Wie luca aus der Krise hilft
Mit der luca App gemeinsam aus der Pandemie
Im Gespräch mit Patrick Hennig, neXenio
Kurz & Bündig
Als Ausgründung des Hasso-Plattner-Instituts ist neXenio das Unternehmen hinter der luca App. Sie soll in der Corona Pandemie eine schnelle und lückenlose Kontaktrückverfolgung im Austausch mit den Gesundheitsämtern über eine verschlüsselte und sichere Datenübermittlung ermöglichen. Dabei wird deutlich, dass bei der Optimierung der Anwendung noch Luft nach oben ist.
Bei der Erwähnung der neXenio GmbH begegnet man gemeinhin fragenden Blicken, denn bei dieser Ausgründung des Hasso-Plattner-Instituts ist das Produkt der Markenkern, die luca App. Gemeinsam mit einigen Kulturschaffenden, wie der Band „Die Fantastischen Vier“ gründete das Team von neXenio die luca-Initiative. In Corona-Zeiten soll so die schnelle und lückenlose Kontaktrückverfolgung im Austausch mit den Gesundheitsämtern erfolgen, unterdessen ist die App in vielen Bundesländern im Einsatz, in Hamburg etwa ist sie flächendeckend Voraussetzung zum Check-in in der Gastronomie. Wie und ob die Datenübermittlung funktioniert, hat Patrick Hennig, CEO von neXenio im Gespräch mit der IM+io erläutert.
IM+io: Herr Hennig, bei Ihrer Gründung im Jahr 2015 konnte noch niemand ahnen, dass man pandemiebedingt eine engmaschige Kontaktnachverfolgung brauchen würde. Was war Ihr ursprüngliches Businessmodell?
PH: Unser Unternehmen neXenio ist eine Ausgründung des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam, an dem mein Partner Philipp Berger und ich studiert haben. Unsere Vision war es, die Erkenntnisse der dortigen Forschung für die Wirtschaft zugänglich zu machen, durch Produkte, die in Unternehmen genutzt werden können. Vor diesem Hintergrund wurden auch unsere anderen Projekte entwickelt, wie z. B. das neXboard, SEAMLESSme und die Cloudlösung bdrive der Bundesdruckerei. Das Ziel von unserem Team bei neXenio ist es, Sicherheit, Data Privacy, Integration und User Experience in diesen Produkten zu vereinen – Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit, zwei Themen, die sich ergänzen müssen. Als Corona kam, haben wir uns gefragt, wie wir mit unseren Kenntnissen und Ressourcen einen Mehrwert schaffen können und die Gesundheitsämter sicher und möglichst unkompliziert in der Pandemie unterstützen können. So entstand im Spätsommer 2020 die Idee, die Gesundheitsämter digital mit den Bürgerinnen und Bürgern zu verbinden – luca war geboren. Übrigens stand am Anfang kein Businessmodell hinter luca.
IM+io: Mit der luca App soll eine schnelle und lückenlose Kontaktrückverfolgung im Austausch mit den Gesundheitsämtern über eine verschlüsselte und sichere Datenübermittlung erfolgen. Wie funktioniert das?
PH: Luca ist viel mehr als nur eine App, hinter luca steckt ein komplettes System, das ineinandergreift und so dafür sorgt, dass Infektionsketten schnell unterbrochen werden. Dazu zählen die App, die die Gäste auf ihrem Handy nutzen, aber auch „luca-Locations“, der Zugang für die Betriebe und vor allem die „luca-Software“ für die Gesundheitsämter. Diese digitale Verbindung zwischen Nutzern und Nutzerinnen, den Locations und den Gesundheitsämtern ist das, was luca einmalig macht. Hinter diesem System steht ein komplexes Sicherheitskonzept, die Daten der Nutzer sind sicher, und nur das Gesundheitsamt kann sie im Falle einer Kontaktnachverfolgung entschlüsseln. Erst durch die Eingabe der benötigten Sicherheitsschlüssel können die entsprechenden Daten eingesehen und so die betroffenen Gäste gewarnt werden. Wir führen gerade Schritt für Schritt unser bisher größtes Update luca+ ein. Mit diesem Update passen wir uns den neusten Entwicklungen der Pandemie an. Wir berücksichtigen die Schwerpunktnachverfolgung für 2G und 3G sowie eine intelligente Kontaktrückverfolgung und Cluster-Erkennung. Damit wird es in Zukunft für die Gesundheitsämter einfacher, und Anwender können noch schneller informiert werden.
IM+io: Manche Gesundheitsämter beklagen, dass die luca App Daten für sie kaum nutzbar seien. Zum einen müssen sie händisch in die dort im Einsatz befindliche Software Sormas übernommen werden, zum anderen definieren Veranstalter und Gastronomen nicht selten die einzelnen luca Erfassungsgebiete zu großräumig, um eine realistische Gefährdung einzelner Personen einschätzen zu können. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?
PH: Die Gesundheitsämter sind der Schlüssel in dieser Pandemie. Durch sie können Infektionsketten erkannt und unterbrochen werden. Und genau dabei möchte luca ihnen unter die Arme greifen, um diese Aufgabe so einfach wie möglich zu machen. Für viele Gesundheitsämter ist es erstmal ungewohnt, ein neues System anzuwenden, das haben wir in den letzten Wochen immer wieder gemerkt. Uns ist es aber wichtig, dass die Gesundheitsämter wissen, dass wir nicht einfach nur ein Programm bereitstellen, sondern selbstverständlich auch den entsprechenden Support dazu anbieten. Wenn ein Gesundheitsamt Fragen oder Probleme bei der Nutzung von luca hat, kann es uns jederzeit erreichen. Dazu haben wir eine E-Mail-Adresse und auch eine Telefonnummer ausschließlich für die Gesundheitsämter eingerichtet, am Wochenende werden die Anrufe auf Philipp und mein Handy weitergeleitet – luca ist also quasi 24/7 erreichbar. Außerdem versuchen wir natürlich, den Gesundheitsämtern, aber auch den Betreibern, soweit wie möglich entgegenzukommen und sie bestmöglich über die Nutzung von luca zu informieren. Dafür bieten wir jede Woche Schulungen an, in denen das System detailliert und mit Video erklärt wird, damit eben solche Probleme gar nicht erst auftreten und die Betreiber aufgeklärt werden, wieso eine kleinflächigere Einteilung ihrer Location sinnvoll ist.
Übrigens können die Daten in verschiedenen Formaten exportiert werden, sodass sie auch in anderen Systemen weiterverarbeitet werden können. Auch dabei unterstützen wir die Gesundheitsämter gerne, wenn es Schwierigkeiten gibt.
IM+io: Manche Datenschützer hinterfragen Ihr Leistungsversprechen einer „verschlüsselten, sicheren und verantwortungsvollen Datenübermittlung“. Wo liegt hier das Problem?
PH: Die Frage ist komplexer, als sie zunächst klingt. Viele Kritikpunkte, die im luca-Kontext diskutiert wurden, behandeln eigentlich eine Grundsatzfrage: Zentrale oder dezentrale Datenspeicherung? Dabei wird schnell vergessen, dass die allermeisten Plattformen, auf denen wir uns täglich bewegen, die Daten zentral speichern. Hinter luca steht wie gesagt ein komplexes Sicherheitskonzept, und wir sind weiterhin davon überzeugt, dass luca aktuell die beste und sicherste Möglichkeit ist, wenn Kontaktdaten übermittelt werden sollen. Das bestätigten uns auch Datenschützer. Datensicherheit war von Anfang an der Fokus bei luca, der nach wie vor bei jeder Neuerung bedacht wird.
Etwas anderes sind Fehler, die im Prozess gemacht wurden und für die wir uns entschuldigen. Für alle ist es die erste Pandemie, auch für uns. Die Daten der Nutzer und Nutzerinnen waren aber nie gefährdet, denn die sind über zweiteilige Schlüssel jederzeit abgesichert.
IM+io: Derzeit ist die luca App vielfach im Einsatz, aber die Pandemie wird ja hoffentlich auf lange Sicht durch breite Impfungen beherrschbar. Haben Sie Pläne für die Zukunft?
PH: Momentan weiß niemand, wie es mit der Pandemie weitergeht und welche Entwicklungen uns noch bevorstehen, auch wir nicht. Wir haben luca entwickelt, um hier und jetzt einen Unterschied zu machen und gemeinsam als Gesellschaft diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Ich denke, wir haben in den letzten Monaten viel erreicht: Das gesellschaftliche Leben kehrt zurück, es finden Veranstaltungen statt, Menschen können wieder ins Restaurant gehen – und luca hat dazu beigetragen. Darauf sind wir stolz. Wir haben in dieser Zeit viel gelernt und lernen auch jetzt noch immer weiter dazu. luca ist ein Prozess, ein System, das sich den Entwicklungen und Bedürfnissen der Menschen in dieser Pandemie anpasst.
IM+io: Hinter dem luca Team stehen nicht nur die IT-Experten von neXenio, sondern auch Kulturschaffende wie die „Fanta 4“. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden? Welches Interesse und welchen Einfluss hatten diese Kulturschaffenden in der luca Initiative?
PH: Bei luca geht es uns darum, Infektionsketten zu unterbrechen und somit das Gesellschaftsleben in Deutschland trotz andauernder Pandemie wieder möglich zu machen. Dazu stehen wir in ständigem Austausch mit Epidemiologen, Gesundheitsämtern und Ärzten. Aber auch Menschen aus der Gastronomie und Kulturschaffende, die von der Pandemie besonders betroffen sind und etwas tun möchten, beziehen wir mit ein. Schließlich möchten wir luca den Bedürfnissen der Menschen anpassen, daher ist uns ihre Meinung sehr wichtig. Die Fantastischen Vier waren von Anfang an dabei und sind direkt an der Entwicklung von luca beteiligt. Durch den ständigen branchenübergreifenden Austausch stellen wir sicher, dass wir dort ansetzen, wo luca benötigt wird.
IM+io: Wird neXenio künftig wieder allein agieren oder liegt die Zukunft in hybriden Konstellationen wie mit „Fanta 4“?
PH: Unser Ziel bei neXenio ist es immer, das bestmögliche Produkt zu kreieren. Um dieses Ziel zu erreichen, stellen wir unser Team aus Menschen mit hervorragenden Kenntnissen in den entsprechenden Fachgebieten zusammen. Ich halte es generell für sehr wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und nicht vor hybriden Konstellationen bzw. Input von außen zurückzuschrecken. Daher arbeiten wir bei neXenio stets nach dem Motto: „WeQ is better than IQ.“
(Bildquelle: AdobeStock | 448099126 | Viktoriia)