Geld, Technologie, Bekanntheit oder Marktzugang?
Wenn intelligente Kooperationen zum relevanten Erfolgsfaktor werden
Im Gespräch mit Felix Furtmayr, Rapidfacture
Kurz & Bündig
Wenn ein Start-up erwägt, Kooperationen mit einem etablierten Unternehmen einzugehen, dann geht es um Ressourcen, Geld, Technologie, Bekanntheit oder auch Marktzugang. Bei Rapidfacture hat man erfolgreich auf Partnerschaften mit dem Mittelstand gesetzt, auch weil man die Gefahr sieht, dass ein großes Unternehmen versucht ist, seine Konzernstrukturen auf das Start-up zu übertragen und damit die Agilität zu gefährden.
Noch ist es eher selten, dass sich Mittelständler und Start-ups miteinander vernetzen. Unternehmen können aber so ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, Start-ups durch die Kooperation ihr Wachstum beschleunigen. Diese Dynamik hat das junge Unternehmen Rapidfacture GmbH genutzt. Die Gründungsidee war, Dreh- und Frästeile in kleinen Stückzahlen herzustellen und online zu vertreiben. Unterdessen hat man die Fertigung der CNC-Teile an ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen ausgelagert. Über die Erfahrungen bei Rapidfacture haben wir mit Gründer Felix Furtmayr gesprochen.
IM+io: Herr Furtmayr, wie und wann kam es zur Gründungsidee für Rapidfacture und welche Märkte wollten Sie sich mit dem Unternehmen erschließen?
FF: Mein Mitgründer Bernhard Römer und ich haben uns während des Bachelor-Studienganges Maschinenbau an der TH Ingolstadt kennengelernt. Während unserer Abschlussarbeiten mussten wir feststellen, dass im Maschinenbau Präzisionsteile für Privatkunden und Studenten oft nur schwer beschaffbar sind. Für Auftragsfertiger sind aufwändige Einzelstücke oder auch unvollständige Zeichnungen wenig lukrativ, das Angebot ist entsprechend gering. Aus dieser Erfahrung entstand bei uns beiden die Idee, CNC-gefertigte Sonderteile im Internet zu vertreiben, den Zugang zu erleichtern und den Gesamtprozess zu optimieren. Aus der Entwicklung anderer Branchen schlossen wir, dass der Online-Handel auch den Maschinenbau verändert und die Fixkosten durch Automation verringert werden können. Damit ging dann der fast zwingend logische Entschluss einher, uns mit diesem Vorhaben selbständig zu machen. 2015 gründeten wir dann die Rapidfacture GmbH – ausgestattet mit einem EXISTGründerstipendium und auch mit tatkräftiger Unterstützung der Technischen Hochschule Ingolstadt und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
IM+io: Warum haben Sie sich dazu entschieden, den faktischen Produktionsprozess
auszulagern?
FF: Durch die abrupte Erweiterung des Fertigungsspektrums auf wirtschaftliche Serienfertigung und auf 5-Achs Fräsen, konnte der Umsatz schnell gesteigert werden; wir selbst hätten das Invest der Maschinen nicht so schnell tätigen können. Klüger ist es, die bestehende Infrastruktur für seine Idee zu verwenden. Es hat sich aber auch herausgestellt, dass wir selbst im Team nicht so gut darin waren, den Prozess auszuführen. Wir konnten es zwar, die Kunden waren glücklich, aber wir waren es nicht. Wir haben durch die Auslagerung an Fokus gewonnen auf das, was uns Spaß macht: Software für die schwierigen Maschinenbauprobleme zu erstellen. Zusammen mit den Partnern können wir zudem unsere Software Lösung Automation Pro optimal weiter entwickeln. Wir stellen so sicher, dass die Anforderungen aus der Praxis einfließen. Unser Ziel ist weiterhin, eine hochautomatisierte Fertigungskette in der Metallverarbeitung aufzubauen und weiterzuentwickeln, die höchsten Ansprüchen an Flexibilität und Qualität gerecht wird.
IM+io: Wie haben Sie den Hersteller von Maschinenbau- und Drehteilen gefunden? Welche Hürden mussten dafür überwunden werden?
FF: Man muss viele Wege probieren. Dazu gehören die IHK, Bekannte, das Internet, Datenbanken, Webcrawler und was einem sonst noch einfällt. Man kennt den besten Weg zunächst ja nicht. Es ist keine Option sich mit der erstbesten Lösung zufrieden zu geben, besser ist es, weiter zu suchen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass man gleich den richtigen Partner, Investor oder Mitarbeiter hat. Wir wurden zunächst vielfach abgewiesen. Mit so manchem Partner gab es dann wiederum so viele Probleme, dass die Zusammenarbeit auch nicht sinnvoll schien. Man muss menschlich auf einer Wellenlänge sein. Ein Unternehmen sollte die nötige Offenheit mitbringen, neue Dinge und Prozesse zu entwickeln und hierfür Zeit und Geld zu investieren. Dabei geht es nicht nur um innovatives Denken, sondern um den Mut zum innovativen Handeln.
IM+io: War es dann ein Zufall, dass Sie sich an einen mittelständischen Betrieb gewendet haben, oder eine strategische Entscheidung?
FF: Es war kein Zufall; wir haben gezielt nach Partnern aus diesem Segment gesucht. Wenn eine Firma nicht zu groß ist, also bis zu 150 Mitarbeiter hat, kann man noch sehr leicht selbst mit dem Chef reden, was für ein Start-up ein großer Vorteil ist. Aber ein solcher Mittelständler profitiert genauso von der Zusammenarbeit, und das konnten wir vermitteln: Wer heute im Internet nach Herstellern für Dreh- oder Frästeile sucht, erhält im Suchergebnis ja nicht die Namen von vergleichsweise kleinen Unternehmen. Stattdessen stehen dort die Websites von Online-Plattformen wie Rapidfacture. Insofern steht dem mittelständischen Unternehmen durch die Kooperation ein Vertriebskanal zur Verfügung, den er selbst in der Reichweite gar nicht auf die Beine stellen könnte. Das eröffnet dem Unternehmen dann sogar den Zugang zum Weltmarkt; für uns gefertigte Teile werden z.B. nach Dubai oder in die USA geliefert.
IM+io: Empfehlen Sie jungen Start-up Unternehmen grundsätzlich eine solche Kooperation?
FF: Ja, denn es kann ein großer gegenseitiger Nutzen entstehen. Aber alles hat seinen Preis. Man muss überlegen, was man wirklich braucht und erreichen möchte. Es geht um Ressourcen, Geld, Technologie, Bekanntheit oder auch Marktzugang. Dann muss man sich überlegen, welcher Partner diese Aspekte bietet. Dann gilt es, Partnerschaften auszuprobieren, denn man täuscht sich leicht mit seinen Hypothesen. Kleine Firmen sind nicht so schwerfällig wie ein Konzern, man kommt mit ihnen schnell ins Gespräch, andererseits fehlt ihnen oft das Verständnis für Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle. Bei großen Unternehmen ist wichtig, ob es dort Leute gibt, die sich mit Start-ups auskennen. Wenn ein großes Unternehmen versucht, Konzernstrukturen auf ein Start-up zu übertragen, war es das mit der Agilität. Auch wenn ich es schade finde, aber muss man zudem ganz klar feststellen, dass wir im Schnitt auf deutlich mehr Verständnis stoßen, wenn die Ansprechpartner in der Geschäftsführung unter 40 sind.
IM+io: Wie bewerten Sie die generelle Bereitschaft mittelständischer Unternehmen,
sich auf Start-ups einzulassen?
FF: Die Bereitschaft könnte höher sein; es ist für den Mittelstand notwendig, nach vorne zu gehen. Aber es gibt auch genügend Firmen, die aufgeschlossen sind; man muss sie eben suchen. Ich möchte auf ein generelles Problem der Deutschen hinweisen: Die Deutschen sind eines der klügsten Völker bei der Entwicklung von Technologie. Das zeigt sich bei der Anzahl der Patente, der Anzahl deutscher Wikipedia Artikel oder auch der Anzahl deutscher Open-Source Projekte. Gleichzeitig sind sie aus meiner Sicht unfassbar dumm bei Investitionen. Aus Angst vor dem Neuen investiert man nicht, bleibt bei dem, was man kennt. So wird man nicht erfolgreich. Wir lassen das Geld auf dem Sparbuch trotz Negativzins. In das Schienennetz der Bahn wird nicht genug investiert, stattdessen wird mit Unpünktlichkeit Werbung gemacht. Die ursprünglich nicht interessanten Solarzellen und Windräder entwickelten wir zu einer Hochtechnologie – und darauf können wir wirklich stolz sein. Dann machten wir uns mit der Politik beide Märkte kaputt… Woran sollten wir Deutsche arbeiten: Den nächsten Schritt zu machen, zu investieren und nicht zu zweifeln. Das wichtigste Investmentgut ist Zeit. Und damit spreche ich wirklich alle an – nicht nur Politiker und Unternehmer. Es gilt für jeden Angestellten und für jedes Kind in der Schule. Wir sollten aufhören zu jammern und mehr handeln.
IM+io: Wo möchten Sie in fünf Jahren mit Ihrem Unternehmen stehen?
FF: Ich kann mir vorstellen, die Firma weiter zu vergrößern, parallel weitere Firmen zu gründen oder auszusteigen. Solange es in der Firma genug Herausforderungen gibt, geht es mir gut und ich bleibe dabei. Herausforderungen gibt es auf der Welt jedenfalls genug. Daher freue ich mich darauf – was es auch sein wird.