Und Action …
Digitaler Superstar Künstliche Intelligenz
Sven Bliedung von der Heide, CEO von Volucap im Gespräch mit Katherina Plakias, IM+io
(Titelbild: © Adobe Firefly)
Kurz und Bündig
Sven Bliedung von der Heide, CEO von Volucap, erklärt, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Filmproduktion verändert. KI ermöglicht personalisierte Filme, die sich an die Zuschauenden anpassen, sowie die Erstellung digitaler Abbilder von Schauspielenden. Dies führt zu effizienteren und nachhaltigeren Produktionen, indem physische Sets und aufwendige Drehs ersetzt werden. Auch die Arbeitswelt verändert sich: Während repetitive Aufgaben verschwinden, entstehen neue kreative Rollen. Trotz ethischer Fragen sieht Bliedung von der Heide die Zukunft des Films fest durch KI geprägt.
Würden wir es merken wenn keine echten Menschen sondern KI-generierte Schauspielende in einem Film eingesetzt werden? Sven Bliedung von der Heide, CEO von Volucap meint: nein. Er selbst, setzt jetzt schon nur noch auf KI-generierte Musik in seinen privaten Playlists und ist davon überzeugt, dass der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Filmindustrier nicht mehr wegzudenken ist. KI verändert dabei nicht nur die Art und Weise, wie Filme entstehen, sondern auch, wie wir sie erleben.
IM+io: Wie wird Künstliche Intelligenz in Ihrer Produktionsfirma eingesetzt und seit wann nutzen Sie diese?
SBvH: Trainingsdaten sind der neue Rohstoff für KIs – wichtiger, als vielen bewusst ist. Bei Volucap haben wir erkannt, dass der Erfolg von KI stark von der Qualität und Menge der Daten abhängt. Unser Studio hat einen weltweit führenden Datensatz geschaffen, der uns erlaubt, KI-Modelle mit höchster Präzision und Detailgenauigkeit zu entwickeln.
Unsere Algorithmen berechnen Tiefeninformationen, rekonstruieren fehlende Datenpunkte und halten die Qualität unserer 3D-Modelle konstant auf hohem Niveau. Dies zeigte sich besonders bei Großproduktionen wie Matrix 4, wo wir mithilfe von KI ganze Szenen mit Schauspieler:innen und Sets erzeugten.
IM+io: Welche Vorteile bietet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Vergleich zu traditionellen Methoden der Filmproduktion?
SBvH: Die Vorteile von Künstlicher Intelligenz sind enorm. KI erledigt Aufgaben in Sekunden, für die man früher Tage oder Wochen brauchte. Zudem können wir mit KI erstmals skalierbare Filme erzeugen, die individuell auf den Zuschauer zugeschnitten sind. Das bedeutet, dass Menschen Filme erleben werden, die on the fly entstehen und sich sogar tagesaktuellen Geschehnissen anpassen können. Auch Charaktere und Handlungen könnten so angepasst werden, dass es den Vorlieben einer Zuschauerin oder eines Zuschauers entspricht.
Ein weiterer enormer Vorteil liegt in der Reduzierung der Umweltkosten. Traditionelle Filmproduktionen verbrauchen riesige Mengen an Ressourcen – von aufwendig gebauten Sets, die nach dem Dreh oft wieder abgerissen werden, bis hin zu den massiven Reisekosten, wenn Filmteams um die Welt geschickt werden. KI ermöglicht uns, digitale Sets und Szenen zu erstellen, die nicht nur realistischer, sondern auch nachhaltiger sind.
IM+io: Sie verfügen über ein System, das digitale Abbilder von Menschen erstellen kann. Wie funktioniert dieser Prozess und welche Rolle spielt die KI dabei?
SBvH: Unsere Technologie geht weit über das bloße Erstellen menschlicher Abbilder hinaus – wir können alles dreidimensional filmen. Von kompletten Bands mit ihren Instrumenten über echte Operationen im OP-Saal bis hin zu ganzen Filmsets mit Schauspielern, sowohl über als auch unter Wasser. Unsere Volumetrie-Technologie erfasst jedes Detail, jede Bewegung und jedes Objekt in atemberaubender Auflösung, was uns Möglichkeiten eröffnet, die bisher undenkbar waren. Mit 42 Kameras werden Personen simultan aus allen Blickwinkeln aufgenommen. Die KI verarbeitet diese Tiefendaten, füllt Lücken und sorgt für ein fotorealistisches Ergebnis.
IM+io: Merkt das Publikum, wenn KI-generierte Inhalte im Film zu sehen sind? Gibt es Unterschiede, auf die man achten kann?
SBvH: Die Realität ist: Wenn KI richtig eingesetzt wird, sieht das Publikum keinen Unterschied mehr. Unsere KI-Modelle erfassen die subtilsten Nuancen in Bewegung und Mimik so präzise, dass selbst Experten Schwierigkeiten haben, den Unterschied zu echten Aufnahmen zu erkennen.
Zuschauende werden aus der Handlung gerissen werden, wenn sie Effekte bewusst wahrnehmen. Das Ziel ist, die Illusion aufrechtzuerhalten, sodass das Publikum nicht darüber nachdenkt, ob das Gesehene real ist. Und genau das macht KI möglich: sie lässt uns Geschichten erzählen, die das Publikum fesseln, ohne dass es merkt, dass es sich um digitale Magie handelt.
IM+io: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Ihren Produktionen, und wie überwinden Sie diese?
SBvH: Eine der größten Hürden ist die Datenverarbeitung. Wir arbeiten mit gigantischen Datenmengen, was hohe Rechenleistung erfordert. Um diese Herausforderung zu meistern, setzen wir auf maßgeschneiderte Inhouse-Lösungen und extrem leistungsfähige Hardware, die genau auf die Bedürfnisse unserer Projekte abgestimmt sind. Wir halten unsere Systeme außerdem offline, wodurch wir zwar eine eigene IT-Infrastruktur benötigen, aber die Datensicherheit bei hochsensiblen Projekten gewährleisten können. Zudem stellt der rechtliche Rahmen eine Herausforderung dar, insbesondere in Bezug auf Persönlichkeitsrechte von Schauspielenden. Wir arbeiten eng mit Rechtsexperten zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Nutzung von KI im Einklang mit den geltenden Gesetzen steht.
IM+io: Werden durch den Einsatz von KI-Tools Arbeitsplätze bedroht?
SBvH: Lassen Sie uns Klartext reden: Ja, KI wird Arbeitsplätze verändern – und zwar radikal. Die Zeiten, in denen man sich auf repetitive, routinemäßige Aufgaben verlassen konnte, sind vorbei. KI wird diese Jobs übernehmen, schneller und präziser, als es jeder Mensch könnte. Die ersten, die gehen müssen, sind diejenigen, die stumpfe, wiederkehrende Tätigkeiten ausführen. Manuelle Datenverarbeitung? Geschichte. Einfache visuelle Effekte, die heute noch von Menschen gemacht werden? Bald von Algorithmen erledigt.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Während KI diese Jobs übernimmt, entstehen neue Rollen und Arbeitsfelder, die heute noch gar nicht existieren. Bestehende Jobs, wie die von Regisseur:innen oder Autor:innen werden sich verändern. Sie werden zu Kurator:innen von Ideen und Visionen, die von KI-gestützten Systemen generiert werden. Die kreative Führung bleibt menschlich, aber sie wird durch die unendlichen Möglichkeiten, die KI bietet, erweitert. Die erfolgreichsten Filmschaffenden werden diejenigen sein, die verstehen, wie man mit Künstlicher Intelligenz zusammenarbeitet, um die besten Geschichten zu erschaffen.
Die Zukunft gehört denjenigen, die bereit sind, sich anzupassen und mit diesen neuen Technologien zu wachsen. Der Leitsatz von Friedrich Schiller: “Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit” ist heute aktueller denn je.
IM+io: Welche ethischen Überlegungen spielen eine Rolle beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Filmproduktion?
SBvH: Bei Volucap achten wir stark auf ethische Überlegungen beim Einsatz von KI, insbesondere auf die Persönlichkeitsrechte von Schauspielern und Stuntdoubles, deren digitale Abbilder oft für spätere Projekte genutzt werden. In der EU profitieren wir von klaren Regelungen und arbeiten nach den höchsten Datenschutzstandards.
Auch wenn es viele nicht glauben, ist Ethik im Filmbereich ein zentrales Thema, das selbst von den größten Studios ernst genommen wird. Es gibt eine starke Verpflichtung, ethische Standards einzuhalten, insbesondere wenn es um die Verwendung von KI geht. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Technologie im Einklang mit diesen Werten steht.
IM+io: Welche Reaktionen erhalten Sie persönlich von Mitwirkenden in der Filmbranche auf den Einsatz dieser KI-Tools?
SBvH: Die Reaktionen auf den Einsatz von KI-Tools in der Filmbranche sind meist positiv, besonders in Hollywood, wo das Scannen von Schauspielenden und Stuntdoubles für digitale Abbilder längst Standard ist. Es gibt viel Begeisterung, aber auch Skepsis, vor allem bezüglich der kreativen Kontrolle und Authentizität. Einige befürchten, dass KI den menschlichen Aspekt des Filmemachens beeinträchtigen könnte, was wir aber mit unserer präzisen Aufnahmetechnik gewährleisten.
IM+io: In den USA gab es im vergangenen Jahr aufgrund der Verwendung von KI in der Film- und Serienproduktion. Diese bezogen sich in erster Linie darauf, dass Komparsen durch ihre digitalen Zwillinge ersetzt werden und deshalb echte Schauspieler nicht bezahlt werden. Nun bieten Sie genau diesen Service an. Was entgegnen Sie Kritiker?
SBvH: Der Streik in den USA hat zwar Aufmerksamkeit erregt, aber im Hinblick auf KI wenig verändert. Schauspielende in Amerika und Deutschland haben weiterhin individuelle Verträge, die genau regeln, wie ihre digitalen Abbilder verwendet werden dürfen. Niemand kann ohne Zustimmung in einem Projekt auftauchen. Bei Statist:innen ist dies anders, aber auch das ist keine neue Entwicklung. Wir haben bereits vor über zwei Jahren einen Katalog von Statist:innen unter dem Namen 4dpeople.com veröffentlicht, und was viele nicht verstehen, ist, dass 3D bereits heute ein fester Bestandteil der Produktionsketten ist. Schauspielende, die nicht in 3D existieren, werden schlichtweg nicht im Film erscheinen.
Der Streik hat jedoch das Risiko bei Filmproduktionen erhöht, was die Branche weltweit fast zum Stillstand gebracht hat. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Filmindustrie erholen wird oder ob dieser Streik langfristig die klassischen Hollywoodproduktionen beeinträchtigen wird – unabhängig von der Rolle der KI.
IM+io: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Künstlicher Intelligenz im Filmgeschäft? Welche Trends erwarten Sie?
SBvH: Wenn wir in 20 Jahren zurückblicken, werden wir uns vermutlich fragen, wie altmodisch wir damals Filme produziert haben – mit riesigen Sets, Dutzenden Schauspielern und Kameraleuten, die jahrelang an 120 Minuten Unterhaltung gearbeitet haben. Ich persönlich habe an vielen Sets gearbeitet und liebe diesen Prozess. Es ist eine echte Leidenschaft. Aber ich bin genauso gespalten wie viele andere in der Branche. Wenn wir ehrlich sind, will das Publikum am Ende nur gut unterhalten werden. Es ist fast irrsinnig, welchen Aufwand wir betreiben – mit oft minimalen Gewinnmargen – und wie viele tausende Menschen in ein Projekt involviert sind. Die Risiken, die ein Film heute mit sich bringt, sind enorm, und wenn man sich anschaut, wie wenige Filme wirklich erfolgreich sind, wird klar, dass wir Menschen nach all den Jahren immer noch nicht besonders gut darin sind, Filme zu machen.
Es klingt verrückt, aber wenn man sich wirklich eingesteht, worauf es beim Publikum ankommt, dann erscheint der derzeitige Aufwand geradezu absurd. Die Zukunft des Films wird schneller, effizienter und letztlich auch nachhaltiger sein. Ob das die Magie des klassischen Filmemachens zerstört? Vielleicht. Aber es könnte auch der nächste große Sprung in der Art und Weise sein, wie wir Geschichten erzählen und erleben.
KI hat das Potenzial, diesen ganzen Prozess radikal zu verändern. Zukünftig werden wir sehen, dass Filme in Echtzeit personalisiert und direkt für den individuellen Zuschauenden erstellt werden. Das bedeutet weniger Risiko, weniger Umweltbelastung und eine drastische Reduzierung der Produktionskosten. Ein Film, der in heutiger Hollywoodqualität für 5€ produziert wurde, wird uns teuer erscheinen.