Digitalisierung im Gesundheitswesen
Mit Trippelschritten in die Zukunft
Ein Kommentar von August-Wilhelm Scheer, Scheer Holding
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Kaum jemand zieht in Zweifel, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen Fortschritt und Erleichterungen für medizinisches Personal und Patienten bietet. Wie in anderen Bereichen auch nutzt Deutschland aber wieder einmal die Chancen nicht und verliert sich in Diskussionen.
Man sieht sie immer häufiger dort, wo früher eine Armbanduhr nichts als die Zeit anzeigte – jene Smartwatches, die, mit dem Internet verbunden, die Gesundheitsdaten des Trägers sammeln. Puls, getane Schritte pro Tag, Kalorienverbrauch und vieles mehr lassen sich jederzeit ablesen. Vergleichbares leisten Fitnessarmbänder oder Sensoren, die in die Kleidung integriert sind. Eine Vielzahl von Gesundheiapps gibt Ratschläge für ein gesundes Verhalten und die Behandlung von Erkrankungen. Was vor 10 Jahren noch als Spleen von Computernerds angesehen wurde, ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ob wir dadurch tatsächlich gesünder leben, mag man hinterfragen. Unstreitig ist jedenfalls die Offenheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land für digitale Angebote rund um die Gesundheit.
Vor diesem Hintergrund verwundert es dann doch, dass man im Gesundheitswesen selbst bei der Digitalisierung nur mit Trippelschritten vorankommt. Die Covid-Pandemie hat es mehr als deutlich gemacht: Die Kontaktnachverfolgung infizierter Menschen scheiterte nicht nur an einer zu geringen Personalausstattung. IT-Systeme waren für den Datenaustausch nicht kompatibel, zu oft war das Faxgerät die einzige Möglichkeit der Kommunikation. Während der ersten Impfkampagnen brachen Server unter der Datenlast zusammen, archaische Benutzeroberflächen machten eine intuitive Nutzung unmöglich.
An mangelnder Erkenntnis über Notwendigkeiten und Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen kann es nicht gelegen haben. Als Beispiel kann hier der Plan für eine elektronische Patientenakte, ePA, genannt werden. 2015 wurde von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums zunächst der Weg frei gemacht für eine elektronische Gesundheitskarte als Versichertenausweis der jeweiligen Krankenkassen. Damit schien auch ein Anfang gemacht für die spätere ePA. In der sollten alle Patientendaten gespeichert werden, um Ärzten und Kliniken jederzeit die notwendigen Informationen zu geben, um Doppelmedikation oder Fehlbehandlungen zu vermeiden. Patienten sollten so auch selbst jederzeit Zugriff auf ihre Daten haben. Die medizinische Forschung hoffte auf einen breiten Datenpool für neue Erkenntnisse. Die Angst vor Datenmissbrauch, verbunden mit rigiden Datenschutzvorgaben, aber auch Vorbehalte seitens mancher ärztlicher Standesorganisation bremsten die notwendigen strategischen und politischen Entscheidungen dann über Jahre hinweg aus. 2022 und 2023 sollen nun die endgültigen Weichen für die ePA gestellt werden, wenn auch nur auf freiwilliger Basis, entsprechend der Zustimmung des individuellen Patienten. Viele Ärzte und Kliniken warten händeringend darauf.
Im Innovationsforum „Digitale Gesundheit 2025“ lädt das Bundesministerium für Gesundheit Expertinnen und Experten aus allen Bereichen des Gesundheitswesens bereits seit 2019 ein, gemeinsam die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung für eine bessere Gesundheitsversorgung zu diskutieren. Ziele sind dabei unter anderem, digitale Versorgung als Normalität zu etablieren, Verwaltungsprozesse zu optimieren und die Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern zu vereinfachen. Noch ist von dieser neuen digitalen Normalität viel zu wenig zu spüren, aber es bleiben ja noch drei Jahre Zeit, um die ehrgeizigen Pläne umzusetzen…