Digitalisiert euch!
Wie Unternehmen innovativer aus der Krise kommen können
Dara Kossok-Spieß, Handelsverband Deutschland – HDE e.V.
Kurz & Bündig
„Digitalisiert euch!“ schallt es seit Jahren dem Mittelstand entgegen. Die Corona Krise ruiniert jene, die es bislang versäumt haben. Oft fehlt es der Zielgruppe aber an maßgeschneiderten Angeboten. Sie wissen nicht: Wo fange ich an? Was braucht man wirklich, um als Unternehmen innovativer aus der Krise zu gehen, als man hineingegangen ist und wo sind bereits Angebote zu finden?
Die Corona Pandemie stürzt kleine und mittelständische Händler in die Existenzkrise: Die Läden geschlossen, oft kein digitaler Vertriebsweg vorhanden, das bedeutet keinerlei Umsatz. Doch maßgeschneiderte Digitalisierungsangebote des Handelsverbands Deutschland schaffen Chancen, innovativer aus der Krise zu kommen, als man hineingegangen ist. Wo kann sich wer wie innovativ aufstellen?
Dass die Corona Pandemie vorherrschende Trends beschleunigt und verstärkt, ist zu einer Binsenweisheit geworden. So ist es auch im Handel, der drittgrößten Wirtschaftsbranche Deutschlands.
Inventur: Wo stand der Handel vor Corona?
Seit Jahrzehnten konnten wir den Trend zum Onlinehandel und digitalen Vertriebswegen beobachten. Hier sprechen die Zahlen vor Corona für sich: Im Jahr 2019 ist der deutsche Onlinehandel auf 59,2 Milliarden Euro gewachsen. Die Wachstumsrate ist mit 11 Prozent entgegen dem Trend der letzten Jahre gestiegen [1]. Die Kehrseite der Online-Medaille ist die Frequenzabnahme in dem stationären Handel. Bereits vor der Pandemie fiel diese um 12 Prozent bei konstanten Ausgaben pro Einkaufsakt. Eindeutiges Bild zeichnete sich bereits vor Corona ab: Der Markt wandelte sich langsam(er), aber sicher zum Omni-Channel Handel, der die Kunden auf allen digitalen und analogen Kanälen erreicht.
Stresstest: Wen Corona im Handel veränderte
Die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung trafen den Handel hart. Die Ladenschließungen 2020 ruinierten die absatzstärksten Monate des Jahres. Stationäre Player mussten die schwerste Last tragen. Knapp zwei Drittel der Innenstadthändler sehen ihre Existenz in Gefahr, denn im Jahr 2020 verlor der Handel über 36 Milliarden Euro [2]. Betroffen sind 50.000 Geschäfte mit über 250.000 Mitarbeitern.
Wie keine Krise zuvor, zeigt uns Corona die Dringlichkeit der Digitalisierung des deutschen Handels. Doch über wen sprechen wir? Wer genau muss dringend digitalisieren? Das Bild vom deutschen Handel, den Corona in Existenzängste stößt, ist auf den zweiten Blick weniger einheitlich als es scheint.
Zum einen gibt es massive Unterschiede innerhalb der betroffenen Fachbranchen: Während die Textil- und Schuhhändler bis zu 56 Prozent ihres Vorjahresumsatzes verloren, konnten Lebensmittelhändler ein Plus verzeichnen. Zum anderen sind es insbesondere kleine und mittelständische Händler (KMU), die weder Ressourcen, Wissen noch Kapazitäten hatten, um eine digitale Präsenz aufzubauen, mit der sie ihre Umsatzverluste hätten teilweise aufholen können. Die Krise verdeutlicht die Schwachstellen vieler Händler: Fehlende digitale Vertriebswege, mangelhafte Vernetzung, unbefriedigende Sichtbarkeit im Internet und ungenügende Präsenz in den Sozialen Medien.
Die Krise zeigt aber auch das Potenzial vieler Händler: Geschwindigkeit, Kreativität und Innovationskraft bestimmten das Handeln im Lockdown. Rund zwei Drittel der Unternehmen bauen ihr Angebot und ihre Services aus. Viele Unternehmen bieten Lieferservices an.
Einfach das stationäre Geschäft online abbilden reicht nicht aus: Das Geschäftsmodell Handel muss hinterfragt und digital neu gedacht werden, um im Netz der unzähligen Informationen und Möglichkeiten erfolgreich zu sein. Deshalb reicht es auch nicht aus, ein Digitalisierungsangebot für alle betroffenen Händler zu schaffen und ihnen die digitale Transformation überzustülpen. Nur auf die Händler und ihre Fähigkeiten zugeschnittene Angebote können nachhaltig und produktiv den Wandel der Branche gestalten.
In der Ankleide: passende Digitalisierungsangebote
Digitalisierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Diese teuer bezahlte Lehre aus der Krise stellt viele Händler vor neue Fragen: Wo anfangen? Wie werde ich online sichtbar? Wer kann mir gebündelt Informationen liefern? Was brauche ich für die digitale Transformation? Schnelle, unkomplizierte, kostenfreie, aber auch passgenaue Hilfe muss her: Der Handelsverband Deutschland (HDE) positionierte sich deshalb zu Anfang der Krise mit eigenen Digitalisierungsangeboten, aber auch vielseitigen Kooperationen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen des deutschen Handels zu entsprechen.
Für alle, die sich mit der Digitalisierung im Handel auseinandersetzen, bietet der HDE auf seiner Digitalseite „Handel 4.0“ [3] ein „Digitales 1×1“ von erfolgreichen digitalen Transformationen und Start- Up Ideen.
Für alle Mittelständler erstellt das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Handel unter der Konsortialführung des HDE kostenlose Webinare, Leitfäden zu digitalen Vertriebsthemen und Podcasts, um sie bei der Digitalisierung des Geschäftsmodells zu unterstützen. Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie werden hier anbieterneutrale Informationen über alle relevanten Bereiche der digitalen Transformation des Handels abgebildet [4]. Zudem bieten die Experten des Kompetenzzentrums persönliche Unternehmenssprechstunden, bei denen sie KMU bei ihrem Digitalisierungsvorhaben unterstützen.
Für alle, die im Internet sichtbar werden müssen, initiierte der HDE gemeinsam mit Google die Initiative „ZukunftHandel“. Das Programm wendet sich deutschlandweit an rund 250.000 Unternehmen. Bei diesen stehen einem E-Commerce- Angebot oft fehlende Zeit oder mangelndes Know-how im Weg. Hier will „ZukunftHandel“ Abhilfe schaffen. Das Angebot kann ohne große monetäre oder zeitliche Investitionen wahrgenommen werden und steht allen kleinen Handelsbetrieben und Ladenbesitzern zur Verfügung. Es beinhaltet unterschiedliche Instrumente und Trainings, die auf den Erfahrungsstand des jeweiligen Unternehmens zugeschnitten sind, u.a. eine professionelle Unternehmenswebseite nebst Onlineshop in Zusammenarbeit mit IONOS 1&1 und JIMDO oder passgenaue Online-Trainings von Online-Sicherheit (mit TÜV SÜD) über Online-Marketing (Google Zukunftswerkstatt) bis zu Einstiegskursen in das Thema „Künstliche Intelligenz” [5]. Mit einem entsprechenden Award werden erfolgreiche und vielversprechende Konzepte in sechs Kategorien ausgezeichnet.
Für alle, die auf Marktplätzen handeln wollen, konzipierte der HDE gemeinsam mit der Initiative „Händler helfen Händlern“ und Amazon das Wissensportal „Quickstart Online“. Auf „Quickstart Online“ vermitteln erfolgreiche E-Commerce-Profis ihr Wissen kostenfrei in Online-Seminaren und Live-Onlinekursen. Mit an Bord sind unter anderem Experten vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), mediacampus frankfurt und Trusted Shops. Digitale Vorbilder verraten ihr Erfolgsgeheimnis. Rechtliche Fragen werden genauso behandelt wie die Themen Social- Media- Marketing oder Kundenbindung [6].
Für alle lokalen Einzelhändler, die Unterstützung bei der digitalen Transformation brauchen, kooperiert der HDE mit DHL beim interaktiven Transformationsberater „DHL lokal handeln“. In drei einfachen Schritten und anhand von kundenbezogenen Fragen zeigt der Online-Ratgeber, wie Händler ihr stationäres Geschäft digital verfügbar machen und dadurch eine breitere Kundenschicht erreichen können. Je nach Antwort auf die unterschiedlichen Fragen empfiehlt die Plattform Reichweiten- oder Technologiepartner, die dabei helfen können, den Einzelhandel fit für den E-Commerce zu machen. Auch Fach-, Rechts- und Datenschutzberatung gehört zum Angebot [7].
Das Netzwerk im Netz: Es kommt nicht (nur) auf die Digitalisierungsangebote an
Bei dieser Masse an vielfältigen Angeboten muss doch für jeden Händler etwas dabei sein und der deutsche mittelständische Handel könnte in kürzester Zeit zum digitalen Pionier avancieren. Dass das bislang nicht der Fall ist, zeigen die weiterhin starken Umsatzeinbußen.
Was braucht man, um den deutschen Handel zu digitalisieren? Der niedrigschwellige, unkomplizierte und kostengünstige Zugang zu Wissen und Instrumenten ist essenziell. Entscheidend für die digitale Transformation ist jedoch der Austausch der Händler zu den einzelnen Maßnahmen und ihren Erfahrungen. Erst durch die Vernetzung entsteht ein tieferes und nachhaltiges Verständnis der digitalen Geschäftsmodelle. Erst durch Synergien zwischen Händlern, Technologien, Plattformen und Kunden kann die Branche sich erfolgreich digital aufstellen. Erst die offene Diskussion ermöglicht Innovation.
Sprechen wir von Innovation und digitaler Transformation, müssen wir auch von einem gewissen Mindset sprechen. Ein offener, neugieriger und risikoaffiner Geist geht mit Veränderungen einher. Will man die sich ändernde Zeit mitgestalten, statt sich von ihr treiben zu lassen, muss man alte Muster und Denkweisen rasch und schmerzlos ablegen können. Das verlangt Mut und Handlungsfähigkeit. Digitalisierungsangebote jeglichen Formats können Wissen vermitteln und Unternehmer technisch befähigen. Die Transformation des Mindsets jedoch kann nur im offenen Austausch stattfinden. Mit dieser Erkenntnis bietet der HDE im zweiten Lockdown auch offene Erfahrungsaustauschgruppen für alle interessierten Händler an [8].
Die Digitalisierung des KMU Handels in Deutschland zeigt: Eine Krise sollte mobilisieren, um zur Chance zu werden. Befreit von zögerlichen Technologiezweifeln zwingt sie zum Handeln. Sind die Läden geschlossen, sollten die Laptops aber aufgeschlagen sein.
(Bildquelle: AdobeStock | 338868132 | vetre)