Der Sechzehnjährige, der eine App programmierte, um dem Bildungssystem unter die Arme zu greifen
Johann Haslinger, Schul-App Spina und Thomas Immich, Centigrade GmbH im Gespräch mit Katherina Plakias, IM+io

(Titelbild: © Adobe Firefly)
Kurz und Bündig
Die Spina-App, entwickelt von Johann Haslinger, entstand aus der Notwendigkeit, nützliche Lern-Apps für Schul-iPads zu schaffen. Unterstützt wurde der sechzehnjährige Schüler von Thomas Immich, der betont, dass das Bildungssystem an die heutigen digitalen Anforderungen angepasst werden muss. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, KI sinnvoll in den Schulalltag zu integrieren und die Medienkompetenz zu fördern. KI bietet im Bildungsbereich Vorteile wie personalisiertes Lernen und die Entlastung von Lehrkräften, insbesondere angesichts des Lehrermangels.
Die Schule stellt für alle iPads zur Verfügung, diese können jedoch nicht genutzt werden, weil passende Apps für den Unterricht fehlen. Johann Haslinger, ein Schüler des Willi-Graf-Gymnasiums, nahm diese Herausforderung an und entwickelte Spina, eine browserbasierte Schul-App, die nicht nur die Organisation von Lernmaterialien erleichtert, sondern auch KI nutzt, um personalisierte Lerninhalte zu erstellen und zu verbessern. Wir haben mit dem Sechzehnjährigen sowie seinem Mentor und Unterstützer Thomas Immich über die Entstehung der App und die Notwendigkeit der Integration von KI in das Bildungssystem gesprochen.
IM+io: Herr Haslinger, erzählen Sie uns etwas zur Entstehungsgeschichte von der Spina-App. Wie kam die Idee zu dieser App? Und wie haben Sie das Projekt gestartet?
JH: Die Idee zur App entstand, weil wir in der Schule iPads bekommen haben, die jedoch kaum genutzt wurden. Der Grund dafür war, dass wir fast keine Apps für die iPads hatten. Da ich schon länger programmiere, kam mir der Gedanke, eine App zu entwickeln, die Funktionen bietet, die meinen Klassenkameraden und mir im Unterricht nützlich wären. So begann ich, Spina zu entwickeln – eine Web-App, die auch auf Schul-iPads genutzt werden kann.
IM+io: Mit nur 14 Jahren haben Sie bereits eine Lern-App entwickelt. Was hat Sie dazu inspiriert, in so jungen Jahren in die Welt der App-Entwicklung einzutauchen, und wann haben Sie mit dem Programmieren begonnen?
JH: Ich habe mit 13 Jahren angefangen zu programmieren. Damals wurde ich durch ein YouTube-Video inspiriert, in dem jemand ein Videospiel nachprogrammierte, das ich sehr mochte. Obwohl mein erstes Projekt nicht funktionierte, fand ich den Prozess spannend und blieb dran. So entwickelte ich mein erstes Spiel und merkte, wie viel Spaß mir das Programmieren machte. Mit der Zeit habe ich mir weitere Programmiersprachen beigebracht und bin in den Bereich Apps und Webseiten eingestiegen. Mittlerweile bin ich gut in React sowie TypeScript, HTML und C#. Mit C# habe ich damals Videospiele programmiert. Außerdem beherrsche ich noch Python und habe auch Kenntnisse in Swift.
IM+io: Welche Herausforderungen haben Sie bei der Entwicklung der App erlebt, und wie haben Sie sie gemeistert?
JH: Eine große Herausforderung war, dass ich zu Beginn Typescript, die Programmiersprache, die ich für Spina nutze, noch nicht richtig beherrschte. Ich musste mir die Sprache erst aneignen, was dazu führte, dass ich den ersten Code komplett neu schreiben musste. Eine weitere Herausforderung war, dass ich zu viele Funktionen einbauen wollte, ohne sie gründlich auszuarbeiten. Ich bin da eher auf Quantität statt Qualität gegangen. Ich habe dann gelernt, dass es besser ist, weniger Funktionen zu haben, die dafür gut durchdacht und umgesetzt sind.
IM+io: Herr Immich, Sie unterstützen Herrn Haslinger als Mentor. Wie kam es dazu?
TI: Wir haben uns bei einem Saar Hackathon kennengelernt, als Johann 14 war. Daran versuche ich mit meiner Firma Centigrade einmal im Jahr teilzunehmen, da wir den Saar Hackathon auch finanziell unterstützen. Johann war da in einem sogenannten Kinder-Dojo verortet, eine Verantwortliche machte mich aber schnell darauf aufmerksam, dass er dort völlig unterfordert ist. Also bin ich hin und hab ihn gefragt, was er bisher gemacht habe. Er hat mir daraufhin seine Website gezeigt, die er mit Figma geprototyped hat. Da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Das war, insbesondere in dem Alter, extrem beeindruckend. Wir haben dann zusammen an einem politischen Satirespiel gearbeitet, und das war auch der Grund, weswegen wir uns sofort so gut verstanden haben. Denn durch meine Liebe zu Videospielen habe ich ebenfalls das Programmieren gelernt.
IM+io: Welche Fähigkeiten und Perspektiven bringt Herr Haslinger ein, die dieses Projekt so besonders machen?
TI: Die nutzerzentrierte Perspektive ist mir da am wichtigsten. In meiner täglichen Arbeit setze ich auf „Human-Centered Design“, wo digitale Projekte aus Sicht der Nutzenden gedacht werden. Im Bildungsbereich ist das besonders herausfordernd, da man vom Schüler oder der Schülerin aus rückwärts denken muss. Viele Lehrkräfte und ausgebildete Softwareentwickler und -entwicklerinnen tun sich schwer damit, diese Perspektive einzunehmen. Das Bildungssystem hat sich zwar nicht groß geändert, dafür aber die Rahmenbedingungen. Das Umfeld ist schneller geworden. Die digitalen Medien sind hochgekocht, es gibt mehr Social Media, es wird anders gelernt. Es wird sich über WhatsApp-Gruppen ausgetauscht, es werden Tafelbilder fotografiert. Das war alles früher nicht so, und diese Perspektive jetzt als gelernter Entwickler oder Entwicklerin zu haben, ist, glaube ich sehr, sehr schwer. Johann hingegen bringt als Schüler diese Perspektive direkt mit und kann so viel besser auf die Bedürfnisse seiner Altersgruppe eingehen.
Außerdem finde ich es beeindruckend, wie Johann damit umgeht, wenn Dinge nicht klappen, und daraus lernt. Diese Fähigkeit, negatives Feedback positiv aufzunehmen und daraus Verbesserungen abzuleiten, fehlt uns kulturell in Deutschland manchmal.
IM+io: Herr Haslinger, wie funktioniert der KI-Tutor in Ihrer App genau, und welche Technologien haben Sie verwendet, um ihn zu entwickeln?
JH: Der KI-Tutor basiert auf der OpenAI API, die von vielen Apps genutzt wird. Die Funktionsweise ist relativ simpel: Eine Anfrage wird über die Benutzeroberfläche an einen Server gesendet, der sie an die OpenAI API weiterleitet. ChatGPT beantwortet die Anfrage, und die Antwort wird zurück an das Gerät geschickt. Was Sapientor, unseren KI-Tutor, so besonders macht, ist seine Fähigkeit, auf Schulmaterialien zuzugreifen und dadurch personalisierte Antworten im Kontext des Unterrichts zu geben. Er kann auf individuelle Interessen eingehen und so das Lernen interessanter gestalten.
IM+io: Herr Immich, was sind ihrer Meinung nach die größten Vorteile des Einsatzes von KI im Bildungssektor, und wie hat die Spina-App diese Vorteile integriert?
TI: Ich denke, das Bildungssystem hat gerade ein Riesenproblem, wenn es um Fachkräftemangel geht, und dieser wird sich weiter verschärfen. Nehmen wir mal alleine die folgende Frage: Haben wir genug Lehrer und Lehrerinnen für die Zukunft? Diese Frage ist, glaube ich, leider negativ zu beantworten. Da sehe ich KI als eine Möglichkeit, genau diese Individualisierung hineinzubringen, die wir nicht über eine Vergrößerung des Lehrpersonals hinbekommen können. Kinder lernen unterschiedlich – manche lernen gut durch Zuhören, andere besser durch Lesen, wieder andere brauchen Lernkärtchen und so weiter. Eine Lehrkraft kann unmöglich auf all diese individuellen Bedürfnisse eingehen, zumal wir ja zu wenige Lehrkräfte haben.
KI hingegen ermöglicht eine personalisierte Ansprache, etwa durch die Anpassung von Aufgaben an die Interessen der Lernenden. Ein Beispiel wäre, eine Physikaufgabe im Kontext von Skateboarding zu gestalten, um die Relevanz für einen skatebegeisterten Schüler oder eine Schülerin zu erhöhen.
IM+io: Können Sie sich vorstellen, dass ein KI-Tutor die menschliche Lehrkraft ersetzt?
TI: Das ist natürlich eine hochbrisante Frage. Ich muss tatsächlich ein bisschen ketzerisch sagen: Wie in allen Bereichen ist die KI dabei, Mittelmäßigkeit zu ersetzen. Berufe, die man durch KI automatisieren kann, werden automatisiert, da braucht man sich nichts vorzumachen. Das Alleinstellungsmerkmal einer Lehrkraft ist meiner Meinung nach, zu inspirieren, Lust auf ein Thema zu machen und eine Vertrauensbasis zu schaffen – die Kinder für sich als Mensch zu gewinnen. Das kann eine KI nicht und wird es auch niemals können.
Wenn ich aber Lehrkräfte sehe, die das für überflüssig halten, die sich als bloße Wissensvermittler und -vermittlerinnen verstehen, dann sehe ich für diese Lehrkräfte eher schwarz. Denn Wissen vermitteln, das kann eine KI sehr gut. Deswegen könnte eine Zukunft sogar so aussehen, dass wir weniger Lehrkräfte brauchen, aber mehr gute. Also Lehrkräfte, die wirklich inspirierend sind, die Vertrauen schaffen und von den Kindern auch akzeptiert werden. Die KI kann dann als Sidekick das Ganze ergänzen. Aber da muss immer noch jemand drüber schauen, ob das fachlich auch korrekt und pädagogisch wertvoll ist. Ganz ersetzen wird KI die Lehrkräfte also nicht, aber es wird meiner Meinung nach eine klare Verschiebung geben.
IM+io: Wie wurde die Spina-App an Ihrer Schule angenommen, Herr Haslinger? Was sagen die Lehrkräfte dazu?
JH: Da habe ich bisher nur positive Erfahrungen gemacht. Viele Lehrer und Lehrerinnen finden es echt super, dass ich in meiner Freizeit quasi als Entwickler für die Schule arbeite. In der Testphase der Spina-App ist außerdem die Schulleitung stark involviert, die das ebenfalls unterstützt. Das finde ich richtig toll.
TI: Ja, genau, das ist am Willi-Graf-Gymnasium wirklich bemerkenswert und sollte auch einmal hervorgehoben werden. Es gibt sicherlich unterschiedliche Herangehensweisen, und ich habe schon von Schulen gehört, wo Lehrkräfte neue Dinge ausprobieren wollen, was aber gar nicht möglich ist, weil diese Ideen direkt im Keim erstickt werden. Deswegen denke ich, dass es ein Glücksfall ist, wenn eine Schule so offen und unterstützend ist.
IM+io: Wie war die Reaktion der ersten Nutzenden Ihrer App, und welche Feedbacks waren besonders wertvoll für Sie?
JH: Die Reaktionen, der ersten Spina-Tester an meiner Schule, waren wirklich positiv. Wir starten bald auch größere Testphasen, bei denen mehrere Hundert Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit haben werden, Spina für einen Schultag zu nutzen. Das motiviert mich sehr, weiter an Spina zu arbeiten, vor allem, weil ich sehen kann, wie gut die Funktionen bei meinen Mitschülern und Mitschülerinnen ankommen, und weil wirklich Interesse daran besteht, die App zu nutzen. Viele finden es sehr cool, dass Spina die Möglichkeit bietet, effektive Lernstrategien zu entdecken, die in der Schule vielleicht nicht so vermittelt werden. Zum Beispiel kann man Tafelbilder fotografieren, daraus Karteikarten erstellen, einen Podcast aufnehmen, den man auf dem Schulweg anhört, und das alles in eine Klassengruppe hochladen. So haben alle meine Mitschüler und Mitschülerinnen die Möglichkeit, gemeinsam zu lernen. Diese Funktionen kommen sehr gut an.
TI: Das ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Welt verändert hat. Die Unternehmen suchen heute nach Teamplayern, die in der Lage sind, komplexe Probleme zu lösen. Denn wir wissen alle, dass diese Probleme oft so vielschichtig sind, dass sie nicht von einer einzelnen Person gelöst werden können. Früher hat man vielleicht eine Mathematikerin eingestellt, die alleine ein mathematisches Modell entwickelt hat, oder einen Marketingexperten, der alleine eine Marketingstrategie erarbeitet hat. Aber so arbeitet heute kein IT-Unternehmen mehr. Alles geschieht in multidisziplinären Teams.
Wenn ich Kinder in der Zusammenarbeit beobachte – egal ob Coder Dojo oder Fussballverein – dann sehe ich, dass Menschen von klein auf in der Lage sind und auch Freude daran haben, im Team Probleme zu lösen. In der Schule jedoch wird diese Fähigkeit nicht ausreichend gefördert. Stattdessen müssen die Schüler und Schülerinnen oft gegeneinander arbeiten, jeder erhält seine eigene Note, und es gibt nur selten Projektarbeit. Ansonsten ist jeder auf sich allein gestellt, besonders wenn es um Prüfungen geht.
Hier setzt die App an, indem sie diese Kollaboration fördert. Das ist ein großer Mehrwert, weil sie ein Bedürfnis erfüllt, das viele Kinder haben: sich zu vernetzen, sich auszutauschen und gemeinsam zu lernen. Das zeigt deutlich, dass die Schüler und Schülerinnen nicht nur lernen wollen, sondern auch die Werkzeuge dafür brauchen.
IM+io: Wie sehen Sie die Rolle der KI im Bildungsbereich, und welche Herausforderungen müssen noch gemeistert werden?
TI: Ja, das gesamte Bildungssystem passt leider nicht wirklich zu den aktuellen Anforderungen. Ich bringe oft das Beispiel der Montessori-Schule. Mir ist bewusst, dass dieses Beispiel mit einer gewissen Gesellschaftsschere verbunden ist, weil es ein Privileg ist, auf eine alternative Schulform auszuweichen. Immer mehr Eltern entscheiden sich jedoch dafür, weil sie das traditionelle Schulsystem leid sind und nicht daran glauben, dass es die Kinder auf die heutige Welt ausreichend vorbereitet.
Es wäre unfair, zu sagen, dass das Bildungssystem in Richtung Montessori umgebaut werden sollte, und das ist wahrscheinlich auch nicht möglich. Aber eines ist klar: Das System kann nicht so bleiben, wie es ist. Es muss sich definitiv etwas ändern. Zum Beispiel gibt es agile Lehrer und Gruppen, die tatsächlich Scrum-Methoden in der Schule einsetzen wie bei „Scrum for Schools“ oder „EduScrum“. Es gibt unglaublich coole Formate in diesem Bereich.
Und auch bei Montessori-Schulen wird entsprechend solcher agilen Praktiken zuBeginn der Woche ein Plan erstellt, der festlegt, was die Schüler und Schülerinnen in der Woche machen werden, wo die Schwerpunkte liegen, und am Ende der Woche gibt es eine Retrospektive und Selbstreflexion: Was wurde erreicht, was nicht? Das ist im Grunde Scrum, auch wenn es anders genannt wird. Solche Ansätze könnten ins bestehende System integriert werden, ohne es komplett umzukrempeln. Engagierte Lehrkräfte, die es ja auch hier im Saarland gibt, könnten solche Ideen aufgreifen und in ihren Unterricht einfließen lassen. Schon allein durch solche kleinen Veränderungen, wie das Schulen von Reflexionsfähigkeiten würde sich vieles zum Besseren wenden.
Leider gibt es jedoch Menschen, die solche Veränderungen gar nicht wollen und aktiv dagegen arbeiten. Das macht mich wirklich sauer, weil ich denke: Ihr habt engagierte Lehrkräfte, Schüler:innen, die motiviert sind, Mentoren aus der Wirtschaft, die unterstützen wollen, und Medien, die das Thema voranbringen. Aber dann gibt es immer noch diejenigen, die dagegen arbeiten, und das finde ich traurig. Da wird für mich eine rote Linie überschritten.
IM+io: Welche Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen haben Sie getroffen, um die Daten der Nutzenden Ihrer App zu schützen?
TI: Das ist ein Aspekt, in dem unsere Zusammenarbeit wieder sehr interessant ist. Hier muss ich nochmal betonen: Johann entwickelt die App, das ist sein Projekt. Ich sehe mich da eher als Ratgeber und Technologieprovider. Datenschutz ist ein Thema, bei dem wir sehr gut unterstützen können mit dem, was wir auch technisch bereitstellen können. Zum Beispiel nutzen wir Supabase, das row-level Security (RSL) bietet, und können die Datenbank bei Bedarf auf Schulservern hosten.
Der schwierige Aspekt ist natürlich, wo das KI-Modell liegt und wohin all diese individuellen Daten gelangen. Grundsätzlich wird OpenAI nur über die API angesteuert, das bedeutet, es werden keine Daten zu Trainingszwecken weitergegeben. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl, weil ein amerikanisches Unternehmen involviert ist. Deshalb haben wir uns beispielsweise dafür entschieden, unseren Softwarestack so zu gestalten, dass das KI-Modell austauschbar ist. Kürzlich ist OpenLLaMA 3.1 erschienen, und immer mehr Stimmen sagen, dass es in Zukunft möglicherweise besser ist, ein Open-Source-Modell anstelle von OpenAI zu nutzen. Das bedeutet, wir könnten ein Open-Source-Modell integrieren, während die Benutzeroberfläche von Spina und Sapientor unverändert bleibt. Diese Möglichkeit ist bereits in der Architektur vorgesehen, und deshalb sehe ich die Zukunft des Datenschutzes sehr positiv.
IM+io: Was sind Ihre zukünftigen Pläne für Spina, wo sehen Sie die Stärken der App?
TI: Wir werden viel testen, um genau herauszufinden, was der Sweet Spot ist, an dem alle Schülerinnen und Schüler sagen: „Das ist es!“ Ich könnte mir sogar vorstellen, dass eine KI-Plattform wie Spina außerhalb der Schule häufiger genutzt wird, um beim Lernen zu helfen und sich besser zu organisieren. Ich glaube stark daran, dass die Eltern eine wichtige Rolle spielen werden, weil sie sehen, dass ihre Kinder durch solche Tools selbstständiger und effizienter lernen.
Spina könnte helfen, das sogenannte „Bulimielernen“ zu vermeiden, indem es durch Gamification-Elemente das Lernen interessanter macht. Das könnte dazu führen, dass Eltern diese Technologie noch mehr unterstützen, weil sie ein Interesse daran haben, dass ihre Kinder erfolgreich lernen und in der Schule weiterkommen. Das eigentliche Problem ist oft, dass das Lernen und die Vorbereitung auf Prüfungen hauptsächlich außerhalb der Schule stattfinden und das den größten Stress verursacht. Ich denke, da ist Spina gerade wirklich der Sweet Spot, den wir gerade treffen.
IM+io: Welche Herausforderungen in Bezug auf KI im Schulalltag müssen noch überwunden werden?
TI: Eine große Herausforderung ist, wie Lehrkräfte neue Tools wie Spina oder andere innovative Ansätze in den Schulalltag integrieren können. Dabei sollte der Unterrichtsstoff stärker in Richtung Medienkompetenz, kritisches Denken und des Umgangs mit KI ausgerichtet werden. Es ist unrealistisch zu verlangen, dass Schüler und Schülerinnen keine KI nutzen. KI wird Teil ihres Alltags sein, ob wir es wollen oder nicht. Anstatt die Nutzung von KI in der Schule zu verbieten, sollten wir Wege finden, sie sinnvoll in den Unterricht zu integrieren.
Ein möglicher Ansatz wäre, Hausaufgaben gezielt mit Hilfe von KI zu erledigen und dann die Schüler und Schülerinnen darüber reflektieren zu lassen, wie sie vorgegangen sind. Haben sie die Antworten einfach akzeptiert oder kritisch hinterfragt? Haben sie einen Faktencheck durchgeführt? Solche Aufgaben könnten helfen, Medienkompetenz und kritisches Denken zu fördern. Es geht nicht darum, KI zu verteufeln oder aus Datenschutzgründen zu ignorieren, sondern darum, den Schülern und Schülerinnen den verantwortungsvollen Umgang mit dieser Technologie beizubringen. Das ist eine wichtige Aufgabe, die wir im Bildungsbereich unbedingt angehen sollten.
JH: Es gibt Schüler und Schülerinnen, die ihre gesamten Hausaufgaben, Prüfungen und Referate mit KI erledigen, ohne zu hinterfragen, ob die Informationen korrekt sind. Am Ende stehen sie dann vorne und präsentieren Inhalte, die nicht stimmen, was ziemlich peinlich sein kann. Andere in meiner Klasse haben Angst vor KI und verteufeln sie, weil sie fürchten, dass KI die Welt übernehmen könnte. Beide Herangehensweisen sind nicht zielführend.
TI: Genau, das sind keine produktiven Wege. Viel wichtiger ist es, in der Schule ein Bewusstsein für den verantwortungsvollen Umgang mit KI zu schaffen und zu zeigen, dass sie nicht nur zum Schummeln genutzt werden kann, sondern auch, um das Lernen effektiver zu gestalten. Das ist eine Botschaft, die ich unbedingt vermitteln möchte.
Ein weiterer Schritt ist der Aufruf an Schulen und Lehrkräfte, die sich mit Digitalisierung beschäftigen: Wenn Sie Interesse an einem Pilotprojekt haben und Tester oder Testerin sein wollen, wäre das sehr wertvoll. Testende sind im Moment das Wichtigste, um das Produkt zu verbessern und die verschiedenen Anforderungen und Einschränkungen besser zu verstehen. Dadurch können wir auch das Preismodell besser entwickeln. Daher brauchen wir Kontakte und Interessierte, die uns auf diesem Weg unterstützen.