Kann man den Unternehmenserfolg planen oder ist er ein Random-Walk?
Ein Kommentar von August-Wilhelm Scheer, Scheer Holding
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Kurz und Bündig
Um unternehmerisch erfolgreich zu sein, muss man dem Zufall eine Chance geben und unkonventionelle Wege gehen. Diese Meinung vertritt der Gründer und Geschäftsführer der Scheer Holding, Prof. August-Wilhelm Scheer. Am Beispiel der imc AG verdeutlicht er, dass es durchaus zielführend sein kann, ursprüngliche Pläne zu verwerfen, wenn sich neue Opportunitäten ergeben.
Eigentlich wollte er nur ein qualitativ hochwertiges Fachmagazin davor bewahren, eingestellt zu werden. Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer kaufte also das Magazin, gründete dafür das Unternehmen imc als rechtlichen Mantel und richtete die Zeitschrift als „IM, Magazin für Innovation und Management“ neu aus. Damals ahnte er nicht, was einmal aus der imc werden würde: Ein international erfolgreiches Unternehmen für digitales Lernen. Grund genug für den Gründer von imc und der Zeitschrift IM, die heute ihre Leserschaft mit modernem Auftritt als IM+io begeistert, sich zum 25-jährigen Jubiläum Gedanken zu Unternehmensgründungen und Unternehmenserfolg zu machen:
Kann man den Unternehmenserfolg planen oder ist er ein Random-Walk?
Um diese Frage zu beantworten, möchte ich zunächst auf einen der größten unternehmerischen Fehlschläge der Geschichte eingehen. 1492 brach Christopher Kolumbus mit drei Segelschiffen auf, um einen neuen westlichen Seeweg nach Indien zu entdecken. Dieses Vorhaben hatte er sieben Jahre lang vorbereitet und wurde dank seiner Hartnäckigkeit sogar vom spanischen Königshaus finanziert.
Die Unternehmung war auf den ersten Blick ein Desaster: Der geplante Weg wurde nicht gefunden und selbst wenn, hätte dieser auch keine Verbesserung zu dem bekannten Landweg über Vorderasien dargestellt. Aber Kolumbus entdeckte stattdessen aus europäischer Sicht den amerikanischen Kontinent und machte die spanische Krone dadurch reich. Zwar wurde das ursprüngliche Ziel verfehlt, aber trotzdem war die Unternehmung für die Auftraggeber ein voller Erfolg.
Ähnliche Beispiele, wenn auch nicht so spektakulär, kann ich aus meinen persönlichen Erfahrungen als Unternehmer beitragen.
Ende der 80er-Jahre startete der IGD-Verlag in München eine neue Zeitschrift namens Information Management (IM), welche Management und IT Themen in fachlich versierter Form vermitteln sollte. Ich wurde zusammen mit einer Handvoll von Professoren der Wirtschaftsinformatik, die sich in der Herausgeberschaft abwechselten, in den Herausgeberbeirat berufen.
Im Jahr 1996 übernahm ich das Amt und mein Assistent am Lehrstuhl, Wolfgang Kraemer, übernahm die operative Tätigkeit.
Da die Zeitschrift keinen Gewinn erzielte, wollte der Verlag sie kurz darauf einstellen. Weil ich als Herausgeber nicht der Totengräber sein wollte, kaufte ich 1996 dem Verlag die Zeitschrift zu einem fünfstelligen D-Mark-Betrag ab. Um die Zeitschrift rechtlich führen zu können, gründete ich das Unternehmen imc (information multimedia communication) GmbH.
Ich war mir sicher, dass ich die Fachzeitschrift profitabel gestalten würde. Das ist sie zwar bis heute nicht, aber sie erfüllt den wichtigen Zweck des Wissenstransfers für den Bereich der digitalen Transformation und wird von dem gemeinnützigen August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse inhaltlich erfolgreich geführt. Wiederum wurde der eigentliche Unternehmenszweck verfehlt, aber die Zeitschrift überlebt in einer nun passenden rechtlichen und wirtschaftlichen Umgebung.
Parallel vollzog sich eine andere Entwicklung. Anfang der 90er-Jahre hatte ich die Idee, dass sich im Zuge der Digitalisierung auch die Lehre an den Universitäten von Tafel und Kreide zu digitalen Lerntechnologien verändern müsste. Für einen „Tag der offenen Tür der Universität des Saarlandes“ schrieb ich auf ein Blatt Papier unter der Überschrift „Lehre 2000“ einige Stichpunkte zu diesem Konzept und gab es einem meiner Assistenten, um daraus ein kleines „mock up“ zu entwickeln. Nachdem dieses Aufmerksamkeit gefunden hatte, wollten wir das Thema weiter wissenschaftlich bearbeiten. Als die Bertelsmann Stiftung ein Forschungsprogramm zur digitalen universitären Bildung ausschrieb, bewarben wir uns darum und erhielten den Zuschlag. Bei der Bearbeitung entdeckten wir den Bedarf für ein Learning Management System (LMS). Da kein passendes System verfügbar war, entschied ich, mit drei Assistenten ein entsprechendes LMS als Produkt in dem ja eigentlich als Verlag gegründeten Unternehmen imc GmbH zu entwickeln. Ziel des Businessmodells war der kommerzielle Vertrieb des LMS an Hochschulen. Diese waren aber nicht interessiert und das Unternehmen wäre gescheitert, wenn wir nicht stattdessen den Weiterbildungsmarkt gefunden hätten.
In diesem Jahr feiert die imc AG ihr 25-jähriges Jubiläum und ist Marktführer im Raum DACH in Europa, sie ist außerdem stark in Asien und hat gute Perspektiven in den USA. Gleichzeitig ist sie Technologieführerin bei Analytics und Headless Software Architekturen mit Low Code für digitale Lernsysteme.
Also: Erstens, ursprüngliches Ziel der imc GmbH als erfolgreicher Verlag gescheitert, aber als rechtlicher Mantel für die Entwicklung des LMS erfolgreich. Zweitens, Ziel Hochschulmarkt verfehlt, aber Weiterbildungsmarkt gefunden.
Was kann man aus diesen Beispielen lernen?
1. Wenn Kolumbus nicht in See gestochen wäre, hätte er nicht Amerika entdeckt.
2. Wenn ich die Zeitschrift IM nicht gekauft hätte, wäre die imc GmbH nicht gegründet worden.
3. Wenn ich die imc GmbH nicht gegründet hätte, wäre die Idee, sie zur Entwicklung des LMS zu nutzen, nicht entstanden.
4. Wenn wir die Hochschullehre zur Entwicklung eines LMS nicht als sinnvollen Markt angesehen hätten, wäre uns der Weiterbildungsmarkt, den wir aus dem universitären Umfeld nicht kannten, verborgen geblieben.
Daraus kann man folgende Schlussfolgerungen ziehen:
1. Man darf keine Angst vor unkonventionellen Entwicklungen haben.
2. Man darf nicht aufgeben, wenn der erste Anlauf nicht funktioniert, sondern man muss stattdessen nach dem zweiten suchen.
3. Man darf sich von Gegenargumenten, die es immer gibt und auch bei den obigen Entscheidungen vorhanden waren, nicht abbringen lassen.
4. Die Wege zum Erfolg sind verschlungen und nicht vorhersehbar.
5. Das Fazit ist, dass man mental in Bewegung sein und bleiben muss. Man muss mutig neue Wege gehen, neugierig und lernfähig sein. Man muss dem Zufall eine Chance geben und günstige Gelegenheiten beim Schopf fassen.