Gekommen, um zu bleiben
Die Datenrevolution im Ersatzteillager
Im Gespräch mit Martin Weber, SPARETECH GmbH
(Titelbild: © Adobe Stock |199214543|nikkytok)
Kurz und Bündig
SPARETECH ist ein innovatives Industrie 4.0-Unternehmen, das von Ex-Porsche- und Ex-DFKI-Managern gegründet wurde. Gemeinsam mit Partnern und Kunden will man die Zukunft des industriellen Ersatzteilmanagements neu gestalten. Bestände, Kosten und CO2-Emissionen im Ersatzteilmanagement werden nachhaltig reduziert, der Verschrottungsanteil soll um 41% gesenkt werden können.
Start-ups im Großraum Stuttgart gelten, anders als tendenziell im Berliner Biotop, als solide geplant, marktorientiert und stabil finanziert. Zu dieser Spezies scheint auch SPARETECH zu gehören. Das Unternehmen verspricht einen effizienten, plattformgestützten Weg, Bestände, Kosten und CO2-Emissionen im Ersatzteilmanagement nachhaltig zu reduzieren. Man bietet eine Art Google für Ersatzteile. Durch einen hohen Effizienzgrad soll zudem der Verschrottungsanteil um 41% gesenkt werden können. Wie das funktioniert, haben wir im Gespräch mit Gründer Martin Weber erfahren.
Herr Weber, worin genau besteht Ihr Angebot?
MW: Industrielles Ersatzteilmanagement ist eine essenziell wichtige Funktion in produzierenden Unternehmen und wird dennoch bisher nicht ausreichend digitalisiert. Mit unserem Leistungsangebot ermöglichen wir es den Unternehmen, ihr Ersatzteilmanagement effizienter, zuverlässiger und kollaborativer zu machen. Effizienter, weil die Unternehmen Beschaffungskosten senken, Verschrottungen vermeiden und Zeit einsparen können. Zuverlässiger, weil wir eine 100% akkurate Datenbasis und Transparenz im Ersatzteilmanagement schaffen. Nicht nur heute, sondern auch für die Zukunft. Kollaborativ, weil SPARETECH Zusammenarbeit im Unternehmen selbst, aber auch mit Partnern und Zulieferern, vereinfacht. Mit unserer Software wird Ersatzteilmanagement ein Vorreiter in Sachen Datenqualität, Transparenz und Nachhaltigkeit für moderne produzierende Unternehmen.
Wie muss man sich die Plattform, über die alles abgewickelt wird, vorstellen – inhaltlich und auch technologisch. Spielt dabei KI eine Rolle?
MW: Es ist eigentlich ganz einfach erklärt: Unsere Kunden greifen von ihrem Arbeitsort, sei es jetzt im Lager oder am Schreibtisch, auf unsere Web-Applikation zu. Dort können sie unterschiedliche Aktionen durchführen: Nach Ersatzteilen suchen, Updates zu ihren Ersatzteilen abfragen oder neue Ersatzteile für die Beschaffung anlegen. Diese und noch mehr Funktionalitäten basieren auf unserer globalen Referenzdatenbank für Ersatzteile, welche über 11 Millionen Datensätze führt, dem sogenannten „Golden Layer“. Mit Hilfe eigenständig entwickelter Software für die Identifikation von Ersatzteilen werden Ersatzteile über Industrien hinweg miteinander verknüpft. Gleichzeitig trainieren wir den Algorithmus mit jeder neuen Ersatzteilanfrage auf unserer Plattform. Darauf baut schließlich alles auf. SPARETECH liefert unseren Anwendern kuratierte Insights zu Ersatzteilen wie Lieferantenquellen, Obsoleszenzinformationen und Duplikate, die dann einfach in das ERP-System übertragen werden können.
Worin liegt die grundlegende Innovation? Sind Sie mit Ihrem Angebot einzigartig?
MW: Unser „Golden Layer“ ist einmalig. Nicht nur Standardersatzteile können wir damit abbilden, sondern auch konfigurierbare Teile. Wir haben ein einzigartiges Partner-Netzwerk, das kontinuierlich unsere Datenbasis trainiert und mit neuen Informationen füttert. Da wir nicht nur rein auf Datenaufbereitung fokussiert sind, sondern darauf, unseren Kunden die besten Insights und Entscheidungshilfen an die Hand zu geben, gibt es für uns momentan keinen direkten Wettbewerb.
Auf Ihrer Website ist zu lesen, dass Sie 41% Verschrottung einsparen. Können sie uns die Funktionalität und den Mehrwert näher erläutern – auch mit Blick auf Materialmangel und gestörte Lieferketten?
MW: Heute wissen produzierende Unternehmen oft nicht, was sie alles in ihren Ersatzteillagern haben. Dies hat unterschiedliche Gründe: menschliche Fehler in der Dateneingabe, keine verlässlichen Systeme, Intransparenzen am Markt durch OEMs und noch einiges mehr. Wenn sie dann eine neue Maschine anschaffen, dann kaufen sie erst einmal alle notwendigen Ersatzteile dafür ein – unabhängig davon, ob dieses Teil vielleicht schon auf Lager liegt. Deswegen ist unser Credo immer, erst einmal Transparenz und Datenqualität zu schaffen. SPARETECH kann den Unternehmen Duplikate in ihrem Materialstamm aufzeigen und auch zukünftig bei der Materialneuanlage vermeiden. Teile, die bereits im Lager vorrätig sind, werden also mit SPARETECH nicht noch einmal beschafft. Zudem können Ersatzteile, die im eigenen Lager nicht mehr benötigt werden, an anderen Produktionsstandorten verwendet werden. Diese beiden Punkte reduzieren die Verschrottungen nicht benötigter Ersatzteile.
Gleichzeitig haben unsere Kunden die Chance für einen zusätzlichen Umsatz, indem nicht benötigte Teile verkauft werden können. All dies führt dazu, dass nicht nur weniger verschrottet wird, sondern wegen der Transparenz auch weniger eingekauft, transportiert und gegebenenfalls auch produziert wird. Ein wichtiger Schritt, unsere Vision der zero-waste industrial sharing economy Wirklichkeit werden zu lassen.
Auf welchem Weg verdienen Sie konkret Ihr Geld?
MW: Als Software-as-a-Service (SaaS) Unternehmen haben wir ein Software-Lizenzmodell für die Betreiber der Maschinen. Abhängig von der Anzahl der verwalteten Teile und genutzten Features ergeben sich dann unterschiedliche Preise zur Nutzung der Funktionalitäten.
Wie finden Sie die Nutzer Ihrer Plattform?
MW: Durch unser Partnermanagement erweitern wir aktiv unsere Datenbasis an Ersatzteilen, was uns natürlich für immer mehr potenzielle Kunden und Industrien interessant macht. Aktuell schließen wir durchschnittlich vier neue Partnerschaften pro Woche ab.
Wir arbeiten jetzt schon mit einigen großen Industriefirmen wie zum Beispiel BMW, Nestlé und Bosch, zusammen. Dadurch gewinnen wir neue Kunden häufig über Weiterempfehlungen, offline Events und persönliche Ansprache. Unser erstes eigenes Networking-Event, der SPARETECH Summit im Oktober 2022, war ein voller Erfolg, weshalb wir dies im nächsten Jahr noch deutlich größer skalieren werden. Eigentlich machen wir es ja nicht anders als so ziemlich jedes B2B SaaS Unternehmen im Industriebereich. Durch unsere Referenzen, interne Expertise und Produktmehrwerte schaffen wir es aber, aufzufallen und zu überzeugen.
Wie lange gibt es Sparetech bereits, und wie ist die wirtschaftliche Entwicklung? Woher haben Sie das Startkapital gehabt beziehungsweise wie finanzieren Sie ihr Wachstum?
MW: SPARETECH gibt es seit 2018, und seitdem setzen wir auf ambitioniertes und nachhaltiges Wachstum. Da kommt bei uns dann doch die schwäbische Mentalität durch. Wir sehen trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage einen Bedarf an unserer Lösung und setzen weiterhin auf Wachstum. Eine Seed-Finanzierung unter Beteiligung namhafter Investoren wie Christian Miele, Josef Brunner und Gisbert Rühl haben wir bereits hinter uns.
Wie entstand die Gründungsidee, und wie setzt sich das Gründerteam zusammen?
MW: Dr. Lukas Biedermann und ich arbeiteten zusammen bei Porsche Consulting an verschiedenen Projekten in der Automotive Industrie. Dort haben wir aus erster Hand erfahren, vor welche Probleme das heutige Ersatzteilmanagement gestellt ist. Unsere Idee konnte sich damals in ersten Anwendungsfällen in der Praxis behaupten und hat sich bis heute im Kern nicht verändert. Natürlich fokussieren wir uns mit der Zeit immer mehr auf wertschaffende Bereiche, wie zum Beispiel den Aufbau des Teams und die Umsetzung der Internationalisierungsstrategie. Die Grundidee des digitalen Ersatzteilmanagements bleibt jedoch gleich. Als Gründer haben wir beide einen unterschiedlichen Fokus, deshalb arbeiten wir sehr gut zusammen. Lukas ist Supply Chain Experte und kümmert sich um unser Netzwerk aus Partnern und Kunden. Ich fokussiere mich auf die Software-Entwicklung sowie die Sicherstellung der Finanzierung. Alle Personen aus unserem erweiterten Managementteam bringen einzigartige Fähigkeiten mit, somit ergänzen wir uns auch auf dieser Ebene.
Ist Sparetech ein Experiment oder der erste Schritt zum etablierten Unternehmen?
MW: SPARETECH ist sicherlich nicht nur ein Experiment. Unsere Kunden und Partner vermitteln uns jeden Tag, dass unsere Lösung Mehrwert schafft. Der Wunsch nach Transparenz ist nicht nur in der jetzigen wirtschaftlichen Lage vorhanden, die gesamte produzierende Industrie hat die Chance, sich enger zu vernetzen und so eine zero-waste industrial sharing economy möglich zu machen. Da dieses Vorhaben für eine nachhaltige Veränderung nicht nur auf den DACH-Raum begrenzt sein kann, gehen wir im nächsten Schritt die internationale Skalierung an. Kurz gesagt: we are here to stay.