KI Fashion Week
Automatisierung als IT-Piece
Anna Franziska Michel, Yoona.AI im Gespräch mit Milena Milivojevic, IM+io
(Titelbild: ©Yoona.AI)
Kurz und Bündig
Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert zunehmend die Modebranche, indem sie Design- und Produktionsprozesse effizienter und nachhaltiger gestaltet. Das Berliner Startup yoona.ai nutzt KI, um den Materialverbrauch zu reduzieren, Designs präzise auf Trends abzustimmen und die Zahl physischer Prototypen zu verringern. So kann die Branche schneller und gezielter am Markt auftreten. Zusätzlich vereinfacht die Plattform den kreativen Prozess und bietet Modemarken wertvolle Daten, um besser auf Kund:innen-Wünsche einzugehen – eine Innovation, die langfristig die gesamte Wertschöpfungskette der Mode beeinflussen könnte.
Die Modeindustrie steht vor enormen Herausforderungen: Nachhaltigkeit, Prozessoptimierung und ein tieferes Verständnis für die Erwartungen von Kunden und Kundinnen gewinnen an Bedeutung. Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet dabei ganz neue Möglichkeiten, die traditionelle Ansätze in Design und Produktion ergänzen und erweitern. KI-basierte Innovationen könnten die Wertschöpfungskette revolutionieren und helfen, den Wandel hin zu einer effizienteren und ressourcenschonenderen Modebranche zu gestalten.
IM+io: Künstliche Intelligenz und Automatisierung sind mittlerweile allgegenwärtige Themen. Die Modeindustrie beginnt nun ebenfalls, diese Technologien einzusetzen. Was war Ihre Vision, und wie kam es dazu, dass Sie yoona.AI gestartet haben?
AFM: Ich habe Design studiert und in dem Bereich gearbeitet. Dabei wurde mir schnell klar, dass diese Branche nicht nachhaltig genug war. Ich wollte neue Wege finden, Nachhaltigkeit in der Modewelt durch moderne Materialien und effizientere Prozesse zu fördern. Gleichzeitig fiel mir auf, dass viele Abläufe, selbst bei Programmen wie Photoshop, zu manuell waren. Da dachte ich mir, es müsste doch Wege geben, diese Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Nach meinem Bachelor in Design habe ich nochmals ein Masterstudium an der Universität in Modedesign begonnen, wo sich jedoch vieles wiederholte. Ich fing dann an, Kurse in Wirtschaftsinformatik zu belegen, und hatte dort das Glück, Professor Dr. Ingo Claßen zu treffen, der sich intensiv mit Business-Internetlösungen beschäftigte. Gemeinsam gründeten wir eine Forschungsgruppe mit sieben Studierenden, in der wir erforschten, wie KI in den Prozess der Produktgestaltung integriert werden kann. Diese Arbeit hat mir gezeigt, wie wir die Modeindustrie von Grund auf neugestalten könnten – nicht nur effizienter und präziser, sondern auch mit einem stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit. Heute landen etwa 70 % der Produkte der Modebranche im Sale und werden erst dann verkauft; nur etwa 30 % finden direkt ihre Käufer:innen. Wenn wir mithilfe von KI genauere Designs entwickeln, können wir schneller und präziser auf Trends reagieren und die Verschwendung reduzieren.
IM+io: Daraus ist also diese Idee entstanden. Wie ist das Projekt dann in die Praxis übergegangen?
AFM: Ich habe mit einem Berliner Startup-Stipendium begonnen. Natürlich musste ich erst einmal das richtige Team finden. Einer meiner Co-Founder ist ein alter Freund, aber der Weg zum passenden CTO – einer, der die Modeindustrie versteht und die Technik auch umsetzen kann – war eine echte Herausforderung. Ein Team aufzubauen, ist fast wie eine Ehe; man geht eine Partnerschaft ein, die wirklich passen muss. Gerade im Design denken Menschen oft anders als in anderen Bereichen. Für mich war es wichtig, Menschen zu finden, die sowohl das kreative Gespür als auch das technische Verständnis haben. Ich denke, das Team, das wir heute haben, ist ideal.
Nachdem wir den ersten Investor fanden, begannen wir, die erste Version unserer Plattform zu entwickeln. Rückblickend war sie allerdings viel zu technisch und kaum nutzbar. Das erste Feedback von Partnern wie Gerry Weber und Vaude zeigte uns schnell, dass die Handhabung viel zu umständlich war. Heute sind wir bei Version drei, und diese ist endlich nutzerfreundlich und praktisch ohne technisches Wissen anwendbar.
IM+io: Die dritte Version ist nun aktuell auf dem Markt. Wie funktioniert die Plattform genau?
AFM: Im Kern ist es eine Plattform für Produktdesign, die auf der Analyse von Daten basiert. Wir nutzen Performance-Daten, also Informationen darüber, was gut verkauft wurde und was nicht. Unternehmen müssen ihre Daten dabei aber nicht manuell hochladen; wir können sie direkt integrieren. Zusätzlich analysieren wir Wettbewerber und Trends und passen diese Analysen an die Bedürfnisse unserer Kunden an. Designer können bei uns in einem „Product-Hub“ ihre Analysen und Trends sehen und damit Kollektionen entwerfen oder Farben für neue Produkte festlegen.
Zusätzlich zur Plattform bieten wir unseren Kunden und Kundinnen außerdem Schulungen an, da wir festgestellt haben, dass der Umgang mit KI nicht immer intuitiv ist. Viele denken, KI sei dazu da, einfache Aufgaben wie das Platzieren eines Prints auf einem T-Shirt zu übernehmen – doch das ist eher etwas für Programme wie Photoshop. KI hilft uns vielmehr, Muster zu erkennen und Neues zu schaffen. Um das Mindset der Kund:innen anzupassen, bieten wir Schulungen und eine persönliche Betreuung durch Key Account Manager an.
IM+io: Wie unterstützt KI nachhaltige Prozesse in der Modeindustrie?
AFM: Unsere KI trägt zur Nachhaltigkeit in der Modeindustrie bei, indem sie digitale Technologien einsetzt, um Designprozesse vollständig zu virtualisieren und damit Ressourcen zu schonen. Das System reduziert den CO₂-Ausstoß um bis zu 93% und spart durch den Verzicht auf physische Prototypen erheblich Material und Abfall.
Das ist ein wichtiger Punkt, denn normalerweise werden bis zu sechs Prototypen benötigt, was wir durch digitale Tests und Berechnungen stark reduzieren können. Das spart Ressourcen und sorgt dafür, dass weniger überschüssige Produkte entstehen.
Zudem minimiert es den Wasserverbrauch, da bei digitalen Prozessen keine Textilien verarbeitet werden. Die Chemikaliennutzung sinkt ebenfalls deutlich, da weniger physische Materialien benötigt werden. Das beschleunigt die Kollektionserstellung und fördert eine nachhaltigere Modeproduktion.
IM+io: Können Sie uns ein Beispiel für ein erfolgreiches Projekt nennen, die durch Ihre Technologie ermöglicht wurde? Welche Unternehmen nutzen Ihre Plattform?
AFM: Wir arbeiten eng mit dem Chefdesigner von Vaude zusammen, und Gerry Weber war ein wichtiger Partner in der Entwicklungsphase. Zudem kooperieren wir mit Coloro, um Farbkonzepte mithilfe von KI zu berechnen. Wir organisieren zudem während der Berlin Fashion Week kleine Konferenzen (Yoonaverse), bei denen wir Startups und Modeunternehmen zusammenbringen. Damit schaffen wir Raum für die digitale Darstellung der gesamten Wertschöpfungskette der Modeindustrie.
IM+io: Wo sehen Sie die Entwicklung der Modeindustrie und Ihre Plattform in den nächsten fünf Jahren?
AFM: Die Modeindustrie ist oft eine der letzten, die neuen Technologien adaptiert, aber ich denke, dass die Trends aus anderen Bereichen – wie der Automobilbranche – auch hier ankommen werden. Asiatische Hersteller und andere große Player haben den Marktanteil bereits massiv erhöht, besonders in den USA.
Für die europäischen Marken ist es wichtig, diese Innovationen aufzugreifen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Unsere Plattform ist hier gut aufgestellt, weil wir sie modular aufgebaut haben: Wir können jederzeit neue Funktionen hinzufügen und bestehende verbessern. Das Ziel ist es, langfristig auch andere Branchen wie die Automobil- oder Möbelindustrie zu bedienen.
IM+io: Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Plattform und Ihr Team stets auf dem neuesten Stand bleiben?
AFM: Unsere Plattform verfügt über ein simples Interface, worüber unkompliziert neue Datenquellen hinzugefügt und aktualisiert werden können. Wir sind ein kleines Team und arbeiten eng zusammen. Wir nutzen Tools wie Slack, um uns schnell auszutauschen und neue Entwicklungen sofort zu teilen. Wichtige Themen besprechen wir in Meetings. Darüber hinaus haben wir eine enge Zusammenarbeit mit der HTW Berlin, wo Studierende an unserer Plattform arbeiten und wir direktes Feedback bekommen. So können wir flexibel auf neue Anforderungen reagieren und unsere Lösungen schnell anpassen.