Geschnitzt aus Holz und
Digitalkompetenz
Digitalisierung im Schreinerhandwerk
Paul Chase, Chase NaturHolz
(Titelbild: © AdobeStock | 635868540 | mattegg)
Kurz und Bündig
Der Wandel des Berufsbildes im Schreinerhandwerk eröffnet neue Chancen, erhöht aber auch den Druck, sich weiterzubilden und zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die kleine Schreinerwerkstatt, in der noch alles per Handarbeit geleistet wird, ist nicht mehr zukunftsfähig. Es bedarf riesiger Investitionssummen, um eine neue Werkstatt aufzuziehen. Auch bereits existierende Schreinereien werden stark investieren müssen, um ihren Maschinenpark so zu modernisieren, dass sie dem Tempo standhalten können. Kleinbetriebe müssen sich spezialisieren und ihre Nische finden.
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren nahezu alle Bereiche des Lebens erfasst und verändert. Auch das traditionelle Handwerk bleibt von diesem Wandel nicht verschont. Insbesondere das Schreinerhandwerk steht vor großen Herausforderungen, aber auch Chancen, die es zu nutzen gilt. Schreinermeister Paul Chase wirft einen Blick auf die Auswirkungen der Digitalisierung im Schreinerhandwerk.
Vor über 25 Jahren habe ich meine Ausbildung zum Schreiner begonnen und mein Handwerk ganz klassisch mit „kabellosen“ Handwerkzeugen von Grund auf erlernt. Hinzu kamen die üblichen Werkzeuge mit Kabel, die mit der Zeit immer größer und komplexer wurden. Was damals im Handwerk so unvorstellbar war wie in der Autobranche die Einparkautomatik ist heute der neue Status Quo in der Holzverarbeitung: Die Digitalisierung hat uns fest im Griff.
Die zahlreichen Optimierungsmöglichkeiten von Arbeitsprozessen und zur Steigerung der Effizienz ergeben sich zum Beispiel durch den Einsatz moderner Technologien wie Laser-Aufmaß-Systeme mit CAD-Anbindung (die lasergenauen Aufmaße werden direkt ins CAD-Zeichenprogramm importiert), CNC-Maschinen, Robotik, Laserbearbeitung, 3D-Drucker oder CAD-Software. Hier können komplexe Aufgaben schneller und präziser erledigt werden, um eine höhere Produktivität zu ermöglichen und auch individuelle Kund:innenwünsche flexibler umzusetzen.
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die Mitarbeitenden auf die neuen Technologien vorzubereiten und ihnen die nötigen digitalen Kompetenzen zu vermitteln. Das lebenslange Lernen wird somit zu einer zentralen Aufgabe für Schreinereien und Ausbildungseinrichtungen. Der normale Gesell:innenbrief oder Meister:innentitel beinhaltet längst noch nicht alle benötigten Fähigkeiten.
Um den neuen Anforderungen der Digitalisierung auch gerecht zu werden, müssen Schreiner:innen in ihrer Erstausbildung bereits frühzeitig mit digitalen Werkzeugen und Technologien vertraut gemacht werden. Dies erfordert eine Anpassung der Ausbildungsinhalte und -methoden. Neben den traditionellen handwerklichen Fähigkeiten sollten angehende Schreiner:innen auch Kenntnisse in CAD-Software, CNC-Programmierung oder 3D-Druck erwerben. Nur so können sie den steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht werden und sich langfristig erfolgreich im Schreinerhandwerk etablieren.
Das Schreinerhandwerk ist ein vielfältiges Gewerbe, das eine breite Palette von Fähigkeiten und Kenntnissen erfordert. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine zunehmende Spezialisierungstendenz innerhalb der Branche entwickelt. Auch hier spiegelt sich die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens wider, besonders, da aufgrund der Digitalisierung auch neue Berufsbilder im Schreinerhandwerk entstanden sind. So werden beispielsweise Fachkräfte für die digitale Produktionstechnik oder auch IT-Spezialist:innen benötigt, um die neuen Technologien optimal einzusetzen. Hier ist es wichtig, dass die Ausbildungsinhalte flexibel gestaltet werden, um den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden.
KI im Schreinerhandwerk
Die Kombination von künstlicher Intelligenz (KI) und CNC-Programmierung bietet interessante Möglichkeiten für die Holzbearbeitung. Durch den Einsatz von KI können komplexe Aufgaben automatisiert und optimiert werden:
1. Automatische Generierung von CNC-Programmen: KI kann verwendet werden, um aus 3D-Modellen oder CAD-Zeichnungen CNC-Programme zu generieren. Die KI analysiert das Modell und erkennt automatisch die erforderlichen Bearbeitungsschritte und Werkzeugwechsel. Dadurch wird der Programmieraufwand reduziert, und menschliche Fehler werden minimiert.
2. Optimierung der Bearbeitungsstrategie: Basierend auf verschiedenen Parametern wie Materialart, gewünschter Oberflächengüte oder Bearbeitungszeit kann die KI verschiedene Szenarien simulieren und die beste Vorgehensweise empfehlen.
3. Fehlererkennung und Qualitätskontrolle: Durch den Einsatz von KI können CNC-Maschinen mit Sensoren ausgestattet werden, die während des Bearbeitungsprozesses kontinuierlich Daten erfassen. Die KI analysiert diese Daten in Echtzeit und erkennt mögliche Fehler oder Abweichungen von der gewünschten Qualität. Dadurch können Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden.
4. Maschinenwartung und -optimierung: Durch die Analyse von Betriebsdaten wie Energieverbrauch, Verschleiß oder Auslastung kann die KI vorbeugende Wartungsmaßnahmen empfehlen oder die Maschineneinstellungen optimieren, um eine höhere Effizienz zu erzielen.
Es ist wichtig anzumerken, dass die Implementierung von KI in der CNC-Programmierung für die Holzbearbeitung eine sorgfältige Planung und Schulung erfordert. Die Zusammenarbeit zwischen Fachleuten aus dem Schreinerhandwerk und Expert:innen für KI ist entscheidend, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die den spezifischen Anforderungen des Handwerks gerecht werden. Die Integration von KI in die CNC-Programmierung bietet jedoch große Potenziale für das Schreinerhandwerk. Durch die Automatisierung und Optimierung von Arbeitsprozessen können Schreinereien ihre Produktivität steigern, Fehler reduzieren und qualitativ hochwertige Produkte herstellen. Die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der KI in der CNC-Programmierung und deren gezielter Einsatz sind somit durchaus empfehlenswert, um im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben.
Für meine mobile CNC-Fräse Yeti SmartBench (Abbildung 1), die gerade einmal ein Jahr alt ist, wurde nun eine neue KI-gesteuerte Fräsgeschwindigkeitsüberwachung herausgegeben, die permanent die Spindelbelastung überwacht und auf die sich ständig ändernden Schwankungen während der Bearbeitung reagiert. Somit wird eine noch schnellere, sauberere Verarbeitung ermöglicht und Werkzeugverschleiß vermindert. Durch die automatische Geschwindigkeitsanpassung wird ein Großteil der bisher manuellen Programmänderungen hinfällig. Dies als kleines Beispiel, wie schnell sich auch hier die Technologien überschlagen – innerhalb eines Jahres gibt es für die ohnehin neue mobile CNC-Fräse wieder die nächste KI-Entwicklung.
Neue Möglichkeiten durch Technologie
3D-Drucker können komplexe Formen und Strukturen aus verschiedenen Materialien herstellen. Dies ermöglicht es Schreiner:innen, Prototypen oder spezielle Bauteile schnell und kostengünstig zu produzieren. Darüber hinaus eröffnet der 3D-Druck aber auch die Möglichkeit, individuelle Designs und personalisierte Möbelstücke zu entwerfen und anzufertigen. Die Nutzung von Lasertechnologien zum Schneiden und zur Gravierung findet in Schreinereien immer häufiger Einsatz. Ihre Verwendung in der Holzbearbeitung bietet eine Vielzahl von Vorteilen. Zu nennen sind Präzision (auch sehr filigrane Schritte, zum Beispiel bei der Schmuckherstellung sind möglich), Effizienz, Vielseitigkeit bezüglich Aufgaben und Materialien, kaum Werkzeugverschleiß, nur minimale Materialverluste durch den schmalen Lichtstrahl und die Vielzahl der kreativen Gestaltungsmöglichkeiten.
Neben den technologischen Fortschritten spielen aber auch digitale Plattformen eine immer größere Rolle im Schreinerhandwerk. Online-Marktplätze oder virtuelle Showrooms bieten Schreiner:innen die Möglichkeit, ihre Produkte einem breiteren Publikum zu präsentieren und neue Kund:innen zu gewinnen. Durch den Einsatz von Social Media können Schreiner-
:innen zudem ihre Arbeit und Projekte einer großen Community zeigen und sich mit anderen Handwerker:innen vernetzen.
Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung liegt in der verbesserten Kommunikation mit Kund:innen und Partner:innen. Durch den Einsatz von Online-Plattformen oder virtuellen Showrooms haben Kund:innen die Möglichkeit, sich online über verschiedene Designs und Materialien zu informieren und ihre individuellen Vorstellungen einzubringen. Dadurch entsteht eine engere Bindung zwischen Schrei-
ner:in und Kund:in, was langfristig zu einer höheren Kund:innenzufriedenheit und einer besseren Auftragslage führen kann.
Nicht zu vergessen sind Large Language Models, wie ChatGPT, die das Potenzial haben, die Kommunikation zwischen Schreiner:in und Kund:in ebenfalls zukünftig maßgeblich zu verändern: So wäre es zum Beispiel möglich, dass Kund:innen ihr Möbelstück allein durch Text- und Bildeingaben komplett online durch das Tool inklusive Plänen entwerfen lassen und dann das Design nur noch zur Produktion weitergeben. Die Vorschau auf das nächste ChatGPT-Release scheint es bereits zu ermöglichen, Bilder einzuspielen und via Text zu den eigenen Wünschen umzustylen. Die Pläne nach Maß dürften dann kein weiter Sprung mehr sein.Auch die Kund:innenanforderungen verändern sich. Kund:innen sind heute anspruchsvoller, denn je und suchen nach individuellen Lösungen für ihre Wohn- und Einrichtungswünsche. Maßgefertigte Möbelstücke, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Kund:innen eingehen, erfordern nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch ein gutes Verständnis für Design und Ästhetik. Schreiner:innen müssen in der Lage sein, kreative Lösungen zu entwickeln und innovative Materialien einzusetzen.
Viele Kund:innen möchten ihre Möbelstücke mitentwerfen. Abbildungen der entworfenen Stücke im Raum der Kund:innen sind schon längst keine Neuheit mehr, vielmehr werden nun bereits auch die Zeichenprogramme mit zu den Kund:innen genommen, um vor Ort mit ihnen den Entwurf zu erstellen, zu bearbeiten und ein direktes Verständnis des Gegenstands im Raum zu vermitteln. Dank digitaler Technologien wie 3D-Modellierung und Virtual Reality können Schreinereien ihre Projekte vor der eigentlichen Umsetzung virtuell planen und visualisieren. Kund:innen können so eine realistische Vorstellung vom Endergebnis erhalten und Änderungen vornehmen, bevor das Projekt begonnen wird. Auch VR-Brillen kommen zum Einsatz! Dies führt zu einer höheren Kund:innenzufriedenheit und reduziert mögliche Fehler oder Missverständnisse. Firmen wie Formbar oder deinSchrank.de ermöglichen es, die eigenen Möbel direkt online zu personalisieren und zu bestellen. Der Clou bei Formbar: Man bestellt online irgendwo in Deutschland, und die Pläne werden an eine Schreinerei vor Ort gesendet, dort produziert, ausgeliefert und montiert. Formbar selbst baut nichts, sondern lebt vom Produktdesign, dem Designwunsch der Kund:innen. Die Schreinerei vor Ort spart sich somit Kund:innenakquise, Planung und Verkauf und gewinnt durch die Auslastung des Maschinenparks.
Neue Materialien
Ein weiterer Bereich, der durch die Digitalisierung revolutioniert wird, ist die Materialauswahl. Neue Materialien wie Verbundwerkstoffe oder auch biobasierte Werkstoffe bieten Schreiner:innen innovative Lösungen für ihre Projekte. Diese neuen Materialien zeichnen sich durch ihre hohe Stabilität, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit aus. Sie ermöglichen es, einzigartige Designs zu realisieren und gleichzeitig umweltbewusst zu handeln, da auch ein immer größeres Interesse an umweltfreundlichen Produkten und Materialien deutlich spürbar ist. Die Anzahl neuer Materialien, die den Markt täglich erreichen, ist immens: Von Pilzmyzel über Hanf sind hier der Vorstellungskraft kaum Grenzen gesetzt. Das Thema nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde und bringt auch für Schreiner:innen nicht nur im Einkauf, sondern auch bei der Abfallwirtschaft neue Möglichkeiten mit sich – immerhin gibt es auch hier viele Abfallprodukte, die durchaus noch viel mehr Potenzial als nur die Verwertung als Briketts für den heimischen Ofen in sich tragen.Das aktuelle Momentum hier ist immens.