Ich digitalisiere, also bin ich!
Digitale Souveränität als gesamtgesellschaftliches Thema
Martin C. Wolff, Digital.Wolff, Plötz & Co GmbH
Kurz & Bündig
Digitale Souveränität ist eine Synthese von privaten und staatlichen Akteuren. Digitalisierung ist zivilgetrieben, sie schafft die Infrastruktur durch Unternehmen, durch Konsumenten und Nutzer der digitalen Geräte. Der klassische staatliche Souverän muss diese Synthese zur Kenntnis nehmen und seine Expertise in Form von guten, zeitgemäßen Gesetzen und Regularien einbringen. Jedoch reproduziert er stattdessen eine gefährliche Tradition der Dämonisierung der Technik.
Der Begriff „digitale Souveränität“ wird sehr unterschiedlich aufgefasst. Entsprechend hilflos und chaotisch wirken einzelne Umsetzungsversuche. Die fehlende Konzeptbildung hat eine historische Tiefendimension an Technikskepsis, die deutlich nachwirkt. Der Artikel zeigt die Innovation des Digitalen in der Souveränität und somit den Bedarf der fehlenden, aber notwendigen Konzeptionsbildung auf.
Erbe und Innovation der digitalen Souveränität
Digitale Souveränität ist in aller Munde. Unter ihr werden Datenschutz und „digitale Selbstverteidigung“ ebenso sehr gefasst wie die Bestrebungen, mittels mehr Open-Source-Lösungen weniger abhängig von US-amerikanischen Produkten zu werden; mal meint man Investments in KI oder geradezu tragische Ambitionen für Cloud- Services wie Gaia-X; oder wöchentliche Blockchain-Lösungen mit Heilscharakter, die kurz darauf zurückgezogen werden. Die Vielzahl der Diskurse zeigt: Es fehlt ein gemeinsames Verständnis. Tatsächlich erscheint mir sogar fraglich, ob überhaupt irgendein Verständnis existiert. Diese Kakofonie ist Ausdruck einer Orientierungslosigkeit.
Es ist die Logik des Mehr-vom-Selben, die sich trotz offenkundigen Scheiterns aufgrund des Mangels an Alternativen wiederholt. „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten (Albert Einstein).“ Es fehlt die kleinteilige und mühsame Grundlagenarbeit und Konzeptbildung, was man überhaupt lösen möchte; was die Ziele sind. Die fehlende Konzeptbildung hinterlässt Mahnmale aus Investitionsleichen, sei es beim digitalen Führerschein, der DE-Mail, dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und so einigem mehr. Die Aktivisten des Chaos Computer Clubs werden als Boten schlechter Nachrichten abgelehnt („Don’t shoot the messenger!“). Und doch muss man feststellen: Auch sie haben kaum konstruktive Vorschläge, wie man digitale Souveränität entwickelt. Um nicht in dieselbe Falle zu tappen, ist ein kleiner ideengeschichtlicher Überblick notwendig.