„Die Optimierungspotenziale sind gewaltig“
Dank KI LKW-Ladeflächen besser nutzen
Im Gespräch mit Andreas Karanas, Carrypicker
Kurz & Bündig
Die Transport- und Logistikbranche befindet sich – nicht erst seit der Corona-Krise – stark im Wandel. Die Aufgaben, die die Digitalisierung mit sich bringt, sind gewaltig, bieten aber auch enorme Chancen. Das Hamburger Unternehmen Carrypicker hat mit einem Team aus erfahrenen Informatikern, Data Scientists und Logistikexperten und unterstützt durch eine Forschungsförderung der Bundesregierung eine innovative Lösung für die Optimierung von LKW-Ladungsströmen entwickelt. Durch den Einsatz von KI können Transportkapazitäten besser genutzt und die CO2-Bilanz verbessert werden. Neben Effizienzvorteilen für das einzelne Unternehmen sind die Ergebnisse des Forschungsprojekts dadurch auch für die nationale KI-Strategie von hohem Wert.
Ein Grundproblem der Logistikbranche ist seit Jahren nicht nur bekannt, es kostet Unternehmen Tag für Tag viel Geld und belastet die Umwelt: Aufgrund immenser Einflussfaktoren und immer kürzerer Entscheidungszyklen war eine optimale Verteilung von Frachten auf LKW-Ladeflächen bislang nicht möglich. Das 2017 gegründete Start-up Carrypicker aus Hamburg setzt bei der Lösung auf Künstliche Intelligenz (KI). Mit Carrypicker-Gründer Andreas Karanas haben wir darüber gesprochen, wie das funktioniert.
IM+io: Herr Karanas, Carrypicker hat eine KI Anwendung entwickelt, die in Sekunden errechnen soll, wie sich Lieferungen besser aufteilen lassen und so Leerfahrten bzw. Leerflächen in LKW vermieden werden können. Wie funktioniert das System, das Sie Verladern bieten?
AK: Als Freight Tech Company sind wir besonders auf den Nutzen für den Kunden fokussiert. Dabei sind zwei Faktoren entscheidend: Erstens, es muss sehr einfach sein mit uns zu arbeiten, und zweitens, die Prozesse müssen sehr sicher sein. Hier hilft uns die Digitalisierung. Wir stehen im ständigen Kontakt mit Tausenden von Transportunternehmen, die für uns fahren – so ist sichergestellt, dass kein Auftrag liegen bleibt. Über das digitale Dashboard ist jederzeit der Sendungsverlauf zu beobachten. Am Ende des Prozesses erhalten unsere Kunden alle Versanddokumente und Auswertungen digital sowie automatisch archiviert.
Die eigentliche Leistung unserer KI bemerkt der Kunde nicht, denn diese liegt darin, dass die Auslastung unserer LKW-Kapazitäten deutlich verbessert wird. Das ist vor allem ein Nutzen für die Umwelt! Wir sind stolz, dass wir das Hauptproblem im Logistikmarkt lösen konnten, die Leerfahrten der LKW bei Teilladungen. Das war bislang aufgrund der Komplexität nicht möglich.
IM+io: Wie muss man sich das vorstellen?
AK: Das Ziel ist, unsere Leistungen europaweit anzubieten. Derzeit liegt unser Schwerpunkt allerdings noch in Deutschland und den angrenzenden Ländern.
IM+io: Stellten die verschiedenen Lockdownphasen der Pandemie besondere Herausforderungen dar und wenn ja, welche?
AK: Im Bereich der Industrie wurden viele Projekte während der Pandemie zurückgestellt, und auch die Nachfrage nach Transporten ging zurück. Im Handelsbereich war es jedoch genau umgekehrt, dort stieg die Nachfrage nach Transporten massiv an. Jetzt normalisiert sich die Lage wieder. Für uns stellte dies eine große Herausforderung dar, denn unsere KI berechnet alle Preise auf der Basis von historischen Daten. Disruptive Störungen, wie eine Pandemie, sind dann selbst für eine KI nicht leicht zu meistern, da es keine bekannten Vergleichsdaten gibt.
IM+io: Wie entstand die Idee für Carrypicker?
AK: Das lässt sich leicht nachvollziehen: Als ich das erste Mal erfuhr, dass die durchschnittliche LKW-Auslastung bei nur knapp 70 Prozent liegt, fing ich an, darüber nachzudenken, wie dieser Wert verbessert werden kann. Je tiefer ich jedoch in dieses Thema einstieg, desto komplexer wurden die Zusammenhänge, und es ließ sich schnell erkennen, dass man mit herkömmlichen Methoden bereits an Grenzen stößt. Hier eröffnet Künstliche Intelligenz vollkommen neue Möglichkeiten, denn in Sekundenschnelle können Touren neu geplant, Waren neu gebündelt, und auf externe Parameter reagiert werden. Die Optimierungspotenziale sind gewaltig. Das hat auch der mFund des Bundesverkehrsministeriums erkannt und uns großzügig mit Forschungsgeldern unterstützt.
IM+io: Sind Sie mit Ihrer Idee noch alleine im Markt unterwegs?
AK: Die Bedeutung der Digitalisierung von Prozessen zur Effizienzsteigerung nimmt in allen Wirtschaftsbereichen stetig zu. Der Einsatz von KI in der Logistik steht allerdings noch am Anfang, da sehen wir zumindest in Europa derzeit niemand, der uns „das Wasser reichen könnte“. Wir sind auf diesem Gebiet der Pionier – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.
IM+io: Sie arbeiten gemeinsam mit einem Team von Experten, was macht die besondere Dynamik dieses Teams aus?
AK: Wir sind ein wachsendes Team aus den unterschiedlichsten Berufszweigen. Ich denke, dies unterscheidet uns von einer traditionellen Firma im Logistikbereich am stärksten. Nicht die Kaufleute und Logistiker stellen bei uns die größte Gruppe, sondern die Informatiker und Mathematiker. Wir konnten alle entscheidenden Know-how-Träger langfristig an uns binden und haben ein hervorragendes Arbeitsumfeld geschaffen, in dem jeder seine Kreativität voll einbringen kann.
IM+io: Wie haben Sie den Start Ihres Unternehmens finanzieren können, und wie sichern Sie Ihre weitere Finanzierung?
AK: Zum einen wurden wir – wie schon erwähnt – durch den mFUND vom Bundesverkehrsministerium mit rund 2,5 Mio EUR in unserer Forschung gefördert, zum anderen haben wir Kapitalgeber, die in unsere Idee investiert haben, aber im Hintergrund bleiben. Natürlich sind wir auch ständig in Gesprächen mit weiteren interessierten Investoren. Die Logistikbranche steht vor einem Umbruch – dies wurde besonders in der Pandemie deutlich – daher suchen viele Investoren verstärkt nach Beteiligungen in innovative Startups. Über einige größere Logistik-Deals wurde ja bereits in den letzten zwei Jahren ausführlich berichtet.
IM+io: Wie sieht die Zukunftsplanung von Carrypicker aus? Sie suchen auf ihrer Website offensiv neue Mitarbeiter.
AK: Der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird sich in der Logistik durchsetzen und vollkommen neue Prozesse ermöglichen, die Transport-Effizienz wird steigen, und der CO2-Ausstoß pro Tonnenkilometer sinken. Da habe ich keine Zweifel. Momentan haben wir einen Vorsprung erarbeitet, den wir unbedingt noch weiter ausbauen möchten.
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