Prozesse unter Strom
Die Energiewende verlangt nach klugen Netzwerken
Editorial, Dirk Werth
Das Kraftwerk produziert Strom, das Strom-netz verteilt ihn, der Haushalt oder das Unter-nehmen nimmt ihn ab. Diese „Dreifaltigkeit der Energie“ gilt schon lange nicht mehr. Alle bislang fixierten Rollen und Prozesse in dieser Kette, seien es die Produzenten, die Lieferanten oder die Verbraucher, werden durch die Energiewende bunt durchgemischt. Getrieben wird diese Verwischung der alten Grenzen durch eine Vielzahl von Daten, dem „Öl der neuen Energiebranche“. Sie steuern die smarten, flexiblen und adaptierbaren Stromnetze der Zukunft, die, so verlangt es die Politik, letztlich „grünen“ Strom verteilen sollen. Über 1,7 Millionen dezentrale Erzeugungsanlagen gibt es schon in Deutschland, die grünen Strom aus Windkraft, Sonnenenergie und Bio-masse ins Netz einspeisen. Diese produzieren je nach Wetter mal viel, mal weniger Strom, und gleichzeitig schwankt die Nachfrage – eine enorme Herausforderung für das Stromnetz. In der Energiewelt der Zukunft werden Verbraucher zu Prosumenten (eine Wortschöpfung aus Produzenten und Konsumenten), die Energie sowohl produzieren als auch verbrauchen. Auf der letzten Meile der Versorgung herrscht dann Gegenverkehr: Strom kommt und geht, wird ein- und ausgespeist, es geht nicht mehr nur in eine Richtung, vom Kraftwerk zum Endkunden.Um die Komplexität des künftigen Energiesys-tems managen zu können, muss der Energie-sektor mit der Informations- und Kommunikationstechnologie verknüpft werden. Darauf setzt zum Beispiel das Energiewendeprojekt Designetz mit dem Anspruch, die Blaupause für das Stromnetz der Zukunft zu schaffen. Aber heißt das, dass Energie nun nachhaltiger wird? Das hängt von der Güte der Daten ab. Je klüger die Netze, je größer die Qualität der ver-wendeten Daten des Netzes, des Verbrauchs, der Wettervorhersagen, desto besser kann Deutschlands Energienetz in Zukunft zum Bei-spiel auf Laständerungen bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, bei Tag und Nacht reagieren. Doch nicht nur Netze werden smarter, auch Verbraucher. Energieintensive Haushaltsgeräte müssen künftig dann betrieben wer-den, wenn genügend Energie zur Verfügung steht. Auch hier greift die Energiewende ganz massiv in gewachsene Prozesse ein: Dezentralisierung bedeutet, dass auch das aus physikalischen Gründen wichtige Lastmanagement, zuvor über einen zentralen Großmechanismus im System gesteuert, jetzt dezentral ausgelagert werden muss. Haushaltsgeräte, die „energy-aware“ sind, kommen hier zum Einsatz. Essentiell für unsere Energienetze der Zukunft ist es also, alle Seiten des Marktes nicht nur in-telligent miteinander zu vernetzen, sondern auch eine Vielzahl weiterer Faktoren, vom Wetter bis hin zum Produktionsplan des Aluminium-werkes, in das komplexe System miteinzubeziehen– damit es allen Situation, von der Flaute bis zur Lastspitze, adaptieren kann. Außerdem brauchen smarte Energieversorgung und neue Produkte, die in diesem Kontext entstehen, zwingend entsprechende politische Leitplanken, wenn sie zum Erfolgsmodell werden sollen. Wegweisen-des zur Industriepolitik 4.0. haben wir im Interview mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier erfahren. Mit großer Energie haben auch wir diese Aus-gabe für Sie zusammengestellt. Ihnen wünsche ich daher nun reiche Erkenntnisse beim Lesen.