Politik entscheidet, Wissenschaft berät
Erfahrungen aus der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik
Im Gespräch mit Jakob von Weizsäcker, Minister für Finanzen und Wissenschaft im Saarland
(Titelbild: ©AdobeStock | 67962950| Petair)
Kurz und Bündig
Jacob von Weizsäcker verfügt über breite politische Erfahrung auf EU- und Bundesebene. Nun bringt er seine internationalen Kontakte und seine Finanzexpertise als Minister ins saarländische Kabinett ein. Besonders spannend dabei ist, dass er neben dem Finanzressort auch das Thema Wissenschaft, zu der auch die breite Hochschullandschaft des Saarlandes gehört, verantwortet. Bei der Frage, wie viel Einfluss die Wissenschaft auf politische Entscheidungen haben darf, sieht er ganz klare Trennlinien.
Als Physiker und Volkswirt ist Jakob Freiherr von Weizsäcker Minister für Finanzen und Wissenschaft in der saarländischen Landesregierung. Eine durchaus unübliche Kombination von Zuständigkeiten, die es umso interessanter macht, sich mit ihm über das Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik zu unterhalten.
Sie sind seit April 2022 als Minister der Finanzen und für Wissenschaft im Saarland Teil des Kabinetts Rehlinger. Finanzfragen standen bei Ihnen als Ökonom schon seit vielen Jahren auf der beruflichen Agenda. Mit Blick auf Herausforderungen und Möglichkeiten, was sind Ihre neuen Erfahrungen und Eindrücke als Wissenschaftsminister?
JvW: Die Zuständigkeit für Wissenschaft macht mir große Freude, zumal ich früher für kurze Zeit selbst als Wissenschaftler gearbeitet und publiziert habe. Die Kombination dieser beiden Ressorts ist ungewöhnlich, aber bereichernd im doppelten Wortsinn. Ein Großteil unseres Wohlstands und unserer Finanzkraft ist ein Ergebnis des wissenschaftlichen Fortschritts. Umgekehrt verdanken wir wesentliche Teile dieses Fortschritts der öffentlichen Finanzierung der Wissenschaft. Das ist ein fundamentaler Zusammenhang.
Im Endeffekt geht es in meinen beiden Zuständigkeiten als Finanz- und Wissenschaftsminister um dasselbe Ziel: das Saarland zukunftsfähig zu machen.
Wie lösen Sie den potenziellen Konflikt auf, wenn der Wissenschaftsminister beim Finanzminister sein - möglicherweise sehr anspruchsvolles - Budget beantragt?
JvW: Natürlich gibt es manchmal Ressourcenkonflikte, mit denen ich als Finanzminister umgehen muss. Glücklicherweise tragen aber der wissenschaftliche Fortschritt und die tertiäre Bildung maßgeblich zu unserem künftigen Wohlstand und zu unserer künftigen Finanzkraft bei. Kluge Investitionen in den Wissenschaftsstandort Saarland reuen also den Finanzminister nicht. Deshalb spielen solche Investitionen in die Innovationskraft des Landes auch im Transformationsfonds eine wichtige Rolle, mit dem die Landesregierung die beschleunigte Transformation hin zur Klimaneutralität kraftvoll angeht.
Die Kompetenz der Wissenschaft wird in Krisenzeiten immer stärker nachgefragt, wodurch der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik und auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung steigt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung grundsätzlich?
JvW: Die Wissenschaft berät politische Akteure und kann dazu beitragen, Konsequenzen von Entscheidungen besser abzuschätzen. Aber sie kann politische Entscheidungen nicht ersetzen. Die Idee, man müsse nur lange genug nachdenken, bis eine gesellschaftliche Entscheidung objektiv richtig sei, ist falsch und sogar gefährlich. Es gibt in einer Gesellschaft immer unterschiedliche Präferenzen und Interessen. Auch der Wissenschaftsbetrieb selbst ist ja keineswegs völlig frei davon. Es liegt im Wesen der Demokratie, diese Interessen auszutarieren. Aber die Politik muss dabei unbedingt den wissenschaftlichen Rat suchen. Sonst agiert die Demokratie im Blindflug.
Wie bewerten Sie die Gefahr, dass die Politik durch „gut verkaufte“ wissenschaftliche Ratschläge getrieben wird und politische Argumente der Machbarkeit weniger Gehör finden?
JvW: Klugen wissenschaftlichen Rat, der dann auch noch „gut verkauft“ wird, empfinde ich in meiner Funktion als Politiker nicht als Last, sondern als Geschenk. Manchmal gibt es natürlich auch wissenschaftlichen Rat, der theoretisch schön klingt, aber in der Praxis untauglich ist, weil er sich rechtlich oder verwaltungstechnisch zumindest kurzfristig gar nicht umsetzen lässt. Aber in der Regel lässt sich das im Gespräch mit der Wissenschaft und auch mit einer breiten Öffentlichkeit aufklären. Die politische Kultur in Deutschland erlebe ich tendenziell als wissenschaftsfreundlich und lernwillig. Gefährlich wird es dann, wenn in der öffentlichen Debatte wissenschaftliche Erkenntnisse oder Einsichten kaum mehr zählen. Die eigentliche Gefahr wäre also ein postfaktischer Populismus, wie wir ihn aber in Deutschland glücklicherweise nicht haben.
Welche Rolle spielen Ratgeber aus der Wissenschaft bei der Entscheidungsfindung in Ihrer Funktion?
JvW: Meine langjährigen persönlichen Erfahrungen in den Bereichen Wissenschaft, Politik und Verwaltung helfen mir sehr dabei, Handlungsoptionen auf ihre wissenschaftlich überprüfte Wirksamkeit, auf die verwaltungstechnische Umsetzbarkeit und auf die politische Mehrheitsfähigkeit abzuklopfen.
Dabei greife ich neben der beachtlichen Kompetenz in der eigenen Verwaltung bei besonderen Fragen gerne auch auf externe wissenschaftliche Beratung zurück. Bei der Konzeptionierung des Transformationsfonds hat uns externer volkswirtschaftlicher und juristischer Rat, unter anderem in Form von drei Gutachten, sehr geholfen. Und auch im Vollzug werden wir für den Transformationsfonds auf Beratung angewiesen sein. Deshalb richten wird einen hochkarätigen Beirat ein.
Wie bewerten Sie die Wissenschaftslandschaft im Saarland? Wo kann und muss man besser werden?
JvW: Die Universität samt ihrer eindrucksvollen außeruniversitären Forschungslandschaft ist eine Perle. Aber wer sich ausruht, fällt zurück. Wir stehen in einem nationalen und internationalen Wettbewerb. Nehmen wir das Beispiel der Informatik. Hier war das Saarland schon vor Jahrzehnten ein echter Pionier. Deshalb sind wir auch heute stark aufgestellt mit den beiden Max-Planck- Instituten, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und dem CISPA-Helmholtz- Zentrum für Informationssicherheit. Aber wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern müssen die Exzellenz immer wieder neu erringen und unter Beweis stellen. Dies gilt auch für die Exzellenzclusteranträge.
Mit großer Freude sehe ich, wie sich die dynamische HTW und die Universität eng miteinander verzahnen. Das kleine Saarland bietet hier den großen Vorteil der räumlichen Nähe. Außerdem gibt es ganz offensichtlich einen saarländischen Spirit, der Kooperation erleichtert. Und wenn man auf diese Art gemeinsam vorgeht und vorbildlich grenzüberschreitend kooperiert, kann man auch den Nachteil der Kleinheit wettmachen, nämlich die sonst mangelnde kritische Masse.
Sich im Wettbewerb durch Spezialisierung und Kooperation – und damit im Ergebnis Spitzenleistungen – zu behaupten, muss das gemeinsame Ziel sein. Da ist schon viel vorhanden, aber es geht noch mehr! Nicht zu unterschätzen in diesem Wettbewerb ist auch die Konkurrenz um Studierende und junge Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland. Hier geht es um ein attraktives Studienangebot und auch um ein ansprechendes Umfeld, weshalb mir der Bau neuer Wohnheimplätze und die Attraktivierung des Lebens auf dem Campus der Universität wichtig ist.
Wenn man das Saarland als Pilotregion betrachtete: Wie sollte ein erfolgreiches Modell für den kontinuierlichen Austausch zwischen Politik und Wissenschaft aussehen? Müssen die Akteure enger zusammenarbeiten?
JvW: Es ist gut und richtig, dass die Hochschulautonomie Politik und Wissenschaft zur Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre auf einer gewissen Distanz hält. Aber im kleinen Saarland sind wir trotzdem immer in gegenseitiger Rufweite. So gelingt es mir zum Beispiel regelmäßig, die Ernennungsurkunden für die neuen Professorinnen und Professoren persönlich zu überreichen und diese dabei gleich kennenzulernen.
In den kommenden Jahren müssen wir die kurzen Wege unbedingt nutzen, damit Politik und Wissenschaft gemeinsam mit der saarländischen Wirtschaft die großen Herausforderungen meistern und neue Chancen ergreifen können, die sich für das Saarland mit der beschleunigten Transformation zur Klimaneutralität ergeben. Ich hoffe sehr, dass der Transformationsfonds mit seinen Investitionsprojekten dazu beitragen kann, die Kräfte des Saarlands erfolgreich zu bündeln. Ein solches Modell der Zusammenarbeit würde ganz bestimmt auch anderswo Nachahmer finden.