Eins für mich, eins für dich!
Social Impact an der Supermarktkasse
Im Gespräch mit Iris Braun, share GmbH
(Titelbild: © share)
Kurz und Bündig
share macht es sich zur Aufgabe, unmittelbar sozialen Nutzen zu generieren – und das durch Konsum. Mit aktuell mehr als 120 Produkten bietet share eine soziale Alternative für alltägliche Konsumentscheidungen, denn jedes Produkt ist gleichzeitig eine Spende. Ziel von share ist es, sozialen Konsum im Massenmarkt zu etablieren und Menschen die Möglichkeit zu bieten, ohne Mehraufwand beim Einkauf ganz einfach Gutes zu tun. Mit jedem gekauften share Produkt wird eine vergleichbare Hilfeleistung ermöglicht. Für Transparenz sorgt ein QR-Code auf der Packung, der verrät, wohin die Spende geht.
Mit dem richtigen Griff in das Supermarktregal die Welt verbessern? Was sehr abstrakt klingt, wird durch das Berliner Social-Impact-Unternehmen share möglich. Jeder Kauf eines share Produkts löst eine soziale Spende aus und macht die Welt damit ein Stückchen besser. Mitgründerin Iris Braun erklärt im Gespräch mit dem Fachmagazin IM+io, welches Geschäftsmodell dahinter steckt und wie share sicherstellt, dass die Spenden ihre Adressaten finden.
Worin besteht das Geschäftsmodell von share?
IB: Bei share ist jeder Kauf eine gute Tat. Wir machen es Menschen so einfach wie möglich, Gutes zu tun. Denn jedes share Produkt unterstützt soziale Projekte weltweit. So verfolgen wir mit share eine klare Mission: Wir wollen es den Menschen erleichtern, im Alltag Gutes zu tun, indem sie mit jedem Kauf teilen. Einfach deswegen, weil jedes unserer Produkte automatisch eine gleichartige Hilfeleistung für eines unserer weltweiten sozialen Projekte bereitstellt. Wir sind 2018 mit Produkten wie Wasser, Snacks und Hygieneartikeln gestartet und haben heute mehr als 120 Produkte in unserem Portfolio. Natürlich hören wir hier nicht auf, sondern unser Ziel ist es, noch viele weitere Bereiche zu erschließen. Denn jede:r soll die Chance haben, mit seinem oder ihrem Kauf etwas Gutes zu tun. Unsere Projekte unterstützen wir gemeinsam mit anerkannten nationalen und internationalen Hilfsorganisationen. Das heißt, mit jedem Kauf eines share-Produkts – egal ob Food, Getränke, Schreibwaren oder Hygieneprodukte – hilft man gleichzeitig einem anderen Menschen in Not. Innerhalb von fünf Jahren haben wir hierdurch einen riesigen sozialen Impact generieren können. Denn bis heute wurden so über 130 Millionen Hilfeleistungen finanziert. Pro Kategorie heruntergebrochen sind dies 3,5 Millionen Schulstunden, über 55 Millionen Tage Zugang zu sauberem Trinkwasser, fast 31 Millionen Mahlzeiten, 17,5 Millionen Hygieneleistungen, 13 Millionen Tage Zugang zu Sanitäranlagen sowie über 500.000 gepflanzte Setzlinge.
Könnten Sie bitte eine Darstellung der Gründungsgeschichte von share geben?
IB: Meine Co-Gründer und ich haben damals eine Vision geteilt, an der wir bis heute festhalten: einen Weg finden, um die Ungleichheit in der Welt bekämpfen zu können und damit Lösungen zu suchen, wie wir das einfach tun können. Wir haben share 2017 gegründet. Wir, das sind Ben Unterkofler, Tobias Reiner, Sebastian Stricker und ich. Jede:r von uns hat einen anderen Hintergrund, egal ob Wirtschaft, Forschung, Politik oder Profi-Sport. Damit bringen wir alle verschiedene Kompetenzen mit, die sich zusammen sehr gut ergänzen. So konnten wir uns nach nur fünf Jahren Unternehmensbestehen zu einem starken Social-Impact-Unternehmen entwickeln. Für Unternehmen mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell ist die Gründungsphase immer eine Herausforderung, da man auch auf die Unterstützung von Investor:innen angewiesen ist. Wir haben jedoch schnell starke Kooperationspartner:innen gefunden, die unsere Vision geteilt haben. Mit ihrer Unterstützung, unserem Wissen und unseren Erfahrungen haben wir es schließlich geschafft, die Marke share fest im Massenmarkt zu etablieren. So sind wir unserem Ziel, die Kraft des Konsums für einen positiven Impact zu nutzen, wieder einen wichtigen Schritt näher gekommen. Das spiegelt auch unsere Studie in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut appinio aus dem Jahr 2022 wieder: Denn mehr als die Hälfte der Deutschen schreiben bereits bewusst Produkte von Marken mit sozialem Mehrwert auf Ihre Einkaufszettel.
Sie bezeichnen sich selbst als Impact-Unternehmen. Welchen Impact möchten Sie genau generieren?
IB: Definitiv. Wir wollen eine gerechtere Welt für alle Menschen schaffen, indem wir den täglichen Einkauf nutzen, um Gutes zu tun – also einen sozialen Impact leisten. Mit share wollen wir beweisen, dass sich gesellschaftliche Verantwortung und Wirtschaftlichkeit nicht ausschließen, sondern im Gegenteil, sich gegenseitig verstärken. share ist also eine Social-Impact-Marke und somit ein Wirtschaftsunternehmen, das nach sozialem Impact maximiert. Das heißt, wir machen keinen Profit, ohne sozialen Impact zu generieren. Wir sind definitiv auch ein Unternehmen, das noch viel vorhat. Wir wollen neben dem Fast Moving Consumer Goods (FMCG)-Segment noch weitere Geschäftsbereiche erschließen, um auch in anderen Bereichen des Alltags soziale Alternativen anbieten zu können.
In Zeiten von Inflation, Krieg und weiteren Krisen: Spüren Sie, dass die Menschen wieder mehr an sich selbst denken und damit Ihre Angebote weniger wahrnehmen? Oder ist das Gegenteil der Fall?
IB: Ich glaube, dass gerade jetzt Menschen noch sozialer denken und handeln als zuvor. Natürlich spüren wir alle die Folgen der wirtschaftlichen Krisen, und es ist absolut verständlich, wenn wir uns um unsere eigenen Bedürfnisse sorgen. Trotzdem sehen wir tagtäglich in den Medien, wie wachsend das soziale Engagement in der Gesellschaft ist. Nicht ausschließlich bezogen auf Katastrophenhilfe. Auch der Internationale Tag für Soziale Gerechtigkeit im Februar hat erneut gezeigt, wie präsent das Thema in den Köpfen der Menschen ist. Im Grunde genommen wollen alle Menschen Gutes tun. Das zeigen uns auch die Ergebnisse unserer Studien mit dem Meinungsforschungsunternehmen appinio, so sind 85 Prozent der Deutschen der Meinung, dass Unternehmen einen gesellschaftlichen Mehrwert haben müssen. 83 Prozent finden, dass Unternehmen mit einem sozialen Mehrwert die Welt zu einem besseren Ort machen und 86,7 Prozent finden, dass ökologische Nachhaltigkeit allein nicht mehr ausreicht, sondern Unternehmen auch einen Social Impact haben sollten.
Sie führen zur Zeit fünf Rubriken (Lebensmittel, Getränke, Pflege, Schreibwaren, Herzensprojekte), in denen Sie Produkte anbieten. Sie müssen daher an mehreren Märkten bestehen. Ist dies aus unternehmerischer Sicht für Sie ein Vorteil oder ein Nachteil? Planen Sie weitere Tätigkeitsfelder zu eröffnen?
IB: Unsere Vision schließt ein, dass es zukünftig für jedes Angebot eine soziale Alternative gibt – über den FMCG-Bereich hinaus. So haben wir einen ganz neuen Geschäftsbereich erschlossen und bieten mit dem Girokonto Future, das wir gemeinsam mit der ING Deutschland entwickelt haben, den Menschen die Möglichkeit, ganz einfach im Alltag soziale und ökologisch nachhaltige Förderprojekte zu unterstützen oder anderen Menschen zu helfen. Ich kann aber bereits jetzt verraten, dass wir in diesem Jahr auch darüber hinaus noch einiges geplant haben, um auf noch mehr Wegen einen positiven Impact in unseren Förderprojekten erzielen (oder bewirken) zu können.
Anhand welcher Kriterien wählen Sie Ihre sozialen Projekte, die Sie unterstützen, aus? Gibt es hier red flags?
IB: Alle Projekte werden gemeinsam mit den sozialen Partner:innen ausgesucht und geplant. Die sozialen Projekte wählen wir vor allem auf Grundlage des Bedarfes aus: Es muss soziale Not herrschen, und unser Eingreifen muss sinnvoll sein, um eine möglichst schnelle Hilfe vor Ort leisten zu können. Das heißt für uns, dass Menschen auf Hilfe angewiesen sind, um Zugang zur Sicherung ihrer Grundbedürfnisse zu haben, weil dieser Zugang sonst nicht gewährleistet ist, wobei wir nicht nach geografischen Gesichtspunkten bewerten, sondern zum Beispiel soziale Not in Deutschland genauso ein Handlungsfeld ist wie in anderen Ländern.
Wie garantieren Sie, dass Ihre Versprechen, zum Beispiel „Mit jedem Kauf eines share Getränks spendest du einen Tag sauberes Trinkwasser“, erfüllt werden?
IB: Wir setzen unser Versprechen bereits in der ersten Phase der Produktentwicklung um, wo ein passendes Projekt identifiziert und die Spende bereits einkalkuliert wird. Sobald die Produkte an den Handel geliefert werden, zählen sie für uns als verkauft, und damit werden die Fördergelder frei, die wir in regelmäßigen Abständen gesammelt an die Hilfsorganisation, die das Projekt umsetzt, ausschütten. Wenn also ein:e Kund:in eine Flasche Wasser im Laden kauft, ist bereits sichergestellt, dass dieses Wasser einen Tag sauberes Trinkwasser spendet. Für unsere Projekte arbeiten wir mit erfahrenden Partnerorganisationen zusammen. Natürlich prüfen wir vorher, ob diese zu share passen und stellen sicher, dass die Gelder auch ankommen und effektiv eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden. Der Fortschritt wird in Status Updates überprüft, zum Teil auch durch Gespräche mit den Mitarbeitenden vor Ort und in Form von Berichten. Die Aktivitäten laufen über eine vorab festgelegte Projektlaufzeit, das kann über mehrere Monate, aber auch über mehrere Jahre sein, innerhalb derer alle Spenden, die durch die Verkäufe generiert wurden, die Menschen erreichen, die im Projekt unterstützt werden. Neben der kontinuierlichen Erfassung von Kennzahlen und der Evaluierung von Projektberichten besuchen wir einige unserer Projekte auch persönlich – so waren wir beispielsweise in Liberia, um uns die Brunnen, die mit der Hilfe unserer Kund:innen finanziert wurden, vor Ort anzusehen. Im März sind wir mit einem Team in Uganda bei Projekten der Welthungerhilfe sowie von Save the Children vor Ort. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit fokussieren wir uns auf den Aufbau von Infrastruktur und die Vermittlung von Wissen. Hierbei geht es zum Beispiel um Bildungsprojekte, Trinkwasserversorgung oder Aufklärungsarbeit zum Beispiel in Uganda, Malawi, Kenia. Auch wissen wir, dass auch in Deutschland und unserer direkten Nachbarschaft soziale Ungleichheiten bestehen und viele Menschen unter versteckter Armut leiden. Deshalb liegt es uns ebenso am Herzen, lokale und nationale Organisationen wie die Tafeln zu unterstützen, zum Beispiel in Deutschland, Österreich, Tschechien.
share hat große Kooperationspartner zum Beispiel dm, Rewe, Aldi, Lufthansa. Müssen Sie bei diesen Unternehmen große Überzeugungsarbeit leisten, oder kommen diese mittlerweile auf Sie zu?
IB: Wir freuen uns immer, wenn Unternehmen Interesse an einer Zusammenarbeit mit share haben. Das zeigt uns, dass wir mit unserem Modell richtig liegen und der Impact, den wir uns wünschen, auch nach außen transportiert wird. Unsere Kooperationspartner:innen suchen wir uns sehr bewusst aus. Mit einigen arbeiten wir nun schon seit fünf Jahren erfolgreich zusammen. Sie stehen seit unserer Gründung zu 100 Prozent hinter unserer Idee und sind ebenso wie wir nach wie vor überzeugt davon, dass soziale Nachhaltigkeit kein Trend ist, sondern die Basis für ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein kann. Mithilfe dieser starken Partner:innen sind wir hier angekommen, wo wir jetzt stehen, und es freut uns, dass wir unser Partnerportfolio kontinuierlich erweitern und damit auch neue Geschäftsbereiche erschließen können.
Gerade große Firmen stehen immer wieder in der Kritik, Greenwashing zu betreiben. Wie verhindert share als Impact-Unternehmen, dass es instrumentalisiert wird?
IB: Purpose ist zum Erfolgstreiber für Unternehmen geworden, und mehr und mehr Unternehmen richten ihre Strategien zunehmend an Corporate Social Responsibility (CSR)-Themen aus. Der Begriff des „Greenwashing“ lässt viele Menschen zweifeln, denn leider haben viele Unternehmen ihre Verantwortung bisher zu häufig ausgelagert, beispielsweise durch Einmalspenden oder rein kurzfristig angelegte CSR-Kampagnen. Verständlicherweise sind viele Menschen daher skeptisch. Wir sind ein „Social-Impact-Unternehmen“, wir müssen und wollen glaubwürdig und authentisch sein, schließlich versprechen wir, etwas zu bewirken. Unsere Impact-Zahlen geben Aufschluss darüber, wie viel wir letztendlich bewirken. Deshalb ist jedes unserer Produkte mit einem individuellen QR-Code versehen, der genau zeigt, wo die Hilfe ankommt, was genau gemacht wird und vor allem auch von wem. Hier spielt auch die Auswahl der sozialen Projektpartner:innen eine wichtige Rolle. So prüfen wir exakt, ob wir mit einer Zusammenarbeit das Versprechen an unsere Kund:innen einhalten können. Hierfür haben wir ein eigenes Social-Impact-Team in unserem Unternehmen, welches auf eine hohe Expertise in diesem Bereich zurückgreifen kann.
Was sind die nächsten große Schritte für share? Was birgt die Zukunft?
IB: Wir sind kein Unternehmen mit einer Vision, sondern eine Vision mit einem Unternehmen. Wir werden diesen Weg weitergehen und gleichzeitig andere Unternehmen motivieren, Gleiches zu tun. Denn positiver Impact ist in jedem Sektor möglich. Immer mehr Menschen erkennen, dass jede Kaufentscheidung einen gesellschaftlichen und ökologischen Impact hat. Daran wollen wir anknüpfen und mit weiteren Produktkategorien unseren sozialen Impact steigern und share zu einer ganzheitlichen Social-Impact-Marke für den täglichen Bedarf ausbauen. Für die nächsten Jahre möchten wir weitere Kooperationspartner:innen gewinnen, um noch mehr Menschen zu erreichen. Dank unserer wachsenden Community sowie starken Partner:innen konnten wir bereits über 130 Millionen Hilfeleistungen ermöglichen. Unser Ziel: Bis 2025 wollen wir über eine Milliarde Mal geteilt haben. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, müssen wir die “Soziale Idee” in möglichst allen Bereichen des Lebens und gleichzeitig in der breiten Gesellschaft verankern.