„Datenintelligenz ist ein großes Thema für uns!“
Im Gespräch mit Fanomena Gründer Marc Grewenig
Unternehmensprofil
Fanomena bietet maßgeschneiderte, führende Software-Technolgien für die Veranstaltungsbranche. Die mehrfach ausgezeichneten Technolgien schaffen einen neuen digitalen Raum für Veranstalter und liefern hervorragende messbare Ergebnisse. Zu den Kunden gehören namhafte nationale und internationale Unternehmen wie z. B. Facebook, Infront, Eventbrite, Red Bull oder die MCH Group. Standorte der Fanomena GmbH sind Berlin, Istanbul und Saarbrücken.
Die lichtdurchflutete Büroetage in einem modernen Hinterhofgebäude der Saarbrücker City hat alles, was man von einem IT Start-up erwartet: gemeinsames Arbeiten am großen Tisch, eine Couch für persönliche Auszeiten, funktionstüchtige Schaukeln und einen Kickertisch zum Entspannen. Vielleicht ist genau diese „gechillte“ Atmosphäre ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Start-up Fanomena GmbH. Die Gründer Marc Grewenig und Max Ulbrich sind mit ihrem Team angetreten, die Kundenkommunikation in der Veranstaltungsbranche zu revolutionieren – nicht zuletzt mit einem vielfältig nutzbaren digitalen Zwilling der klassischen Messetasche.
IM+io: Herr Grewenig, welche Idee steht hinter Ihren Lösungen eventbaxx und hileadzz?
MG: Die Fanomena GmbH wurde 2015 gegründet, um cloudbasierte Software-Technologien für die Veranstaltungsbranche zu entwickeln und zu vermarkten. eventbaxx ist eine digitale Goodie-Bag und Messetasche, die es Veranstaltern jeglicher Art ermöglicht, schnell passende Inhalte – von informativem Fachcontent bis zu Werbebotschaften und digitalen Coupons – zu erstellen und weiterzugeben. Diese können auf einfache Art und Weise mit Veranstaltungsteilnehmern in Echtzeit geteilt werden. Die so entstehende Interaktion mit dem Veranstaltungsteilnehmer, der sich durch die Inhalte klicken kann, gibt dann zugleich Interessensaufschlüsse für den Veranstalter. Auch Sponsoren und Partner erhalten so zuverlässige Daten mit Blick auf ihren Return-on-Investment, der unter anderem in Form von Klickraten und Conversion-Raten bestimmt werden kann. Wenn ein Kunde, z. B. ein Messeveranstalter, eine solche digitale Messetasche bucht, kann er diesen neuen Online-Channel neben der Wahrnehmung seiner eigenen Interessen monetarisieren, indem Plätze für Content oder Coupons in der „Tasche“ an andere Partner und Sponsoren verkauft werden können. Zu den Benefits gehört auch, dass der Veranstalter die immensen Kosten für physische Messetaschen spart, deren Inhalte analog und nicht editierbar erstellt und händisch konfektioniert werden müssen. Die digitale Lösung ist natürlich auch umweltfreundlicher und nachhaltiger. Unsere zweite Software-Lösung „HILEADDZ“ findet hingegen bei Messeausstellern einen großen Anklang. Hierbei wird der gesamte Prozess des Leadmanagements nicht nur digitalisiert, sondern auch automatisiert – von Erfassung potenzieller Neukunden, Qualifizierung mit intelligenten Scoring-Algorithmen, Nurturing bis hin zur CRM-Synchronisation.
IM+io: Wie aber kommt der Messebesucher an die digitale Tasche?
MG: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Besitzt der Kunde bereits einen gewissen Datenstamm, kann er diese mit unserer Lösung synchronisieren. In den weiteren Schritten lässt sich ein individuelles Email-Template konfigurieren und schon im Vorfeld der Messe Informationen personalisiert versenden. Dann kann schon im Vorfeld der Veranstaltung die Interaktion beginnen, der potenzielle Kunde kann seinen Besuch planen. Weitere Möglichkeiten gibt es auch, wenn noch keine Daten von Messebesuchern vorliegen.
Entweder werden dann die Daten auf relevanten Marketingkanälen oder vor Ort mit sogenannten Landingpages generiert, oder das Fachpersonal scannt Visitenkarten mit den Daten potenzieller Neukunden ein. Die letztgenannte Möglichkeit ergibt sich aus unserer zweiten Lösung, hileadzz. Die Visitenkarte des Messebesuchers wird also nicht mehr an einen Leadbogen aus Papier getackert, um dann, viel später nach der Messe, auf Infowünsche zu reagieren ohne zu wissen, ob die Information noch relevant ist. Wir haben eine Texterkennungs- Technologie entwickelt, mit der wir die Daten von Visitenkarten einfach abscannen und mit intelligenten Daten anreichern können. Dabei wird automatisch ein digitaler Leadbogen aufgerufen, in den man zusätzliche Notizen über das Kundengespräch eintragen kann. Anhand der spezifischen Kundeninteressen wird dann das passende digitale Businesskit versendet. Der potenzielle Neukunde erhält also seine individuelle Messetasche z. B. sofort auf sein Smartphone oder Laptop und kann sofort damit interagieren oder aber zu einem späteren Zeitpunkt relevante Inhalte aufrufen. Hieraus ergeben sich Tendenzen zu spezifischen Interessen, so dass der potenzielle Kunde im Nachgang zum Messebesuch noch einmal gezielt angesprochen werden kann.
IM+io: Kann man eventbaxx als digitalen Zwilling einer physischen Messetasche betrachten?
MG: Einerseits ja, denn dort ist fast alles enthalten, was man einem Besucher auch in einer gepackten, physischen Veranstaltungstasche mitgeben würde. Andererseits wissen wir aber auch, dass die digitale Tasche natürlich noch kein haptisches Give-Away abbilden kann. Wir sollten uns deswegen bewusst sein, dass Print- und andere physische Produkte heute noch in hohem Maße das Digitale unterstützen, bzw. für die Unterstützung digitaler Produkte benötigt werden. Aber auch dieses Thema nehmen wir in Angriff: Wir arbeiten daher z. B. mit einlösbaren Coupons oder Gutscheinen – damit erhöhen wir deutlich und messbar die Wahrnehmung der Marken. In der physischen Tasche würde etwa ein haptisches Produkt eines Markenherstellers als Werbemittel bereits liegen, wir hingegen lotsen mit unserem einlösbaren Coupon den Messebesucher proaktiv zum Stand des Herstellers, bei dem er sein Coupon gegen ein haptisches Produkt einlösen kann. Vergessen darf man aber natürlich auch nicht, dass die digitale Lösung noch ganz andere Möglichkeiten mit sich bringt wie z. B. Rich-Media oder Gamifikation.
IM+io: Wie haben Sie sich Ihren Kundenkreis, nämlich die Veranstalter, erschlossen?
MG: Zu Beginn haben wir mit unserem ersten Produkt, eventbaxx, den Vertrieb 6 Monate lang ehrlich gesagt nach dem Gesetz der großen Zahlen in der Kaltakquise aufgebaut und sind durchaus auf großes Interesse gestoßen. Am Ende standen jedoch nur wenige Verkäufe zu Buche, das hat uns natürlich nachdenklich gemacht. Woran lag es also? Es stellte sich heraus, dass unsere potenziellen Kunden nicht wussten, wie sie unsere Lösung in ihre aktuellen Geschäftsprozesse gewinnbringend integrieren sollten – es fehlte auf unserer Seite also die Service-und Beratungskomponente, um eine solche, neuartige Lösung integrieren zu können. Dort haben wir dann nachgesteuert und in der Kommunikation einen deutlichen Fokus auf die kundenindividuelle Anpassung gelegt. Danach hat der Vertriebsprozess sehr viel besser funktioniert. Natürlich optimieren wir auch unsere Lösungen kontinuierlich und versuchen nahe am Kunden zu sein. Wenn sich hier neue Ideen ergeben, die auch für unsere Weiterentwicklungen sinnvoll und skalierbar sind, dann nehmen wir diese gerne mit auf.
IM+io: Was bedeutet das für die Weiterentwicklung Ihres Portfolios?
MG: Wir sind mit beiden Lösungen gerade in einer spannenden Phase und haben für uns entschieden, derzeit erst einmal die passenden Känäle im Hinblick auf Skalierungsprozesse zu identifizieren. Wenn wir diese Kanäle gefunden haben und erfolgreich bedienen, haben wir eine wichtige Hürde in einem noch sehr frühen Stadium genommen. Wir haben auch noch eine weitere, ergänzende Lösung in der Pipeline. Diese werden wir aber in diesem Jahr zuerst weiter evaluieren und eventuell in einer ersten Version in eine bereits bestehende Lösung integrieren. Grundsätzlich gilt aber, Software-Technologien sind niemals fertig. Wir sind weit davon entfernt, unsere Vision bereits umgesetzt zu haben. Datenintelligenz ist dabei ein großes Thema für uns!
Was macht die Dynamik des Gründerteams aus, das ja gemeinsam Höhen und Tiefen durchleben und aushalten muss?
MG: Ich bin eigentlich gelernter Veranstaltungskaufmann und habe bei einer Saarbrücker Event-Agentur gearbeitet. Mein Mitgründer, Max Ulbrich, war zu der Zeit auch in der Veranstaltungsbranche unterwegs. Da das Saarland klein ist, waren wir zwangsläufig Konkurrenten um Termine, Ressourcen, Besucher und Kunden. Irgendwann haben wir dann beschlossen es besser zusammen zu machen. Max hat eigentlich Medizin und BWL studiert, ist also eher auf Umwegen in dieser Branche gelandet. Wir haben beschlossen, etwas zu initiieren, das genau die Probleme löst, die wir im täglichen Veranstalterleben kennengelernt haben. Das notwendige Know-how für die IT hat Martin Braun eingebracht, der sehr früh zu unserem Unternehmen dazugestoßen ist. Er hat Informationstechnologie studiert, kann also nicht nur programmieren, sondern hat auch ein sehr gutes Gefühl für Geschäftsprozesse. Wir ergänzen uns sehr gut, denn wir bringen unterschiedliche Fähigkeiten ein. Wenn ich es irgendwie beschreiben müsste, würde ich sagen, dass ich eher die Person für die Außendarstellung unseres Unternehmens bin. Ich kann sehr gut Menschen überzeugen und begeistern. Max würde ich als das Gehirn dahinter beschreiben, der ein entfachtes Feuer langfristig zum Erfolg führen kann. Er ist jemand, der auch unsere Finanzen genau im Blick und im Griff hat. Martin bringt die jahrelange Erfahrung in der Entwicklung von Software- Lösung mit. Seit April 2017 haben wir auch ein Büro in Berlin mit vier Mitarbeitern. Insgesamt beschäftigen wir aktuell 17 Mitarbeiter an drei Standorten. Berlin ist nicht nur im Hinblick auf Internationalisierung und zum Netzwerken wichtig, sondern auch um qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu finden, was sich in Saarbrücken ehrlich gesagt als sehr schwierig entpuppt. Man muss die Atmosphäre und die Freiheit eines Start-up lieben, um auf Sicherheit und zu Beginn hohe Gehälter freiwillig zu verzichten. Da ist die Szene in Berlin aktuell noch deutlich offener.
IM+io: Sie haben auch besondere Beziehungen zur Türkei?
MG: Wir waren in unserer sehr frühen Phase vier Monate in der Türkei. Wir hatten uns für ein hochkarätig besetztes internationales Accelerator-Programm beworben und sind wider Erwarten für das zweitgrößte Programm der Welt, Startupbootcamp, ausgewählt worden. Neben einem Büro in Istanbul stand uns ein hochqualifiziertes Netzwerk aus Mentoren, erfahrenen Unternehmern und Investoren zur Verfügung. Hier hatten wir zum ersten Mal gelernt und erfahren, was es heißt nach sogenannten KPI’s bzw. Kennzahlen zu arbeiten. Eine ganze neue Erfahrung, welche uns extrem in der Weiterentwicklung vorran gebracht hat. In diesen vier Monaten haben wir gelernt, wie man ein Unternehmen langfristig zum Erfolg führt. Ich wage zu behaupten, dass kein Studium der Welt dieses Wissen vermitteln kann. Am Ende des Programms wurden potenzielle Kunden und Investoren eingeladen, denen man sein Unternehmen in sieben Minuten vorstellte und zu überzeugen versuchte. Ein Business Angel und ein börsennotiertes Unternehmen sind daraufhin bei uns eingestiegen und wir konnten somit unseren ersten Schritt in Richtung Wachstum unternehmen. Der nächste Schritt war dann die Beteiligung durch die Scheer Holding im letzten Jahr, die es uns nun ermöglicht, auf einer soliden finanziellen Basis unser Wachstum weiter zu gestalten.
IM+io: Wie sieht die Zukunft von Fanomena aus?
MG: Um es ganz deutlich zu sagen, wir verfolgen aktuell keine Exit-Strategie. Wir haben nicht gegründet, um schnelles Geld zu machen, wir wollen ein gesundes, profitables Unternehmen aufbauen. Das heißt aber nicht, dass man z. B. einen (Teil-) Verkauf ganz ausschließen kann. So kann etwa ein Angebot eines Unternehmens kommen, dass unsere Visionen teilt und uns mit einer Beteiligung einen besonderen Schub geben kann, ohne dass wir uns und unser herausragendes Team aufgeben müssten. Wir beschäftigen uns aktuell jedoch nicht mit solchen Themen, sondern setzen uns selbst sehr hohe Ziele für dieses und die kommenden Jahre. So streben wir z. B in diesem, spätestens im nächsten Jahr eine EBIT positive Bilanz an und möchten unsere Technologien zukunftsträchtig weiterentwickeln.