„Remember outsourcing? Sending jobs to India and China is so 2003. The new pool of cheap labor: everyday people using their spare cycles to create content, solve problems, even do corporate R and D“ [1]. Als neue Form der Arbeitsteilung kann Crowdsourcing in Unternehmen vielfältig eingesetzt werden und gewinnt insbesondere im Innovationsprozess zunehmend an Bedeutung. Auf Basis des Open Innovation Ansatzes können Unternehmen damit eine breite Masse unternehmensexterner Akteure in den Innovationsprozess einbinden. Studien aus Prais und Wissenschaft belegen: Die Integration der Crowd wird das Innovationspotenzial und den Wertschöpfungsprozess in Unternehmen erheblich verändern.
1. Einleitung
Crowdsourcing als Auslagerung spezifizierter Aufgaben an eine große Zahl von freien Mitarbeitern ist keine grundlegend neue Idee. Die Inventur der englischen Sprache im Oxford English Dictionary exemplifiziert eine frühe Form. Basierend auf dem heutigen Wikipedia-Prinzip rief der Philologe James Murray 1879 seine Leserschaft dazu auf, ihn bei der Erfassung der gesamten englischen Sprache zu unterstützen – mit überwältigendem Erfolg: Das Oxford English Dictionary gilt bis heute als Standardwörterbuch und ist ein herausragendes Beispiel für das Einbinden von Freiwilligen zur kollaborativen Wissenssammlung.
Während Crowdsourcing (im Sinne der Schwarmauslagerung) in der Vergangenheit verstärkt in der Open Source Community Anwendung fand, ist dessen Einsatz heute zunehmend im Kontext der Leistungstiefenoptimierung [2] in Unternehmen zu beobachten. Als Wortneuschöpfung aus „Crowd“ und „Outsourcing“ prägte der US-Journalist Jeff Howe den Begriff als neue Form der Arbeitsteilung durch Auslagerung bestimmter Aufgaben an eine undefinierte Masse von Akteuren mittels einer offenen (meist webbasierten) Ausschreibung [3]. In seinem Artikel „The Rise of Crowdsourcing“ beschreibt Howe Crowdsourcing als konsequente Weiterentwicklung von Outsourcing im Zeitalter der globalen Vernetzung: Unternehmen lagern Aufgaben nicht mehr nur an ausgewählte Zulieferer aus, sondern integrieren Individuen weltweit unmittelbar in den Prozess der eigenen Wertschöpfung [4].
Das Prinzip der Arbeitsteilung bildet seit jeher, wie bereits Adam Smith eingängig festgestellt hat, eine zentrale Grundlage der Produktivitäts-und Wachstumsentwicklung unserer Wirtschaft. Effizienzvorteile durch Spezialisierung und die durch Arbeitsteilung entstehenden Abstimmungskosten bestimmen die Wahl der geeigneten Koordinationsform zwischen Hierarchie und Markt [5]. Im Bereich der Wissensarbeit eröffnet vor allem der Fortschritt moderner Informations-und Kommunikationstechnologien zunehmende Spezialisierungsmöglichkeiten in weltweiten Netzwerken bei sinkenden Koordinations-bzw. Transaktionskosten [6]. In Abhängigkeit von der zu Grunde liegenden Problemstellung [7] bietet Crowdsourcing die Möglichkeit, flexibel und kostengünstig auf spezialisierte Ressourcen ganz unterschiedlicher Art zuzugreifen.
Das allgemein wachsende Interesse an Crowdsourcing wird in Abbildung 1 durch das steigende Volumen der Google-Suchanfragen zu diesem Begriff illustriert.
Crowdsourcing wird in erster Linie mit den Suchbegriffen „Design“ und „Innovation“ in Verbindung gebracht. Eine regionale Segmentierung der Suchanfragen ergibt, dass ein Großteil der Suchanfragen vor allem aus innovationsstarken Regionen wie Singapur, San Francisco, New York oder Berlin kommt. Crowdsourcing scheint demnach häufig im Kontext von Innovationen Anwendung zu finden. Die Anwendungsmöglichkeiten gehen jedoch weit darüber hinaus. Der folgende Beitrag illustriert den vielfältigen Einsatz von Crowdsourcing in Unternehmen und diskutiert vor allem die Bedeutung von Crowdsourcing im Innovationsprozess.
2. Grundformen des Crowdsourcing
Crowdsourcing lässt sich abhängig von der Betrachtungsweise in verschiedene Grundformen unterteilen. Eine aufgaben-und ergebnisbezogene Typologisierung verschiedener Varianten des Crowdsourcing zeigt Abbildung 2 und ordnet diese exemplarisch den Wertschöpfungsaktivitäten von Unternehmen zu.
Im Unternehmenskontext können, wie Abbildung 2 verdeutlicht, sieben Crowdsourcingformen unterschieden und durch Beispiele illustriert werden [8].
Auf infrastruktureller Ebene bieten Crowdsourcing Tools Anwendungen, Plattformen und Werkzeuge, um eine Kollaboration, Kommunikation und Verteilung von Aufgaben zwischen unterschiedlichen Akteuren zu ermöglichen. CrowdWorx bietet beispielsweise eine Plattform zur problemorientierten Sammlung und Organisation von unternehmensweitem Wissen.
Mithilfe von Crowdfunding können Projekte und Geschäftsideen aller Art flexibel durch eine Vielzahl von Personen meist durch stille Beteiligungen finanziert werden. So konnte zum Beispiel die Crowdfunding Plattform Kickstarter seit ihrer Gründung im Jahr 2009 über 44.000 Projekte von 4,4 Millionen Personen im Wert von mehr als 686 Millionen Euro finanzieren.
Crowd Innovation ist eng mit dem Begriff Open Innovation verbunden und umfasst jegliche Art der Einbindung externer Ressourcen mit dem Ziel der Generierung, Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen. Innocentive, einer der führenden Anbieter in diesem Bereich, nimmt disziplinübergreifend Forschungs-und Entwicklungsfragestellungen von Unternehmen an und schreibt diese öffentlich zur Problemlösung aus. Mit einer Quote von 74% wurden bisher über 1600 Fragestellungen gelöst und prämiert. Mit dem Firmennamen Innocentive stellt dieses Unternehmen eine besonders prominente Form der Crowd Innovation dar, typischerweise geprägt durch eine Kombination zielgerichteter „Innovation“ und verschiedener „Anreize“ („Incentives“).
Collective Knowledge-Lösungen haben zum Ziel, Informationen und Wissen von Personen zu extrahieren und kommerziell zu nutzen. Der Navigationsgerätehersteller TomTom erhebt für den Zusatzservice HD Traffic beispielsweise Daten von bis zu 80 Millionen Mobilfunknutzern und verbundenen TomTom-Endgeräten weltweit. Basierend auf diesen Bewegungsdaten wird die aktuelle Verkehrslage berechnet und den Nutzern als Echtzeit-Navigationsinformationen zur Verfügung gestellt.
Collective Creativity bezeichnet den Zugang zu einer Masse kreativer Individuen mit dem Ziel, originäre Inhalte jeglicher Art (z.B. Musik, Fotos und Zeichnungen) erstellen zu lassen. Der weltweit größte Markplatz für Grafikdesign, 99 Designs, beschäftigt zum Beispiel über 236.000 Designer zur Erstellung von Logos und Webdesign. Der Auftraggeber kann aus einer Vielzahl individueller Designvorschläge auswählen und diese zu vorab vereinbarten Konditionen erwerben.
Im Bereich Microworking werden Aufgaben in kleinstmöglichen Einheiten über eine Plattform an virtuell verfügbare menschliche Arbeitskräfte verteilt. Die häufig auch als „Cloud Labor“ bezeichnete Form des Crowdsourcing bietet Unternehmen eine jederzeit abrufbare und frei skalierbare Belegschaft, die im Rahmen von einfachen bis relativen komplexen Aufgaben flexibel eingesetzt werden kann. Der Autohersteller Honda ließ beispielsweise durch die Plattform Clickworker über 10.000 Fotos verschiedener Verkehrssituationen analysieren und Fahrbahnen, Hindernisse, Verkehrsschilder und Fußgänger markieren. Dadurch konnte die in den Autos integrierte Bilderkennungssoftware verbessert werden, um zukünftig Hindernisse auf Straßen früher erkennen und automatisch ausweichen zu können.
Der im Bereich Microworking häufig kritisierten geringen Bezahlung und fehlenden Perspektiven von Arbeitskräften haben inzwischen zahlreiche Plattformen etwas entgegenzusetzen. Mobileworks beispielsweise bindet Stundensätze an Lebenskosten in den jeweiligen Ländern und bietet Arbeitskräften durch hierarchische Arbeitsstrukturen verschiedene Aufstiegsmöglichkeiten.
Community Building beschreibt die Möglichkeit der aktiven Einbindung von Individuen in themenspezifische Communities. So setzt der Fahrzeughersteller Ford beispielsweise auf die Lösung von SuggestionBox, um Kundenfeedback zu erhalten und zu bearbeiten. Ford-Kunden reichen dafür ihre Anliegen online ein, SuggestionBox kategorisiert und bündelt die jeweiligen Anfragen und reicht diese an Ford zur Bearbeitung weiter. Bis zur Beantwortung ihres Anliegens werden Kunden regelmäßig über den aktuellen Status informiert. Die Community ist öffentlich zugänglich, um auch weiteren Kunden dadurch eine Informationsplattform zu bieten.
Die steigende Nachfrage hat zunehmend zur Professionalisierung von Crowdsourcing-Dienstleistungen geführt. Die aufgeführten Beispiele illustrieren einige der diversen, sich dynamisch weiterentwickelnden Einsatzmöglichkeiten von Crowdsourcing. Unternehmen stehen dem Einsatz von Crowdsourcing bislang oftmals kritisch gegenüber. Firmeninterne Problemstellungen auf einer meist uneingeschränkt zugänglichen Plattform zu veröffentlichen, widerstrebt vielen Unternehmen. Gerade in jungen Unternehmen entwickelt sich Crowdsourcing jedoch für viele Problemstellungen zur bevorzugten Lösungsmethode: Aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks wird Crowdsourcing für Unternehmen zunehmend unverzichtbar, weil es schnell und kostengünstig Problemlösungen ermöglicht.
3. Crowdsourcing im Innovationsprozess
Wie in Abbildung 3 dargestellt, kann Crowd Innovation als Teilmenge von Open Innovation eingeordnet werden. Das von Chesbrough [9] geprägte Open Innovation Paradigma basiert auf einem Crowdsourcing-ähnlichen Grundgedanken: die Vergabe einer innovationsbezogenen Aufgabe in Form eines offenen Aufrufs an ein Netzwerk von Kunden, Nutzern und anderen Interessierten [10].
Unternehmen öffnen damit gezielt den Innovationsprozess, um ihre Außenwelt aktiv einzubinden. Denn wie Billy Joy, Mitgründer von Sun Microsystems, feststellte: „No matter who you are, most of the smart people work for someone else“. Im Rahmen von Open Innovation bietet Crowd Innovation verschiedene Methoden, eine breite Masse unternehmensexterner Individuen in den Innovationsprozess einzubinden. Diese Form der Integration ist jedoch keine grundlegend neue Idee. Warum also verfolgen Unternehmen zunehmend einen Open Innovation Ansatz?
3.1 Treiber der zunehmenden Bedeutung von Open Innovation
Die zunehmende Bedeutung von Open Innovation resultiert aus fünf zentralen Entwicklungen [11]: Zunehmende Interaktion, technologischer Fortschritt, steigender Wettbewerbsdruck, wirtschaftliche Unsicherheit und Globalisierung des Arbeitsmarktes.
Die weltweite Interaktion verschiedener Individuen und Gruppen erzeugt eine stetig neue Nachfrage nach unterschiedlichen Produkten und Dienstleistungen. Gleichermaßen erwarten diese Zielgruppen, in die Problemdefinition und -lösung mit einbezogen zu werden.
Technologischer Fortschritt ermöglicht durch zunehmend globale Konnektivität eine nahtlose Integration aller Beteiligten in den Innovationsprozess. Zahlreiche Möglichkeiten der virtuellen Zusammenarbeit sowie die kostengünstige Entwicklung erster Prototypen fördern die dezentrale Innovationsfähigkeit.
Durch globalen Wettbewerbsdruck und verkürzte Produktlebenszyklen sehen sich Unternehmen zudem gezwungen, verstärkt neue Ideen zu generieren und auf den Markt zu bringen, um langfristig bestehen zu können. Dadurch gewinnen externe Innovationsquellen zunehmend an Bedeutung.
Die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit zwingt Unternehmen zudem zur schnellen Anpassung an veränderte Umweltfaktoren. Zur Erhöhung der Flexibilität wird deshalb verstärkt auf leicht skalierbare Ressourcen zurückgegriffen und eine kostenintensive Forschungs-und Entwicklungsabteilung teilweise durch flexibel einsetzbare externe Ressourcen ergänzt.
Unternehmen profitieren zudem von der Globalisierung des Arbeitsmarktes. Durch die Kombination neuer Möglichkeiten weltweiter Zusammenarbeit können Arbeitskräfte aus einer größeren und heterogenen Menge gegebenenfalls sogar kostengünstiger rekrutiert werden.
3.2 Crowd Innovation: Crowd Contests, Crowd Collaborative Communities, Crowd Complementors
Zur Organisation des Innovationsprozesses können, wie in Abbildung 4 dargestellt, drei zentrale Ausprägungen von Crowd Innovation unterschieden werden: Crowd Contests, Crowd Collaborative Communities und Crowd Complementors [12]. Im Folgenden werden Ziele, Einsatzbereiche und Herausforderungen der jeweiligen Methode diskutiert und durch Beispiele illustriert.
Crowd Contests werden bevorzugt zur Lösung komplexer oder neuartiger Probleme eingesetzt, für die bisher keine erprobten Lösungsstrategien vorliegen. Der Ablauf von Crowd Contests ist vergleichbar mit der mehrfachen Durchführung unabhängiger Experimente im wissenschaftlichen Kontext, mit dem Ziel, durch eine möglichst hohe Varianz Einblicke in unterschiedlichste Lösungsansätze und Ergebnisse (häufig auch „technological frontiers“ genannt) zu erhalten.
Der deutsche Chemie-und Pharmakonzern Merck schrieb beispielsweise zur Identifikation wirksamer Substanzen für neue Medikamente einen achtwöchigen Wettbewerb mit 40.000 US-Dollar Preisgeld auf der Crowd Contest Plattform Kaggle aus. Basierend auf ersten Testergebnissen chemischer Substanzen reichten 238 Teams über 2500 verschiedene Lösungsansätze ein. Die Gewinner des Wettbewerbs waren erstaunlicherweise keine Fachexperten, sondern Informatiker aus dem Bereich maschinelles Lernen, die eine fachspezifische Software zur Identifikation der vielversprechendsten Substanzen anwendeten. Die Resultate waren so überraschend, dass sie ihnen die Titelseite der New York Times einbrachten [13].
Die Herausforderungen in der Anwendung von Crowd Contests liegen zunächst in der Identifikation geeigneter Probleme. Diese müssen anschließend für die Allgemeinheit verständlich formuliert, strukturiert und von sensiblen Daten abstrahiert werden. Crowd Contests sollten zudem auf einer geeigneten Basis (Plattformen wie zum Beispiel Kaggle, Innocentive und Innovation Exchange) mit entsprechenden Anreizen, Bewertungskriterien und vertraglichen Regelungen zu intellektuellem Eigentum stattfinden.
Crowd Collaborative Communities dienen der Sammlung und Aggregation verschiedenster Beiträge mit dem Ziel eines kohärenten Endergebnisses. Im Gegensatz zu Crowd Contests wird also keine Heterogenität der Endergebnisse gewünscht. Zur Organisation von Crowd Collaborative Communities muss dafür zu Beginn das Endergebnis spezifiziert werden. Darüber hinaus ist eine Kombination aus Aufgabenmodularisierung, Standardisierung von Routinen und unterstützender Technologien erforderlich. Die Stärke dieser Crowd Innovationsform liegt vor allem in der Vielfalt und in der intrinsischen Motivation der Community.
Ein Beispiel bietet die Übersetzung von Facebook. Zur Internationalisierung der Plattform wurde 2007 von dem sozialen Netzwerk eine Kampagne gestartet in der 28.078 modulare Übersetzungsaufgaben spezifiziert wurden. In einem Jahr übersetzten mehr als 300.000 Facebook-Nutzer die Plattform in über 100 verschiedene Sprachen (inklusive verschiedener Dialekte). Der Schlüssel zum Erfolg war ein verteilter iterativer Prozess, der auch als „distributed human computation“ bezeichnet wird [14]. Demnach übersetzten mehrere Nutzer die gleichen Inhalte. Nach deren Veröffentlichung wurden von anderen Nutzern Alternativen vorgeschlagen. Letztendlich stimmten wiederum andere Nutzer über die beste Übersetzung ab. Das Endergebnis ist eine nahezu kostenlose, qualitativ hochwertige Übersetzung, die jederzeit durch erneute Übersetzungszyklen angepasst wird. Die Verfügbarkeit einer Vielzahl von Sprachen ebnete unter anderem die internationale Expansion und letztendlich den Erfolg von Facebook.
Crowd Collaborative Communities entfalten ihr volles Potential, wenn Mitglieder Ideen und Lösungsansätze sammeln, kombinieren und einsetzen können. Voraussetzungen dafür sind die offene Verteilung und Weitergabe von Informationen. Der Schutz von intellektuellem Eigentum ist in dieser Form von Crowd Innovation eine kritische Frage. Unternehmen sollten deshalb strikt zwischen firmeneigenem und für die Community öffentlich zugänglichem Knowhow trennen. Gleichermaßen muss der Schutz und gegebenenfalls der Transfer geistigen Eigentums auch für Individuen in der Community geregelt werden.
Crowd Complementors ermöglichen die Ergänzung eines Kernproduktes oder einer Technologie durch komplementäre Produkte oder Dienstleistungen. Das Kernprodukt wird somit zu einer Plattform, auf deren Basis komplementäre Innovationen generiert werden. Im Gegensatz zu Contests oder Communities bieten Crowd Complementors Lösungen zu einer Vielzahl – dem Kernprodukt komplementärer – weitgehend unspezifizierter Problemstellungen.
Ein bekanntes Beispiel bietet der Apple App Store, eine Plattform zur Distribution von Drittherstellern entwickelter Applikationen und multimedialer Inhalte. Diese bilden komplementäre Inhalte für die von Apple entwickelte Hardware. Der Apple App Store beinhaltet inzwischen knapp 1 Million Applikationen, die bereits über 50 Milliarden mal von 575 Millionen zahlenden Nutzern heruntergeladen wurden. Die Entwickler erhielten dadurch bisher 10 Milliarden US-Dollar Umsatzbeteiligung [15]. Unter anderem dieses enorme Ökosystem komplementärer Produkte bescherte Apple jährlich Rekordgewinne und ließ den Technologiekonzern zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufsteigen.
Crowd Complementors bieten Unternehmen nicht nur die Möglichkeit, den Umsatz durch Lizenz-und Transaktionsgebühren zu steigern, sie können letztendlich durch komplementäre Angebote sogar die Nachfrage nach dem Kernprodukt steigern. Diese erzeugt wiederum eine Nachfrage nach komplementären Produkten – ein positiver Feedbackloop, der die Basis einer Netzwerkökonomie bildet [16]. Voraussetzung für die Entwicklung komplementärer Güter ist ein umfassender Zugang zu zentralen Funktionen und Daten des Kernproduktes über Schnittstellen. Kritisches Knowhow muss dafür umfassend vertraglich geschützt werden.
Die Möglichkeiten der Crowd-Beteiligung an Innovationsprozessen sind vielfältig. Crowd Contests, Crowd Collaborative Communities und Crowd Complementors sind nur einige der zahlreichen Varianten, die sich durch die dynamische Entwicklung im Bereich Crowdsourcing ergeben werden. Die Erfolgsbeispiele von Merck, Facebook und Apple illustrieren: Die Integration der Crowd wird das Innovationspotenzial von Firmen erheblich beeinflussen.
4. Fazit
Die in diesem Beitrag vorgestellten Formen des Crowdsourcing können im unternehmerischen Wertschöpfungsprozess vielfältig eingesetzt werden. Crowdsourcing eignet sich unter anderem für viele Fragen im breiten Spektrum des Innovationsmanagements – von der Bearbeitung genauestens festgelegter Aufgaben bis hin zur komplexen Problemlösung und Generierung von neuartigen Lösungen. Somit wird Crowdsourcing für den Innovationsprozess zunehmend unverzichtbar. Das gilt nicht nur für Innovationsarbeiten im Konsumgüter-und Endkundenbereich, sondern auch für viele interindustrielle, also business-to-business Branchen. Im Vergleich zu unternehmensinternen Ideen werden Crowdsourcing-Ideen qualitativ höher eingestuft, gelten durchschnittlich als neuartiger und erzielen einen deutlich höheren Kundennutzen. Lediglich die Umsetzbarkeit von Crowd-basierten Innovationen ist vergleichsweise aufwendig [17]. Der Schutz geistigen Eigentums und damit letztendlich verbunden die Aneignung des Wertsteigerungspotentials der Innovation sind weitere Herausforderungen des Einsatzes von Crowdsourcing im Innovationsprozess [18] [19]. Insgesamt steht der kommerzielle Einsatz von Crowdsourcing in Unternehmen noch am Anfang – erste praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Studien lassen jedoch erhebliches Potenzial erkennen. Unternehmen sollten diese Entwicklung aufmerksam verfolgen, um die Chancen, die Crowdsourcing bietet, rechtzeitig erkennen und nutzen zu können.
LITERATUR
[1] Howe, J.: “The Rise of Crowdsourcing.” In: Wired Magazine, 6/2006. S. 1 – 4
[2] Picot, A.: „Ein neuer Ansatz zur Gestaltung der Leistungstiefe.“ In: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 12/1991. S. 336 – 357
[3] Howe, J.: Crowdsourcing: A Definition. http://crowdsourcing.typepad.com. Zugriffsdatum: 10.07.2013
[4] Howe, J.: “The Rise of Crowdsourcing.” In: Wired Magazine, 6/2006. S. 1 – 4
[5] Picot, A., Dietl, H., Franck, E., Fiedler, M., Royer, S.: Organisation – Theorie und Praxis aus ökonomischer Sicht. 6. Auflage. Stuttgart. 2012. S. 1 – 11
[6] Malone, T.: The Age of Hyperspecialization. http://hbr.org. Zugriffsdatum: 10.07.2013
[7] Afuah, A., Tucci, C.: “Crowdsourcing as a solution to distant search.” In: Academy of Management Review, 3/2012. S. 355 – 375
[8] Esposti, C.: Crowdsourcing Industry Landscape. http://www.crowdsourcing.org. Zugriffsdatum: 10.07.2013.
[9] Chesbrough, H. W.: “The era of open innovation.” In: MIT Sloan Management Review, 3/2003 S. 25 – 41
[10] Piller, F., Reichwald, R.: Interaktive Wertschöpfung und Open Innovation. In: Picot, A., Doeblin, S. (Hrsg.): Innovationsführerschaft durch Open Innovation. Wiesbaden. 2009. S. 187 – 201
[11] Huff, A. S., Möslein, K. M., Reichwald, R.: Leading Open Innovation. Cambridge. 2013. S. 3 – 18
[12] Boudreau, K. J., Lakhani, K. L.: “Using the Crowd as an Innovation Partner.” In: Havard Business Review, 4/2013. S. 60 – 69
[13] Markoff, J.: Scientists See Promise in Deep-Learning Process. http://www.nytimes.com. Zugriffsdatum: 10.07.2013
[14] Gentry, C., Ramzan, Z., Stubblebine, S.: Secure distributed human computation. In: Proceedings of the 6th ACM Conference on Electronic Commerce, 06/2005. S. 155 – 164
[15] Perez, S.: Apple’s App Store Hits 50 Billion Downloads, 900K Apps, $10 Billion Paid To Developers; iTunes Now With 575M Accounts. http://techcrunch.com. Zugriffsdatum: 10.07.2013
[16] Zerdick, A., Picot, A., Schrape, K. et al.: Die Internet-Ökonomie: Strategien für die digitale Wirtschaft. 3. Auflage. Berlin. 2001. S. 214 – 217
[17] Poetz, M. K., Schreier, M.: The Value of Crowdsourcing: Can Users Really Compete with Professionals in Generating New Product Ideas? In: Journal of Product Innovation Management, 2/2012. S. 245 – 256
[18] Bloodgood, J.: Crowdsourcing: “Useful for Problem Solving, But What About Value Capture?” In: Academy of Management Review, 3/2013. S. 455 – 457
[19] Afuah, A., Tucci, C.: Value Capture and Crowdsourcing. In: Academy of Management Review, 3/2013. S. 457 – 459
[20] Howe, J.: “The Rise of Crowdsourcing.” In: Wired Magazine, 6/2006. S. 1 – 4
[21] Howe, J.: “The Rise of Crowdsourcing.” In: Wired Magazine, 6/2006. S. 1 – 4
Arnold Picot, Stefan Hopf