In meinem Leben habe ich mehrere IT-Unternehmen gegründet, eines davon an die Börse geführt, mich an mehreren bereits gegründeten jungen Unternehmen beteiligt und auch Unternehmen gekauft und verkauft. Dabei habe ich viele Gründer kennengelernt und viele Gründungssituationen sowie deren Unternehmensverlauf. Aus diesen Erfahrungen habe ich einige Tipps zusammengestellt, die den Gründern helfen sollen, die größten Fehler zu vermeiden, so dass sie nicht anstelle des angestrebten Millionärsstatus in der Konkursstatistik landen. Scherzes halber wurde schon mal gefordert, die Verleitung zur Unternehmensgründung als Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Soweit würde ich nicht gehen, sondern ich unterstütze Neugründungen, um den Innovationsstandort Deutschland zu stärken. Aber vor einer Gründungseuphorie muss trotzdem gewarnt werden. Nur zu oft werden Idealismus, Engagement und Geld durch fehlerhaftes Gründerverhalten verbrannt. Aber neben Fehlverhalten gibt es unvermeidliche Risiken, auf die man sich besser einstellen kann, wenn man sie kennt. Banken und Venture Capital Gesellschaften sind Profis im Umgang mit Gründern und diese sind deren Interessen manchmal zu naiv ausgeliefert. Natürlich gibt es auch hilfreiche Ratschläge und Unterstützungen von Banken und Gründerfonds, aber man muss in der Lage sein, gute Hilfen von riskanten zu unterscheiden. Generell birgt der an sich positive Enthusiasmus von Gründern Gefahren, zu leichtfertig und vertrauensvoll zu agieren.
Mit der Gründung eines Unternehmens begibt man sich aber auf große Fahrt zur Entdeckung neuer Kontinente. Überall lauern Gefahren und Überraschungen. Aber es ist eine erlebnisreiche Zeit; und was ist das Leben anderes, als Dynamik zu erfahren. Unternehmensgründung ist ein spannendes Abenteuer.
Das reine Zählen von Neugründungen ist vielleicht für Politiker eindrucksvoll, ist aber noch lange kein wirtschaftspolitischer Erfolg. Die Zahl der Unternehmen, die die ersten 5 Jahre erfolgreich überlebt haben, ist schon aussagekräftiger. Höchstens 40 % der Gründungen schaffen dieses!
Fehler, die in der Gründungsphase begangen werden, wirken sich später gravierend aus und können entweder gar nicht oder nur mit großem Aufwand korrigiert werden.
Viele meiner Tipps klingen fast wie Selbstverständlichkeiten. Aber der Unterschied zwischen einer Trivialität und einer hilfreichen Lebensweisheit ist eben nur marginal! Gravierende Fehler werden auch nicht hinter der zweiten Kommastelle gemacht, sondern mindestens drei Stellen vor dem Komma! Die groben Fehler sind es, die am stärksten schmerzen, aber auch am leichtesten vermieden werden können – wenn man weiß wie und darauf vorbereitet ist. Dazu sollen diese Ausführungen dienen.
1. Die Zauberformel
Folgende einfache Formel sollte jeder Unternehmensgründer kennen und ständig verfolgen:
Unternehmenserfolg = Marktchance x Unternehmensressourcen
Die Marktchancen oder Markttrends sind im Prinzip für alle Unternehmen gleich und häufig auch bekannt. Über die Megatrends Rohstoffknappheit, Elektromobilität, Erneuerbare Energien, Life Science, Mobiles Arbeiten, Sicherheit, Bildung oder Industrie 4.0 berichten alle Medien. Aber dieses sind sehr globale Begriffe, die sich zergliedern und in Teilmärkte aufspalten lassen. Man muss dann erkennen, wie hoch das Entwicklungspotenzial des betrachteten Teil-Marktes ist und in welchem Reifestadium sich der Markt befindet. Hier kann z. B. die bekannte Gartner-Kurve helfen (vgl. Abb. 1).
Es ist zu fragen: Ist der Markt am Anfang, in der durch neue „technologische Auslöser“ getriebenen Hype-Phase oder im Ernüchterungsabschwung in das „Tal der Enttäuschungen“ oder in dem langsamen Reifewachstum bis zum „Plateau der Produktivität“? Auch abrupte Änderungen können sich zeigen: So ist der Markt für erneuerbare Energien nach der Energiewende anders als vor der politischen Entscheidung. Aber alle diese Informationen sind prinzipiell für alle Unternehmen zugänglich; Unterschiede gibt es aber bei den Ressourcen.
Bei den Unternehmensressourcen sind bereits bestehende große Unternehmen mit ihren vielen erfahrenen Mitarbeitern, den eingeführten Produkten, ihren hohen finanziellen Mitteln, ihren Kunden- und Partnerbeziehungen und ihren internationalen Erfahrungen im Vorteil.
Allerdings erkennen aber häufig große etablierte Unternehmen neue Markttrends nicht oder wollen sie nicht erkennen – dieses ist dann eine gute Gelegenheit für Neueinsteiger (vgl. dazu später die Ausführungen zu innovators dilemma unter Punkt 2. Wie findet man eine Gründungsidee?). Allerdings muss damit gerechnet werden, dass auch die etablierten Unternehmen in den Markt einsteigen, wenn sich eine neue Marktchance zum stabilen Trend entwickelt. Bis dahin besteht aber ein Zeitfenster für mutige und vorausschauende Gründer.
Um dieses zu nutzen, müssen Gründer ein höheres Engagement, höhere Einsatzbereitschaft, brillantere Ideen, wenig Statusbezogenheit und hohe Flexibilität einbringen. Hier werden also Anforderungen an die persönlichen Eigenschaften der Gründer gestellt, mit denen sie die größeren Machtpotenziale der bestehenden Unternehmen aufwiegen müssen. Geschwindigkeit ist also alles.
Mit der fortschreitenden Entwicklung eines Start-up-Unternehmens entstehen dort zwar auch Ressourcen in Form von Kundenbeziehungen, Produkten und den anderen Faktoren, jedoch dauert es lange, bis diese mit den etablierten Unternehmen mithalten können. Es kommt also lange auf die qualitativen Persönlichkeitsmerkmale der Gründer als wesentliche Ressource an. Die ständige Überprüfung der Formel sollte deshalb Tagesordnungspunkt jeder Geschäftsführungssitzung sein.
Das Start-up-Unternehmen muss so ständig verfolgen, ob bestehende Unternehmen in ihr Marktsegment einsteigen, wie ihre Ressourcensituation im Vergleich dazu ist und wo es nachbessern muss.
2. Wie findet man eine Gründungsidee?
Ideen gibt es wie Sand am Meer. Sie sind eigentlich nicht der Engpass für Innovationen. Nach dem großen österreichisch/amerikanischen Ökonomen Schumpeter ist erst die erfolgreiche wirtschaftliche Umsetzung einer Idee eine Innovation. Aber die erfolgreiche Umsetzung einer Idee ist eben die Krux. Zunächst muss die Idee technisch umsetzbar sein und dann muss sie noch ihren Markt finden. Ist eine Idee zwar technisch realisierbar, findet aber keine Marktakzeptanz, so ist sie genauso gescheitert als wenn die technische Umsetzung noch nicht gelingt. Also muss die Einführungszeit bezüglich Technologie und Markt reif für die Idee sein. Klaffen hier Lücken auseinander, dann ist die Idee zwar zunächst gescheitert, kann aber später, wenn alles zusammen passt, durchaus erfolgreich werden. Mir ist dieses in meinem Leben mehrfach passiert. In den Jahren um 1980 arbeitete ich an meinem Forschungsinstitut an der Universität des Saarlandes intensiv am Konzept des Computer Integrated Manufacturing (CIM). Dieses Konzept konnte aber damals nicht realisiert werden, weil die Informationstechnik noch nicht ausgereift genug war. Das Konzept galt deshalb bald als undurchführbar. Heute werden einige dieser Ideen unter dem Begriff Industrie 4.0 wieder aufgenommen und als großes Zukunftskonzept erfolgreich herausgestellt.
Mit der von mir gegründeten imc AG haben wir bereits um das Jahr 2000 Systeme zur Aufzeichnung von Vorlesungen entwickelt, die aber damals von Dozenten und Universitäten noch nicht akzeptiert wurden. Man wollte sein geistiges Eigentum schützen und nicht unkontrolliert verbreitet wissen. Auch gab es kein attraktives Business-Modell und die Erstellung multimedialer Bildungsinhalte war teuer. Heute wird der Gedanke des freien Zugangs zu Bildungsangeboten über das Internet unter dem Schlagwort MOOC (massive open online courses) zu einem Hype, der die Bildungstechnologie und die Bildungsinstitutionen wie Universitäten und Schulen dramatisch verändern wird.
Anwendungen, die zu einem plötzlichen Erfolg werden und quasi die Welt in kurzer Zeit verändern, werden Killer Applications genannt. Sie töten quasi die bestehenden Konzepte und ersetzen sie. Es ist einheitliche Auffassung, dass sich Killeranwendungen nicht planen lassen. Häufig dümpelt ihr Erfolg eine ganze Weile vor sich hin, bis ein eher zufälliges Ereignis plötzlich zu einem exponentiellen Wachstum führt (vgl. Abb. 2). Ein bekanntes Beispiel ist das System Twitter, das mit der Einstellung eines Videos des im Hudson notgelandeten Flugzeuges plötzlich zum Hit wurde.
Was war früher da, das Ei oder die Henne? Was ist eher da, der Wunsch, ein Unternehmen zu gründen und dafür eine Idee zu suchen oder eine Idee, die man durch eine Unternehmensgründung in die Welt tragen will? Im zweiten Fall muss man überprüfen, ob die Idee trägt, im ersten Fall muss man die Idee erst suchen. Ist sie gefunden, ist der Prüfungsprozess wie im zweiten Fall und wir können die Fälle zusammen behandeln. Wie kommt man aber auf eine Gründungsidee?
Grundsätzlich kann man versuchen, eine bereits erfolgreiche Idee zu kopieren oder sich selbst die Mühe zu machen, eine zu entwickeln.
Das Kopieren eines Konzeptes macht nur Sinn, wenn der gegenwärtige Anbieter schwach ist und man glaubt, das Konzept verbessern zu können. In der Tat kann der Nachahmer von den Fehlern und Schwächen des Ersten lernen und sie vermeiden. Auch kann er den Ansatz ergänzen oder erweitern. Wer erinnert sich noch an den ersten Personal Computer „Commodore“ oder das erste Tabellenkalkulationsprogramm Visicalc? Sie wurden jeweils von Nachahmern mit Erweiterungsideen verdrängt. Vor Google gab es bereits die Suchmaschine Altavista. Auch das Business-Kommunikationsgerät Blackberry befindet sich in einem Abwehrkampf gegen die Smartphones der Verfolger Apple und Samsung.
Ein anderer Ansatz ist die Einführung einer Idee, die auf einem anderen geografischen Markt (meistens in den USA) bereits erfolgreich ist, in dem Heimatmarkt (z. B. Deutschland oder Europa), wo sie noch nicht vertreten ist. Dieser Weg wird vielfach beschritten und nicht nur von High-Tech-Unternehmen. So sind viele deutsche Fernsehkonzepte Kopien amerikanischer Serien, z. B. das Moderatorenkonzept des Frühstücksfernsehens oder die lockere Präsentation des an sich langweiligen Wetterberichts. Wenn man den eigenen Markt gegen die originären Anbieter aber nicht so abriegeln kann wie das Fernsehen, besteht die Gefahr, dass diese sich geografisch ausdehnen und dann als mächtigere Konkurrenten auftreten.
Trotzdem gibt es „erfolgreiche“ Beispiele dieser Nachahmerstrategie. Die Gebrüder Samwer hatten z. B. das Konzept eines elektronischen Auktionshauses, wie eBay, in den USA kennengelernt und in ihr schnell in Deutschland gegründetes Unternehmen Zalando übertragen.
Als eBay dann auch auf den deutschen Markt drängte, haben sie ihr Unternehmen an eBay zu einem hohen Preis (angeblich 43 Mio. $) verkauft. Das Unternehmen umfasste damals kaum 20 Mitarbeiter. Es hätte aber auch sein können, wenn der Deal nicht geklappt hätte, dass eBay ein anderes Unternehmen gekauft hätte und Zalando in der Konkursstatistik gelandet wäre.
Dieses Vorgehensmodell wurde anschließend mehrfach wiederholt. Zurzeit wird es mit dem Zalando-Ansatz, der wohl im Wesentlichen eine Kopie des erfolgreichen amerikanischen Unternehmens Zappos ist, wieder exerziert. Dabei ist die Idee schon umwerfend. Wer vermutete wohl, dass sich Schuhe besonders für den Internet-Verkauf eignen, schließlich muss man sie doch anprobieren und das geht eben doch besser in einem Ladengeschäft. Aber hier ist nicht jedes Schuhmodell in allen Größen verfügbar und der Kunde verlässt häufig enttäuscht das Geschäft. Hier setzt nun das Konzept von Zalando an: Es hält ein riesiges Sortiment bereit, so dass der Kunde alle in Frage kommenden Größen bestellen kann. Durch ein einfaches Rücksendesystem kann der Kunde die nicht gewünschten Artikel zurückgeben. Durch eine aggressive Fernsehwerbung wird auf die große Menge zu bestellender Artikel (Arm voller Kästen) ausdrücklich hingewiesen. Die Verbindung von IT (Internet) und Logistik ist hier das Erfolgskonzept (falls es aufgeht). Das letzte Beispiel zeigt aber auch die Grenzen für ein normales Start-up-Unternehmen. Der Aufbau einer solchen Logistik verschlingt ungeheure Investitionen und ebenso die Behandlung der Remittenten. Nur sehr kapitalkräftige Gründerkonsortien können sich diese (Über-)Finanzierung leisten.
Bei dem Kopieransatz muss jeweils genau geprüft werden, ob Patente oder andere Rechte verletzt werden. Sonst kann die Geschäftsidee in einem völligen Desaster enden. Gerade große Unternehmen beschäftigen eigene Abteilungen mit der Verfolgung von Rechtsverletzungen oder sind Organisationen angeschlossen, die dieses für sie tun.
Ein eher negatives Beispiel für Kopierlösungen ist z. B. das deutsche Start-up-Unternehmen StudiVZ, das zunächst zu einem hohen Preis an die Holtzbrinck-Gruppe verkauft wurde, nun aber gegen Facebook wohl geringe Überlebenschancen hat.
Die unternehmerische Leistung von „kopieren und verkaufen“ ist eher auf den finanziellen Erfolg beschränkt und nicht auf eine echte Innovation und hat auch nicht meine Sympathie.
Deshalb zu der Frage, wie man eine originäre Idee findet. Leider gibt es kein Patentrezept. Ein guter Hinweis ist aber, dass man mit den Regeln des bestehenden Geschäftsmodells eines Produktes oder Marktes brechen muss. „Breaking the rules“ ist also Schlagwort und Herausforderung.
Ist man Student oder Doktorand oder gar Professor an der Uni, kann eine Gründungsidee aus der eigenen Forschung (Diplomarbeit, Doktorarbeit oder Institutsforschung) kommen. Aber Vorsicht, nur selten ist das, was man in der akademischen Welt wichtig und interessant findet, auch für eine Marktverwertung geeignet. In der akademischen Welt werden Fragestellungen der Forschung danach ausgewählt, ob man sie mit den verfügbaren Ressourcen bearbeiten kann und ob man die Forschungsergebnisse auf anerkannten Tagungen oder in anerkannten Zeitschriften veröffentlichen kann. Ein Maßstab für die Bedeutung eines Forschers ist z. B. der H-Index, der misst, wie häufig ein Wissenschaftler von anderen zitiert wird. Da auch Forschungsmittel öffentlicher Forschungsbudgets nach diesem Index vergeben werden, wirkt sich dies auf die Lenkung der Forschungsaktivitäten gravierend aus. (Mein H-Index beträgt z. B. 38, was wohl recht hoch ist und zeigt, dass man durchaus sowohl in der wissenschaftlichen,wie der Anwendungswelt anerkannt sein kann – aber das sind immer noch die Ausnahmen.)
Mein von der IDS Scheer entwickeltes Erfolgsprodukt ARIS ist aus meinen Forschungsarbeiten an der Universität des Saarlandes hervorgegangen und gilt als eines der wenigen international erfolgreichen deutschen Produktentwicklungen, die ihren Ursprung in der universitären Forschung haben. ARIS steht für Architektur integrierter Informationssysteme und ist ein Konzept zur Unternehmensmodellierung, insbesondere zur Modellierung von Geschäftsprozessen. Es soll hier nicht die Entwicklungsgeschichte von ARIS beschrieben werden (vgl. dazu Scheer, A.-W., Unternehmen gründen ist nicht schwer…, Springer Verlag, Heidelberg 2000, 249 S.). Obwohl ich ARIS als ein wissenschaftliches Konzept entwickelt und publiziert hatte (vgl. Scheer, A.-W., ARIS – Vom Geschäftsprozess zum Anwendungssystem, 4. Aufl., Springer Verlag, Berlin 2002, 186 S. und Scheer, A.-W., ARIS – Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen, 4. Aufl., Springer Verlag, Berlin 2001, 219 S.), war es doch praxisnah genug, dass daraus von der IDS Scheer ein Softwareprodukt entwickelt werden konnte. Die an meinem Uni-Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) entwickelten Forschungsprototypen waren aber als Produkte ungeeignet. Sie hatten, wie alle Forschungsprototypen, keine Entwicklungsstrategie, waren technisch nicht stabil und es bestand kein Marketing-, geschweige denn ein Vertriebskonzept. Es konnte aber das erarbeitete Wissen verwertet werden, indem Mitarbeiter des Forschungsinstitutes zur IDS Scheer wechselten, um dort das ARIS-Toolset als Produkt komplett neu zu entwickeln. Die vielzitierte Erfindung des MP3-Konzeptes an einem Fraunhofer Institut in Erlangen hat ebenfalls gezeigt, dass eine Idee aus der Forschung durchaus vermarktbar sein kann, leider ist aber die Produktumsetzung im Ausland erfolgt. Es fehlte eben die durchgängige Kette von Forschung, Produktentwicklung und Vermarktung.
Diese Geschichten sollen zeigen, warum aus den deutschen Universitäten, aber auch aus den Instituten der Fraunhofer Gesellschaft(FhG) und der Max Planck Gesellschaft (MPG) bisher so wenig erfolgreiche Produkte und Unternehmungen entstanden sind, obwohl sie mit vielen Milliarden Euro Forschungsgeldern subventioniert werden. Dabei ist die Bereitschaft, Unternehmensgründungen zu unterstützen, mittlerweile sehr gestiegen. Universitäten bewerben sich um den Titel „Gründeruni“ (beim BMWI), unterstützen Starter-Zentren und Science-Parks und auch die FhG und die MPG haben Gründergesellschaften und Inkubatoren gegründet. Trotzdem ist der konkrete Erfolg von international führenden Unternehmensgründungen aus diesen Aktivitäten noch „überschaubar“. Gegenüber der Förderung der Forschung sind die für die Produktumsetzung eingesetzten Mittel auch verschwindend gering. Bei der Entwicklung von ARIS mussten wir rund das Siebenfache an Aufwand für die Produktentwicklung einsetzen, als wir für die Entwicklung der Forschungsprototypen verwendeten. Will man also mehr Markterfolge aus den Forschungsinstitutionen erzielen, muss man erheblich mehr in die Umsetzung investieren.
Trotz der stärkeren Hinwendung zum Technologietransfer folgt die Wissenschaftswelt anderen Steuerungsprinzipien als die Praxis. Für die Praxis zählt der Nutzen für den Anwender und nicht der Beitrag zur wissenschaftlichen Reputation des Forschers! Auch bei den vielzitierten Beispielen aus den USA muss man vorsichtig sein. Es ist richtig, dass Bill Gates und Mark Zuckerberg in Harvard studiert haben und Steve Jobs in Stanford – aber alle drei haben ihr Studium abgebrochen, sie waren eben zu ungeduldig mit ihren Ideen und ihrem Drang zum Unternehmertum. Der Erfolg dieser und anderer Ausgründungen, z. B. Bose und Digital Equipment (DEC) aus dem MIT oder SUN und Cisco aus Stanford, sind wohl eher auf das gesamte System zurückzuführen, als unbedingt auf einzelne Forschungsideen. Im Silicon Valley treffen sich positiv gelebtes Unternehmertum an Eliteuniversitäten, Finanzkraft und bereits große High-Tech-Unternehmen mit hoch motivierten jungen Elitestudenten. Erfolgreiche Gründer gelten als Helden und ihre Erfolgsgeschichten stacheln Nachahmer an. Aus diesem Humus werden Ideen geboren, aber auch hier wird nicht jede Idee ein Erfolg.
Grundsätzlich gilt als Resümee der Umsetzung und Vermarktung von Forschungsideen: Der Köder (also die Idee) muss dem Fisch (also dem Kunden) schmecken und nicht dem Angler (also dem Wissenschaftler bzw. der wissenschaftlichen Community).
Nicht nur aus der Forschung entstehen neue Ideen zur Unternehmensgründung, sondern auch aus bereits bestehenden Unternehmen.
Nicht selten entwickeln Angestellte in ihren Unternehmen Ideen, deren wirtschaftliches Potenzial vom Unternehmen nicht erkannt wird. Wenn die Entwickler an ihre Idee glauben, können sie versuchen, sich mit ihr selbständig zu machen.
Dieses kann einvernehmlich geschehen, vielleicht sogar mit finanzieller Unterstützung oder Beteiligung des Unternehmens an der Ausgründung.
Aber selbst wenn das Unternehmen der Gründung eher ablehnend gegenüber steht, kann die Gründung gelingen, selbst wenn die Entwicklung vom Unternehmen finanziert wurde. Moralisch kann man vorbringen, dass die Idee schließlich vom Unternehmen nicht verfolgt wurde und rechtlich genießen Start-up-Unternehmen vor Gericht eine erhöhte Sympathie. Dort ist man eben auf der Seite des vermeintlich Schwächeren.
Beispiele für nicht erkannte Potenziale von Ideen in Großunternehmen gibt es reihenweise. So wurde z. B. die grafische Oberfläche in dem XEROX PARC- Forschungsinstitut erfunden, aber dann von dem Start-up-Unternehmen Apple zur Basis seines Erfolges gemacht. Auch der Transistor wurde im Forschungsinstitut Bell Laboratories erfunden, eine Lizenz für lächerlich wenig Dollars an das japanische Unternehmen Sony verkauft und über deren entwickelte Transistorradios zum Welterfolg gemacht.
Warum Großunternehmen neue Chancen unterschätzen, ist von Christensen u. a. in ihrem Buch „The Innovators Dilemma“ (Christensen, C.M. u. a., The Innovators Dilemma: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren, Vahlen 2011) eindrucksvoll und mit vielen Beispielen beschrieben worden. Eine neue Idee hat in der Regel gegenüber der ausgereiften bestehenden Lösung Nachteile. Sie ist entweder wegen fehlender Größeneffekte in der Produktion zu teuer oder hat Performance-Nachteile. Abb. 3 zeigt dieses anschaulich. Beim Eintritt einer neuen Technologie ist die Produktivität der bestehenden höher, aber die neue besitzt ein stärkeres Produktivitätswachstum und -potenzial.
So war im 19. Jhdt. zunächst das Automobil wegen der geringen Verfügbarkeit von Benzin und den schlechten Wegverhältnissen gegenüber den Pferdekutschen im Nachteil und konnte sich nur als Liebhaberobjekt von Technikfans einen Nischenmarkt sichern. Erst mit der technischen Weiterentwicklung wurde es nach und nach zum Welterfolg und hat die Pferdekutschen verdrängt. Dieser Prozess der Unterschätzung des Potenzials einer neuen, zunächst unterlegenen Technologie durch die Vertreter der etablierten Technologie wiederholt sich ständig.
Nicht nur die Kutschenhersteller haben das Automobil unterschätzt, sondern auch die großen Elektrokonzerne wie General Electric, Siemens oder Philips haben die Bedeutung des Computermarktes verpasst und ihn Start-up-Unternehmen überlassen.
Aber auch innerhalb der an sich innovativen und aufgeschlossenen IT-Industrie wiederholt sich dieser Vorgang; sonst hätte Microsoft nicht Google entstehen lassen und Google nicht Facebook groß werden lassen. In den etablierten Unternehmen gab und gibt es sicher immer Mitarbeiter, die auch ähnliche neue Gedanken gehabt haben, aber in dem Erfolgsrausch der bestehenden Produktpalette war man nicht aufgeschlossen für neue Ideen und diese wurden Start-ups überlassen.
Besonders schwierig wird es für bestehende Unternehmen, wenn eine neue Idee das bestehende Businessmodell kannibalisieren könnte. Dann findet man jede Menge Argumente, warum die Neuerung dem noch vorhandenen Entwicklungspotenzial der bestehenden Lösung unterlegen ist. Gegenwärtig kann man dieses an den Argumentationen der Automobilindustrie bei der Verteidigung von Diesel- und Ottomotor gegenüber dem Elektromotor erleben.
Der Innovators-Dilemma-Effekt ist die große Chance für Unternehmensgründungen auf Basis neuer Technologien.
Um am Anfang nicht mit den (noch) überlegenen alten Technologien konkurrieren zu müssen, sucht man sich Nischen, in denen die positiven Eigenschaften der Idee besonders gut zum Tragen kommen und die negativen unwichtig sind. Nicht ohne Grund wurden Elektromotoren erst bei Golfcarts verwendet, bei denen die geringe Reichweite nicht wichtig ist und Geräuscharmut und leichte Handbarkeit von Vorteil sind. Auch bei E-Bikes haben sie nur Vorteile. Inzwischen ist die Technik so weit fortgeschritten, dass sie für normale Autos (auch als Hybridsysteme) einsetzbar ist. Das öffnet Chancen für kleine Unternehmen, die Know-how auf dem Gebiet gesammelt haben, mit großen Automobilkonzernen zu kooperieren. Ein passendes Beispiel ist das 2003 gegründete amerikanische Unternehmen Tesla Motors, das einen Sportwagen mit Elektromotor produziert und im ersten Quartal 2013 zum ersten Mal profitabel geworden ist. An dem Unternehmen sind auch etablierte Autokonzerne (z. B. Daimler AG) beteiligt. Diese Beteiligung war sicher als Risikoabsicherung gemeint, “denn man weiß ja nie, ob nicht an der Sache doch etwas dran ist“. Wäre man so überzeugt gewesen wie die Unternehmensgründer, hätte man sicher alleine ein Unternehmen dieser Art gegründet.
Da generell eine Gründungsidee mit hohen Risiken behaftet ist, sollte man als Gründer ein Two-Target-Konzept verfolgen. Dieses besagt, dass man zwei Gründungsideen parallel verfolgen sollte. Wird dann eine nicht erfolgreich, kann die andere zum Überleben und sogar zum Erfolg führen. Ist die Hauptidee z. B. die Entwicklung eines Softwaresystems, so kann man gleichzeitig Beratungsleistungen für das Gebiet anbieten und diese auch dann erfolgreich weiterführen, wenn das eigene Produkt scheitert und man stattdessen ein erfolgreiches Konkurrenzprodukt unterstützt. Oder man richtet das Produkt hauptsächlich auf den B2C-Markt aus, entwickelt aber gleichzeitig auch eine andere Version für den B2B-Markt. Auch hier kann es die Rettung für das Unternehmen sein, wenn die Idee im B2C-Markt nicht klappt, z. B. wegen fehlender Preisakzeptanz, dafür aber im B2B-Markt durchaus akzeptiert wird.
Es gibt auch Methoden, die hilfreich sein können, systematisch Ideen zu entwickeln bis hin zu dem Konzept einer „Ideenmaschine“ (Nadja Schnetzler, Die Ideenmaschine, Weinheim 2004). Mit der Ideenmaschine wird ein systematischer Prozess aus den Schritten Ideenbeschaffung, Ideenverdichtung, Ideenauswahl und Umsetzung vorgeschlagen, wobei insbesondere bei der Ideenbeschaffung möglichst viele Ideen, u. U. mehrere Hundert oder Tausend kreiert werden. Der Ansatz sowie auch die organisatorische Einrichtung von Innovationsabteilungen sind aber vornehmlich für Großunternehmen geeignet. Der Vorteil ihrer Systematisierung wird durch zeitraubende Analysen wieder eingeschränkt und eröffnet für Start-ups mit unkonventionellem Vorgehen eine schnellere Markteinführung. Deshalb haben Einzelkämpfer und kleine Teams mit krausen Gedanken auch gegenüber strukturierten Vorgehensmodellen immer noch eine Chance.
Die Netzgemeinde von Kunden, Lieferanten, Partnern sowie alle Experten der Welt als Ideengeber einzuschalten, ist die Grundlage des crowdsourcing und des Open-Innovation-Ansatzes. Durch kleine incentives werden die Teilnehmer motiviert, sich an der Produktentwicklung eines Herstellers zu beteiligen. Dieser Ansatz steht nicht nur Großunternehmen offen. Auch Start-ups können schnell Prototypen ihrer Software-Produkte kostenlos ins Netz stellen und die Netzgemeinde zu Verbesserungsvorschlägen aufrufen.
Deshalb bleibe ich dabei: Jeder hat eine Chance, aber er muss eine Idee haben, die in die Zeit passt und skalieren kann.
Ich will deshalb noch einmal den Ausdruck „breaking the rules“ bemühen. Man kann systematisch ein Produkt oder ein Geschäftsmodell nach den hinter ihnen liegenden Organisations- oder technischen Prinzipien fragen, dann deren Vor- und Nachteile analysieren und überlegen, ob mit der Veränderung der Prinzipien eine neue Lösung entsteht.
Dazu ein letztes Beispiel. In der Anfangszeit der IT dominierte der Großrechner, der viele angeschlossene Terminals mit Rechenleistung versorgte. Da der Rechner sehr teuer war, war es sinnvoll, ihn sehr hoch auszulasten. Üblich war damals eine Auslastung des zentralen Rechners weit über 90 %. Da die Rechenleistung den Terminals nach dem Zeitscheibenverfahren zugeteilt wurde, bedeutete dieses für den Benutzer häufig lange Antwortzeiten. Organisationstheoretisch bedeutete dieses Prinzip, dass die Ressource Rechner sehr effizient genutzt wurde, aber die Prozesse der Benutzer nur ineffizient unterstützt wurden.
Mit dem Aufkommen der Personalcomputer wurde jedem Benutzer seine eigene Rechenkapazität zur Verfügung gestellt; nun ist die Prozesseffizienz der Benutzer hoch. Allerdings sind die PC’s nur zu 10 % ihrer möglichen Kapazität ausgelastet und damit die Ressourceneffizienz gering.
Dieses bietet die Chance nach einer neuen Möglichkeit zu suchen, die Ressourceneffizienz zu steigern. Mit dem Cloud-Computing wird dieses zu erreichen versucht. In der Wolke sind viele Server zusammengeschaltet, die den Benutzern an ihren mageren Clients quasi unbegrenzte Rechenleistung anbieten. Die Wolke kann von vielen Benutzern über den gesamten Globus genutzt und daher gut ausgelastet werden. Damit verbessert sich die Ressourceneffizienz, wobei auch die Prozesseffizienz der Benutzer sogar gesteigert werden kann.
Das Beispiel soll zeigen, dass es wichtig ist, sich mit grundsätzlichen Treibern für Technologien und Geschäftsmodellen zu beschäftigen, um auf neue Ideen zu kommen.
Nun noch ein wichtiger Rat zum Schluss: Ich kenne kein Unternehmen, das allein der Gründungsidee seinen dauerhaften Erfolg verdankt hat. Natürlich muss es am Anfang einen Anlass zur Gründung geben und auch eine Art Alleinstellungsmerkmal – aber am Ende zählen mehr die charakterlichen und persönlichen Fähigkeiten des Gründerteams. Kurz: Ein gutes Gründerteam ist in der Lage, auch eine nicht sofort einschlagende Idee zu verändern und dem Markt anzupassen. Umgekehrt kann ein schlechtes Gründerteam auch eine gute Idee platzen lassen.
3. Nobody is perfect but a team can be perfect
Häufig kommen junge Leute zu mir und bitten mich um Ratschläge für ihre geplante Unternehmensgründung. Begeistert erzählen sie mir von ihren Ideen, mit denen sie die Welt verändern wollen.
Ich höre dem Team zwar zu, aber beobachte mehr das Verhalten der einzelnen Mitglieder. Gibt es eine dominante Person, ist einer eher ängstlich-misstrauisch, schweigt einer und hört nur zu, usw.
Aus meinen langjährigen Erfahrungen im Umgang mit Managern habe ich mir ein einfaches Modell von Typen zurechtgelegt, nach denen ich die Eigenschaften der Teammitglieder einordne. Ausführlich habe ich die Typen in dem Buch „Spiele der Manager“ (Scheer, A.-W., Spiele der Manager, 3. Auflage, IMC AG, 2013, 172 S.) beschrieben, deshalb hier nur eine kurze Zusammenfassung.
Der „Alexander-Manager“ ist der Visionär, der durch sein Charisma und seine Begeisterungsfähigkeit die Strategie des Unternehmens lenken kann. Alexander der Große hat es vor rund 2300 Jahren verstanden, fast 100.000 Soldaten und Begleiter 12 Jahre lang durch schlimme Schlachten zu führen, um den Traum, das Ende der Welt zu entdecken, zu erfüllen.
Ein „Albert-Einstein-Manager“ ist der analytische Denker, der kritisch jedes Problem auf seine Machbarkeit hinterfragt.
Ein „James-Bond-Manager“ ist handlungsstark, mobil und krisenfest.
Ein „Willi-Brandt-Manager“ ist sozial kompetent und strahlt Vertrauen nach innen und außen aus.
Ein „Daniel-Düsentrieb-Manager“ strömt vor neuen Produktideen.
Die Typologie ist selbstverständlich geschlechtsneutral; der James-Bond-Typ kann ohne weiteres also auch von einer toughen Gründerin repräsentiert werden.
Natürlich lassen sich die einzelnen Gründeraspiranten nicht 1:1 einem Typ zuordnen. Aber insgesamt sollte ein Team ein breites Spektrum unterschiedlicher Eigenschaften besitzen, um den vielfältigen Entwicklungen eines Unternehmens gewachsen zu sein.
Ungünstig ist es dagegen, wenn die Eigenschaften eines Typs zu stark vertreten sind und andere komplett fehlen. Ein Gründer, der sich als Alexander-Manager fühlt und extrem dominant und narzisstisch ist, kann zur Gefahr werden, wenn sich ihm die anderen Teammitglieder völlig unterordnen und ihre Eigenschaften und Meinungen nicht mehr zur Geltung bringen. Ein solcher überdominanter Manager kann die anderen Teammitglieder so beherrschen, dass sie sich aufgrund seiner dämonenhaften Beeinflussung ins eigene Unglück stürzen, wenn es zu seinem Vorteil ist. Man springt dann auf Kommando des überdominanten Kollegen quasi gemeinsam von der Brücke. Das eigene Urteilsvermögen wird dann ausgeschaltet. Selbst wenn dieses extrem klingen sollte, so habe ich doch solche Situationen erlebt.
In einem Fall wollte ein Teammitglied ein neues Lebensmodell einschlagen und das gegründete Unternehmen verlassen. Da er es den anderen Gründern nicht gönnte, das Unternehmen ohne ihn weiter zu führen, beeinflusste er sie so lange, bis sie ebenfalls das Unternehmen aufgaben. Der dominante Partner hatte damit nicht nur sein eigenes, sondern auch deren Unternehmensvermögen vernichtet.
Eine extreme Dominanz kann von allen genannten Manager-Typen ausgehen und nicht nur vom Alexander-Typ. Die Dominanz kann sich auch subtiler psychologischer Manipulationsmöglichkeiten bedienen.
Es kommt eben beim Gründerteam auf eine ausgewogene Mischung der Typen an. Kritisch bin ich deshalb, wenn die Gründer bereits langjährige Freunde sind, das gleiche Fach studieren und sich sehr ähnlich sind. Diversity ist deshalb zurzeit nicht nur ein Schlagwort, sondern als Richtlinie zur Gestaltung des Teams sehr hilfreich.
Mit der personellen Zusammensetzung des Teams ist eng auch die Verteilung der Gesellschaftsanteile verbunden. Es ist falsch, hier eine vermeintliche Kameradschaftshaltung einzunehmen und z. B. alle Gründer gleich hoch zu beteiligen. Gibt es einen ausgesprochenen Alexander-Typ, ohne den die Gründung keinen Sinn machen würde, dann muss er auch die Mehrheit des Unternehmens besitzen. Umgekehrt ist es falsch, einen eher schwachen Gründer hoch zu beteiligen, da dies später fähige Mitarbeiter abschreckt, bei dem Unternehmen anzufangen. Die Unternehmensstory und die diese repräsentierenden Eigentümer sind immer noch das beste Akquisitionsmittel der Mitarbeiterwerbung. Auch sehen die anderen Gründer nach dem Gründungsrausch die Leistungsunterschiede und vergleichen sie mit dem Einfluss auf die Unternehmensgestaltung. Disproportionen sind dann eine Quelle ständigen Ärgers.
Die Diskussion über die Anteile ist sehr stressig und kann den ersten Streit herausfordern. Aber besser am Anfang Stress, der zu einer stabilen Lösung führt als eine vermeintlich kameradschaftliche Lösung, die später das Unternehmen in Gefahr bringt. Jedenfalls habe ich genug Unternehmen wegen fehlender Klarheit in der Anteilsstruktur scheitern gesehen.
4. Der Businessplan ist nur eine Fingerübung
Wer glaubt, dass er mit dem Besuch eines Volkshochschulkurses „BWL für Unternehmensgründer“ bestens gerüstet ist, um ein Unternehmen betriebswirtschaftlich sicher zu führen, irrt sich gewaltig. So werden dort in der Regel betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse von Dozenten vermittelt, die selbst noch nie Unternehmer waren, sogar häufig als Lehrer oder Uni-Dozenten nicht einmal in einem Unternehmen gearbeitet haben. Deshalb wird ein umfangreicher Standardstoff vermittelt, der für eine kaufmännische Ausbildung gut sein mag, aber einen Gründer eher auf einen Nebenkriegsschauplatz ablenkt und beschäftigt. Allerdings ist die Kenntnis einiger grundlegender betriebswirtschaftlichen Begriffe nicht nur hilfreich, sondern unabdingbar. So muss man wissen, dass Auftragseingang nicht gleich Umsatz und erst recht nicht gleich Zahlungseingang ist. Der Stolz, in einem Monat einen hohen Auftragseingang zu verzeichnen, relativiert sich für die finanzielle Situation des Unternehmens, wenn dieser erst in 6 Monaten zu einem Umsatz führt und erst nach weiteren 2 Monaten zu einem Zahlungseingang. Inzwischen kann das Unternehmen schon illiquide geworden sein. Man glaubt gar nicht, welche akademisch ausgebildeten Wirtschaftswissenschaftler diese Binsenweisheiten nicht beachten. Auch die wichtigsten Konkursgründe sollten jedem Gründer geläufig sein. Neben der Illiquidität ist es die Überschuldung. Besonders kritisch ist es, wenn die Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß abgeführt werden können. Hier drohen auch strafrechtliche Konsequenzen, wenn ein Konkurs verschleppt wird.
Ansonsten sollten möglichst viele administrativ-betriebswirtschaftliche Funktionen wie Buchhaltung, Beschaffung und Personalabrechnung an Dienstleister wie Steuerberater outgesourced werden, damit sich das Unternehmen auf sein Leistungsspektrum und besonders auf seine Kunden konzentrieren kann.
Auch wird in betriebswirtschaftlichen Kursen die Anfertigung eines Businessplans vor allem von der methodischen Seite vermittelt, also wie die Zeilen und Spalten aufgebaut, welche Größen einbezogen werden sollen, damit man sie hinterher in ein Spreadsheet eintragen kann.
Die Krux eines Businessplans ist aber nicht sein betriebswirtschaftlicher Aufbau, sondern sein Inhalt.
Es müssen Zahlen für Umsatz, Mitarbeiter, Kosten und Liquiditätsbedarf über mehrere Jahre im Voraus prognostiziert werden.
Die Kosten können wenigstens für das erste und zweite Jahr einigermaßen genau geschätzt werden, aber unheimlich wird es bei der Prognose des Umsatzes. Gründet man ein Dienstleistungsunternehmen (z. B. eine Unternehmensberatung), so kann die Anzahl der Mitarbeiter mal Beratungs-Tagessatz und Anzahl fakturierbarer Tage als Formel leicht aufgestellt werden. Unsicher ist aber, ob die geplante Anzahl Mitarbeiter wirklich eingestellt werden kann und ob sie wie geplant ausgelastet wird, ob also genügend Kundenprojekte akquiriert werden können.
Bei einer Produktentwicklung, die vorfinanziert werden muss, sind die Entwicklungszeit und die Verkäufe zu prognostizieren.
Kurz und gut, man muss den Kaffeesatz lesen können. In der Regel ist dann das Ergebnis, dass bereits im ersten Jahr die Kosten überschritten und die Erlöse unterschritten werden. Eine gute Faustregel ist, bei einem auch durch mehrere Diskussionsrunden abgestimmten Businessplan, die Kosten mit 1,5 und die Erlöse mit 0,5 zu multiplizieren und sich auf die sich dann ergebende Differenz des Gewinns bzw. Verlustes vorzubereiten. Diese Erfahrung gilt zumindest für die ersten ein bis zwei Jahre; dann allerdings sollte man genug Erfahrung über den Markt gesammelt haben, um die Faktoren etwas stärker der 1 anzunähern. Aber die Gefahr der Beschönigung bleibt. Dieses zeigt auch häufig das sogenannte Hockeystick-Phänomen. Darunter versteht man, dass bei einer Jahresplanung die ersten Monate moderat geplant sind, dann aber zum Jahresende die Umsatzzahlen exponentiell ansteigen. Nun gibt es den Fall, dass in bestimmten Branchen das letzte Quartal im Jahr besonders stark ist, weil z. B. bei vielen Kunden vorhandene Budgetreste ausgegeben werden, aber durch Hoffnung und Wunschdenken wird dies übertrieben.
Warum sind Businesspläne so ungenau?
Ein Grund kann sein, dass die Gründer auf der Suche nach Kapitalgebern sind und deshalb die Zahlen schönen. Wenn das so ist, dann ist das zwar nicht die feine Art, Investoren ins Risiko zu locken, aber die Gründer haben wenigstens im Geheimen eine realistische Sicht.
Der Hauptgrund liegt aber m. E. darin, dass die Gründer einer Planungsillusion oder -euphorie erliegen. In ihrer Begeisterung für ihre Gründungsidee und mit der Aussicht, bekannten Vorbildern nachzueifern, malen sie sich die Welt rosarot. Es ist ja auch so leicht, in ein Spreadsheet neue, „verbesserte“ Zahlen einzutragen und dann zu sehen, wie sich die Erfolgsgrößen explosionsartig nach oben bewegen. Schon sieht man sich bereits nach wenigen Jahren als Millionär.
Der Effekt der Planungsillusion hat zwei Seiten.
Einmal führt er zu Enttäuschungen der Gründer und zur Lösung der finanziellen Schieflage müssen neue Geldmittel beschafft werden und damit ändert sich häufig auch die Struktur der Anteilseigner zu Lasten der Gründer (darauf wird später noch eingegangen; vgl. Punkt 6: Vorsicht bei Geldgebern). Er kann aber auch gleich zum Exit des Unternehmens führen, wenn keine Gelder beschafft werden können.
Positiv an der Planungsillusion ist andererseits, dass dadurch überhaupt der Mut, ein Unternehmen zu gründen, geweckt oder verstärkt wird. Viele Unternehmen würden nicht gegründet, wenn man von vornherein die sich später ergebenden Zahlen in das Spreadsheet eingetragen hätte.
Die Überbetonung der Chancen gegenüber den Risiken scheint ein generelles Phänomen zu sein und führt dazu, dass Seefahrer in unbekanntes Gewässer gesegelt sind, um neue Kontinente (und damit Reichtum) zu entdecken oder dass von zahlenmäßig unterlegenen Armeen Kriege begonnen wurden. Wichtige Fortschritte der Menschheit sind auf diesen Effekt zurückzuführen, denn in einigen Fällen werden die Pläne schließlich auch erreicht oder sogar übertroffen und von den vielen gescheiterten hört und liest man weniger.
Wie kann man sich gegenüber übertriebener Planungsillusion absichern?
Ein wichtiger Weg ist, sich einen neutralen Blick von außen zu verschaffen, der den Optimismus relativiert. Wenn für den Gesamtmarkt von erfahrener Stelle ein Wachstum in Höhe von 5 % geschätzt wird, was befähigt dann das Start-up-Unternehmen dazu, ein Wachstum von z. B. 50 % zu planen? Ist die Idee wirklich so neu und einzigartig? Häufig will man Einwände, dass bereits größere Konkurrenten mit ähnlichen Gedanken am Markt sind, gar nicht zur Kenntnis nehmen. Der Sparring mit erfahrenen Branchenkennern ist ein guter Weg, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren.
Ein noch so schön mehrfarbig ausgedruckter Businessplan ist jedenfalls meistens nicht sein Papier und die Druckerfarbe wert.
5. Wie findet man den ersten Kunden?
Besser nicht nur den ersten Kunden, sondern den ersten größeren Kundenauftrag. Eine Gründung, bei der geplant ist, in einem bestimmten Zeitraum, z. B. einem halben Jahr, den ersten Kundenauftrag zu akquirieren, ist gefährlich. Denn während dieser „Vorlauf“-Zeit fallen bereits Kosten an und diesen Rucksack muss man später mitschleppen.
Außerdem ist nicht gesagt, dass in der geplanten Zeit tatsächlich ein Auftrag kommt, so dass immer mehr Geld verbrannt wird. Der Druck, einen Auftrag zu akquirieren wird dann immer grösser, und dies wirkt sich nicht gerade förderlich auf die Begeisterung des Gründungsteams aus.
Deshalb sollte man mit allen Mitteln versuchen, nicht “kalt“ sondern „warm“ zu starten, also bereits bei der Gründung einen Auftrag in der Tasche zu haben. Dann können die Kosten gleich dem Auftrag zugerechnet werden, es kommt Geld in die Kasse und auch das Gründungsteam ist motiviert und nicht einem so starken Druck ausgesetzt.
Aber wie bekommt man den ersten Kunden?
Bei einer Ausgründung aus der Uni kann der Industriepartner eines Forschungsprojektes eine gute Anlaufstelle sein. Man hat bereits mit ihm zusammengearbeitet, so dass zwischen Gründern und Mitarbeitern des Unternehmens persönliche Kontakte bestehen. Man kann vorsichtig vorfühlen, ob das Unternehmen bereit ist, im Falle einer Unternehmensgründung einen Auftrag zu erteilen. Vielleicht schließt sich die professionelle Umsetzung des Forschungsergebnisses sogar nahtlos an das Forschungsprojekt an. Dann ist das Unternehmen froh, einen eingearbeiteten, professionell arbeitenden Partner zu haben. Allerdings kann man dann auch dem Forschungsinstitut einen Folgeauftrag wegnehmen, so dass dieses zu Verstimmungen führen kann. Aber mit Hinweis auf die doch jetzt mehr praktisch orientierte Tätigkeit und dem Interesse des Institutes, Gründungen zu unterstützen, kann diesem entgegengewirkt werden.
Da beim Forschungsprojekt der Industriepartner moderate Kostensätze des Institutes gewohnt war und er auch staatliche Förderungen erhielt, können die Preisverhandlungen aber schwierig werden.
Auch die Uni selbst kann als Auftraggeber in Betracht kommen, wenn man Leistungen anbietet, die für sie von Nutzen sind. Bei dem von mir gegründeten E-Learning Unternehmen imc AG in Saarbrücken konnten wir unsere Software bei der Uni in Saarbrücken einsetzen und erhielten auch eine finanzielle Unterstützung durch das Saarland.
Da heute immer mehr öffentlich geförderte Forschungsprojekte die Beteiligung von Industriepartnern verlangen und dabei auch kleine Unternehmen gerne einbezogen werden sollen, kann man sich als Antragspartner in ein Forschungskonsortium einbringen (am besten bei seinem alten Institut). Dafür kann man formal das Unternehmen gründen, ohne dass es bereits aktiv ist und erst starten, wenn der Antrag genehmigt ist.
Natürlich kann man auch seinen Bekanntenkreis durchforsten, ob ein Entscheider in einem passenden Unternehmen für die Gründungsidee zu begeistern ist.
Bei einer Ausgründung aus einem Unternehmen ist meistens der Kontakt zur Forschungsszene nicht mehr so intensiv, trotzdem sollte auch da über alte Verbindungen der Weg zu Forschungsinstituten und -mitteln gesucht werden. Sie sind meistens leichter zu beschaffen als Aufträge von der Wirtschaft.
Bei einem Spin-off aus einem Unternehmen liegt es nahe, einen Kunden oder sogar ein Projekt „mitzunehmen“. Auch hier liegen ja Kontakte vor, die genutzt werden können. Häufig haben aber Mitarbeiter in ihren Arbeitsverträgen Konkurrenzklauseln, die ihnen die Zusammenarbeit mit einem Kunden des Unternehmens, mit dem der Gründer befasst war, zumindest für eine gewisse Zeit verbietet. Hier muss man sich dann juristisch beraten lassen, wie ernst diese Klauseln zu nehmen sind. Häufig gelten sie nur bei einem Wechsel zu einem Konkurrenten des Unternehmens und nicht bei einer Neugründung. Auch stehen die Arbeitsgerichte gerne bei einem Streitfall auf der Seite des Schwächeren, also der Neugründung. Trotzdem sollte eine saubere Trennung gesucht werden, denn vielleicht ergibt sich ja auch noch die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. So kann es sein, dass der Kunde auf die weitere Beschäftigung eines Gründers in dem laufenden Projekt besteht und das Unternehmen bereit ist, dem Gründer einen Unterauftrag zu erteilen.
Auf jeden Fall ist ein „Warmstart“ dringendst zu empfehlen.
Der erste Kundenauftrag entlastet das Unternehmen nicht nur finanziell, sondern beeinflusst auch die weitere strategische Entwicklung. Der Kunde stellt Anforderungen an die Produktentwicklung oder an die zu erbringende Dienstleistung, so dass diese weiter entwickelt werden. Mit diesen Funktionalitäten und Referenzen werden die Gründer versuchen, den nächsten Kundenauftrag zu akquirieren. Damit bekommt das Unternehmen aus den Kundenprojekten eine Richtung vorgezeichnet. Dabei muss es allerdings beachten, dass das eigene Konzept nicht verlorengeht.
Jedenfalls ist der erste Kunde ein bleibendes Erlebnis. Ich kann noch heute (nach über 30 Jahren) die ersten Kunden der IDS Scheer mit Ansprechpartnern nennen und weiß, dass es vielen erfolgreichen Unternehmensgründern ähnlich geht. Das erste Kundenprojekt ist und bleibt eben das spannendste.
6. Vorsicht bei Geldgebern.
Kein professioneller Investor gibt einem Gründer allein wegen seiner schönen Augen Geld, sondern er betrachtet Risiko, Rendite und wie er den Umgang mit seinem Geld kontrollieren kann, also wie er das Unternehmen beeinflussen kann. Diese Zusammenhänge sind denkbar einfach, werden aber häufig nicht genug beachtet und können zum traumatischen Schreckenserlebnis der Gründer führen.
Je höher das Risiko, desto höher sind die Renditeforderungen des Geldgebers und seine Forderung auf Einflussnahme und Kontrolle. Dieser Grundsatz gilt für alle Formen der Geldeinlage, sei es in Form von Krediten oder Beteiligungen. Deshalb sollen hier auch nicht alle Finanzierungsformen systematisch erörtert werden, die findet man in jedem einführenden betriebswirtschaftlichen Lehrbuch, sondern auf die für alle Formen gültigen, wichtigsten Kriterien zur Beurteilung einer Finanzierung eingegangen werden.
Zinssatz, Rückzahlung und Sicherheiten sind zentrale Punkte jeder Finanzierungsvereinbarung. Bei Krediten sind sie relativ leicht dem Darlehensvertrag zu entnehmen. Trotzdem gilt es aufzupassen, ob nicht versteckte Zahlungen in Form von zusätzlichen Boni für den Kreditgeber, z. B. bei Gewinnerzielung des Unternehmens, zu leisten sind. Gerade bei einer stillen Beteiligung, bei der der Kreditgeber nicht als Anteilseigner auftritt, aber sein „Kredit“ den Charakter einer Beteiligung besitzt, gibt es solche Zusätze. Staatliche Banken schmücken sich zwar gerne als Wirtschaftsförderungsinstitutionen mit ihrem „Förderungsattribut“, verlangen aber dann doch auch erhebliche Zinssätze.
Jeder Investor möchte sein eingebrachtes Geld gesichert sehen. Dazu wird der Gründer genötigt, unabhängig von der geplanten Rechtsform des Unternehmens, sein Privatvermögen einzusetzen. Er muss es verpfänden oder eine Bürgschaft eingehen. Wenn er dazu nicht in der Lage ist, kann er einen Bürgen suchen, vielleicht seinen Lebenspartner oder Verwandte. Ich habe schon erlebt, dass ein Lebenspartner aus Unkenntnis oder blauäugigem Vertrauen sein ererbtes Elternhaus für den Partner verpfändet hat und bei späterer Inanspruchnahme aus allen Wolken fiel und das gesamte Vermögen verloren hat, mit entsprechenden Konsequenzen auch für das Partnerverhältnis.
Da auch die Beteiligungsanteile des Gründers zu seinem Vermögen gehören, kann er sie als Sicherheit einbringen. Da sie bei der Gründung nur einen relativ geringen Wert besitzen, kann ihm bei Inanspruchnahme der Pfändung für einen geringen Kreditbetrag sein Unternehmen weitgehend verloren gehen.
Bei einer Beteiligung des Investors als Gesellschafter brauchen zwar keine Zinsen gezahlt zu werden und auch eine Rückzahlung ist nicht vorgesehen, aber auch hier ist Vorsicht geboten. Vor allem sind die Vereinbarungen über Prioritäten bei der Gewinnausschüttung genauestens zu lesen.
Sowohl Banken und stille Gesellschafter sichern sich bei Krediten häufig Prioritäten bei der Bedienung ihrer Kredite im Konkursfall. Aber auch Venture Capital Fonds fordern häufig Prioritäten bei der Gewinnausschüttung und bei der Bedienung im Konkursfall oder bei einem Unternehmensverkauf. Dieses kann dazu führen, dass bei einem Verkauf des Unternehmens für den Gründer nichts mehr übrig bleibt, weil die externen Geldgeber bereits den Kaufpreis zur Rückzahlung ihrer Kredite oder ihrer Beteiligung aufgebraucht haben.
Kommen wir zu einem positiveren Punkt. Auch bei Venture Fonds setzt sich die Erkenntnis durch, dass Geld alleine noch keine Gründung erfolgreich macht. Sie bieten deshalb dem Gründer kontinuierliche Hilfe bei der Überarbeitung seines Businessplans an und verknüpfen das Unternehmen mit einem Netzwerk von branchenerfahrenen Experten und vermitteln Kundenkontakte. Dieses können in der Tat wirkliche Hilfen sein. Besonders positiv sind Business Angels als Gesellschafter, die neben ihrer Einlage, auch mit Engagement und Erfahrung zur Seite stehen. Gute Ratschläge sind häufig wichtiger als Geld.
Geldgeber wollen wissen, wie die Geschäftsführung mit den Risiken ihres Geldes umgehen. Deshalb beanspruchen sie Sitze im Aufsichtsrat (bei einer AG) oder im Beirat (bei einer GmbH). Dieses ist zun>ächst ihr gutes Recht, wenn ihre Präsenz auch ihren Gesellschafteranteilen ungefähr entspricht. Häufig verlangen sie aber auch mehr Sitze als ihnen zustehen oder genehmigen sich einen „Berater“, der regelmäßig an den Sitzungen teilnehmen darf.
Gebräuchlich ist auch, wenn der Investor nicht über entsprechende Quoren (25,1 %; 50,1 % oder 75,1 %) verfügt, dass bei Entscheidungen trotzdem nicht gegen ihn entschieden werden kann. Es werden dann sogenannte zustimmungspflichtige Vorgänge ohne Rücksicht auf die Quoren definiert. Diese Listen können recht detailliert sein und z.B. die Einstellung von Mitarbeitern ab einer gewissen Gehaltshöhe, Mietverträge, Beteiligungen an anderen Unternehmen usw. umfassen. Leicht kommen so 10 bis 20 Punkte zusammen. Sie führen zu schwerfälligen Abstimmungsvorgängen und können die Unternehmensentwicklung hemmen. In letzter Zeit haben auch etablierte Großunternehmen aus der Wirtschaft Venture Fonds aufgelegt. Da dann häufig bürokratische Abläufe aus der Großunternehmenswelt übernommen werden, sind solche Gesellschafter dann besonders schwerfällig.
Das Schlimmste sind aber die sogenannten Finanzierungsrunden. Meistens ist es nämlich mit einem einmaligen Kapitalbedarf des Unternehmens bei der Gründung nicht getan, sondern wegen negativer Geschäftsentwicklung oder erhöhtem Wachstum wird weiteres Geld benötigt. Manchmal geben Investoren auch nur gerade so viel Kapital, dass das erste Jahr gesichert ist und warten dann schon auf die nächste Finanzierungsrunde. In vielen Fällen wird das Unternehmen so jahrelang von einer Finanzierungsrunde in die nächste geleitet.
Dieses hat häufig desaströse Auswirkungen auf das Verhalten der Geschäftsführung und die Struktur der Anteilseigner.
Um die Investoren zu einer neuen Geldspritze zu bewegen, werden die Unternehmenspräsentationen auf deren Interessen fokussiert. Das Unternehmen wird hauptsächlich durch Finanzzahlen präsentiert. Diese werden natürlich besonders vorteilhaft geschmückt. Chancen für große Aufträge werden überzeichnet, angedachte Partnerschaften als schon so gut wie besiegelt dargestellt usw. Die Geschäftsleitung verbringt einen großen Teil ihrer Zeit mit den Investoren, um die Zahlen zu diskutieren, anstatt sich um das Geschäft zu kümmern. Kurz: Der Fokus wird verkehrt; man konzentriert sich auf Finanzierungsfragen anstatt auf Kunden und Produktentwicklung. Ich habe erlebt, dass dieses Verhalten sich bis auf Kleidung, Sprachstil und Auftreten auswirkt. Die Gründer verhalten sich plötzlich wie gelackte Finanzjongleure und nicht mehr wie engagierte Unternehmer.
Nach jeder Finanzierungsrunde verschieben sich die Anteile. Finanzierungen werden in der Regel durch Kapitalerhöhungen durchgeführt, bei der jeder Gesellschafter gemäß seinem Anteil mitgehen kann, also so viel Geld nachschießen kann, dass sein prozentualer Anteil erhalten bleibt. Hat er aber das Geld nicht, vermehren sich die relativen Anteile der anderen. Da der Gründer in der Regel ja noch kein Geld mit dem Unternehmen verdient hat, kann er bei der Kapitalerhöhung nicht mitgehen. Das führt dazu, dass nach wenigen Runden der Gründer kaum noch Anteile besitzt, er u.U. sogar Haftungen eingegangen ist und bei der Verteilung des Unternehmensgewinns oder dem Unternehmensverkauf nachrangig bedient wird.
Venture Capital Gesellschaften folgen weitgehend einem Statistikmodell. Sie investieren in eine Reihe von Unternehmen, häufig in mehrere Hunderte und gehen davon aus, dass nur ein geringer Prozentsatz wirklich erfolgreich sein wird. Die Erfolgreichen müssen dann die Verluste der anderen tragen. Dies ist ein sehr hartes Modell, weil man sich um die Gescheiterten keine Gedanken mehr macht. Die Gründer der gescheiterten Unternehmen haben dann zwar etwas fürs Leben gelernt, aber auch einen nachhaltigen Dämpfer ihrer Begeisterungsfähigkeit erfahren. Das ist den Investoren ziemlich egal. Ich habe jedenfalls noch keinen mitfühlenden Finanzhai im Gründerbecken kennengelernt.
Kann man sich als Gründer vor diesen Gefahren schützen?
Zunächst darf man sich nicht von den sofort in Aussicht gestellten, hohen Beträgen der interessierten Investoren blenden lassen. Die z.B. in Aussicht gestellten 300.000 Euro sind zwar ein hoher Betrag, aber auch wieder nicht so viel, dass er nicht innerhalb des ersten Jahres leicht verbraucht werden kann. Der Gründer sieht diese „Kreditwürdigkeit“ als Anerkennung seiner Gründungsidee an, fühlt sich geschmeichelt und ist geneigt, über die Konsequenzen und das Kleingedruckte hinwegzusehen. Vor dieser Verblendung hilft der kühle Kopf eines guten Beraters.
Wichtig ist, dass Vertragsentwürfe sorgfältig gelesen und analysiert werden. Die Geldgeber legen zunächst ihren Standardvertrag vor, der alle für sie günstigen Regelungen enthält. Hier muss der Gründer seine Gegenvorschläge in die Verhandlung einbringen. Dazu braucht er gute Argumentationsunterstützung. Gute Rechtsanwälte sind teuer, aber am Ende doch ihr Geld wert. Gerade bei Verhandlungen über Kapitalbeteiligungen sind auf „Merger and Acquisition (M&A)“ spezialisierte Anwaltskanzleien zu empfehlen. Je erfahrener ein Anwalt ist, umso schneller weiß er, wo der Vertragspartner zu weit gegangen ist und man ganze Passagen aus dem Vertrag streichen kann.
Der beste Rat ist aber, keine Fremdmittel aufzunehmen und so schnell wie möglich Gewinn zu erzielen, damit kein weiterer Kapitalbedarf entsteht. Das heißt, dass man sich nach der Decke strecken muss. Man muss dann auf überstürztes Wachstum verzichten, sondern kann nur so schnell wachsen, wie es die Kapitaldecke zulässt. So habe ich es mit der von mir gegründeten IDS Scheer gehalten und so hält es z.B. auch die SAP AG.
Trotzdem gibt es auch Beispiele, bei denen nach mehreren Finanzierungsrunden mit der Verwässerung der Anteile die Gründer mehr als reich geworden sind. Dieses gilt z.B. für Unternehmen wie Google oder Facebook. Hier hat dann der riesige Unternehmenswert auch bei einem kleinen Anteilsprozentsatz noch zu einem großen Vermögenswert geführt. Bei diesen Beispielen waren die Investoren auch im wesentlichen Business Angels, die ihr Vermögen in der IT-Branche erwirtschaftet hatten und den Unternehmen mit Rat und Tat helfen konnten. In den USA ist die Investitionssumme von Business Angels höher als die von Venture Capital Gesellschaften.
7. Kosten minimieren.
Will man Abhängigkeiten von Geldgebern vermeiden und sich nach der Decke strecken, gilt es, so wenig Kosten zu verursachen wie möglich.
Einen repräsentativen Auftritt sollte sich ein Gründungsunternehmen höchstens leisten, wenn das Unternehmen bereits viel Geld verdient, aber nicht von geliehenem Geld. Vielmehr sollten möglichst alle Mittel für den Aufbau des Geschäftes eingesetzt werden.
Es ist selbstverständlich, dass sich die Gründer nur ein geringes Gehalt zahlen. Schließlich sollte ihre Zielsetzung die Maximierung ihres Vermögens und nicht die des Einkommens sein, sonst sollten sie lieber einen Angestelltenstatus anstreben.
Auch der Wunsch, mit dem Unternehmen in eine schicke Altbauvilla zu ziehen, sollte erst einmal zurückgestellt werden. Vielmehr gibt es kostengünstigere Mietobjekte: Um Universitäten und Technologiezentren gibt es Starterzentren und Science Parks, in die Start-ups zu günstigen (subventionierten) Mieten einziehen können. Auf dem Papier ist das zwar nur für eine begrenzte Zeit (z.B. 3–5 Jahre) möglich, aber wenn keine neuen Interessenten drängen, kann man das Mietverhältnis auch ausdehnen.
Der Vorteil von solchen Zentren besteht zudem darin, dass die Gründer Kontakt zu den anderen Unternehmen bekommen und sich über gemeinsame Probleme austauschen und voneinander lernen können.
Lieber würden sich Gründer zwar in ein abgeschiedenes Gebäude zurückziehen, um dort ihre Eigenständigkeit besser betonen und ihr unternehmerisches Ego besser pflegen zu können, aber diese Marotten sollten erst einmal zurückgestellt werden.
Überhaupt ist zu raten, soweit es geht öffentlich zugängliche Einrichtungen zu nutzen, anstatt sie selbst aufzubauen. So können bei einer Ausgründung aus der Uni teure Laborplätze samt Apparaturen der Uni weiter genutzt werden. Selbst wenn eine Nutzungsgebühr gezahlt werden muss, ist dies günstiger als die eigene Investition. Auch dieses Argument spricht für den Standort des Unternehmens in der Nähe zur Uni. Auch kann die Mensa als preisgünstiger Mittagstisch genutzt werden.
Die Ausstattung der Büros sollte auch günstig sein. Die Anschaffung von USM-Möbeln, so schön sie auch aussehen, ist bis nach der Feier der ersten Million Euro (Netto-)Gewinn aufzuschieben. Von dem Unternehmen Amazon wird berichtet, dass für die Schreibtische in den Büros Spanplatten verwendet werden, aus denen normalerweise Türen hergestellt werden. Und das Unternehmen ist trotzdem erfolgreich!
Die Gehälter der Gründer sind natürlich bescheiden. Sie sind ja Unternehmer und ihre Jahresbezüge müssen sich nach dem Jahresergebnis ihres Unternehmens richten. Ihre Zielsetzung ist ja auch nicht wie bei Angestellten die Maximierung ihres Einkommens, sondern des Vermögens. Auch für die einzustellenden Mitarbeiter können am Anfang keine hohen Gehälter gezahlt werden. Sie müssen mehr über die spannende Unternehmensstory angezogen werden, also durch die Möglichkeit mitzuhelfen, durch eine großartige Idee die Welt verändern zu können. Dies glaubhaft zu vermitteln ist gleichzeitig eine Herausforderung an das Charisma der Unternehmensführung. Alexander der Große schaffte es jedenfalls, sein Heer mit der Aussicht auf ewigen Ruhm zu motivieren. Steve Jobs hat einen Top-Manager von einem Cola-Weltunternehmen mit dem Satz abgeworben: „Willst Du weiter Zuckerwasser verkaufen oder mit Apple die Welt verändern?“
Auch Reisekosten sind gestaltbar. Zwar sind Reisen, insbesondere zu Kunden, unabdingbar, aber ein Auto der unteren Mittelklasse ist als Dienstwagen angemessen. Bei Bahnfahrten genügt die zweite Klasse mit Bahncard und Hotelzimmer können im Internet günstig gebucht werden. Bei einer meiner Gründungen haben die geschäftsführenden Gesellschafter aus Kostengründen im Doppelzimmer übernachtet.
Diese Ratschläge zu Sparsamkeit und Bescheidenheit sollen nicht die Lust an der Unternehmensgründung verleiden. Das Einsparen von Kosten ist aber ein wichtiger Weg, um Abhängigkeiten von Geldgebern zu mindern. Dies gilt nicht nur für das Verhalten der Gründer, sondern über deren Vorbildfunktion überträgt es sich auch auf das Verhalten der hinzukommenden Mitarbeiter. Umgekehrt werden Mitarbeiter Sparappelle kaum akzeptieren, wenn sie sehen, dass der Chef und Gründer als Dienstwagen einen Porsche fährt, Bahnfahrten 1. Klasse nutzt und in Nobelhotels übernachtet. Gute Unternehmer sind dagegen bescheiden, kostenbewusst und setzen das Geld zum Wohle des Unternehmens ein.
Nicht ohne Grund sind viele Gründer jung. Sie sind es dann von ihrer Uni-Zeit her gewohnt, mit einem kleinen Budget zu leben. Sind dagegen die Gründer bereits etabliert in ihrem Angestelltenstatus und besitzen Familie, ein dickes Auto, ein abzubezahlendes Haus und einen durchaus gehobenen Lebensstil, dann fällt es ihnen schwer, einen Gang zurückzuschalten und auf Studentenniveau zurückzufallen. Ich habe einmal erlebt, wie bei einer Gründung von bereits etablierten Managern die einzelnen Mitarbeiterrollen mit den Ansprüchen auf die Größe der Firmenautos kombiniert wurden. Hier stand etabliertes Anspruchs- und Statusdenken vor Gründergeist und Unternehmertum. Natürlich geriet das Unternehmen in eine Kostenfalle.
Überhaupt, das leidige Thema Dienstwagen. Für viele Mitarbeiter ist es ein Prestigeargument, einen repräsentativen „Dienstwagen“ zu fahren. Sie können damit gegenüber ihrem familiären Umfeld und ihrem Freundeskreis ihren Firmenstatus besser dokumentieren, als durch eine Beschreibung ihrer Aufgabe, die gerade in Technologieunternehmen Branchenfremden nur schwer zu vermitteln ist. Aufgrund der Steuerregeln besteht kaum noch ein finanzieller Vorteil gegenüber einem Privatauto, das bei Dienstfahrten mit den zulässigen Sätzen abgerechnet wird. Wenn es irgendwie geht, sollte das Start-up-Unternehmen auf Dienstwagenregelungen verzichten – es erspart sich damit einen hohen Verwaltungsaufwand für das Flottenmanagement.
8. Partnerschaft: Der Partner schafft.
Dies klingt erst einmal negativ nach „Ausbeutung“ eines Partners durch den anderen. Aber dieser Satz gilt eben aus beiden Richtungen. Partnerschaften sind nur dann stabil, wenn sie für alle Beteiligten zu einer „win-win“-Situation führen.
Start-up-Unternehmen brauchen Partner, um erfolgreich zu wachsen, größere Kundenbeziehungen aufzubauen und zu internationalisieren.
Ganz allein diesen Weg zu gehen, ist fast unmöglich. Bill Gates wäre sicher nicht so schnell aus seiner Garage herausgekommen, wenn er nicht die Partnerschaft zu IBM gefunden hätte und nicht mit jedem IBM-PC automatisch sein Betriebssystem MS-DOS verkauft worden wäre. Auch die SAP hatte in ihrer Anfangszeit eine ähnliche Partnerschaft mit Siemens und IBM. Auch diese Großunternehmen verkauften die Software R2 des Start-up-Unternehmens SAP mit ihrer Hardware.
So stand den beiden Start-ups Microsoft und SAP sofort die gesamte Kundenbasis der Großunternehmen zur Verfügung. Sie brauchten kein eigenes teures Marketing- und Vertriebssystem aufzubauen und auch der Zugang zu internationalen Märkten war durch die Partner vorhanden.
Generell scheint für ein Start-up-Unternehmen aber der Aufbau solcher außergewöhnlich lohnenden Partnerschaften zunächst aussichtslos. Was kann es einem etablierten Unternehmen schon Attraktives anbieten? In den angeführten Fällen hatten die Start-ups Wissen und Systeme, die die Großunternehmen nicht hatten, aber dringend brauchten, um den Kunden den Nutzen ihrer eigenen Produkte zu zeigen. IBM hatte die Entwicklung des PC verschlafen und musste aufholen; dazu brauchte sie ein entsprechendes Betriebssystem, denn nur Hardware alleine macht für den Anwender keinen Sinn.
Ebenso brauchten Siemens und IBM damals für ihre neuen Dialogcomputer entsprechende Anwendungssoftware, die sie mit dem R2-System der SAP fanden.
Beide Beispiele sind natürlich extreme Glücksfälle für die Start-ups gewesen. Sie waren eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Trotzdem kann man allgemeine Erkenntnisse aus ihnen ableiten: Haben Großunternehmen einen neuen Trend verschlafen oder nur halb durchdacht (nur neue Hardware produziert und die zugehörige Software „vergessen“), sind sie bereit, auch mit Start-ups auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.
Aber man muss den Spruch beachten, dass es für eine Maus gefährlich ist, sich mit einem Elefanten ins Bett zu legen.
In beiden Fällen haben die Großunternehmen anschließend eigene Produkte entwickelt oder entwickeln wollen, um die Partnerschaft abzulösen. Da waren aber die Start-ups bereits stark genug, um diesen Angriff abzuwehren.
Ein Start-up muss bei der Suche nach Partnerschaften überlegen, wie es das Leistungsangebot des gewünschten Partners so verstärken kann, dass dieser seinen Kunden einen höheren Nutzen aufzeigen und damit seine Wettbewerbssituation verbessern kann.
Das Start-up darf also nicht bei einer Präsentation in Selbstverliebtheit den gesamten tollen Funktionsumfang seines Produktes präsentieren, sondern solche Funktionen betonen, die dem Partner einen Mehrwert bringen.
Chancen ergeben sich besonders in Zeiten von Technologiebrüchen, die Großunternehmen wegen des „Innovators Dilemma“-Effektes verpasst haben.
Aber auch die einem Kunden präsentierte generelle Partnerschaft mit einem innovativen Start-up kann dem Großen bereits von Nutzen sein, denn er zeigt seinem Kunden, dass er Innovationen gegenüber aufgeschlossen ist und damit auch dem Kunden Gewissheit geben kann, mit ihm einen zukunftssicheren Partner zu haben.
Dieses gilt besonders für Unternehmensberater, die ihren Kunden gerne „neue Themen“ präsentieren, um dann auch ihre traditionellen Projekte besser verkaufen zu können. Dafür unterhalten sie z. T. Demonstrationslabors, in denen Start-ups ihre Produkte ausstellen können. Hier Eintritt zu bekommen, ist für Start-ups erstrebenswert.
Wie findet man nun mögliche interessante Partner?
Ein wichtiger Kontakthof sind Messen wie die Cebit oder die Industriemesse in Hannover bzw. Spezialmessen. Hier kann ein Start-up zu geringen Kosten auf Gemeinschaftsständen seines Bundeslandes seine Produkte zeigen. Großunternehmen senden häufig Innovationsscouts zu diesen Messen, um neue Ideen und Kooperationspartner zu entdecken.
Aber auch die Zusammenarbeit in gemeinsamen, vom Staat oder der EU finanzierten Forschungsprojekten, kann zu weitergehenden Kooperationen führen. Das Start-up muss eben alle Kontaktmöglichkeiten nutzen, um auf seine Ideen aufmerksam zu machen. Dieses reicht von Vorträgen auf Fachtagungen über Pressemitteilungen bis zu penetrantem Antichambrieren bei einem großen Wunschpartner.
Aber es gibt auch Gefahren bei Partnerschaften mit Großunternehmen. Hat ein gemeinsamer Kunde ein festes Budget für ein bestimmtes Projekt definiert, so wird der Vertrieb des großen Partners versuchen, so viel wie möglich für sein eigenes Unternehmen zu sichern (schließlich bekommt er dafür die größeren Provisionen), so dass er zwar mit den Leistungen des Start-ups akquiriert, aber das Budget für sich behält. Hier muss das Start-up hartnäckig sein und versuchen, eine faire vertragliche Vereinbarung zu erwirken. Insbesondere darf das Start-up dem Partner nicht gestatten, eigenmächtige Preisnachlässe gegenüber dem Kunden zu geben. Dieses würde stark zu Lasten des Start-ups ausgenutzt werden.
Die zweite große Gefahr besteht darin, dass der Partner auf den Erfolg des Start-ups neidisch wird und das Produkt selbst entwickelt, also quasi kopiert. Hier kann man versuchen, sich vertraglich abzusichern. Dies wird aber bei dem ungleichen Kräfteverhältnis schwierig sein. Besser ist es, dass das Start-up durch seine eigenen Ideen das Produkt schnell weiterentwickelt und damit dem Partner auch für die Zukunft einen höheren Nutzen durch eine Zusammenarbeit verspricht.
Auch wird es bei einer erfolgreichen Zusammenarbeit Versuche des Partners geben, sich an dem Start-up finanziell zu beteiligen. Dabei wird er einen Anteil von über 50% anstreben, um den Umsatz in seiner Bilanz mit zu erfassen („konsolidieren“). Eventuell will er es auch ganz übernehmen, um es mit seinem Unternehmen zu verschmelzen. Das Angebot kann finanziell verlockend sein und auch mit der Drohung, bei Ablehnung des Angebotes die Partnerschaft zu beenden, verbunden sein. Jedenfalls sind die Gründer aufgerufen zu entscheiden, ob sie lieber kämpferisch ihre Unternehmereigenschaft behalten oder Kasse machen wollen. Hier muss sich dann ihr wahrer Unternehmercharakter beweisen.
Aber nicht nur ein großer Partner kann den kleineren bedrängen, sondern auch der kleinere hat Angriffsmöglichkeiten. So kann er zunächst im Windschatten der Partnerschaft die Wachstumsmöglichkeiten nutzen und dann, wenn er groß genug ist, sich aus dem Windschatten lösen und entweder seinen Weg alleine gehen, sich einen neuen Partner suchen oder sogar den bisherigen Partner angreifen, indem er in sein Businessmodell eindringt; schließlich hat er ja in der Partnerschaft viel darüber gelernt.
Wenn Großunternehmen natürlich große Ressourcen in die Partnerschaft mit einem Start-up einbringen können, sind oft kleine Unternehmen als Partner für ein Start-up zuverlässiger. Entwickelt man z.B. Softwareprodukte, dann kann man kleine Unternehmen als Vertriebspartner oder Implementierer der Software gewinnen. Man kann sie mit dem Innovationsgehalt der Produkte begeistern und fast ein kameradschaftliches Verhältnis zu ihnen aufbauen. Ist man selbst ein Spin-off aus der Uni, so können Kontakte zu anderen Unis helfen, junge passende Unternehmen aus deren Umfeld zu identifizieren oder sogar die Gründung von Start-ups zu motivieren. Dieser Vorgang kann später bei der Internationalisierung mit ausländischen Kontakten wiederholt werden.
Jedenfalls sind kleine engagierte Unternehmen, die sich voll zu Idee und Produkten des Start-up-Unternehmens bekennen, häufig wertvoller als „big names“, die die Produkte des Start-ups zwar mit auf ihre Preisliste setzen, um sich damit zu schmücken, am Ende aber doch mehr an ihren eigenen Umsatz denken.
Auch die Zusammenarbeit mit anderen Start-up-Unternehmen, auch aus nur benachbarten Arbeitsfeldern, ergibt Sinn. Neben einem Erfahrungsaustausch können auch Synergien genutzt werden. Ministerien und Kommunen unterhalten Technologiezentren oder folgen Clusterstrategien, in denen Partnerschaften geschmiedet werden können. Aber auch etablierte Unternehmen unterhalten Inkubatoren, in denen neu gegründete Unternehmen örtlich nah angesiedelt sind. Mit der von mir gegründeten Scheer Group als Holding verfolge ich ebenfalls ein solches Konzept. Die Scheer Group beteiligt sich finanziell an (jungen) Technologieunternehmen und unterstützt deren Wachstum durch Rat und Tat. Um die Kommunikation zwischen den Unternehmen zu erhöhen, damit gemeinsame Interessen erkannt werden können, sind alle Unternehmen in einem Gebäude am Campus der Universität des Saarlandes (Scheer Tower) untergebracht.
Neben den leicht hängenden Früchten eines gebündelten Einkaufs können bei diesen zunächst lockeren Partnerschaften auch gemeinsame Kundenveranstaltungen durchgeführt werden oder gemeinsame Schulungsangebote für die Mitarbeiter organisiert werden. Ein gemeinsamer Messestand kann bereits eine eindrucksvolle Größe haben und für jeden Einzelnen doch erschwinglich sein. Nach besserem Kennenlernen und dem Aufbau einer Vertrauensbasis können die Partnerschaften auch auf sensible Vertriebsaktivitäten ausgedehnt werden und mehr und mehr zu einer Shared-Service-Organisation führen. Ein gemeinsames Key-Account-Management, bei dem ein Vertriebsmitarbeiter einen Großkunden für alle am Partnernetz beteiligten Unternehmen betreut, besitzt z. B. den Vorteil, dass erstens überhaupt ein Großkunde intensiv und für jeden einzelnen kostengünstig betreut wird und zweitens dem Kunden ein breiteres Produktangebot unterbreitet werden kann, so dass das Netzwerk eine größere strategische Bedeutung für ihn bekommt als die Summe einzelner Nischenanbieter.
9. Den Hunger der Medien nach neuen Stories nutzen.
Journalisten sind ständig auf der Suche nach interessanten, neuen Themen. Da Start-ups ja besonders neue Ideen in interessanten (Megatrend-)Gebieten entwickeln, haben sie gute Chancen, Fachjournalisten zu begeistern und dann (kostenlos) in deren Beiträge aufgenommen zu werden. Mir ist es gelungen, als die IDS Scheer noch sehr klein war, mehrfach auf der Cebit in die Fernsehberichterstattung aufgenommen zu werden. Das Thema Technologietransfer aus der Universität war damals in Deutschland im Gegensatz zur USA neu und für die Journalisten attraktiv.
Zwei kleine Start-ups aus der Scheer Group haben es mit den Themen Energieeffizienz und Datenschutz sogar bis in die Tagesschau geschafft, obwohl sie noch kaum fertige Produkte, geschweige denn echte Kundenanwendungen aufweisen konnten. Aber begeisterten jungen Leuten nimmt man leichte Übertreibungen bei der Vorstellung ihrer Ideen nicht weiter übel. Auch die sympathischen Gründer zu zeigen ist schon eine Nachricht.
Man muss natürlich die Themen so aufbereiten, dass sie für den Laien interessant sind.
Auch Journalisten von der schreibenden Zunft sind für neue Themen aufgeschlossen. Erscheint ein Bericht zu dem Thema des Arbeitsgebietes eines Start-ups und dieses wird nicht erwähnt, dann kann man den Journalisten auf das eigene Konzept zu dem Thema schriftlich aufmerksam machen. In seinem nächsten Beitrag wird er das Unternehmen dann sicher erwähnen.
Auf jeden Fall muss ein Start-up sofort beginnen, eine Journalistendatei aufzubauen und die Journalisten ständig mit den Neuigkeiten des Unternehmens füttern. Darunter fallen Wachstumserfolge, erfolgreiche Kundenprojekte, neue Funktionalitäten der Produkte oder erhaltene Innovationspreise. Viele staatliche Institutionen, aber auch Unternehmen schreiben Innovationspreise aus. Selbst wenn keine besonderen Geldbeträge damit verbunden sind, müssen Start-ups daran teilnehmen.
Häufig gibt es Medienpartnerschaften mit den Veranstaltern und damit auch eine breite Berichterstattung. Selbst wenn man nicht gewinnt, lernt man von den Gewinnern und bekommt erste Kontakte zu einflussreichen Multiplikatoren.
Auch muss man Journalisten gezielt zu Kundenveranstaltungen einladen und sie dann besonders betreuen. Sie müssen das Gefühl bekommen, dass sie exklusive Informationen erhalten, denn nur dann hat sich der Reiseaufwand für sie gelohnt.
Häufig ergeben sich daraus auch engere Kontakte zu einzelnen Journalisten, bis dahin, dass man echte Fans gewinnt, die nur darauf warten, mit neuen Informationen angesprochen zu werden.
Die Visibilität in der (Presse-)Öffentlichkeit ist außerordentlich wichtig. Kunden bringen einem kleinen Unternehmen dadurch mehr Vertrauen entgegen oder ihre Neugier wird durch einen Presseartikel geweckt.
Ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit ist auch die Nutzung der sozialen Medien. Über Facebook und Twitter können Neuigkeiten verbreitet und Fangemeinden für das Unternehmen aufgebaut werden. Diese Form besitzt darüber hinaus den Vorteil, dass die Nutzung von dem Start-up selbständig durchgeführt werden kann und man nicht auf das Wohlgefallen von Journalisten angewiesen ist. Allerdings muss man einen entsprechenden Aufwand betreiben, um einen professionellen Auftritt zu gestalten. Aber dieser lohnt sich!
10. Was man noch nicht weiss, muss man lernen.
Nobody is perfect! Aber man kann ja ständig daran arbeiten. Eine unternehmerische Tätigkeit ist außerordentlich vielfältig. Man muss von allen wichtigen Aufgaben wie Produktentwicklung, Produktion, Recht, Finanzen, Vertrieb, Marketing, Strategieentwicklung, Projektsteuerung, Präsentationstechnik, Mitarbeiterführung, Verhandlungsführung, Einstellungsinterviews usw. mindestens so viel verstehen, dass man Expertengesprächen folgen kann und sich bei Entscheidungen ein eigenes Urteil bilden kann.
Nun hat ein Unternehmensgründer oft gerade mal sein Studium abgeschlossen und sieht sich diesen Anforderungen gegenüber. Keine Angst; überall wird nur mit Wasser gekocht und bei genügender Intelligenz und Willenskraft ist alles erlernbar. Überhaupt spielt das im Studium erworbene Fachwissen mit wachsender Unternehmensgröße eine immer geringer werdende Rolle. Immer daran denken: Bill Gates, Marc Zuckerberg und Steve Jobs haben nicht einmal ihr Studium abgeschlossen und sind doch große Unternehmerpersönlichkeiten geworden. In meinem Umfeld war ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler für die Softwareentwicklung zuständig und damit Vorgesetzter von über 100 studierten Informatikern und ein promovierter Informatiker leitete den Vertrieb.
Wichtig ist deshalb die Bereitschaft, sich neuem Wissen zu öffnen und lernen zu wollen. Eigentlich lernt der Mensch gerne und tut es von seiner ersten Minute bis zur Bahre.
Lernangebote gibt es genug. Neben massenhafter Literatur auch Summer Schools von Eliteuniversitäten oder Coaching-Angebote von Branchenverbänden und kommerziellen Beratern. Neben dem Lernerfolg besitzen Gruppenveranstaltungen den Vorteil, dass sich Netzwerke bilden, von denen jeder profitiert. In meiner Zeit als Präsident des Branchenverbandes Bitkom habe ich z.B. ein Coaching-Programm für Gründer und begabte Nachwuchsmanager ins Leben gerufen. Pro Jahr werden seitdem 15 bis 20 junge Menschen zu Gemeinschaftsveranstaltungen eingeladen und ihnen wird jeweils ein persönlicher Coach zugeordnet. Selbst vielbeschäftigte Top-Manager von Großunternehmen finden es sympathisch, sich als Coaches für Unternehmensgründer zu engagieren. Ich kenne Manager, die stolz von ihren 5 bis 7 Schützlingen berichten. Auch bereits pensionierte Manager finden hier eine lohnende Selbstbestätigung bei der Weitergabe ihrer Erfahrungen. Also keine Angst, von sich aus erfolgreiche Manager oder Unternehmensgründer anzusprechen und um Rat zu fragen. Er wird selten abgelehnt.
Da die Internationalisierung bei High-Tech-Unternehmen ein „must“ ist, ist das Erlernen von Fremdsprachen besonders wichtig. Ein Gründer, der sich bei einem Small Talk mit einem amerikanischem Kunden oder Partner sprachlich unwohl fühlt, sollte sich schnellstens einen Privatlehrer suchen und 3 mal pro Woche morgens zwischen 7.30 und 8.30 Uhr eine Frühstunde für Konversationsenglisch einlegen.
Heute bilden auch E-Learning-Angebote eine gute Hilfe. Hier ist man zeit- und ortsunabhängig und kann sich in der Freizeit oder bei einer Bahnfahrt über eine neue Fragestellung informieren.
Jeder Gründer in einem Team ist zunächst einmal für seine Weiterentwicklung selbst verantwortlich. Aber das Team muss auch darauf achten, dass kein Mitglied in seiner Entwicklung gegenüber den anderen zu weit zurückfällt. Deshalb müssen das Weiterbildungsthema offen im Gründerteam diskutiert werden, die Wissenslücken erkannt und entsprechende Maßnahmen aufgesetzt und den am besten geeigneten Teammitgliedern zugeteilt werden.
Sobald das Unternehmen größer wird, ist das Ausbildungsthema natürlich auch auf die Mitarbeiter auszudehnen. Hier gehört es dann zur Personalpolitik im Rahmen des Talentmanagements. Gerade im Kampf um die besten Mitarbeiter („war for talents“) sind Ausbildungsangebote ein wichtiger Akquisitionsfaktor zur Einstellung guter Mitarbeiter.
Auf jeden Fall gilt für Gründer: Anstatt sich im Urlaub spießig von Animateuren in einem Ferienclub unterhalten zu lassen, sollte man lieber einen Managementkurs in den USA besuchen. Aber eigentlich geht das auch nicht, denn erstens macht ein Gründer in den ersten Jahren keinen Urlaub und zweitens ist der Kurs zu teuer, denn wir wollen ja sparen. Also bleibt da eher der kostenlose MOOC-E- Learning-Kurs über Leadership, wie er z.B. von der von mir gegründeten imc AG angeboten wird (www.opencourseworld.de).
11. Fast Fail.
Noch einmal: „Nobody is perfect“, wir alle machen auch Fehler. Gerade beim Beschreiten neuer Wege kann man sich irren und eine falsche Richtung einschlagen. Hier liegt ein Vorteil von Start-ups gegenüber Großunternehmen. Hat sich ein Großunternehmen entschlossen, z.B. ein neues Produkt zu entwickeln, dann hat es vorher bereits viele Studien zur technischen Machbarkeit und zu Marktchancen erstellt. Mit der Entscheidung wird eine geeignete Organisation gebildet und ein mehrjähriges Budget genehmigt. Der Leiter der Organisation sieht in dem Projekt eine wichtige Karrierechance und wird alles dransetzen, das Projekt erfolgreich abzuwickeln. Zwar muss der Leiter regelmäßig über den Status seines Projektes berichten, aber selbst wenn Zeitverzögerungen oder Kostenüberschreitungen auftreten, wird das Projekt nicht sofort gestoppt. Wenn der Tanker erst einmal fährt, ist es schwierig, ihn zu bremsen oder seine Richtung zu ändern.
Hier liegt ein großer Vorteil für Start-ups. Sie besitzen in der Regel nicht so viel Kapital, um eine Entwicklung über das knappe Budget hinaus zu finanzieren und müssen deshalb ständig und viel kritischer die Erfolgswahrscheinlichkeit der Entwicklung prüfen. Damit müssen sie schneller die Stopp-Entscheidung für eine Entwicklung treffen oder die Entwicklung geänderten Bedingungen anpassen.
Von der SAP AG ist bekannt, dass die Entwicklung des internationalen Erfolgsproduktes R3 zunächst als eine IBM-proprietäre Software für den Mittelstand geplant war, dann aber aufgrund von Performance-Problemen auf eine UNIX-Lösung umgestellt wurde und primär an Großunternehmen verkauft wurde. Häufig liegt die erfolgreiche Lösung nicht weit von der zunächst verfolgten Idee entfernt. Man muss dies nur erkennen und flexibel genug sein, sich zu korrigieren. Die SAP AG war zu der Zeit der R3-Entwicklung noch vergleichsweise klein (nach meiner Erinnerung weniger als 1.000 Mitarbeiter) und hatte vor allem noch das Verhalten eines Start-ups.
Das schnelle Erkennen von Fehlentwicklungen und das flexible Reagieren darauf sind nicht auf Produktentwicklungen beschränkt. Es gilt für die gesamte Unternehmensstrategie, die eingeführte Organisationsstruktur und die eingestellten Mitarbeiter. Ein Start-up-Unternehmen kann es sich nicht leisten, gegen besseres Wissen an einmal getroffenen Entscheidungen festzuhalten. Dies ist ein großer Wettbewerbsvorteil gegenüber Großunternehmen.
12. Wer nicht wächst, stirbt.
Start-up-Unternehmen müssen schnell wachsen, sonst verlieren sie ihre Aura des Erfolges. Nur wenn sie eindrucksvolle Zuwachsraten bei Mitarbeiterzahl, Umsatz und Gewinn haben, sind sie für interessante Mitarbeiter als Arbeitgeber attraktiv, denn nur dann eröffnen sie lohnende Aufstiegschancen. Eine Seitwärtsbewegung des Umsatzes wird in den Augen des Marktes bereits als Abstieg gewertet.
Dies bedeutet, dass die Gründer einen entsprechenden Wachstumsantrieb besitzen. Wenn sie nach dem Motto „klein, aber fein“ ihr Unternehmen steuern wollen oder nur eine bequeme regionale Bedeutung ohne mühevolle Reisetätigkeiten haben wollen, garantiere ich für eine nur kurze Lebensdauer. Will man aber in dem Unternehmen „in Rente gehen“, muss es sich auf dem Markt stabilisieren und das heißt in der High-Tech-Industrie, dass es sich auch international durchsetzen muss.
Klassisch gilt, zunächst auf dem Heimatmarkt Fuß zu fassen. Er ist am leichtesten und kostengünstigsten zu bearbeiten. Mit dem dort verdienten Geld kann man dann den Schritt ins Ausland wagen. Dieser Ansatz funktioniert aber in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr. Vielmehr muss man auch die Internationalisierung sofort betreiben. Viele deutsche erfolgreiche Kunden aus Maschinenbau oder Automobilindustrie sind international tätig und verlangen eine internationale Betreuung. Ist das eigene Geschäftsmodell wirklich so innovativ, wird es auch vom Ausland nachgefragt und man darf nicht warten, bis es ein ausländisches Unternehmen kopiert.
Ich habe einmal einen Workshop mit mittelständischen Softwareunternehmern in Deutschland über Internationalisierungsstrategien geleitet. Dabei war ich erstaunt und erschrocken, dass sich die meisten der teilnehmenden Unternehmer mit einer begrenzten Internationalisierung zufrieden gaben. Tochtergesellschaften in Österreich und der Schweiz wurden bereits als Erfolge genannt und eine Partnerschaft mit einem Unternehmen in China mit großem Stolz beschrieben. Der Drang, mit den eigenen Produkten die ganze Welt zu erobern, war aber nicht zu verspüren. Dabei sieht jeder mit einem Blick auf seinen Laptop, dass der IT-Markt global ist: Die Hardware kommt überwiegend aus Asien und die Software aus den USA. Wenn man also Produkte dauerhaft erfolgreich machen will, muss man die Welt erobern. Start-up-Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook, Twitter usw. haben dies vorgemacht. Nun sind dies alles amerikanische Unternehmen und da soll Wachstum aufgrund des bereits größeren Heimatmarktes und auch die Internationalisierung leichter sein. Schließlich können mit der englischen Sprache Länder wie Großbritannien, Australien, Irland, Südafrika oder Kanada ohne teure Übersetzungsarbeiten bearbeitet werden. Das ist zwar alles richtig, hilft aber nicht weiter. Es bleibt dabei: Eine aggressive Internationalisierung ist in der High-Tech-Industrie Pflicht. Der deutsche mittelständische Maschinenbau und die mittelständischen Automobilzulieferer haben gezeigt, dass es auch aus Deutschland für mittelständische Unternehmen gelingt.
Voraussetzung für die Internationalisierung ist, dass die Gründer von vornherein einen entsprechenden Wachstumsehrgeiz besitzen. Sie müssen die Welt erobern WOLLEN. Alles andere ist dann Strategie und Taktik.
Dazu gibt es m.E. drei unterschiedliche Ansätze.
Man kann im Ausland eigene Tochtergesellschaften gründen, aber dies ist teuer und es dauert lange, bis man geeignete lokale Mitarbeiter gefunden hat – denn, wer geht schon ohne weiteres zu einem gerade gegründeten Ableger eines ausländischen, unbekannten Start-ups?
Die zweite Möglichkeit besteht darin, einen ausländischen Partner zu finden, der die Produkte vertreibt. Dieses sollte möglichst ein kleiner Partner sein, der sich voll auf das Produkt konzentriert. Allerdings hat man nicht die volle Kontrolle darüber, wie der Partner agiert.
Die dritte Möglichkeit besteht in einem Joint Venture mit einem ausländischen Partner. Man gründet z.B. mit einem ausländischen Unternehmen eine gemeinsame Tochter, an der beide zu je 50 % beteiligt sind. Damit verbindet man die Vorteile, dass man Einfluss und Kontrolle auf das Unternehmen besitzt und gleichzeitig von der Marktnähe und dem Image des Partners in seinem Heimatmarkt profitiert. Der Nachteil besteht darin, dass das gemeinsame Unternehmen örtlich dem Partner näher steht und die Kontrolle nicht so möglich ist, wie man gedacht hat. Auch kann der Partner mehr an seinem Kernunternehmen interessiert sein und im Extremfall dem Joint Venture Kosten anlasten, aber Erfolge mehr auf sein Kernunternehmen „umlenken“. Meine Erfahrungen mit Joint Ventures sind überwiegend negativ.
Deshalb ist m. E. die zweite Lösung am sinnvollsten. Diese kann dazu führen, dass man sich bei dem Erfolg des Partners auch finanziell bei ihm beteiligt oder sogar das Unternehmen kauft – dann kennt man den Partner schon und kann das Risiko besser abschätzen als bei einem Joint Venture.
Nicht alle Länder sind gleich wichtig und auch nicht gleich schwierig zu erobern.
Die DACH-Region, also Deutschland, Österreich und Schweiz, ist als deutschsprachig auf den ersten Blick einfach, aber auch hier gibt es Eigenarten. In Österreich ist eine starke persönliche Vernetzung mit den Entscheidern der potenziellen Kunden erforderlich, also benötigt man dafür einheimische Mitarbeiter. Auch in der Schweiz spielen Netzwerke der Manager, die sich aus der gemeinsamen Studienzeit an der ETH Zürich oder der Uni St. Gallen gebildet haben, eine große Rolle. Auch der gemeinsame Wehrdienst verbindet dort.
Frankreich ist ein besonders schwieriger Markt. Hier spielen nationale Befindlichkeiten eine große Rolle, so dass auch hier nationale Partner oder Mitarbeiter unabdingbar sind. Die USA sind für IT-Unternehmen besonders wichtig, weil sie ein großer aufgeschlossener Markt sind und wegen der starken heimischen IT-Industrie wichtige Entwicklungspartnerschaften ermöglichen. Allerdings sind die großen Entfernungen innerhalb des Landes zeitraubend und kostenintensiv, so dass es schwierig ist, schnell profitabel zu werden. Die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) sind sehr wachstumsstark, aber auch nicht ohne vertrauenswürdige, nationale Partner zu erobern. Außerdem gibt es Probleme mit Korruption und dem Geldtransfer. Auch regional näher liegende Länder wie Polen und die Türkei haben hohe Wachstumsraten und sind leichter zu betreuen; es gibt z.B. viele Türken und Polen, die Deutsch sprechen. In beiden Ländern findet man viele ehrgeizige, intelligente und gut ausgebildete junge Menschen. Man muss sich also nicht immer die schwierigsten Wege aussuchen. Trotzdem ist am Anfang eine Durststrecke zu überwinden. Die einzelnen ausländischen Töchter sind zunächst klein und ihr Aufbau einschließlich der Kommunikationskosten zur Mutter verschlingt viel Geld. Manche einheimischen Mitarbeiter maulen, dass der Gewinn, den man im Heimatland verdient, durch die ausländischen Aktivitäten aufgefressen wird und sie dadurch ihre eigentlich verdienten Prämien nicht erhalten, die an den gesamten Unternehmenserfolg geknüpft sind.
Aber noch einmal: Die Internationalisierung ist im High-Tech-Produktgeschäft ein „must“ und schließlich gibt es auch deutsche High-Tech-Start-ups, die es erfolgreich geschafft haben.
Neben einer definierten Strategie, in der die Reihenfolge der zu penetrierenden Märkte festgelegt ist, sollte man sich auch eine opportunistische Vorgehensweise offen halten. Häufig spielt der Zufall eine Rolle: Ein ausländischer Mitarbeiter, der als Werkstudent oder nach seinem Studium in Deutschland bei dem Start-up gearbeitet hat, will in sein Heimatland zurückgehen und ist bereit, dort eine Niederlassung zu gründen. Oder ein deutscher Mitarbeiter will gerne ins Ausland, besitzt dort Freunde oder Verwandte und kann der Anker für eine Niederlassung oder eine Partnerbetreuung sein.
13. Streitigkeiten schlichten.
Ein häufiger Grund für Krisen von Start-ups ist Streit unter den Gründern. Die Ursachen sind vielfältig: Unterschiedliche Vorstellungen über die Ziele des Unternehmens (Wachstum gegenüber Gewinnerzielung), ungleiche Aufgabenverteilung, veränderte Lebensmodelle (mehr Work-Life-Balance gegenüber 24/7 Arbeitseinsatz), Eifersüchteleien wegen unterschiedlicher Öffentlichkeitswirkung usw. Nun ist Streit zunächst nichts Schlimmes; er führt dazu, dass bei einer entsprechend aufgeladenen Stimmung Dinge zur Sprache kommen, die bisher unterdrückt wurden. „Put the fish on the table“ ist immer gut, selbst wenn er schon komisch riecht, denn nur dann versteht man die Situation und kann nach Lösungen suchen. Sind es mehr technische Probleme, um die gestritten wird, so sind sie meistens leicht zu lösen. Alternativen können definiert und bewertet werden und durch die Diskussion kommt man sich wieder näher.
Schwieriger ist es dagegen bei Problemen, die emotional belegt sind, z.B. weil sie mit einer Wertung persönlicher Eigenschaften eines Partners verbunden sind nach dem Motto:
„Ihr beiden gluckt immer zusammen und versucht, mich auszubremsen. Ich fühle mich schon gar nicht mehr als gleichwertig in unserem Team.“
Oder: „Du schaffst wieder Deinen Terminplan nicht, weil Du zu weich zu Deinen Mitarbeitern bist. Anstatt mit ihnen Bier trinken zu gehen, solltest Du sie lieber straffer führen“.
Oder: „Seitdem Du verheiratest bist, können wir Dich am Wochenende kaum noch telefonisch erreichen.“
Oder: Wir haben beschlossen, Dir den X-Bereich wegzunehmen, weil Du ihn doch nicht schaffst. Den Bereich übernimmt jetzt Y.“
In dieser Situation kann ein erfahrener Moderator helfen, die Situation zu versachlichen und eine Lösung zu finden, bei der nicht zu viel emotionales Porzellan zerschlagen wird. Ein moderiertes Wochenende in einem abgelegenen Hotel kann dann zu einer neuen erträglicheren Lösung führen. Personalberatungen bieten Moderatorendienste an und es gibt hervorragende psychologisch geschulte und erfahrene Helfer. Nach dem Wochenende sollte eine regelmäßige moderierte Aussprache vereinbart werden.
Entwickelt sich dagegen der Streit zu einem Dauerzustand, gibt es die Möglichkeiten, sich von dem Auslöser des Streites zu trennen (was bei einem Gründer zu komplizierten Verhandlungen über den Wert seiner Anteile führen kann) oder einen weiteren Manager (auch ohne finanzielle Beteiligung) in das Führungsteam der Anteilseigner aufzunehmen, der quasi als Katalysator gelten kann.
Im Extremfall kann der Streit dazu führen, dass man das Unternehmen verkaufen muss oder es versinkt in einen Abwärtsstrudel, weil z.B. wichtige Mitarbeiter das Unternehmen wegen des schlechten Betriebsklimas verlassen.
Jedenfalls habe ich schon eine Reihe an sich erfolgreicher Start-ups an Streitigkeiten unter den Gründern scheitern sehen.
14. Den Fahrstuhl nach oben offen halten.
Qualifizierte Mitarbeiter gehen zu einem Start-up, weil sie eine interessante Tätigkeit erwarten und weil sie glauben, dass sie mit dem Wachstum des Unternehmens auch ihre Karriere voranbringen. Ein wachsendes Unternehmen eröffnet schließlich bessere Aufstiegschancen als ein statisches.
Wichtig ist es deshalb, dass das Start-up ein klares Personalentwicklungsmodell besitzt, das auf dem Leistungsprinzip aufbaut. Sind die Mitarbeiter der „ersten Stunde“ quasi unantastbar und auf ihren Managementpositionen festgeschraubt, so merken neue (evtl. qualifiziertere) Mitarbeiter dies schnell und suchen sich nach kurzer Zeit einen neuen Job. Besonders kritisch ist es, wenn der obere Managementkreis Anteile am Unternehmen besitzt und daraus Rechte auf hohe Managerfunktionen ableitet, die fachlich nicht gerechtfertigt sind.
Solche Betondecken in der Mitarbeiterentwicklung erkennt man leicht daran, dass es auf den unteren Ebenen der Mitarbeiterpyramide eine relativ hohe Fluktuation gibt, während sich auf den oberen Ebenen nichts bewegt.
Leider zählt Personalpolitik bei einem Start-up nicht unbedingt zu den am wichtigsten eingeschätzten Managementfunktionen. Dies ist aber ein Fehler, denn nur engagierte und motivierte Mitarbeiter machen ein Start-up erfolgreich.
15. Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter sind gut gemeint, können aber hinderlich sein.
Im Überschwang der Gründung möchte man neben den eigentlichen Gründern auch weitere Mitarbeiter an dem Unternehmen finanziell beteiligen. Man erhofft sich dadurch größere Chancen bei der Akquisition wichtiger Mitarbeiter und will auch den Familiencharakter des Unternehmens und das gemeinsame Abenteuer betonen. Alles ist richtig. Aber man vergisst leider häufig die längerfristigen Wirkungen. Erstens können nicht mehr als 100 % der Unternehmensanteile vergeben werden. Und wenn die eigentlichen Gründer schon mehr als 75 % der Anteile halten, was unbedingt zu empfehlen ist, dann reduzieren sich die jeweiligen Anteile der anderen bei 20, 30 oder 50 Mitarbeitern schon erheblich. Es ist auch ausgeschlossen, dass jeder bei anstehenden Unternehmensentscheidungen beteiligt sein kann, also muss man eine Beteiligungsgesellschaft gründen, die von einem Mitarbeiterteam geführt wird. Dies bedeutet zusätzlichen administrativen Aufwand. Ist die vereinbarte Beteiligung der Partner bei Unternehmensentscheidungen hoch, so kann dies zu endlosen Diskussionen auch unwichtiger Themen führen.
Auch ist nicht jedes Unternehmen erfolgreich und manche Beteiligung hat sich hinterher in Luft aufgelöst oder ist bei notwendigen Kapitalerhöhungen immer mehr verwässert worden.
Besondere Probleme bereitet die Wertermittlung eines Anteils, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt.
Nicht ohne Grund sind viele Unternehmen von Beteiligungsmodellen dieser Art in den letzten Jahren wieder abgerückt.
Und trotzdem: Die Mitarbeiter am Unternehmenserfolg finanziell zu beteiligen, bietet sich bei einer Aktiengesellschaft, die auch von einem Start-up als Rechtsform gewählt werden kann, an. Darunter kann auch der (begünstigte) Kauf von Aktien durch Mitarbeiter fallen. Hier ist nur einmal im Jahr bei der Hauptversammlung ein administrativer Aufwand erforderlich und eine Einflussnahme auf laufende Unternehmensentscheidungen besteht nicht. Bei einer GmbH kann ein Kreditmodell eingeführt werden, bei dem Mitarbeiter dem Unternehmen einen festgelegten Kredit geben, der besonders gut verzinst wird und mit Boni entsprechend dem Unternehmenserfolg versehen ist. Damit wird der Mitarbeiter quasi zu einem stillen Gesellschafter. Auch hier ist der administrative Aufwand gering.
Man kann auch den Titel „Partner“ an Mitarbeiter vergeben, ohne damit eine finanzielle Beteiligung zu verbinden. Allerdings ist die Bindung durch eine finanzielle Beteiligung emotional schon höher. In Unternehmen, die sowohl finanziell beteiligte Partner als auch einfache Partner haben, wird streng zwischen „Equity-Partner“ und „Non-Equity-Partner“ unterschieden.
Das Thema ist also nicht ohne Brisanz. Wovor ich nur warnen möchte ist, dass man sich bei der Einführung eines Modells nicht der langfristigen Folgen bewusst ist.
16. Verkauf des Unternehmens.
Viele Start-up-Unternehmen werden von vornherein mit dem Ziel gegründet, nach einer anfänglichen Wachstumsphase an ein (größeres) Unternehmen verkauft zu werden. Dieses gilt insbesondere für Venture Capital finanzierte Unternehmen. Hier will man Investitionen in viele erfolglose Unternehmen durch wenige erfolgreiche „big shots“ ausgleichen. Da wir uns hier aber mit Start-ups beschäftigt haben, deren Unternehmensziel die stabile und dauerhafte Markteroberung ist, wird der Verkaufsprozess, so schwierig und interessant er auch ist, nicht weiter verfolgt.
LITERATUR
Christensen, S.M. u.a.: The Innovators Dilemma: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren, Vahlen, 2011
Scheer, A.-W.: Unternehmen gründen ist nicht schwer…. Springer, Heidelberg, 2000
Scheer, A.-W.: ARIS – Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem, 4. Aufl., Springer, Berlin, 2002
Scheer, A.-W.: ARIS – Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen, 4. Aufl., Springer, Berlin, 2001
Scheer, A.-W.: Spiele der Manager, 3. Aufl., imc, 2011 Schnetzler, N.: Die Ideenmaschine, Weinheim, 2004
August-Wilhelm Scheer