Mainstream? Nein Danke!
Was es für die Onlinespielentwicklung braucht
Im Gespräch mit Patrick Rau, Mad about Pandas
Kurz & Bündig
Mad About Pandas ist ein deutscher unabhängiger Videospielentwickler, der 2005 von Patrick Rau in Berlin gegründet wurde. Das Studio fokussiert auf die Produktion von Erzählspielen wie dem Mystery-Adventure-Titel Hitchhiker und arbeitet an Auftragsprojekten für Kunden wie das Goethe-Institut, die Bundesagentur für Arbeit und Disney. Viele Jahre lang konzentrierte sich das Studio hauptsächlich auf die Produktion von Spielen auf Mobilgeräten wie z.B. das preisgekrönte Lernspiel Laika.
Das Berliner Start-up Mad About Pandas wurde 2017 von Patrick Rau als Spin-off der kunst-stoff GmbH, einem unabhängigen Spieleentwickler und -produzent, gegründet. Unterdessen wurde das kleine Unternehmen mit dreizehn Mitarbeitern mit mehreren Preisen für die Produktion von Online-Spielen und anderen kreativen Mediaproduktionen ausgezeichnet. Im Gespräch mit dem Gründer haben wir mehr über Herausforderungen und Ziele des Unternehmens erfahren. Außerdem erhielten wir Einblick in die bekanntesten Gamesentwicklungen von Mad about Pandas.
IM+io: Herr Rau, Mad About Pandas bietet interaktive Spiele und Anwendungen. Dabei legen Sie Wert auf Kunst und Design. Wer ist Ihre Zielgruppe und warum ist „artdesign“ dabei ein besonderes Verkaufsargument?
PR: Die Computerspielbranche kann sehr gut mit der des Film- und Fernsehens verglichen werden. Es gibt nicht nur verschiedene Genres, sondern auch unterschiedliche Spieltypen. Das Angebot an inhaltlich und künstlerisch wertvollen Spielen kann dabei mit den sogenannten Arthouse-Filmen verglichen werden, die eher unkonventionelle Wege abseits der Mainstream-Produkte beschreiten. Ich persönlich habe kein Interesse an Mainstream-Produkten und bevorzuge es, ungewöhnliche Thematiken mit interessanten Spielmechaniken zu verknüpfen. Natürlich ist dies nicht immer leicht, und es gibt einfachere Wege, um sein Geld zu verdienen, doch das bringt uns keineswegs von unserem Kurs ab. Unser neues Spiel „Hitchhiker” wurde zum Beispiel unter anderem durch die großartigen Filme von David Lynch inspiriert. Eine Nische für diese Art von Videospielen existiert, sie ist groß und wächst stetig, sodass Entwickler mit ihnen auch wirtschaftlich erfolgreich sein können. Das Konzept von Hitchhiker hat auch das Interesse von Apple und Oculus (Facebook) geweckt und die Unternehmen zu einer Investition veranlasst, wodurch das Spiel auch auf den jeweiligen Plattformen veröffentlicht werden wird. Irgendetwas haben wir also richtig gemacht! Wir sind sehr gespannt auf den Release und neugierig, wie das Spiel bei unseren Konsumenten ankommt.
IM+io: Sie sind ein Spin-off der kunst-stoff GmbH. Warum haben Sie sich von dort abgespalten, und wie unterscheiden sich die Angebote auf dem Markt?
PR: Für die Produktion eines Videospiels hat die kunst-stoff GmbH vor einigen Jahren ein Darlehen der IBB aufgenommen. Das daraus resultierende Spiel war zwar erfolgreich und gewann etliche Preise, doch letztendlich reichte es nicht aus. Wir konnten das Darlehen nach fünf Jahren nicht zurückzahlen und meldeten Konkurs an. Ein anderes zeitgleich laufendes Projekt war hingegen sehr erfolgreich, die generierten Einnahmen flossen jedoch in die Insolvenzmasse. Eine harte, jedoch faire Erfahrung, durch die wir als Unternehmen viel gelernt haben.
Dieser Lebensabschnitt liegt bereits einige Jahre zurück, seitdem gibt es viele positive Bewegungen innerhalb der deutschen Videospielindustrie. Mittlerweile sind wir ein wichtiger Standort für die Produktion von Videospielen geworden, mit guten Wachstumschancen. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern hinken wir jedoch auch weiterhin hinterher. Aus diesem Grund ist es besonders erfreulich, dass der deutsche Game Verband GAME zusammen mit dem BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) dafür sorgen möchte, dieses potenzielle Wachstum anzutreiben und mithilfe finanzieller Mittel zu unterstützen. Dies zieht unter anderem neue Investoren aus dem Ausland an. Doch zurück zur ursprünglichen Frage: „Mad About Pandas” wurde ins Leben gerufen, um uns einen neuen Start zu ermöglichen und die Arbeitsplätze des eingespielten Teams zu sichern. Dies ist uns glücklicherweise auch gelungen. Was unsere Philosophie betrifft, hat sich im Laufe der Jahre nicht viel verändert, doch wir haben jede Menge dazugelernt und die Ausrichtung der Produktionen besser an unser Studio angepasst.
IM+io: In Ihrem Portfolio liegt ein besonderer Fokus auf sogenannten Serious Games und Educational Games für Kinder und Erwachsene. Was bieten Sie hier konkret an? Wo liegen die besonderen Herausforderungen bei der Erstellung dieser interaktiven Angebote? Wer sind hier Ihre Kunden?
PR: Im Bereich der Serious Games arbeiten wir vor allem im Kontext von Auftragsproduktionen. Prinzipiell geht es dabei darum, komplexe Abläufe und Thematiken durch eine spielerische Herangehensweise leichter begreifbar zu machen. Spielen liegt in der Natur des Menschen und kann uns dabei helfen, Themen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Einer unserer ehemaligen Kunden ist die Bundesagentur für Arbeit, die mithilfe eines Spiels die Arbeitsabläufe in einem Jobcenter verständlicher präsentieren wollte, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu akquirieren. Die Herausforderungen einer Serious Game-Entwicklung liegt also darin, komplexe Themen aufzubrechen und sie im Rahmen eines sowohl lehrreichen als auch unterhaltsamen Videospiels verständlich darzustellen. Auf dem Markt der Kinderspiele dominieren vorwiegend größere Marken, weswegen wir uns besonders über Möglichkeiten freuen, bei denen wir spaßige Videospiele für Kinder produzieren können. Zuletzt haben wir im Rahmen des EU-Programms (H2020) das Lernspiel „Laika – auf der Spur des goldenen Knochens“ hergestellt. Das Spiel hat etliche Preise gewonnen und wurde bereits in Workshops an Schulen präsentiert, doch wegen der Schwierigkeiten, die der Markt mit sich bringt, hat es das Spiel trotzdem nicht leicht. Aus diesem Grund richten wir uns bei „Mad About Pandas“ mit Produktionen wie Hitchhiker mittlerweile an ein eher erwachsenes Publikum. Auftragsarbeiten im Bereich Serious Games nehmen wir jedoch auch weiterhin an, nur eben mit einem neu angepassten Fokus.
IM+io: Zu Ihren Angeboten gehört auch „Transmedia Storytelling“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriffspaar?
PR: Ein gutes Beispiel, um diesen Begriff zu erklären, ist das Star-Wars-Universum. Es besteht aus Filmen, Büchern, Comics und weiteren Medien, die jeweils ihre eigenen Geschichten erzählen, dabei jedoch ein und demselben Universum angehören.
Vor einigen Jahren gab es Initiativen, die darauf aus waren, neue Formate bereits in ihrer Entstehung transmedial anzulegen. Auch wir sind auf diesen Zug aufgesprungen und haben versucht, eine Animations-Serie für eines unserer Spiele mit einem entsprechenden Partner umzusetzen. Damit haben wir es sogar bis zur BBC geschafft. Für ein anderes Vorhaben saßen wir wiederum mit dem Bayrischen Rundfunk zusammen. Im Endeffekt haben es die beiden Projekte nicht in die Entwicklung geschafft, weshalb das Gebiet des Transmedia Storytelling nicht mehr im Fokus für uns steht.
IM+io: Sie arbeiten gemeinsam mit einem Team von Experten. Was macht die besondere Dynamik dieses Teams aus? Ist das noch das Gründerteam?
PR: Aktuell besteht unser Team aus circa 13 festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Darunter Programmierer, Artists, Designer und Projektmanager. Über die Jahre hat sich der Fokus des Studios verändert, und wir durchlebten Höhen und Tiefen. So ist es normal, dass auch eine gewisse Fluktuation entsteht. Nichtsdestotrotz gibt es ein Kernteam, mit dem wir gemeinsam bereits „durch dick und dünn” gegangen sind.
Was uns als Studio auszeichnet, ist der Fakt, dass sich jedes Teammitglied in die Gestaltung der Projekte einbringen kann. Die Bereiche der Expertise haben nicht immer einen festgelegten Rahmen. Dazu kommt, dass die meisten Spielentwicklerinnen und -entwickler in der kreativen Medienbranche sehr wissbegierig und leidenschaftlich unterwegs sind. Als „Mad About Pandas“ schaffen wir kreative Werke. Diese können nur zustande kommen, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und unsere Vision für das nächste große Projekt teilen.
IM+io: Wie haben Sie den Start Ihres Unternehmens finanzieren können? Und wie sichern Sie Ihre Finanzierung für die weitere Eroberung des Marktes?
PR: Für das Konzept unseres Debütprojekts, ein Kinderlernspiel namens „Galaxy Racers”, gewannen wir damals mit unserem zunächst kleinen Team einen Preis. Dazu kamen eine Zusammenarbeit mit einer Universität und jede Menge Beharrlichkeit. Mit dieser Kombination ist es uns als junges Unternehmen gelungen, eine kleine Förderung vom Medienboard Berlin-Brandenburg zu erhalten. Mithilfe der Förderung konnten wir im Anschluss einen Prototyp des Spiels herstellen, dieser wiederum lockte eines der größten Videospielunternehmen an: Ubisoft. Mit Ubisoft als starkem ersten Publisher-Partner fing also alles an.
Seitdem finanzieren wir unsere Spiele über Publisher, Investoren und Förderungen. Zuletzt investierten ein amerikanischer Publisher, Apple und Oculus in unsere Produktion von Hitchhiker. Wir sind sehr gespannt darauf, wie es auf dem Markt ankommt.
IM+io: Profitieren Sie von einem Corona-Schub, der Online-Interaktion stärker in den Fokus gerückt hat?
PR: Die Computerspielbranche hat definitiv von der Corona-Krise profitiert, viele Spieler vertreiben sich in Phasen des Lockdowns die Zeit mit Videospielen. Einige machen sogar ihre ersten Schritte in die Welt der Videospiele. Sie bieten eine Form des Eskapismus, der in diesen Perioden guttun kann. Da wir uns noch in der Produktion von Hitchhiker befinden, spüren wir selbst als Entwickler jedoch keine Auswirkungen.
IM+io: Wie sieht die Zukunftsplanung von Mad About Pandas aus? Was sind Ihre Pläne für die nächsten fünf Jahre?
PR: Wir arbeiten bereits an einem neuen Projekt und führen erste Gespräche mit Publishern, die Interesse daran haben, in die Produktion zu investieren. Dabei rechnen wir mit einer Entwicklungszeit von circa drei Jahren. Generell fokussieren wir uns auch weiterhin auf außergewöhnliche Geschichten und Spielmechaniken, die das Medium der Videospiele in gewisser Weise voranbringen. Wir sind gespannt auf die Reaktionen zu Hitchhiker und hoffen, dass die Nische, in der wir unsere Projekte ansiedeln, auch weiterhin die Aufmerksamkeit der Spieler erhält.
(Bildquelle: AdobeStock | 253319712 | Olesia Bilkei)