Binärcode Kunst
"Uns geht es darum Kunst auf die Blockchain zu bringen!"
Anna Graf, misa.art
(Titelbild: NFT, Nancy Baker Cahill, Slipstream 009, 2021)
Kurz & Bündig
NFTs, Non Fungible Tokens, dokumentieren digitales Eigentum. Durch die Pandemie wuchs der gesamte Onlinehandel, auch bei der Kunst. Galerist Johann König aus Berlin gründete vor diesem Hintergrund den Online-Kunstmarktplatz misa.art und sichert so NFT-Kunst, die er präsentiert und verkauft auf der Basis der Blockchain-Technologie vor Fälschung und Betrug. Sowohl Investoren als auch Kunstsammler begeistern sich zunehmend für diese Kunst auf der Blockchain.
In der virtuellen Welt werden unterdessen digitale Werte „geschürft“, bekannt vor allem als Kryptowährungen wie etwa der Bitcoin. Ein aktueller Trend macht nun digitale Dateien selbst zum Wert, indem diese als sogenannte Non Fungible Tokens (NFT) zu einer nicht kopierbaren Datei „gemünzt“ werden. So fanden auch digitale Kunstwerke in den letzten Jahren als NFTs Schritt für Schritt einen interessierten Markt. Johann König aus Berlin, eher bekannt als erfolgreicher Anbieter und Vermarkter physischer Kunst, gehört zu jenen Pionieren, die sich mit der Gründung eines Online-Kunstmarktplatzes, misa.art, auf das Terrain der NFT-Kunst gewagt haben. Darüber haben wir mit Anna Graf, der Direktorin für NFTs bei misa.art, gesprochen.
Frau Graf, Sie bieten NFT-Künstlern mit misa.art ein Format an, über das sie ihre digitalen Werke verkaufen können. Was ge¬nau verbirgt sich hinter misa und wie funktioniert dort die Vermarktung?
AG: misa.art steht neben der König Galerie als eigenständiges Unternehmen. misa entstand 2020 vor dem Hintergrund der Pandemie. Alle Galerien waren geschlossen und Johann König entwickelte die Idee, man könne sich doch zusammentun, um eine gemeinsame digitale Ausstellung mit anderen Galerien zu initiieren. Zudem hat er beobachtet, dass man Kunst auch online erfolgreich verkaufen kann. Das war der Start von misa.art.
NFTs als Kunstobjekte kamen dann Ende 2020 dazu. Digitalkünstler erhielten zu diesem Zeitpunkt zunehmend Aufmerksamkeit und das hat auch Johann König gesehen. Zunächst verfolgte er aber das Ziel den Künstlern der Galerie zu ermöglichen ihre Werke online zu verkaufen. Dazu ist er in einem ersten Schritt den Weg über OpenSea gegangen, also eine bestehende Plattform. In einem zweiten Schritt ging es darum, eine eigene Galerie auf Decentraland, einem virtuellen Marktplatz, zu eröffnen und dort NFT-Kunst zu präsentieren und zum Verkauf anzubieten. Das lief damals noch über die König Galerie.
Aber dann wurde misa.art als eigene Plattform gegründet und gezielt als offenes Produkt positioniert…
AG: Ja, eine physische Galerie ist eher etwas Exklusives, ein geschlossener Raum mit einer begrenzten Anzahl von Künstlern. Online über misa.art kann man Kunst für sehr viele Menschen zugänglich machen. Mit dem neuen Unternehmen sprechen wir neben etablierten Sammlern ein jüngeres Publikum an, Fans digitaler Kunst, aber auch jene, die als Sammler neu einsteigen und zum Beispiel anfangen, Kunst in Form von limitierten Drucken zu sammeln.
misa.art präsentiert sich als breite Plattform, auf der physische Kunst und auch NFT-Kunst online erworben werden kann. Die Angebote bewegen sich dabei in ganz unterschiedlichen Preiskategorien. Mit unseren „24 Hours Drops“, also Angeboten, die nur 24 Stunden auf misa.art verfügbar sind, haben wir auch einen ganz anderen, niedrigschwelligen Einstieg, da geht es dann schon mit Objekten für 250 EUR los. Die Drucke können nicht als NFTs gehandelt werden, sie werden normal per Post geliefert. Wenn ich hingegen ein NFT kaufe, erhalte ich dieses digital in mein Wallet, meine digitale Brieftasche. Von dem Objekt kann man in manchen Fällen auch zusätzlich einen haptischen Print erhalten. So können wir die beiden Welten verbinden – je nachdem, wie das zum Künstler passt.
Das Wichtigste – und damit ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum gängigen Online-Handel – ist, dass alle Kunden auf eine verlässliche Kuration vertrauen können, genauso wie beim Handel mit physischer Kunst in einer analogen Galerie. Das ist gerade bei NFTs wichtig. Es muss sichergestellt werden, dass ein Objekt wirklich valide ist. Das erfordert umfassende Nachforschungen im Hintergrund. Mit unseren Erfahrungen aus der grafischen Kunst und aus dem NFT-Space sorgen wir dafür, dass wir art works liefern, hinter denen ein echter Künstler steht, und ich habe als Kunde auch Sicherheit beim Vertrags- und Kaufprozess. Bezahlt werden kann klassisch über Paypal oder aber auch mit Kryptowährungen.
Zudem stellen wir Werke der misa.art-Künstler auch offline aus. Mehrmals im Jahr finden physische Messen statt, auf denen persönliche Begegnungen möglich sind und NFTs zusammen mit den klassischen Kunstgattungen präsentiert werden.
Die Pandemie war der Treiber, aber wie hat Johann König das wahre Potenzial der NFT-Kunst entdeckt?
AG: NFTs gab es natürlich schon vor der Pandemie, denn das ist ja letzten Endes nur eine Technologie. Eine Technologie, die das digital ownership, das digitale Eigentum dokumentiert. Durch die Pandemie wurde der gesamte Onlinehandel, auch bei der Kunst, sehr viel größer. Es ging zum einen darum, Kunst online zu präsentieren und gleichzeitig die Sicherheit zu gewährleisten, dass keine Fälschung geliefert wird. Das sichert die Blockchain-Technologie auf misa.art ab. Wir haben neben der NFT-Kunst übrigens auch eine digitale Zertifizierung für die Kunstdrucke, die wir über misa.art verkaufen. Wir arbeiten dabei mit einem Unternehmen zusammen, das auch dafür ein digitales Echtheitszertifikat ausstellt. Hier geht es um Vertrauen, es geht um garantierte Echtheit sowohl für physische als auch für rein digitale Kunst, die NFT-Kunst. Bei letzterer handelt es sich um die Tokenisierung von Kunst, die auf der Blockchain gesichert ist. Wenn ein NFT-Objekt weiterverkauft wird, kann man das in der Blockchain nicht nur exakt nachvollziehen, der Künstler wird auch bei jedem Verkauf erneut beteiligt. Das ist ein wichtiger Grund, warum sich unterdessen viele NFT-Künstler misa.art angeschlossen haben.
Das gesamte Feld ist für uns sehr spannend: Als das Web3 mit der Blockchain und damit der Dezentralisierung in den Fokus rückte, ging man ja zunächst davon aus, dass Dritte als Makler nicht mehr gebraucht werden. In unserem Fall wäre dieser Dritte die Kunstgalerie. Johann König hat aber sehr schnell erkannt, dass trotzdem ein Institut des Vertrauens zum Schutz vor Missbrauch eine ganz wichtige Rolle spielt. Als er seine digitale Galerie aufmachte, haben viele den Kopf geschüttelt. Dabei wurde das Potenzial von vielen noch nicht gesehen: Nicht jeder Künstler kann sich selbst gut vermarkten. Künstler, Marketing und Verkäufer, auch diese Rollen bleiben in der virtuellen Welt bestehen, und diese Rollen konnten wir nun in unseren Space mit hineinnehmen. Johann König hat diese Brücke aus der Galerie heraus gebaut. Kunden finden hier eine kuratierte und damit absolut vertrauenswürdige Plattform.
Das Web3 bietet ganz neue Möglichkeiten für alle Beteiligten. Es geht darum, dass die Community wieder mehr Rechte an dem hat, wofür sie bezahlt hat. Gerade im Bereich der Kunst ist dies ein ganz besonderer Gewinn, weil Künstler, Galerie und Kunde in eine neue gemeinsame Beziehung eintreten und eine neue Art von Wertschöpfung generieren. Künstler profitieren bei jedem Verkauf erneut, Kunden besitzen individuelle Wallets, die ihren digitalen Besitz sichern. Und der Online-Kunstmarktplatz misa.art profitiert von einer unmittelbaren Kundenansprache, etwa wenn wir Incentives geben wollen. Ein Kunde hat zum Beispiel ein NFT gekauft und bekommt dafür von uns einen kostenlosen Zugang zu einer bestimmten Ausstellung. Hat er mehrere Objekte eines Künstlers gekauft hat, kann er per Airdrop ein weiteres Kunstwerk dieses Künstler kostenlos von uns in sein Wallet erhalten. Man kann zielgenau den Kunden belohnen. Auch diese neuen Chancen der Interaktion machen die Welt der NFTs so spannend.
misa.art musste ja zunächst als Neugründung Fuß fassen, wie haben Sie die Plattform bekannt gemacht?
AG: Wir haben zunächst von Synergieeffekten über die König Galerie profitiert. Die Hälfte unserer Kunden stammt aus dem traditionellen Kunstraum, die andere aus der Krypto-Welt, mit Kunden, die nun, wie erwähnt, in den Kunstmarkt einsteigen wollen. Es hat sich sehr schnell herumgesprochen, dass es bei uns nicht um zusammen-geschusterte Cyberart oder Profile Pictures geht, sondern um seriöse Künstler aus dem digitalen Bereich, die wir kuratieren. In der Krypto-Community kennt man sich und spricht miteinander. Das funktioniert gut. Auch die digitalen Künstler haben für sich sehr schnell festgestellt, dass es gut für sie ist, wenn wir das Marketing und den Verkauf für sie übernehmen. Wir bieten den Künstlern mit unserer Plattform auch Blockchain-Auktionen und physische Ausstellungen und damit ganz neue Möglichkeiten an. Die Künstler finden bei uns nicht nur erfahrene NFT-Käufer, sondern auch eher klassische Kunstsammler oder Neueinsteiger, die über unser kuratiertes Angebot den Mut gefunden haben, NFTs zu erwerben.
Dabei tickt der NFT-Markt im Grundsatz anders als bei der physischen Kunst. In der physischen Kunst wird nicht gekauft und schnell wieder verkauft. Da behält man das Objekt eher ein paar Jahre. Im NFT-Markt, der von den USA geprägt wurde, geht es eigentlich um den schnellen Profit. Durch unsere Aktivitäten auf misa.art und vergleichbare andere Initiativen verändert sich hier etwas. Es wird NFT-Kunst erworben, auch, um sie zu behalten. Es entsteht eine andere Wertschätzung im ursprünglichen Sinne des Wortes. Wir sehen hier eine große Verantwortung, den Markt nachhaltig im Sinne der Investitionen mitzugestalten, um im Interesse der Käufer ehrlich zu sein. Es geht darum, Kunst auf die Blockchain zu bringen, mit Ehrlichkeit beim Verkauf und Erwerb.
Warum investiert ein traditioneller Kunstsammler, der bislang haptische Kunst erworben hat und sich gerne an einem Gemälde oder einer Skulptur in seinen Räumen erfreut, in digitale Kunst?
AG: Auch hier ist der Motor, etwas besitzen zu wollen. Diese Kunden kaufen nicht, um wieder zu verkaufen, um zu handeln, sondern um zu Besitzen. Sie kaufen, weil sie sich für die Kunst eines NFT-Künstlers begeistern. Man kann diese Kunst ja auch präsentieren. Ich habe einen Kunden, der will sein ganzes Wohnzimmer mit Screens behängen, so wie das andere mit Bildern tun. Dort läuft dann NFT-Kunst digital. Es ist für uns auch eine neue Herausforderung, uns hier weiterzuentwickeln, denn Screens sind ja eher etwas Statisches mit Kabeln. Derzeit suche ich nach kleineren Rahmen, die eine tolle Auflösung haben, sodass man ein Objekt auch verschenken kann. Eine weitere Lösung stellen Projektionsflächen dar. Da gibt es herausragende Kunstwerke, die ein großes Erlebnis schaffen. Und dieses Erlebnis gewinnt für unsere Kunden immer mehr an Bedeutung. Auch hier sieht man, wie die reale Kunstwelt immer stärker mit der virtuellen Kunstwelt verschmilzt. Wir bringen digitale Kunst in Räume.
Digitale Kunst kuratiert physisch auszustellen und zum Verkauf anzubieten, dieser Heraus-forderung hat sich die König Galerie als ihr ‚Mutterhaus‘ im November 2021 mit „Machine Hallucinations: Nature Dreams“ von Refik Anadol gestellt und damit für großes Aufsehen gesorgt…
AG: Die Ausstellung fand tatsächlich in der König Galerie statt, auf großen LED-Screens. Zum einen waren dies digitale Werke, die nicht auf der Blockchain verortet waren. Aber es gab auch ein großes Exponat, wo 300 Mio. Bilder mithilfe von künstlicher Intelligenz zu traumähnlichen Bildern verarbeitet wurden. Das war NFT-Kunst und das Werk haben wir für 1,1 Mio. EUR versteigert. Der Kunde erhielt in diesem Fall den kompletten Computer mit allen Daten. Er will das Exponat auch weiter ausstellen, der Öffentlichkeit in großen Museen zugänglich machen. Hier geht es nicht um den erwähnten schnellen Profit, obwohl der Käufer schon hohe Gebote aus dem Zweitmarkt erhalten hat. Dabei muss erwähnt werden, dass die Rechte an einem NFT immer wieder individuell in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, in Absprachen mit dem Künstler, geregelt werden. Manche Künstler räumen das Recht zur uneingeschränkten kommerziellen Nutzung ein, manche beschränken die Rechte auf die private Nutzung. Um diese Verhandlungen und Ausgestaltungen kümmern wir uns ebenfalls.
Auktionen von NFTs sind übrigens für viele Kunden und Interessierte ein ganz neues Erlebnis. Sie finden auf der Blockchain statt, also nicht in einem Saal, wo man die Mitbieter meist sieht und den Auktionator im Blick hat. Blockchain-Auktionen finden im 10-Minuten-Takt statt. Wenn in der letzten Sekunde einer solchen Sequenz noch ein Angebot in einem Block bestätigt wird, erfolgt eine weitere Einheit von zehn Minuten. Dieser Prozess kann sich mehrfach wiederholen und das ist ungeheuer spannend.
Nun gibt es in bei misa.art Pläne zur Fraktionalisierung bereits real existierender Kunstwerke in digitale Dateien. Was kann man sich darunter vorstellen und wen möchten Sie damit ansprechen?
AG: Ein Kunstwerk, das zunächst uns gehört, wird in einzelne Anteile aufgeteilt und der Käufer kann ein oder mehrere Anteile erwerben. Man kann das Kunstwerk dabei nicht selbst besitzen, sich nicht irgendwo hinhängen, man erhält einen Token in sein Wallet. Und damit den Beweis, dass man x Anteile an dem Kunstwerk besitzt. Das sind am Ende Finanzprodukte, bei denen wir dann auch Dokumentationspflichten und andere rechtliche Hürden zu beachten haben. Hier handelt es sich vorrangig um ein Anlagethema für Investoren, die ein Produkt eine gewisse Zeit halten wollen, um es dann später mit Profit zu verkaufen. Es ist aber auch spannend für Leute, die sich ein real existierendes Kunstwerk nicht leisten können, aber gerne zumindest einen Anteil daran erwerben möchten. Diese Anteile können auf unserer Plattform jederzeit gehandelt werden – und nur dort. Nach fünf Jahren verkaufen wir das Kunstwerk. Die dann aktuellen Anteilseigner erhalten ihren Anteil am Gewinn. Wir haben dazu schon Werke eingekauft, die quasi darauf warten, als Anteile auf den Markt zu kommen. Für uns wird das ein sehr spannendes Projekt, auf das wir uns schon freuen!
