Alle unter einem Dach
Wie ein sozialer Inkubator den Unterschied machen kann
Im Gespräch mit Malte Bedürftig und Thomas Noppen, Join Impact
(Titelbild: © Join Impact)
Kurz und Bündig
Impact Investing ist sowohl in Deutschland als auch international kein Nischensegment mehr. Mit steigendendem Marktvolumen nehmen auch die Herausforderungen zu, insbesondere in Bezug auf die Wirkungsmessung und die dafür zur Verfügung stehenden Daten. Aufgrund des bisherigen rasanten Wachstums des Impact Investing Marktes ist jedoch auch in dieser Hinsicht eine dynamische Weiterentwicklung in naher Zukunft zu erwarten.
Impact Investing hat sowohl national als auch international ein rasantes Wachstum an den Tag gelegt, seit das Anlagekonzept vor etwa 16 Jahren von den ersten Akteuren entwickelt wurde. Das Global Impact Investor Netzwork schätzt, dass der weltweite Impact Investing Markt im Jahr 2022 ein Volumen von 1.164 Billionen USD Assets under Management erreichte und damit zum ersten Mal die Marke von 1 Billion USD überstieg [1]. Auch der deutsche Markt wächst kontinuierlich. Die erste Marktstudie zur Schätzung des deutschen Impact Investing Volumens wurde 2020 vom Centrum für Soziale Innovationen und Investionen der Universität Heidelberg durchgeführt und schätzt das Volumen auf ca. 6,5 Milliarden Euro [2].
Join Impact bezeichnet sich als Umbrella-Organisation und bildet die Klammer über fünf Social Start-up Unternehmen. Welche Idee steckt hinter dieser Dachorganisation?
TN: Um das zu erklären, macht es Sinn, bei unseren Anfängen zu starten. Es handelt sich nicht um eine klassische Dachorganisation, sondern um das verbindende Element für die fünf Start-ups, die Marke, die uns alle verbindet. Wir, das heißt, Malte Bedürftig und ich, haben 2015 zum ersten Mal gegründet, nämlich die Organisationen GoVolunteer und Himate!. Die Ideen sind damals aus der Flüchtlingskrise entstanden. Wir haben Ehrenamtliche und Spenden organisiert. Das hat sich dann weiter entwickelt mit dem Ziel, Menschen in der Gesellschaft zusammenzubringen. Daraus sind weitere Projekte entstanden wie unser Co-Working Space oder auch unsere Hautfarben-Buntstifte. Später kam GoNature dazu. Das Ganze hat immer ein gemeinsames Ziel verfolgt – über verschiedene Kanäle und verschiedene Ansätze. Sowohl für die Kommunikation nach innen, mit Blick auf unser Team mit 60 Kolleginnen und Kollegen, als auch nach außen war es notwendig, der ganzen Gruppe einen Rahmen, einen gemeinsamen Titel zu geben. Join Impact ist aber keine eigenständige, selbst am Markt agierende Unternehmung. Es ist die Zusammenfassung der anderen sozialen Start-ups unter einer kommunikativen Marke, nicht zuletzt, um die gemeinsame Zielstellung nach außen glaubwürdig und konsistent zu kommunizieren. Die sozialen Start-ups sind die rechtlichen und inhaltlichen Einheiten, über die wir operieren.
Welchen Funktionen übernimmt Join Impact konkret?
MB: Hier kann man einen Vergleich zur Privatwirtschaft ziehen. Man kann sich Join Impact als einen sozialen Incubator vorstellen, der ein fruchtbares Umfeld zur Verfügung stellt, in dem gute Impact-Ideen wachsen können. Tom und ich haben viel Erfahrung darin gesammelt, wie man im Social Impact Space Start-ups und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) aufbaut. Dieses gemeinsame Wissen wollen wir für alle Beteiligten nutzbar machen. Deswegen vertritt Join Impact nicht nur die gemeinsame Mission einer partizipativen Gesellschaft nach außen, sondern wir stellen den beteiligten Ventures auch Shared Services zur Verfügung, etwa in den Bereichen Buchhaltung, Personal, Kommunikation und digitale Innovation mit einem eigenen Produktentwicklungsteam. Ganz wichtig ist auch, dass wir uns als ein Team verstehen, im ständigen Austausch stehen, voneinander lernen und Synergien nutzen.
…und das gesellschaftliche Engagement ist das verbindende Element?
MB: Es gibt zum einen das inhaltliche Thema, das der sozialen Beteiligung. Es geht darum, selbst Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen, Menschen auf Probleme aufmerksam zu machen und dann auch selbst zu handeln – etwa durch ein Ehrenamt. Der zweite Aspekt ist die Art und Weise, wie wir in diesen Start-ups arbeiten, das ist auch das, was uns besonders macht im Vergleich zu anderen gemeinnützigen Initiativen. Social Entrepreneurship bedeutet für uns, dass man sozialen Herausforderungen mit ähnlichen Methoden und Herangehensweisen begegnet, die man sonst auch im wirtschaftlichen Bereich wählt. Wir stellen uns die Frage: Gibt es skalierbare Konzepte und Impact-Mechanismen, gibt es alternative Finanzierungsmodelle für Lösungen, die der Markt so nicht zur Verfügung stellt, kann man Innovationen nutzen, um Probleme neu anzugehen?
Wie finanzieren sich die einzelnen Unternehmen und wie sieht das Erlösmodell von Join Impact aus?
TN: Es gibt verschiedene Finanzierungsmodelle. Join Impact vereint verschiedene Einheiten, darunter gemeinnützige und gewinnorientierte Organisationen. Bei den Non-Profit-Organisationen erfolgt die Finanzierung üblicherweise durch öffentliche Mittel wie Förderungen auf EU- oder Bundesebene und durch Spenden. Von Beginn an haben wir zusätzliche Finanzierungsquellen erschlossen, beispielsweise durch den Verkauf unserer antirassistischen Hautfarben-Buntstifte oder unseren Co-Working-Space, das MACHWERK. Unser Ziel ist es, unabhängig von öffentlichen Geldern eigene Einnahmen zu generieren, die unserer Mission zugutekommen. So verknüpfen wir eigene Einkommensmodelle mit Förderprojekten. Join Impact selbst finanziert sich als Shared Service Center. Die einzelnen Kapazitäten, die von den Start-ups genutzt werden, werden aus den Mitteln der Start-ups bezahlt.
Kann man sich als Start-up bei Join Impact um eine Mitgliedschaft bewerben?
TN: Bislang sind alle unsere Start-ups Eigengründungen. Wir kooperieren aber eng mit anderen Organisationen, und es gibt auch schon die eine oder andere Idee, neue Start-ups aufzunehmen. Grundsätzlich ist die erste Voraussetzung für eine Aufnahme, dass die Unternehmung zu unserer Mission passt und unser Impact-Portfolio durch ein Puzzleteil, das es in der Gruppe noch nicht gibt, ergänzt. Wichtig ist auch die Finanzierbarkeit. Wir verstehen uns nicht als soziale Investoren. Ein neues Venture muss ein eigenes tragfähiges soziales Geschäftsmodell haben.
Zurück ins Jahr 2015: Vor welchem Erfahrungshorizont sind Sie zu Gründern geworden?
MB: Ich habe Volkswirtschaftslehre studiert und anschließend als Berater im öffentlichen und sozialen Sektor gearbeitet. 2015 war ein prägendes Jahr für mich: Bereits vorher hatte ich mich regelmäßig ehrenamtlich engagiert. Dadurch, dass in kurzer Zeit eine große Zahl von geflüchteten Menschen nach Deutschland kam, hat das Thema Engagement eine unglaublich wichtige Bedeutung für den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Gewährleistung von grundlegender Versorgung bekommen.
Ich habe gesehen, wie viele Menschen das Bedürfnis hatten, sich sozial zu engagieren und für die Menschen da zu sein, die es am dringendsten brauchten. Diese Energie wollte ich nutzen. So entstand die Idee für GoVolunteer – eine zentrale Plattform, auf der Menschen sich wirksam engagieren können und dabei ihre individuellen Fähigkeiten und Interessen einbringen können. Angefangen bei der Integrationshilfe haben wir unser Angebot später auf weitere soziale Bereiche und auch auf den Naturschutz ausgeweitet. Schließlich traf ich auf Tom, der mit seinem eigenen sozialen Start-up Himate! unterwegs war und dabei dieselbe Motivation teilte.
TN: Für mich ergab sich der erste Berührungspunkt mit Social Start-ups im Rahmen der sogenannten Flüchtlingskrise. Ich war damals im Bereich Wirtschaftsförderung tätig. Wir waren mit einer Runde von Unternehmern unterwegs und haben die chaotische Situation der Geflüchteten in Berlin erlebt und uns gefragt, was man unternehmen kann – mit all dem, was man an Netzwerk und Skills zur Verfügung hat. Vor diesem Hintergrund entstand dann eine App aus der später Himate! wurde. Die Idee war, über Gutscheine Spenden von Unternehmen an Geflüchtete zu verteilen. Wir wollten weg von den großen übervollen Turnhallen, wo anonym Spendenberge ankommen, von denen die Hälfte nicht gebraucht wird. Das ist auch ziemlich gut angekommen und dann über die Jahre zu einem Community Projekt geworden. Jetzt geht es weniger um Spenden, sondern darum, die lokale Bevölkerung mit den Zuwanderern in Kontakt zu bringen. Da ergibt sich dann auch die Brücke zu GoVolunteer, denn es geht bei beiden Unternehmungen darum, Menschen für gemeinsame Projekte zu begeistern. Da ist man dann auch schnell bei den Themen Beteiligung und gelebte Demokratie. Aus vielen Gesprächen sind dann weitere Projekte entstanden und am Ende die Gruppe von sozialen Start-ups, die durch Join Impact zusammengefasst zu einer festen Größe im sozialen Sektor in Deutschland geworden ist.
Hat sich dabei das Konzept der Umbrella Organisation Joint Impact als erfolgskritisch erwiesen?
MB: Ein wichtiger Grundgedanke bei uns ist der, über die einzelnen Organisationen hinweg eng zusammenzuarbeiten und Synergien zu nutzen. Bereits 2015, als es Join Impact noch gar nicht gab und wir jeder mit unserem eigenen Start-up unterwegs waren, haben wir festgestellt, dass der Schlüssel zum Erfolg darin liegt, offen und kollaborativ zu arbeiten. Wir fragen uns in der täglichen Arbeit ständig, wo noch ungenutzte Potenziale liegen, die durch eine engere Zusammenarbeit in der Gruppe oder mit anderen Start-ups und NGOs gehoben werden können. Dadurch, dass wir komplementäre Fähigkeiten und Ressourcen zusammenbringen, können wir gemeinsam sehr viel mehr erreichen, als es jede einzelne Einheit für sich könnte. Das Konzept hat sich bewährt und uns in vielen Situationen den Weg zum Erfolg geebnet.
Was sind Ihre Treiber für die Zukunft?
MB: Wirtschaftlicher Erfolg ist nicht unser Nordstern, aber Themen wie Wachstum und Skalierbarkeit sind es durchaus. Es beginnt immer damit, dass wir ein konkretes Problem sehen, das gelöst werden muss, das packen wir dann an. Manchmal ist es auch nur ein kleines Problem, aber wenn es viele betrifft, ist das Impact-Potenzial dennoch relevant. Unser Ziel ist auf der einen Seite, dass wir immer mehr Menschen ansprechen und ihnen die ganz unterschiedlichen Arten näherbringen wollen, wie man sich in die Gesellschaft einbringen kann. Sei es jetzt über ein Ehrenamt, über soziales Unternehmertum, Nachbarschaftshilfe, Online-Aktivismus oder verantwortlichen Konsum. Ein anderer wichtiger Teil unseres Konzeptes ist, dass gemeinnützige Arbeit auch unternehmerisch gedacht werden kann, das wollen wir weiter verbreiten. Es gibt noch ein großes ungenutztes Potenzial, das nicht zuletzt durch digitale Innovationen gehoben werden kann. Wir wollen Menschen und Lösungen zusammenbringen. Wir sehen uns dabei als Enabler und Wegbereiter.
TN: Es ist uns dabei wichtig, nachhaltig zu wirtschaften. Wir nutzen zwar Fördermöglichkeiten, versuchen aber, die Abhängigkeiten so gering wie möglich zu halten. Auch um mehr Freiheit zu haben, selbst innovative Lösungen zu finden. Unser Ziel ist es, mehr Impact, das heißt gesellschaftlichen Nutzen und Zusammenhalt, zu schaffen. Wenn wir wirtschaftlich erfolgreich sind, können wir auch mehr für unsere Zielgruppen leisten. Unternehmerisches Denken taugt nicht nur zur Profitmaximierung, sondern auch dazu, den von uns angestrebten gesellschaftlichen Nutzen zu erhöhen. Erfolg im Business Development wird uns ermöglichen, weiter innovativ zu sein, um gesellschaftliche Probleme anzugehen.