Kurz und Bündig
Die neue Komplexität der Lastenverteilung in den Stromnetzen erfordert, dass das Verteilnetz effizient vor Überlastung geschützt wird. Intelligente Stromnetze sollen nun ertüchtigt werden, möglichst viel grünen Strom aufzunehmen und zu transportieren. Die VSE-Gruppe bündelt über die gesamte Wertschöpfungskette von Smart Grids hinweg zahlreiche Kompetenzen unter einem Dach.
Die Energiewirtschaft steckt in einem Umbruch von historischem Ausmaß. Erneuerbare Energien bringen die Stromnetze immer näher an ihre Kapazitätsgrenzen. Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung sind die Schlagworte der Energiewende. Auf der Suche nach Lösungen für ihr Gelingen haben sich die großen Verteilnetzbetreiber für Intelligenz entschieden. Wie die VSE-Gruppe im Saarland gehen sie nun voran, arbeiten zielstrebig an Projekten rund um das Thema „Smart Grid“ und gestalten als Pioniere die Zukunft der Energiebranche aktiv mit.
Wachsende Belastung für die Stromnetze
Der durch den stetigen Zubau der erneuerbaren Energien wachsende Anteil an grünem Strom – dezentral erzeugt und volatil – bedeutet eine zunehmende Belastung für die Stromnetze. Damit kann der konventionelle Netzausbau nicht immer ganz Schritt halten, vor allem nicht, solange die damit verbundenen finanziellen Fragen ungeklärt sind. Denn die wachsenden Anforderungen an die Stromnetze würden bei konventionellem Netzausbau unweigerlich eine nie da gewesene Aufrüstung und damit erhebliche Investitionen mit sich bringen.
Erschwerend hinzu kommen Faktoren wie die Abkehr des Energiesektors von der Kohle und der Atomausstieg, die beide obendrein kompensiert werden müssen. Etwas weniger prominent, jedoch ebenfalls mit weitreichenden Konsequenzen für den Energiesektor, bedeuten auch Entwicklungen wie die Wärme- und die Mobilitätswende mehr Stress für die Stromnetze. Auch diese Sektoren fragen durch Wärmepumpen und Elektroautos mehr Strom nach.
Entwicklung der erneuerbaren Energien
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland liegt heute bei rund 46 Prozent (Abb. 1). Im Jahr 2030 soll er bereits 65 Prozent betragen – Tendenz weiter steigend. Die neue Volatilität der Energieproduktion geht darauf zurück, dass etwa Photovoltaik- (PV-) und Windkraftanlagen nur liefern, wenn die Sonne scheint, respektive der Wind weht. Seine charakteristische Dezentralität führt darüber hinaus dazu, dass regenerativ erzeugter Strom sogar in zwei Richtungen fließen kann. Im Unterschied zu jenem aus Großkraftwerken. Der Kunde von einst entwickelt sich mehr und mehr zum „Prosumer“. Das heißt, er verbraucht Energie wie eh und je, produziert aber auch gleichzeitig Strom, etwa mit der PV-Anlage auf dem Dach seines Eigenheims, den er dann in das Netz einspeist. Die Lastensituation in den Niederspannungsnetzen wird dadurch immer schwieriger zu ermitteln und vorherzusagen. Das Lastmanagement stellt im Vergleich zu früher immer komplexere Anforderungen an die Netzleitstellen der Netzbetreiber.
Die Situation der Niederspannungsnetze
Im Vergleich zu früher haben sich sowohl die Erzeuger- als auch die Verbraucherseite erheblich verändert. Der Strom floss von wenigen Großkraftwerken in Richtung der Haushalte. In der Niederspannung gab es, vereinfacht ausgedrückt, nur die Haushalte, die nach dem sogenannten Standardlastprofil einfach prognostizierbar mit Strom versorgt werden mussten. Heute tritt zum Beispiel mit der Elektromobilität ein Verbraucher hinzu, der oftmals über einen längeren Zeitraum eine große Strommenge benötigt. Hier entsteht nicht selten eine große Nachfrage vieler Verbraucher zu gleichen Zeiten. Etwa dann, wenn viele Nutzer ihr Elektrofahrzeug um 17 Uhr kurz nach Feierabend zu Hause an die Ladesäule anschließen (Abb.2). Für diese temporären Lastspitzen sind die bislang verlegten Kabel nicht immer ausreichend dimensioniert. Ganz ohne Intelligenz müssten die Betreiber ganz einfach jetzt dickere Kabel verlegen.
Das Prinzip Smart Grid - die Lösung
Vor dieser Kulisse müssen Netzbetreiber nach wie vor als oberste Maxime Versorgungssicherheit und Netzstabilität (in der Niederspannung 230 Volt und 50 Hertz) gewährleisten. Und aus §1 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) geht außerdem hervor, dass „eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht“, zur Verfügung gestellt werden muss. Denn Strom hat vor allem hierzulande immer verfügbar zu sein. Angesichts der neuen Komplexität der Lastenverteilung in den Stromnetzen muss das Verteilnetz als Schnittstelle zwischen Stromerzeugung und -verbrauch also effizient vor Überlastung und Beschädigungen von Betriebsmitteln geschützt werden. Deshalb sollen künftig flexiblere, intelligente Stromnetze, Smart Grids, ertüchtigt werden, möglichst viel grünen Strom aufzunehmen und zu transportieren.
Nicht nur für die Ingenieurinnen und Ingenieure der VSE ist das Smart Grid der zentrale Bestandteil, den es zum Gelingen der Energiewende unbedingt braucht, die aufgrund des Klimawandels beschlossene Sache ist. Der immens steigenden Komplexität in den Stromnetzen kann mittelfristig nur mit Intelligenz begegnet werden. Ferner dürfen schon allein aus Gründen der öffentlichen Akzeptanz die Strompreise nicht zu stark steigen. Hier können durch die Einführung von Smart Grids erhebliche Investitionen in Netzausbau eingespart werden.
Während alle Anforderungen in puncto Datenschutz akribisch eingehalten werden, wissen intelligente Stromnetze künftig ganz genau, wo und wann wie viel Strom benötigt wird. Um adäquat auf die Nachfrage der Stromkunden reagieren und gleichzeitig Stabilität sicherstellen zu können, machen Smart Grids die Stromnetze also zunächst transparent.
Über die Transparenz hinaus bieten Smart Grids zahlreiche interessante Möglichkeiten, die Nachfrage von Verbrauchern aktiv und individuell zu steuern. Diese Option kann genutzt werden, wenn eine entsprechende Flexibilität besteht und – sehr wichtig – der Anschlussnutzer dem ausdrücklich zugestimmt hat. Möchte dieser sein Elektromobil z. B. lediglich morgens um 7 Uhr vollgeladen aktivieren, kann der Netzbetreiber den Ladevorgang etwa in ein Zeitfenster legen, in dem gerade viel Windkraft zur Verfügung steht. Bleibt besagter „Windstrom“ aus, kann er, um das vorhandene Kabel zu entlasten, immer noch entscheiden, die angeschlossenen E-Fahrzeuge nacheinander zu laden. Der Komfort hierbei ist der gleiche, aber es wurden durch Intelligenz sehr hohe Investitionen vermieden. Für eine solche zukunftsfähige Lösung bedarf es E-Autos und einer steuerbaren Ladesäule sowie eines intelligenten Messsystems (Smart Meter), das über das Smart Meter Gateway (Abb. 3) kommuniziert sowie einer Steuerbox, über die gesteuert wird.
Als einer der größten Stromnetzbetreiber im Saarland verfügt die VSE in puncto Smart Grid über reichlich Erfahrung aus Forschungsprojekten wie Designetz. Daran beteiligt waren zahlreiche renommierte Vertreter aus der Industrie sowie Forschung und Entwicklung. Mit dem E.ON-Konzern im Hintergrund und den sich daraus ergebenden weitreichenden Möglichkeiten bietet die VSE-Gruppe daher befreundeten Stadtwerken und Stromnetzbetreibern im Saarland ihre Expertise und Unterstützung an. Diese Dienstleistung verbirgt sich hinter dem VSE-Slogan „aus der Region, für die Region“, den der Energiedienstleister sehr ernst nimmt und gleichermaßen für Kundinnen und Kunden als auch für Partner lebt. Damit schafft die VSE eine klassische Win-win-Situation, zumal die „Smart Grid“-Thematik insgesamt vor allem für kleiner strukturierte Akteure recht komplex ist und ihre Einführung umfassendes interdisziplinäres Know-how erfordert. Ferner gilt, dass, je mehr Akteure ihre Netze intelligent fahren, umso besser funktioniert das gesamte System.
Steine aus dem Weg räumen
Aufgrund der beschriebenen Situation und Herausforderungen stehen Smart Grids als Kernthema der VSE im Zentrum ihrer Unternehmensstrategie. Zunächst gilt es jedoch nach Auffassung der Experten, noch einige Steine aus dem Weg zu räumen. Hürden, die den Fortschritt der positiven Entwicklungen bislang und damit die Energiewende selbst derzeit noch unnötig ausbremsen.
Ein Beispiel dafür ist die Finanzierung. Die ohnehin schon niedrige Eigenkapitalverzinsung, die aktuell nach den Plänen des Gesetzgebers wieder stark abgesenkt werden soll. Diese Entwicklung macht kapitalintensive Investitionen, die Smart Grids dringend erfordern, unattraktiv, da einer unveränderten Risikosituation künftig viel zu geringe Einnahmen gegenüberstehen. Hier sind faire Rahmenbedingungen seitens der Politik gerade im Sinne der ehrgeizigen Ziele der Energiewende sicherlich mehr als wünschenswert. Die Höhe der zu erwartenden Folgekosten wie Ausgleichszahlungen oder Konventionalstrafen, die anfallen, sollte nicht in Smart Grids investiert werden, liegt weit über den erforderlichen Investitionen in intelligente Netze selbst. Das geht aus einer gemeinsamen Studie von Ernst & Young und dem BET – Büro für Energiewirtschaft und technische Planung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) aus dem Jahr 2018 hervor.
Als ein weiterer Bremser wird hierzulande der schleppende „Smart Meter“-Roll-out wahrgenommen, der aufgrund von hohen Sicherheitsbestimmungen in der Datenkommunikation kürzlich erneut aufgeschoben wurde. Selbstredend muss die Privatsphäre der Nutzer gewahrt und das System effektiv vor Hacker-Angriffen geschützt werden. Auf der anderen Seite funktionieren Smart Grids umso feiner, flexibler und besser, je mehr Daten dem System zur Verfügung stehen. Was spricht dagegen – wenn die Auflösung dieses klassischen Zielkonflikts offensichtlich in einem gangbaren Mittelweg liegt –, „lediglich“ eine angemessene Sicherheit zu fordern anstelle der höchstmöglichen?
In fünf Jahren - Ausblick
Ehrgeiziges Ziel der VSE ist es, Smart Grids in den kommenden fünf Jahren als Standard im Bereich der Stromnetze im Saarland zu etablieren. Als Pionier und Vorreiter in Sachen Smart Grid will der saarländische Energiedienstleister konventionelle Netze bis dahin allen aktuellen Widrigkeiten zum Trotz intelligent machen. Dafür will die VSE im Verbund mit E.ON am „Smart Grid“-Standard in Deutschland mitentwickeln, um damit auch die übrigen Netzbetreiber im Saarland unterstützen zu können.
(Bildquelle: Zentrale Netzleitstelle Saarbrücken. © VSE AG)