AI AI Captain!
Verborgene Schätze im Datenmeer
Im Gespräch mit Georg Wittenburg, Inspirient GmbH
(Titelbild: © AdobeStock | 571576869 | Moon)
Kurz und Bündig
Inspirient entwickelt und vermarktet ein KI-System zur vollautomatischen Datenanalyse. Die Vision des Startups, das Teil des IDS Scheer Network ist, lautet, Künstliche Intelligenz zu nutzen, um alle Führungskräfte in der Wirtschaft, Wissenschaftler:innen und auch Bürger:innen in die Lage zu versetzen, zu wissen, welche Erkenntnisse in einem beliebigen Datensatz verborgen sind. Gerade bei Unternehmen steht oft die reine Datenhaltung im Vordergrund. Teile dieser Daten werden zwar analysiert und visuell aufbereitet, aber die Datennutzung in Unternehmen endet häufig in Dashboards. Wirkliche Erkenntnisse werden nicht gezogen und so auch nicht für den Erfolg des Unternehmens eingesetzt.
Inspirient will Unternehmen helfen, den in ihren Daten verborgenen Wert zu erschließen und effizient zu nutzen. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) wird die Analyse von Geschäftsdaten vollständig automatisiert, angefangen bei tabellarischen Rohdaten direkt hin zu priorisierten, präsentationsfähigen Ergebnissen. Wir haben mit Co-Gründer Dr. Georg Wittenburg gesprochen, um mehr über das Berliner Startup zu erfahren.
IM+io: Herr Wittenburg, bei Inspirient dreht sich alles um KI, wofür setzen Sie diese ein?
GW: Inspirient entwickelt und vermarktet ein KI-System zur vollautomatischen Datenanalyse. Zu wissen, welche Erkenntnisse in Datensätzen verborgen sind, ist der Kern der Digitalisierung, aber gemeinhin haben nur ausgebildete Experten die Möglichkeit, diese zu entdecken. In diesem Kontext ist der Technologiesprung unseres Systems vergleichbar mit der Erfindung des elektronischen Taschenrechners, der es vor 50 Jahren jedem ermöglichte, mit großen Zahlen zu arbeiten. Die Vision von Inspirient ist es, KI zu nutzen, um alle Führungskräfte in der Wirtschaft, Wissenschaftler:innen und auch Bürger:innen in die Lage zu versetzen, zu wissen, welche Erkenntnisse in einem beliebigen Datensatz verborgen sind. Insbesondere aus Sicht der Bürger:innen geht damit eine Demokratisierung der Datenanalyse einher, die langfristig – so hoffen wir – eine informiertere gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen wird.
IM+io: Wie funktioniert Ihre Software, und wo liegt die Innovation?
GW: Die Software setzt verschiedene Methoden aus den Bereichen Deep Reasoning und überwachtes Lernen ein, um beliebige strukturierte, also tabellarische Daten zu analysieren und die Relevanz von Schlussfolgerungen zu bewerten.
Kerninnovationen unseres Systems sind dreierlei: Es ist auf jeden (halb)strukturierten Datensatz anwendbar, es stützt sich nicht auf vorformulierte Hypothesen, und es erzeugt Ergebnisse, die auch ohne analytische Ausbildung verstanden werden können. Im Kern nimmt die KI somit große Anteile der aufkommenden Rolle eines Data Scientists ein – bloß ohne Data Scientist. Im Gegensatz zu bestehenden Lösungen stützt sich die Software nicht auf vorformulierte Fragen, was eine mögliche menschliche Voreingenommenheit bei der Datenanalyse ausschließt. Sie erzeugt automatisch visuelle, präsentationsähnliche Ergebnisse, die jeder verstehen kann. Das System wurde erfolgreich in anspruchsvollen Bereichen wie der strategischen Unternehmensanalyse getestet und kommt nun beispielsweise auch in der Markt- und Meinungsforschung zum Einsatz.
IM+io: Wo liegt denn bei Unternehmen, die ja dank Digitalisierung über Unmengen von Daten verfügen, das tatsächliche Problem?
GW: Unternehmen kann man sich tatsächlich wie ein modernes Auto vorstellen, insofern, als dass sich sowohl Unternehmen als auch Autos heutzutage durch eine Datenwolke bewegen. Für ein Auto sind dies interne Datenströme vom Motor und der Bremsanlage sowie externe Daten vom GPS, aus den Abstandssensoren und neuerdings auch aus Kameras oder sogar einem Lidar-System. Ganz analog dazu verhält es sich bei Firmen: Sie bewegen sich durch eine Datenwolke aus internen Finanzdaten und operativen Kennzahlen sowie aus externen Marktdaten, Forecasts und Social-Media-Trends.
Der wesentliche Unterschied ist, dass moderne Autos den Fahrer mit einem lauten Piepen warnen, bevor es zu einem Blechschaden kommt. Betrachtet man nämlich die jeweilige Nutzung dieser Datenströme, so fallen zwei sehr unterschiedliche Ansätze auf: Die Datenströme eines Autos werden in Echtzeit ausgewertet, um bei entsprechenden Gefahrensituationen den Fahrer entweder zu warnen oder sogar aktiv ins Fahrgeschehen einzugreifen, zum Beispiel durch eine Notbremsung. Bei Unternehmen hingegen steht oftmals die Datenhaltung im Vordergrund: Datenströme werden bereinigt, konsolidiert und in einem Data Warehouse oder einem Data Lake gelagert. Teile dieser Daten werden auch analysiert und visuell aufbereitet, aber die Datennutzung in Unternehmen endet häufig in Dashboards, während moderne Autos anfangen, autonom auf ihren Datenströmen zu agieren. Eben deswegen bauen wir für Unternehmen das selbstfahrende Auto der Business-Analytik.
IM+io: Wie und wann kam es zu der Idee, das Startup Inspirient zu gründen, und was hat es mit dem Namen auf sich?
GW: Im Kontext von KI wird gerne über Bias gesprochen, also die Voreingenommenheit eines Systems. Tatsächlich kam es aufgrund einer Bias zur Gründung von Inspirient – allerdings einer menschlichen: Bei der Analyse von Unternehmensdaten fiel dem Gründungsteam von Inspirient, Dr. Aimetti und mir selbst, immer wieder auf, dass tendenziell eher wohlbekannte Aspekte der Daten neu ausgewertet wurden. Schließlich möchte kein:e Mitarbeiter:in gegenüber Kolle-
g:innen und Vorgesetzten rechtfertigen müssen, warum plötzlich andere Kennzahlen auf dem Dashboard sind. Man nennt diese Bias den „Street Light Effekt“, der die menschliche Tendenz beschreibt, präferiert dort zu suchen, wo die Suche am einfachsten ist. Auf Organisationsebene nennt man dies dann „Betriebsblindheit“. Mit unserem KI-System können Firmen diese Bias erstmals kompensieren. Die KI schafft dies nicht alleine, sondern immer in Zusammenarbeit mit dem Menschen, den sie inspirieren soll. Daher der Name Inspirient.
IM+io: Wie haben Sie und Dr. Guillaume Aimetti zusammengefunden, und welche besonderen Fähigkeiten zeichnen Sie als Ensemble aus?
GW: Sowohl Dr. Aimetti als auch ich selbst sind ausgebildete Informatiker. Nach unseren jeweiligen Promotionen haben wir unabhängig voneinander in großen Wirtschaftsberatungsfirmen gearbeitet. Im Projektbetrieb dieser Firmen wurde uns nicht nur die zuvor genannte Bias klar, sondern auch das mit Automatisierung einhergehende Potenzial zur Effizienzsteigerung von Analyseprozessen inklusive der damit verbundenen Kostenersparnisse.
IM+io: Inspirient gehört zu den Startups im Scheer Network. Welche Vorteile sehen Sie in der Zusammenarbeit mit dieser Gruppe aus großen und kleinen Unternehmen?
GW: Innovative KI-Lösungen, wie wir sie seit mittlerweile sieben Jahren anbieten, erfordern gerade hierzulande eine passgenaue Ansprache der Kundinnen und Kunden und sehr gute Kenntnisse bezüglich der Kunden- und Marktbedürfnisse. Diese Bedürfnisse exakt zu verstehen und in passende technische Lösungen umzusetzen, ist im Scheer Network wesentlich praktikabler, als es für Einzelkämpfer wäre.
IM+io: Was sind Ihre Ziele für die nächsten fünf Jahre; wo möchten Sie 2028 stehen?
GW: Inspirient hat dieses Jahr den Markteintritt in Nordamerika geschafft. Darauf sind wir stolz, weil wir damit zeigen konnten, dass auch hier entwickelte KI-Systeme international am Markt bestehen können. Diesen Kurs wollen wir in den nächsten Jahren fortsetzen, insbesondere auch zum Vorteil unserer europäischen Kunden, die somit in den Genuss von bereits kompetitiv getesteten Lösungen kommen.