Digital-Upgrade fürs Gesundheitswesen
Die ePA macht’s möglich
Alexander Krauß, Techniker Krankenkasse
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Kurz und Bündig
Digitalisierung und Automatisierung stehen vor dem Durchbruch im Gesundheitswesen: Die elektronische Patient:innen-Akte (ePA) für alle, das Herzstück der Digitalisierung, wird Anfang 2025 eingeführt. Dadurch wird eine Vielzahl von (teil-) automatisierten Prozessen eingeleitet, die nicht nur Kosten senken und den Praxen Zeit und Mühe sparen sollen, sondern auch deutliche Vorteile für die Patient:innen bieten.
Das Gesundheitswesen ist prädestiniert, endlich weitere Fortschritte in der Automatisierung zu erzielen. Im Hintergrund der Versorgung von Patienten und Patientinnen können automatisierte Datenaustauschverfahren Kosten senken, Information und Kommunikation verbessern, um zum Beispiel unerwünschte Arzneimittelwirkungen auszuschließen. Neben dem Effekt der Kosteneinsparung trifft dies den Wunsch der Versicherten: Zwei Drittel halten Digitalisierung im Gesundheitswesen – zum Beispiel durch die elektronische Patient:innen-Akte oder Angebote für Online-Therapien – wichtig bis sehr wichtig. Welche Chancen der Automatisierung stehen heute an und welche erwarten uns im nächsten Jahr?
Automatisierung und Digitalisierung dienen dazu, Mittel rational einzusetzen. Gerade im Gesundheitswesen ist dies notwendig. Mithilfe der Automatisierung können Daten sicher von einem System zum anderen weitergeleitet werden, um die komplexen Arbeitsabläufe zu steuern (automatisierte Datenaustauschverfahren). Automatisierung erhöht die Sicherheit der Patienten und Patientinnen, weil Fehlerquellen reduziert werden. Eine gut umgesetzte Automatisierung führt daher gleichermaßen zu höherer Sicherheit und Zufriedenheit bei Patient:innen, entlastet die Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen [1] und senkt Kosten.
Automatisierungstechnologien ermöglichen es, dass bestimmte repetitive und zeitaufwändige Aufgaben maschinell erledigt werden. Dies reduziert den Bedarf an manuellen Tätigkeiten und schafft mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben. Der Übergang vom papierbasierten zum elektronischen Dokumentenmanagement führt zu einem schnelleren und effizienteren Zugriff auf Informationen. Die Speicherung sollte möglichst nach dem „Once-Only“-Prinzip efolgen. Das bedeutet, dass Bürger:innen und Unternehmen bestimmte Standardinformationen den Behörden und Verwaltungen nur noch einmal mitteilen müssen, da der Datenaustausch mittels PDF nur die zweitbeste Möglichkeit darstellt. Unter Einbeziehung von Datenschutzbestimmungen und der expliziten Zustimmung der Nutzenden ist es der öffentlichen Verwaltung erlaubt, die Daten wiederzuverwenden und untereinander auszutauschen.
Exkurs:
Gesundheitsausgaben in Deutschland
Bei der Diskussion über Automatisierung und Digitalisierung im Gesundheitswesen geht es vor allem darum, wie die Versorgung der Versicherten verbessert und ihnen ein klarer Mehrwert geboten werden kann – etwa durch bessere Behandlungsmöglichkeiten oder einen einfacheren Zugang zu ihren Befunden. Dennoch sei ein Exkurs zum deutschen Gesundheitswesen im Großen und Ganzen gestattet. Die Gesundheitsausgaben in Deutschland beliefen sich im Jahr 2022 auf 498 Milliarden Euro. Auf die Gesetzliche Krankenversicherung und die Soziale Pflegeversicherung entfallen allein 65 Prozent der Ausgaben [2]. Die Gesundheitswirtschaft hält damit einen Anteil von 12,7 Prozent am Bruttoinlandsprodukt [3]. Die Ausgaben steigen kontinuierlich. In diesem Jahr wird der Anstieg insbesondere im Bereich der Arzneimittel und Krankenhäuser verzeichnet, sodass 31 gesetzliche Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge bereits im Laufe des Jahres erhöhen mussten [4]. Für das Jahr 2025 ist mit weiteren – deutlichen – Beitragssteigerungen zu rechnen. Dazu kommt, dass die Beitragseinnahmen aufgrund der erwarteten konjunkturellen Eintrübung weniger stark wachsen werden als in vergangenen Jahren. Im Gegensatz dazu dürften die Ausgaben weiter deutlich ansteigen.
All das verstärkt den Druck, Möglichkeiten zu finden, wie das Gesundheitswesen effizienter arbeiten kann. Laut Boston Consulting Group kann die Nutzung von Künstlicher Intelligenz ein Einsparpotential von 125 Milliarden Euro im deutschen Gesundheitswesen entfalten [5]. Bereits vor zwei Jahren hatte die Beratungsfirma McKinsey & Company ein Potential von 42 Milliarden Euro durch die Digitalisierung ausgemacht. Im Einzelnen bezieht sich dies auf:
- Online-Interaktionen, wie Telekonsultation, Fernüberwachung und Management von chronisch erkrankten Menschen. Diese Lösungen reduzieren den Zeitaufwand bei Patienten und Patientinnen und dem medizinischen Fachpersonal: 12,0 Mrd. Euro.
- Umstellung auf papierlose Datenverarbeitung, beispielsweise durch die kommende elektronische Gesundheitsakte und dem eRezept: 9,9 Mrd. Euro.
- Optimierte Arbeitsabläufe, unter anderem durch die Vernetzung von Pflegepersonal, sowie die auf Barcodes basierte Medikamentenausgabe: 6,7 Mrd. Euro.
- Entscheidungsunterstützung durch Daten- transparenz, beispielsweise durch den Einsatz von Software, um Doppeluntersuchungen von Patientinnen und Patienten zu vermeiden: 6,4 Mrd. Euro.
- Selbstbehandlung im Gesundheitswesen, zum Beispiel durch Gesundheits-Apps oder digitale Diagnosetools: 4,6 Mrd. Euro.
- Gesundheits-Self-Service, etwa durch Online-Portale zur Vereinbarung von Terminen: 2,5 Mrd. Euro. [6]
Elektronische Gesundheitsakte als Herzstück der Digitalisierung
Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) geben zwei Drittel der Befragten an, dass ihnen die Förderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen, etwa durch die elektronische Gesundheitsakte oder Online-Therapien, wichtig oder sehr wichtig ist. Dieses Thema ist besonders für jüngere Menschen von großer Bedeutung: In der Altersgruppe der 18 bis 39-Jährigen geben 77 Prozent an, dass ihnen dieser Bereich wichtig oder sehr wichtig ist (40 bis 59 Jahre = 61 Prozent, 60+ = 65 Prozent). Die Digitalisierung bietet vielfältige Chancen im Hinblick auf eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung. So können etwa Terminvereinbarungen über das Internet und Videosprechstunden sowohl Praxen als auch Patientinnen und Patienten entlasten.
Für 96 Prozent der Menschen in Sachsen ist es wichtig oder sehr wichtig, dass Gesundheitsdaten aus vorherigen Behandlungen – auch von anderen Medizinpraxen und Krankenhäusern – schnell verfügbar sind und dass der fachliche Austausch zwischen Ärzt:innen zu Diagnosen und Behandlungswegen gefördert wird. Mit zunehmender Digitalisierung erwarten die Befragten auch einen Abbau der Bürokratie in den Medizinpraxen und Krankenhäusern, was 93 Prozent als wichtig oder sehr wichtig erachten. Ebenso schätzen die Befragten die Möglichkeit, dass medizinische Expert:innen im Notfall per Videoübertragung zugeschaltet werden können (82 Prozent), wodurch sich unter anderem auch Doppeluntersuchungen vermeiden lassen (78 Prozent).
Herzstück der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist die elektronische Gesundheits- beziehungsweise Patient:innen-Akte (ePA). Seit dem 1. Juli 2021 haben Patientinnen und Patienten ein Anrecht darauf, dass Gesundheitsfachkräfte patientenbezogene Daten in der ePA speichern. Zur Wahrheit gehört, dass viele Versicherte ihren Wunsch nach Befüllung der ePA nicht realisieren konnten, da sich zahlreiche Gesundheitsfachkräfte nicht auf dieses Neuland begeben wollten oder aber die Praxisverwaltungssoftware die Übertragung der Daten in die ePA nicht unterstützte.
Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen (Digital-Gesetz) wurde das Verfahren entsprechend angepasst. Ab 2025 gilt Opt-Out: Wer keine Akte möchte, muss widersprechen. Die „ePA für alle“ wird Anfang 2025 ausgerollt. Die Krankenkassen haben diesbezüglich bereits ihre Versicherten angeschrieben. Während ursprünglich mit Widersprüchen seitens der Versicherten – von 15 bis 20 Prozent – gerechnet wurde, zeigt sich, dass diese kaum Einwände gegen die ePA haben. Die Widerspruchsquote bei der Techniker Krankenkasse, liegt im unteren einstelligen Bereich. Das Ziel der Politik, mindestens 80 Prozent der gesetzlich Versicherten bis 2025 zur Nutzung der ePA zu befähigen, dürfte übertroffen werden.
Automatische Datenübertragung am Beispiel der Medikationsliste
So müssen beispielsweise Daten aus der Praxisverwaltungssoftware von Medizinpraxen sowie aus den Krankenhausinformationssystemen und der Datenerfassung anderer Gesundheitsdienstleister – wie Physiotherapeuten, Logopäden, Pflegeheime oder Hörakustiker – automatisiert in die ePA eingespeist werden. Mit dem Start der ePA für alle soll die Akte eine elektronische Medikationsliste erhalten. Derzeit haben Hausärzt:innen keinen vollständigen Überblick über die Medikamente, die Patientinnen und Patienten einnehmen, da sie nicht wissen, was gegebenfalls anderes Fachpersonal im medizinischen Bereich verordnet hat. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können dadurch nicht ausgeschlossen werden; sie kommen häufiger vor und führen zu 6,5 Prozent aller Besuche in den Notaufnahmen der Krankenhäuser [7].
Folgendes Vorgehen ist daher geplant: Die Ärztin oder der Arzt erstellt ein eRezept, übermittelt es über die Praxissoftware an die Telematik-Infrastruktur. In der Telematik-Infrastruktur speichert der eRezept-Fachdienst die Information über die Verordnung der Medikamente und übermittelt sie automatisch an die ePA. Wird das eRezept in der Apotheke eingelöst, ruft die Apotheke die Verordnung aus dem eRezept-Fachdienst ab und übermittelt die Information über die Abgabe des Medikaments zurück an den Fachdienst. Die Information über die erfolgte Ausgabe – die sogenannte Dispensierinformation – wird damit automatisch in der ePA gespeichert. Künftig sollen auch Informationen über Medikamente in der ePA gespeichert werden, die Patient:innen ohne Verordnung in einer Apotheke erwerben (sogenannte OTC-Produkte). Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Gesundheitsbild.