Das Unmessbare messbar machen
Impact Measurement
Ellen Goel und Dirk Werth, August-Wilhelm Scheer Institut
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Kurz und Bündig
Die Auswirkungen des Tuns eines Unternehmens auf Gesellschaft und Umwelt werden zunehmend zu wichtigen Erfolgskriterien. Diese Auswirkungen messbar zu machen, ist daher von entscheidender Relevanz für das Erreichen nachhaltiger Entwicklungsziele. Die Wirkungsmessung (Impact Measurement) umfasst dabei die Identifizierung, Bewertung und Berichterstattung der Ergebnisse und Auswirkungen eines Unternehmens auf die Gesellschaft und/oder Umwelt.
Impact gewinnt an Bedeutung – für Investor:innen, Kund:innen und daher letztlich auch für Unternehmer:innen. Das Beziffern und Sichtbar machen der eigenen Impact-Bemühungen wird folgerichtig zum entscheidenden Faktor bei der Akquise von Impact- oder Social Responsible-Investments (SIR). Doch wie lassen sich die positiven Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft ausweisen? Wie misst man Impact?
Was ist Impact Measurement?
Das Impact Measurement (zu Deutsch: Wirkungsmessung) ist ein Prozess, der die Identifizierung, Bewertung und Berichterstattung der Ergebnisse und Auswirkungen der Aktivitäten einer Organisation auf die Gesellschaft und Umwelt umfasst. Die Ergebnisse können entweder positiv oder negativ sein und können auf unterschiedliche Weise gemessen werden, zum Beispiel wirtschaftlich, ökologisch und sozial. Der Prozess der Wirkungsmessung hilft, die Ergebnisse zu identifizieren und das Ausmaß der Wirkung zu bewerten.
Warum brauchen wir Impact Measurement?
Die Wirkungsmessung ist entscheidend für das Erreichen nachhaltiger Entwicklungsziele, wie sie zum Beispiel anhand der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen identifiziert wurden. Dabei können sich Organisationen anhand der 17 Kategorien orientieren und ein oder mehrere organisationsspezifische Ziele für ihr Unternehmen einführen. Für das Ziel „Maßnahmen zum Klimaschutz“ mit dem Unterziel, die CO2 Emissionen zu begrenzen [1], können verschiedene Unternehmen beispielhaft genannt werden, deren Bestreben das Einsparen von CO2 oder „carbon neutrality“ ist. So verfolgt beispielsweise die Salzgitter AG das Ziel, mit ihrem Salcos Projekt Grünen Stahl zu produzieren und bis 2033 95 Prozent der CO2 Emissionen zu verringern [2]. Bill und Melinda Gates verfolgen mehrere Nachhaltigkeitsziele mit ihrer Stiftung, wie zum Beispiel das SDG Ziel „Gesundheit und Wohlergehen“ mit dem Unterziel, die Malariarate pro 1.000 Einwohner zu verringern [3].
Organisationstypen und ihr Bezug zum Impact
Ob For-Profit oder Non-Profit, unabhängig von der Organisationsform fokussieren sich immer mehr Organisationen darauf, Impact zu erzeugen. Traditionell waren es die Nicht-Gewinn-orientierten-Unternehmen (Non-Profits), die ihren Impact maximieren wollten, auch und weil sie ihren Spendern und Förderern einen Bericht ablegen mussten, was sie durch ihre Spenden bewirkt haben. Im Gegensatz dazu wirtschafteten die traditionell gewinnorientierten Organisa-
tionen (For-Profits) hauptsächlich gewinnmaximierend. In den meisten Fällen wird in traditionellen gewinnorientierten Unternehmen Impact als Nebensache betrachtet. Sie erzeugen Impact durch Corporate Social Responsibility-Projekte oder ein Wohltätigkeitsprojekt, bei dem die Mitarbeitenden ihre Zeit spenden oder das Unternehmen Geld. Seit den 1970erJahren hat sich die „Social Enterprise“ entwickelt, die aufgrund ihres Geschäftsmodells kostendeckend agiert, aber Impact maximierend wirtschaften will. Im Gegensatz zu den Non-Profits besteht die Social Enterprise nicht auf der Basis von Spendeneinkünften, sondern der Großteil des Umsatzes wird durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen erwirtschaftet, die Impact erzeugen.
Eine neue Organisationsform, die sogenannte „Impact-Driven“ Organisation, auch Impact Unternehmen oder Impact Start-up genannt, etablierte sich in den letzten 20 Jahren. Dabei wird gewinnmaximierend gewirtschaftet, aber der unternehmerische Impact skaliert gemeinsam mit dem Umsatz. Dies geschieht, wenn das Produkt oder die Dienstleistung des Unternehmens im Herzen (in it‘s core) Impact erzeugt. Wenn diese Unternehmen mehr verkaufen, wird auch mehr Menschen geholfen, mehr Energie, CO2 oder Wasser gespart. Abbildung 1 verdeutlicht den Unterschied der verschiedenen Organisationstypen.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Social Enterprises und Impact-Driven Unternehmen besteht darin, dass Impact-Driven Unternehmen investierbar sind und skalieren können, während ein Social Enterprise in den meisten Fällen nicht skalierfähig ist. Damit sind sie auch nicht attraktiv für die meisten Impact Investor:innen.
Verfolgt eine Organisation beispielsweise das Ziel, die Lebensmittelverschwendung zu verringern, könnte ein Social Enterprise als Café mit vom Supermarkt aussortiertem Obst und Gemüse einen Smoothie herstellen und seinen Kund:innen verkaufen. In den meisten Fällen würden in dem Café auch Menschen aus vulnerablen Gruppen angestellt werden, um neben einem ökologischen auch einen sozialen Impact zu erzielen. Die Gewinnmaximierung ist hier nebensächlich.
Eine Impact-Driven Organisation könnte mit smarten Mülleimern für Hotels mit Buffettservice eine Analyse der Lebensmittelverschwendung anbieten. Das Hotel kann dadurch im Einkauf Entscheidungen verbessern, die dem Hotel helfen, nur das einzukaufen, was auch von den Gästen konsumiert wird.
In beiden Fällen werden weniger Lebensmittel verschwendet, beim Café skaliert der Impact jedoch nicht. Im Falle des smarten Mülleimers kann der Impact skalieren, da mit dem gleichen Team von Mitarbeitenden mehreren Hotels durch das Internet of Things und Software geholfen werden kann.
Weltweit steigt die Nachfrage an Impact Zertifizierungen
Ein Blick auf die Anzahl an Unternehmen, die sich als „Business Force for Good“ von Nachhaltigkeitszertifikaten, wie etwa B-Corp, auszeichnen wollen, zeigt, dass die Nachfrage exponentiell steigt. 2013 waren es noch knapp unter 1.000 zertifizierte Unternehmen, während 2023 die Marke von 6.000 Unternehmen überschritten wurde. B-Corp zertifiziert den sozialen und nachhaltigen Impact von Unternehmen, ähnlich wie es das IRIS+ von Global Impact Investing Network (GIIN) oder der Standard für die Nachhaltigkeitsbewertung für Star-tups DIN SPEC 90051 versucht.
Sowohl bei der Impact Bewertung der Unternehmen als auch der Nachhaltigkeitsbewertung der Produkte und Dienstleistungen mangelt es nicht an unterschiedlichen Methoden und Standards. Eine Studie der Maastricht Universität von 2021 ergab, dass bei 39 Befragten insgesamt 13 unterschiedliche Methoden angewandt wurden, um den ökologischen Impact von Kreislaufwirtschaftsmodellen zu messen. Am meisten werden Life Cycle Assessments (LCA) beziehungsweise LCA-basierende Methoden angewandt, knapp gefolgt von der Faustregel (siehe Abbildung 3).
Impact Investment im Vormarsch
Nicht nur der Zertifizierungsmarkt für Nachhaltigkeit wächst, sondern auch die Anzahl von Impact Investoren und Impact Funds. Laut der jährlichen Studie des Global Impact Investing Network sind sowohl die Anzahl der Finanzinstitute als auch das verwaltete Vermögen mit Impact Mandat zwischen 2014 und 2019 exponentiell gewachsen. Heute beträgt das verwaltete Vermögen von Impact Funds zum ersten Mal über 1.000 Milliarden US Dollar [5].
Als Grund für das Wachstum an Impact Funds wird von Impact Investor:innen immer wieder die Notwendigkeit der Erreichung der Sustainable Development Goals beziehungsweise der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und den daraus resultierenden globalen CO2-Einsparungen genannt, die die Welt jetzt benötigt, um eine Zukunft für die nachkommenden Generationen zu ermöglichen. Allerdings ist diese Zielsetzung nur mit einem skalierbaren Geschäftsmodell möglich, das für Impact Investor:innen nur durch ein gewinnorientiertes Modell entstehen kann. Dieses Geschäftsmodell verfolgt das „Impact-Driven“ Unternehmen.
Wie können wir Impact generieren und messbar machen?
1. Theory of Change anwenden: Die Grundlage des Impact measurements befindet sich in der Theory of Change (TOC) und dem Logic Model, die historisch für sozialen Impact angewendet wurden, aber auch für ökologischen Impact anwendbar sind. Die Theory of Change ist eine Methode zur Planung, Bewertung und Kommunikation von Initiativen oder Programmen, die darauf abzielen, komplexe Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen. Eine TOC beschreibt den Wirkungsweg, also wie ein Programm oder eine Initiative einen gewünschten sozialen oder ökologischen Wandel bewirken soll und wie die verschiedenen Komponenten des Programms zusammenwirken, um diese Veränderungen zu erreichen.
TOC ist ein prozess-basiertes/Logik Model, das den Wandel, also den Impact, identifiziert und misst. Die Logik Input-Output-Outcome-Impact (IOOI) wird von Impact Organisationen und Impact Investoren oft benutzt, um die zu messenden Indikatoren klar zu benennen. Nach der Theorie wird zuerst das Endziel bestimmt, und danach rückwärts gearbeitet, um die Zwischenziele zu bestimmen.
Abbildung 4 ist dabei wie folgt zu verstehen: „Inputs“ meint sämtliche Ressourcen (personell, finanziell et cetera), die eine Organisation in ein Projekt investiert. Unter „Activities“ werden Maßnahmen und Schritte verstanden, die nötig sind, damit das Projekt stattfinden kann. Also ob eine Technologie entwickelt werden muss, eine Marketingaktion durchgeführt oder ein Kurs aufgebaut werden soll. Ergebnisse, die die Aktivität produziert, in Form von Zwischenprodukten werden unter „Outputs“ zusammengefasst. Dahingegen sind „Outcomes“ Ergebnisse, die durch den aus den Aktivitäten entstehenden Wandel geschehen. Meistens hat dieser Wandel einen spezifischen Effekt auf die Zielgruppe, die es zu erreichen gilt. Zum Beispiel könnte hier eine Fähigkeit messbar gemacht werden, die Teilnehmende durch einen bestandenen Kurs erreicht haben. Letztendlich ist „Impact“ der Wandel, der entsteht, der nur aus der Aktivität des Projektes erfolgt. Hier sollte im Idealfall gemessen werden, welche externen Faktoren Einfluss auf das Ergebnis nehmen könnten. Der „Outcome“ muss dann um den Wert verringert werden. Als Beispiel wird bei dem oben angesprochenen Kurs und der Messung des Anstiegs der Fähigkeit der Teilnehmenden berücksichtigt, ob sie gleichzeitig einen anderen Kurs besucht haben, der die Fähigkeit im bestimmten Maße beeinflusst haben könnte (Attribution), außerdem werden Externalitäten wie „deadweight“ („was wäre sowieso passiert“), „drop off“ („wie würde sich die Intervention über die Zeit verändern“) und „displacement“ („wie verlagert sich das Problem auf eine andere Stelle“) ebenfalls berücksichtigt.
2. Einführung einer Double Bottom Line: Die Double Bottom Line führt auf Managementebene die Zielsetzung ein, nicht nur Gewinn zu messen, sondern auch den Impact, der durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen erfolgt. Die erste Linie stellt klassisch den Gewinn dar, die zweite Linie fokussiert sich auf einen Impact Indikator, wie zum Beispiel CO2-Reduktion oder Verringerung der Lebensmittelverschwendung. Falls eine Organisation eine Triple Bottom Line einführt, werden neben ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeitszielen auch soziale Nachhaltigkeitsziele gemessen und eingefordert. Ganz im Sinne von Profit, People und Planet.
3. Der Weg zu Impact Zielen: Damit Unternehmen Impact Ziele verfolgen können, muss zuerst Transparenz geschaffen, dann ein Maßnahmenplan entwickelt werden. Zuletzt geschieht der Wandel nur durch eine erfolgreiche Umsetzungsstrategie. Im ersten Schritt kann durch einen Corporate Carbon Footprint, einen Digitalen Prozesspass oder eine Potenzialanalyse Transparenz über den Status Quo des ökologischen Fußabdruckes der Organisation, der Produkte oder der Prozesse geschaffen werden. In einem zweiten Schritt wird ein Fahrplan erstellt, wie eine Nachhaltigkeitsstrategie und Maßnahmenplan aussehen kann. Idealerweise werden hier schon Prioritäten gesetzt, zeitliche Meilensteine und Ressourcen verfügbar gemacht. In einem letzten Schritt verwandelt sich nun das Unternehmen in ein impact-driven Unternehmen beziehungsweise startet ein neues Projekt, das das Potenzial hat, nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Ziele zu verfolgen.
Die deutsche Förderlandschaft ist inputgesteuert
Abschließend fällt auf, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, wie beispielsweise Singapur, bei öffentlich geförderten Projekten im Bereich Forschung, Innovation und Start-up-Inkubation keine outcome KPIs (Key Performance Indikatoren) eingefordert werden. Wenn outcome KPIs als Erfolgskriterium vorab festgelegt werden, wird der Nutzen der Finanzierung für die Gesellschaft und/oder Umwelt messbar. Bei erfolgreicher Erzielung der outcome KPIs können weitere Projektfinanzierungen beantragt werden. Wenn allerdings die outcome KPIs nicht erreicht werden, stoppt auch die Finanzierung.
In Deutschland sind öffentliche Förderungen meist input-gesteuert. Es müssen Projektskizzen und -pläne konzipiert werden, die in der Regel in einem Konsortium mit mehreren Projektpartnern beantragt werden. Bei einem positiven Förderbescheid werden den Partnern keine outcome KPIs vorgelegt, die den Erfolg des Projektes messen. Als Erfolg können je nach Projekt ein Abschlussbericht oder regelmäßige Projekttreffen gelten, bei denen Ergebnisse vorgestellt werden. Bei einer input-gesteuerten Förderung bleibt die Frage offen, ob und in welcher Höhe ein gesellschaftlicher Mehrwert erreicht wird.
Impact Messung wird in Zukunft nicht nur für Non-Profits ein wichtiger Bestandteil der Erfolgskontrolle bleiben, sondern etabliert sich langsam, aber sicher auch in For-Profits und Regierungsstellen.