It is Time to Think Circular
Reallabor Digitized Circular Economy
Andreas Rausch, Dominique Briechle, Sebastian Lawrenz, Marit Mathiszig, Center for Digital Technologies, TU Clausthal
(Bildquelle: Adobe Stock | VectorMine | 462408338)
Kurz & Bündig
Das Reallabor DCE bietet in seiner Gesamtheit eine hervorragende Möglichkeit, die Aspekte der Circular Economy zu untersuchen und die verschiedenen Wegebereitertechnologien und Geschäftsmodelle zu erproben und zu evaluieren. Um ein zunehmendes Innovationspotenzial für die Akteure vor Ort bieten zu können, in denen eigenen Ideen und Konzepte getestet und evaluiert werden können, soll es als feste Projektplattform in den Raum Goslar integriert werden und von dort aus weitere Teilstrukturen akquirieren.
Wie kann die steigende Nachfrage nach Rohstoffen gestoppt und ein hoher CO2-Ausstoß verringert werden? Das Konzept der Circular Economy bietet Ansätze zur Beantwortung dieser Fragestellung. Doch wie kann die Transformation zur Circular Economy vorangetrieben werden? Das Reallabor Digitized Circular Economy (DCE) des Centers for Digital Technologies stellt die Grundlage zur Erprobung innovativer Technologien und nachhaltiger Geschäftsmodelle dar, mit dem Ziel, die Circular Economy mittels digitaler Technologien voranzutreiben.
Die Menschheit erschöpft mit zunehmender Rasanz die natürlichen Rohstoffe der Erde. Auch der Anstieg des globalen CO2-Ausstoßes gefährdet das Leben, wie wir es kennen, in drastischer Weise. Getrieben von konventionellen Geschäftsmodellen, die auf Konsumanreize, gewinnorientierte Lieferketten und kostenoptimierte Fertigung zu Lasten der Qualität setzen, fällt uns ein schonender Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen immer schwerer. Ein Indikator hierfür ist der Earth Overshoot Day. Dieser markiert den Zeitpunkt, an welchem die Nachfrage nach ökologischen Ressourcen und Services innerhalb eines Jahres die Ressourcenmenge übersteigt, welche die Erde im betrachteten Zeitraum kompensieren kann. Im Jahr 2021 wurde diese Marke am 29. Juli erreicht. [1] Der Trend zu immer früher im Jahr gelegenen Earth Overshoot Days zeichnete sich auch, mit Ausnahme der pandemiebedingten Entspannung 2020, in den vorherigen Jahren ab. Neben dem Earth Overshoot Day verdeutlichen weitere Kennzahlen die Notwendigkeit eines ressourcenschonenderen Umgangs mit Produkten und Materialien, wie beispielsweise die kontinuierliche Zunahme der Elektroschrottmengen im Zeitraum von 2014 bis 2019 zeigt. Die erzeugte Elektroschrottmenge betrug im Jahr 2019 bereits ca. 50 Millionen Tonnen. [2] Für den effizienten Einsatz und die Nutzung von Ressourcen ist ein Wandel von der linearen Ökonomie mit den Schritten Kaufen, Nutzen und Wegwerfen hin zu einer Kreislaufwirtschaft, der Circular Economy, zwingend erforderlich. Das zentrale Konzept der Circular Economy basiert auf dem Schließen der Produkt- und Stoffkreisläufe und der dadurch bedingten Reduktion des allgemeinen Ressourcenverbrauchs. Für das Circular Economy Konzept existieren mehrere Definitionen, die sich aber alle im Grundsatz gleichen. [3] Das Konzept der Circular Economy, welches dem Reallabor DCE zugrunde liegt, veranschaulicht das Circular Economy Modell in Abbildung 1. Der zentrale Bestandteil ist hierbei die möglichst effiziente Nutzung von Ressourcen, damit diese dem Kreislauf so lange wie möglich erhalten bleiben. Dabei werden je nach Produkt oder Komponente Teilkreise genutzt. Neben dem Bereich Recycling & Recover, welchen man oftmals mit der Circular Economy in Verbindung bringt, stellt dieses Circular Economy Konzept zusätzlich die Bereiche Redesign & Manufacture, Use & Share und Reuse & Repair, Refurbish & Remanufacture, sowie Rethink in den Fokus. Die Digitalisierung kann mit ihren Technologien als Wegbereiter eines nachhaltigen Wandels dienen und bestehende Hindernisse beseitigen. Beispielsweise werden durch die zunehmende Digitalisierung der Informationsaustausch erleichtert und somit komplexe Prozessoptimierungen ermöglicht. Das primäre Ziel besteht darin, den Wandel von der Wegwerfgesellschaft hin zur Circular Economy mittels innovativer Technologien und nachhaltiger Geschäftsmodelle voranzutreiben und damit in der Gesellschaft einen Rethink-Prozess anzustoßen. Hierfür stellt das Reallabor DCE einen Rahmen zur Verfügung, in dem neue Technologien und nachhaltige Geschäftsmodelle entwickelt und erprobt werden.
Das Reallabor Digitized Circular Economy
Unter einem Reallabor wird eine organisierte Struktur verstanden, in deren Rahmen die Entwicklung und Erprobung innovativer Ansätze und Modelle stattfinden kann. Bedingt durch die oftmals experimentellen Lösungsansätze von Teilprojekten des Reallabors ist es möglich, mit Sonderverordnungen und Experimentierklauseln den nötigen rechtlichen Rahmen für die Durchführung zu schaffen. Daher kommt auch der Vernetzung von Akteuren aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein besonderer Stellenwert zu. [4] Im Fokus der Aktivitäten steht die Erprobung der Innovationen unter realen Bedingungen im Rahmen von Teilexperimenten.
Angesiedelt am Center for Digital Technologies (DIGIT) der TU Clausthal und der Ostfalia Hochschule liegt der Forschungsfokus des Reallabors DCE auf der Entwicklung neuer digitaler Technologien und Geschäftsmodelle. Die damit betraute Forschungsgruppe „Sustainable Ecosystems Engineering“ möchte den sozioökologischen Wandel durch die Transferleistungen aus der Forschung in die anderen Bereiche hinein unterstützen. Mehr denn je sind daher innovative Technologien und Konzepte im Bereich der GreenTech gefragt. Das Reallabor DCE befasst sich mit der Entwicklung solcher Technologien und trägt damit maßgeblich dazu bei, Impulse eines gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels zu geben. Diesem Ziel verschrieben, ist es von essenzieller Bedeutung, ganzheitliche Ansätze zur Bewältigung aktueller Problemstellungen zu erörtern, welche die Miteinbeziehung der verschiedenen Akteure unabdingbar machen.
Rethink
Diese verschiedenen Aspekte und Aktivitäten sind innerhalb des Reallabors unter dem Begriff Rethink zusammengefasst. Hierin sind zum einen die Entwicklung neuer Technologien und Mechanismen zur Bewerkstelligung des CE-Kreislaufes enthalten sowie die dazugehörigen Geschäftsmodelle, welchen den ökonomischen Aspekt der Circular Economy betreffen. Das Projekt LifeCycling² beschäftigt sich beispielsweise mit der Erforschung von Softwarelösungen für nachhaltige Geschäftsmodelle und Services. Zum anderen soll Rethink auch den gesellschaftlichen Wandel in den Fokus stellen und durch Impulse den Transfer hin zur Kreislaufwirtschaft anstoßen. Die Generierung positiver Anreize ist dabei stark mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle verkettet und lässt sich dadurch als zentrales Stellglied bei der Entwicklung neuer Prozesse einbinden. So stellt insbesondere die Beantwortung der Frage nach geeigneten Mitteln zur Schaffung einer „Green Awareness“ eine der zentralen Fragestellungen innerhalb dieses Kontextes dar, um der Circular Economy Vorschub zu leisten. Weiter stellt sich hierbei die Frage nach der Neubewertung bestehender Geschäftspraktiken und deren Umgestaltung zur Ermöglichung eines ökologischeren Produkt- und Rohstoffnutzungsverhaltens. So ist an dieser Stelle im Besonderen auf Product as a Service zu verweisen, welches bestehende Akquirierungs- und Besitzmodelle ersetzen kann. In diesem Forschungsbereich werden beispielsweise neue Lösungen für die Kurzstreckenlogistik entwickelt und erprobt.
Redesign & Manufacture
Der Einfluss intelligenten, nachhaltigen Produktdesigns ist heute essentiell für die Nutzungsattraktivität, die Produktlebensdauer sowie die Komptabilität des Produktes mit Second-Life-Behandlungsprozessen. Eine Vielzahl von Überlegungen fließt daher in die Produktkonzeption ein und nimmt Einfluss auf das finale Ergebnis. Innerhalb des Reallabors DCE ist die Frage nach der Umrüstbarkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten von besonderem Interesse, weshalb dem Wissenstransfer zwischen dem Designvorgang eines bereits existierenden Produktes (Redesign) und dessen Zerlegung und Wiederverwertung ein entscheidender Stellenwert zukommt. [5] Durch die Übermittlung von Wissen in Bezug auf den generellen Aufbau, die Umrüstbarkeit und die Umweltverträglichkeit der verwendeten Materialien von Produkten können künftige Erzeugnisse verbessert werden, und damit rückt das übergeordnete Ziel einer echten Circular Economy für das Produktdesign und die Produktfertigung in greifbare Nähe. [6] Im Rahmen des Reallabors werden dazu ebenso die Möglichkeiten der Wissensgeneration und deren Bereitstellung für den Produktdesign-Prozess wie die Möglichkeiten des Wissenstransfers und dessen Kriterien in Bezug auf den Designvorgang untersucht.
Use & Share sowie Reuse & Repair
Die Teilbereiche Use and Share sowie Reuse and Repair sind wichtige Bestandteile des Reallabors DCE. Produkte werden heutzutage nicht optimal genutzt und zu früh dem Recycling zugeführt, auch wenn die Reparatur oder Wiederverwendung dieser Produkte eine nachhaltige Alternative darstellen würde. Der derzeitige Gütergebrauch und -verbrauch führt dabei zu einem drastischen Anstieg des CO2-Ausstoßes, verglichen mit alternativen Nutzungsszenarien und durch Reparatur in den Kreislauf reintegrierten Produkte. Eine Lebensdauerverlängerung aller gängigen in der EU genutzten Elektronikgeräte, wie beispielsweise Smartphones, Laptops/Computer und Haushaltsgeräte, um 12 Monate würde zu CO2- Einsparungen von vier Millionen Tonnen führen [7]. Die Hindernisse für den Wandel zu einer nachhaltigen Produktnutzung sind dabei vielfältig und reichen von technischen Barrieren über rechtliche Restriktionen bis hin zu gesellschaftlichen Kriterien, welche eine alternative Nutzungsstrategie verhindern. [8] Als konkretes Beispiel für diesen Teilbereich des Reallabors ist das Tool-Sharing zu nennen. Hierbei wird aktuell ein Konzept entwickelt, in welchem den Studierenden der TU Clausthal und Ostfalia Hochschule angeboten wird, gängige Tools, wie Akkuschrauber, Werkzeugkasten oder Lötkolben mittels einer App auszuleihen, um so die Nutzungsintensität der Tools zu erhöhen und ein Konzept für das Item-Sharing zu erproben. Hiermit werden die Grundlagen für die Sharing Economy von Morgen erprobt.
Refurbish & Remanufacture
Bedingt durch Abnutzung und Materialermüdung werden heutzutage viele Produkte entsorgt, obwohl ein Großteil ihrer Komponente n oder sogar das vollständige Produkt problemlos weiter verwendet und somit die Produktlebensdauer erhöht werden könnte. (Vgl. [9]) Auch hier bietet die Circular Economy Ansätze und Konzepte, um diese Verlängerung zu gewährleisten. Die Hindernisse des Refurbish & Remanufacture Konzepts sind dabei denen des Repair-Aspektes ähnlich und ebenso auf eine Vielzahl verschiedener Einflussgrößen zurückzuführen. [10] Das Konzept des Refurbish & Remanufacture basiert unter anderem auf dem Austausch veralteter, überholter und beschädigter Komponenten durch neuere Teile, um das Gesamtsystem wieder in den Nutzungszyklus überführen zu können. Somit lassen sich gerade im Bereich der elektronischen Geräte Altgeräte über ihr primäres Produktleben hinaus nutzen. Das CO2-Einsparungspotenzial durch Remanufacturing im Gegensatz zur Neufertigung kann dabei bis zu 80% des herkömmlichen CO2-Produktionsausstoßes entsprechen. [11] Die Forschungsgruppe des Reallabors beschäftigt sich mit den Möglichkeiten eines Prädiktionssystems für die Weiterbehandlung von Elektroaltgeräten, um zu bestimmen, welcher der verschiedenen Behandlungsprozesse die bestmögliche Nutzung der Produktressourcen bietet. Diese kann dabei sowohl die Reparatur, das Refurbishment oder schlussendlich auch das Recyceln sein.
Recycle & Recover
Die Rückführung von Sekundärrohstoffen aus Recyclingprozessen wird zunehmend zu einem wichtigen Rohstofflieferanten der Zukunft. Urbane Gebiete werden dementsprechend im Recyclingkontext auch als anthropogene Lagerstätten betrachtet, welche eine erhebliche Menge an Rohstoffen bereitstellen können. Die Rückführung und Aufbereitung dieser Rohstoffe wird auch als „Urban Mining“ bezeichnet. [12] Die bisher an der TU Clausthal durchgeführten Sammelaktionen haben dabei ihren Teil zur Rohstoffsicherung beitragen können und stellten somit die korrekte Zuführung der verschiedenen abgegebenen Altgeräte in den Recyclingprozess sicher. Auch das Reallabor DCE trägt diesem Umstand Rechnung. Bei der Durchführung der Teilprojekte zu den Themen Recycling und Altgerätesammlung soll bspw. unter Miteinbeziehung der Gesellschaft und örtlicher Unternehmen die Recyclingquote des Landkreises nachhaltig gesteigert werden. Die Elektroaltgerätesammlung im Zuge des Reallabors, bei der in regelmäßig Abständen Altgeräte in für jeden Haushalt eigens bereitgestellten Sammelboxen abgegeben werden können ist dabei eines der Projekte, welche in diesem Kontext durchgeführt werden. Auch für die nachgeschalteten Prozesse des Materialrecyclings wurden neue Technologien evaluiert und ein neues Konzept der Produktdatenbeschaffung durch einen Informationsmarktplatz im Rahmen des Projektes Recycling 4.0 erstellt, welche das Recycling von Elektroprodukten durch eine Bereitstellung der Produktinformationen maßgeblich vereinfacht.