Erfolgreich Gründen aus der Wissenschaft
Wie gelingen nachhaltige Ausgründungen aus der Forschung?
Sebastian Kreibich, Björn Maurer, August-Wilhelm Scheer Institut
Kurz und bündig:
Es gibt immer wieder junge Unternehmer aus der Wissenschaft, die visionär denken, aber auf die spezifischen Herausforderungen im Forschungsumfeld keine passende Antwort finden. Diese liegen insbesondere im Bereich der richtigen Fokussierung auf den Markt beziehungsweise den Kunden, aber auch im Aufbau komplementärer Teams oder der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle.
Es gibt große Chancen und Potenziale für Gründungen aus Universitäten und wissenschaftlichen Instituten, da sie meist technologische Alleinstellungsmerkmale mitbringen und im Regelfall sehr gut in die öffentlichen Förderstrukturen eingebunden sind. Doch reicht das aus? Viele Gründer aus dem Forschungsumfeld stehen vor großen Herausforderungen und der Anteil der Gründungen in Deutschland aus der Wissenschaft ist mit 16 % sehr gering [1]. Das August-Wilhelm Scheer Institut untersucht in diesem Kontext,welche Erfolgsfaktoren sich identifizieren lassen und wie Gründungserfolg definiert werden kann.
Ein Wissenschaftler, der gezeigt hat, dass man die Brücke zwischen Wissenschaft und Unternehmertum erfolgreich schlagen kann, ist Professor August-Wilhelm Scheer. Innovatives Unternehmertum hat bei Scheer eine lange Tradition. Angefangen mit dem Aufbau der IDS Scheer AG im Jahr 1984 im Rahmen einer Ausgründung aus dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität des Saarlandes. Damit schaffte Professor Scheer mit dem Thema Geschäftsprozessmanagement den nachhaltig erfolgreichen Sprung von der Wissenschaft in die Wirtschaft. All das zu einer Zeit, in der das Geschäftsprozessmanagement noch in den Kinderschuhen steckte und öffentliche Förderungen für Gründer noch lange nicht in der Breite etabliert worden waren, wie etwa das EXIST Gründerstipendium [2].
Gründungen aus der Wissenschaft weisen oft das Merkmal auf, dass sie eine Technologie mit in die Unternehmung einbringen, die als Kern der Gründung angesehen wird. Die Technologie steht also oft aus Sicht der potentiellen Gründer im Mittelpunkt ihrer Betrachtung und es kommt trotz agiler Produktentwicklung zu einem „Technology-Push“. Es wird versucht, mit allen Mitteln und ohne Betrachtung der eigentlichen Kundenbedürfnisse, die Technologie in Form eines Produktes oder Services an den Markt zu bringen [3].
Nur eine innovative Technologie bedeutet noch nicht, dass man daraus ein erfolgreiches Unternehmen gründen kann und sollte. Ein Erfolgsfaktor liegt daher darin, die Probleme der Kunden zu erkennen und Lösungen dafür zu entwickeln. Dafür eignen sich beispielsweise die Design Thinking Methode, die ganz strikt die Kundensicht in den Mittelpunkt stellt, das „Jobs to be Done“ Modell, das neben funktionalem Kundennutzen auch andere Dimensionen wie den emotionalen oder sozialen Nutzen betrachtet sowie die „MOM-Test“ Methodik [4], nach der die richtigen Fragen gestellt werden und relevante Antworten zu Herausforderungen der Kunden generiert werden. Aus den gewonnenen Antworten lassen sich dann Produkte und Dienstleistungen für Kunden ableiten, die stark nachgefragt werden und daher auch eine Zahlungsbereitschaft vorliegt.
Herausfordernd können auch Teamprozesse bei der Ausgründung sein, weil Wissenschaftler oft eine eigene Logik zur Lösung von Problemen haben, die nicht immer komplementär zu denen von Unternehmern passen, die aus der Sicht des Marktes ganz andere Blickwinkel auf eine Technologie oder ein Produkt haben [5]. „In der Wissenschaft bist du in der Regel ein 100-Prozent-Mensch. Es ist dir egal, wie viel Zeit du reinsteckst, bis du dein Problem gelöst hast. Als Gründerin oder Gründer bist du hingegen jemand, der ein limitiertes Zeit- oder auch sonstiges Ressourcenbudget hat und damit zu irgendeiner Lösung kommen muss.“ [6] Hier ist der wichtige Erfolgsfaktor der Team-Match. Es ist unbedingt notwendig, ein wohl-diversifiziertes Team zusammenzustellen, dass die wichtigsten fachlichen Kernkompetenzen vereint und darüber hinaus auch auf der persönlichen Ebene harmoniert und mit schwierigen Situationen umgehen kann.
Eine nicht weniger bedeutsame Herausforderung für mögliche Ausgründungen aus Instituten ist bisweilen die fehlende Evaluation der Verwertbarkeit von Forschungsprojekten während der Projektlaufzeit und die meist fehlende Geschäftsmodellentwicklung, die von den Projektteams vernachlässigt wird. Hier kann die Definition eines Verwertungsprozesses ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Dieser Prozess sollte im Verlauf der Projekte anhand definierter Meilensteine und entsprechender Kriterien kontinuierlich nachverfolgt werden. Die frühzeitige Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen, etwa durch die Methodik des Business Model Canvas, sowie das schnelle Testen mit Partnern/Kunden in Pilotprojekten mit der „Jobs-to-be-done“-Methodik ist essenziell [3].
Schließlich stellt sich noch die Frage nach dem „Erfolg“ einer Ausgründung. Hier werden leider zu viele Ausgründungen bereits als erfolgreich bewertet, wenn eine formale Gründung stattgefunden hat. Dies dient jedoch häufig in erster Linie der Erfüllung von intern definierten Kennzahlen. Dabei sind viele dieser Start-ups noch immer wesentlich von der öffentlichen Förderung abhängig und möglicherweise nicht nachhaltig lebensfähig. Um sich aber im Markt zu beweisen, muss der nachhaltige Erfolg durch Faktoren wie beispielsweise eine nennenswerte Unternehmensgröße, relevante Kundenumsätze und eine nachweisbare Skalierung bemessen warden.