spielen drei Viertel der Deutschen, und bei den 30-49-Jährigen sind es immerhin noch zwei Drittel. Zum Einsatz kommt meistens das Smartphone [2]. Doch egal womit oder was gespielt wird, fest steht, dass Spiele eine enorme intrinsische Motivation bei den Spielenden hervorrufen. Oft verfallen sie dabei in den sogenannten Flow, einen Zustand müheloser und zeitgleich intensiver Konzentration.
Diese Spielaffinität, gepaart mit der weiten Verbreitung und der hohen Motivation, machen sich Bildungseinrichtungen und auch immer mehr Unternehmen zunutze, nämlich in Form von Lernspielen. Denn Wissen und Wissensvermittlung immer mehr auch als Produktionsfaktor zu betrachten, hat sich längst in Unternehmenskontexten etabliert. Daher investieren Organisationen vermehrt in Weiterbildung – analog aber vor allem in digitale Trainings (E-Learning).
Ein Problem dabei ist allerdings, dass die Abschlussraten solcher E-Learnings eher gering sind, nach Jordan [4] liegen diese lediglich bei 15 %. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein aufwendig erstelltes Training von 85 % der Belegschaft nicht beendet, sondern vorzeitig abgebrochen wird. Erzielen Lernende keinen Wissensgewinn, sind sowohl Zeit als auch Geld verschwendet. Genau hier, bei der fehlenden Motivation am Ball zu bleiben, können spielerisch vermittelte Lerninhalte helfen.
Begriffsdschungel rund um Serious Games und Co.
Serious Games sind digitale Spiele, die einen „ernsthaften Mehrwert“ bieten, also neben dem bloßen Unterhaltungswert weitere Intentionen haben. Darunter können bereits Werbe- bzw. Marketingspiele zählen. Ein Beispiel wäre „Americas Army“, ein kostenloses Spiel, das die US-Armee zum Zweck der Rekrutierung junger, erfolgreicher Spieler veröffentlichte.
Digitale Lernspiele und Game Based Learning sind eine Unterkategorie von Serious Games. Ihr Fokus liegt rein auf der Wissensvermittlung, weitere Zwecke wie Marketing oder Recruiting sind nicht gegeben.
Werfen wir einen Blick auf die unterschiedlichen Typen von Lernspielen, um zu verstehen, welches Format wofür geeignet sein kann. Wir unterscheiden vor allem drei Vertreter: Drill & Practice Spiele, Lernadventures und Simulationsspiele.
Drill & Practice Spiele eignen sich für den klassischen Wissensaufbau von Fakten und kognitiven Fähigkeiten mit klarem Richtig/Falsch-Feedback. Hier wären etwa Vokabel-Lern-Apps oder Rechenspiele einzuordnen.
Im Unternehmensumfeld sind Quiz-Spiele denkbar, ein Beispiel ist die BizQuiz-App der imc AG, mit der Quizze leicht und individuell spielerisch aufbereitet werden können, ähnlich wie in TV-Quizformaten. Das weckt den Ehrgeiz der Lernenden, da Mitarbeiter oder ganze Teams gegeneinander antreten können.
Lernadventures orientieren sich am Point- & Click-Adventure-Genre. Sie setzen auf entdeckendes Lernen bzw. Erkunden, wobei die Inhalte durch eine spannende Geschichte (Storytelling) mit den Inhalten verbunden werden. Durch die Einnahme einer Rolle eignet sich dieses Format besonders gut für Perspektivwechsel, womit sich beispielsweise emotionale Inhalte besser transportieren lassen. Auch die vielerorts gewünschte Awareness, also die Sensibilisierung für ein Thema, kann so besser vermittelt werden.
Dialoge sind häufig ein Teil solcher Spiele, anhand derer sich besonders leicht Konsequenzen bestimmter (Spiel-) Handlungen darstellen lassen. Nehmen wir an, die Spielfigur ist ein Betreuer auf einem Messestand, der verschiedene Aufgaben bzw. Herausforderungen lösen muss. Je nach Handlung erhält die Spielfigur eine qualitative und individuelle Rückmeldung, was zu einer verstärkt immersiven Ebene beim Lerner führt, da er eine direkte Wechselwirkung auf seine Handlung wahrnimmt. Er „erlebt“ die Situation somit, anstatt nur reaktiv Wissensinhalte zu konsumieren.
Ein ähnliches Prinzip hat die imc beispielsweise für den Kunden Linde Materials Handling angewandt und das Adventure Game „City of Goods“ entwickelt. Dort entdecken Lernende ein dreidimensionales Verteilerlager, welche sechs verschiedene Spielwelten abbildet. Beim virtuellen Besuch im Warenlager müssen die Spielenden aus der Ich-Perspektive innerhalb des Warenlagers Optimierungspotenziale erkennen und diese notieren oder einsammeln. So werden auch visuell typische Engpässe an den Stationen sichtbar. In Dialogen lernt man verschiedene Rollen innerhalb eines Lagers kennen.
Lernen durch Erleben und Ausprobieren
In der dritten Kategorie, den Simulationsspielen, wird Wissen vor allem über Zusammenhänge vermittelt, also über das Ursache-Wirkungs-Prinzip. Simulationen stellen ein vereinfachtes Abbild der Realität dar, die durch Parameter bzw. Algorithmen im Spielcode verändert werden können. Solche Spiele eignen sich besonders zum Erlernen (praktischer) Fähigkeiten.
Besonders hilfreich ist diese Art des Lernens, wenn es sich um Bewegungsabläufe, gefährliche Handlungen oder den Umgang mit teuren Maschinen handelt. Teilweise wird hier auch auf die Virtual-Reality-Technik zurückgegriffen, um Simulationen möglichst realitätsnah erscheinen zu lassen.
Typische Anwendungen finden sich in der medizinischen Ausbildung, wo etwa Diagnosen oder Operationen eingeübt werden können. In virtuellen Fabriken lässt sich so auch spielend der Umgang mit komplexen Maschinen erlernen. Am bekanntesten aus dieser Sparte sind jedoch sicherlich Flugsimulatoren für angehende Piloten.
Vorteile und psychologische Effekte von Lernspielen
Was lässt sich hinsichtlich Lernspielen also festhalten? Laut Meta-Studien von Ke[5] oder Vogel et al.[6] lässt sich ableiten, dass Lernspiele oder gamifizierte Handlungen zu Veränderungen in Bezug auf Motivation, Verhalten oder Einstellungen führen. Außerdem werden kognitive, meta-kognitive und motorische Fähigkeiten gefördert.
Der Hauptfaktor und wichtigste Grund für den Einsatz von Lernspielen ist und bleibt die Förderung der Motivation. Intrinsische Motivation entsteht aus inneren Bedürfnissen, wie dem Wunsch nach sozialem Austausch oder einem perfektionistischen Streben, Fähigkeiten zu meistern. Extrinsische Anreize wären bspw. der Wunsch nach sozialer Anerkennung oder Belohnungen.
Im Alltag nutzen diese Effekte Gamification verwandte Ansätze wie Benchmarking (wie bei Kalorien- oder Schrittzählern) oder Nudging, wobei Verhaltensweisen spielerisch beeinflusst werden, ohne etwa schwer durchsetzbare Verbote auszusprechen. Einfach gesagt lässt sich festhalten: Lernspiele fördern die Motivation der Lernenden, verringern die Abbrecherquote bei Trainings und verhelfen zu langfristig besseren Lernerfolgen. Daher: Game on!
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