Wo die KI ein Zuhause findet
Innovation Park Artificial Intelligence
Im Gespräch mit Tim Roder, IPAI
(Titelbild: ©Adobe Firefly)
Kurz und Bündig
Der IPAI Campus will dazu beitragen Unternehmen und Expert:innen zu vernetzen, um KI-Technologien in Geschäftmodelle zu integrieren und Innovationen zu fördern. Von ihrem Standort in Heilbronn aus strebt das IPAI an zum Global Home of Human AI zu werden und Menschen zusammen an einen Ort zu bringen, um gemeinsam eine werteorientierte KI-Anwendung zu fördern.
Im Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) bekommt Künstliche Intelligenz ein Zuhause, so die Vision für das Innovationsökosystem. Mit Tim Roder, verantwortlich für das Business Development des IPAI, haben wir unter anderem über die Pläne für das Leuchtturmprojekt sowie über den ethisch verantwortungsvollen Einsatz der KI und die konkreten Angebote des IPAI an Unternehmen in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa gesprochen.
IM+io: Wie stellen Sie sich eine Welt vor, in der KI allgegenwärtig ist? Gibt es aktuelle Projekte oder Entwicklungen im Bereich der KI, die Sie besonders faszinierend finden?
TR: Ich hoffe, dass sich mit KI viel zum Positiven wandeln wird, gerade im Pflegebereich, der Schule und natürlich auch im Public Sector. Ich glaube das sind Bereiche, für die es noch viel Potenzial gibt. Ich finde gerade das Thema Robotik in der Pflege sehr interessant, dort gibt es zurzeit Projekte in denen auch Mimik und Gestik erkannt werden können und dadurch auf die Menschen eingegangen werden kann, mit KI. Selbst wenn man sich vielleicht im ersten Moment schwertut, in der Pflege an Roboter zu denken, glaube ich, sie können zu einem treuen Begleiter werden, der einen versteht und der einen zur gegebenen Zeit auch aufmuntern und unterstützen kann. Genauso auch in der Schule, in der dann eine individuelle leistungsorientierte Unterstützung von Schülerinnen und Schülern geschehen kann. Hausaufgaben werden dann nicht mehr im Gießkannenprinzip verteilt, sondern individuell erstellt, um die Kinder zu fördern, je nach Stärken und Schwächen. Und auch im Public Sektor, in der öffentlichen Verwaltung, habe ich große Hoffnung, dass es noch einige Entwicklungen in der Zukunft geben wird. KI kann dort gegen den Bürokratiefrust helfen, den man nicht nur auf Seiten, der Bürgerinnen und Bürger immer wieder erlebt, sondern genauso auch in den Ämtern und Ministerien. Genau da kann KI einfach sehr stark unterstützen, zum Wohle aller.
IM+io: Warum besteht die Notwendigkeit eines KI-Campus? Was ist Ihre Vision?
TR: IPAI steht für Innovation Park Artificial Intelligence. Unsere Vision ist es, das „Global Home of Human AI“ zu werden. Wir möchten Europas relevantester KI-Hotspot werden, aus Baden-Württemberg heraus, mit dem Standort in Heilbronn. „Global Home of Human AI“ bedeutet auch den Menschen im Mittelpunkt zu haben. Das hört sich vielleicht in Bezug auf Künstliche Intelligenz immer sehr romantisch an, aber wir sind überzeugt, dass werteorientierte Künstliche Intelligenz dann entsteht, wenn Menschen zusammenkommen, gemeinsam kollaborieren, und Erfahrungen austauschen. Und das Global Home of Human AI soll Menschen zusammenbringen und fordert auch aus unserer Sicht seinen Platz ein. Aus dem Grund haben wir vor den IPAI CAMPUS zu bauen, als Quartier auf über 23 Hektar, um tatsächlich viel Fläche zu schaffen, wo Menschen gemeinsam an KI-Projekten arbeiten können. Im Wesentlichen geht es darum Synergien zu schaffen und Menschen zum Austausch zu bewegen. Bei uns liegt der Fokus nicht auf der KI-Forschung, sondern auf der KI-Anwendung. Also wir möchten mit unseren Formaten dazu befähigen, diesen Forschungstransfer hinzubekommen. Wir wollen nicht die Grundlagenforschung in neuen Technologien betreiben, sondern die erforschten Technologien in Geschäftsmodelle integrieren.
IM+io: Das IPAI soll also ein Ort der Vernetzung und Zusammenarbeit werden. Ist das also der Beitrag, den das IPAI zur Förderung der KI-Technologie in Deutschland und Europa erbringt?
TR: Ja, wir möchten die richtigen Akteur:innen zusammenbringen und ihnen den Zugang zu Expert:innen erleichtern, die die Unternehmen allein nicht hätten. Konzerne tun sich da leichter, zum Beispiel auf größere Unternehmen zuzugehen. Aber wir haben auch einen Fokus auf die KMUs, die mittelständischen Unternehmen und die kleineren Unternehmen. Da möchten wir zum Beispiel den Expert:innen den Zugang erleichtern. Die Talente haben inzwischen ganz andere Anforderungen an ihren Arbeitsplatz, es geht nicht nur darum, wer bezahlt am meisten und wie groß ist der Name des Unternehmens, sondern es geht viel stärker darum, ob man dort an interessanten Projekten arbeiten kann und ob das Unternehmen eine Vision und einen Weitblick hat, also sich mit Zukunftstechnologien beschäftigt. Viele Unternehmen haben die Angst irgendetwas zu verpassen und wir möchten im IPAI genau dieser Angst entgegenwirken. Wir wollen Struktur und Orientierung in dieser komplexen, gehypten KI-Welt schaffen, das sollte unser Beitrag als IPAI sein.
IM+io: Welche konkreten Angebote machen Sie den Unternehmen?
TR: Wir haben verschiedene Angebote, die ganz stark auf unseren Community-Aspekt abzielen. Wir haben Formate, in denen wir zum Beispiel Expert:innen einladen, ihr Wissen mit der Community zu teilen und sich Zeit nehmen, sich mit dieser zu speziellen Themen auszutauschen. Darüber hinaus gibt es Netzwerkformate, in denen sich die Unternehmen untereinander vernetzen. Wir sind gerade dabei, im Bereich Education Formate zu schaffen, die zum Beispiel KI-Lösungen näherbringen sollen, an Zentralbereiche unserer Memberunternehmen. Also grundlegendes Verständnis von Künstlicher Intelligenz, auch an die Bereiche, die Abteilungen der Memberunternehmen zu bringen, die bisher wenig Berührungspunkte mit KI haben. KI und Digitalisierung ist kein typisches IT-Problem mehr, sondern es betrifft die ganze Organisation. Deswegen möchten wir Angebote schaffen, die die ganze Organisation betreffen. Darüber hinaus bieten wir auch Infrastrukturangebote, wie unser Reallabor IPAI Lab. In unserem IPAI-Lab stehen die physischen Teile der Entwicklung und so möchten wir einfach eine „Spielwiese“ schaffen für unsere Memberunternehmen, um Dinge einfach mal ausprobieren zu können. Wir haben jetzt unser erstes eigenes Gebäude bezogen, da haben wir insgesamt über 6.000 Quadratmeter, 1.000 Quadratmeter Besucherzentrum, über 400 Quadratmeter Reallaborfläche und mehrere 1.000 Quadratmeter Communityfläche, wo die Memberunternehmen eigene Büros anmieten können oder wir Einzelarbeitsplätze anbieten.
IM+io: Momentan wird das Arbeiten eher immer dezentraler. Home Office und mobiles Arbeiten sind beliebt. Was ist der Vorteil einen Standort zu haben an dem die Zusammenarbeit wieder zentral an einem Ort ist?
TR: Ja, das ist eine sehr gute Frage und tatsächlich werden wir auch immer wieder gefragt. Ich würde sagen, es war vielleicht noch nie so zeitgemäß wie jetzt, die Menschen wieder zusammenzubringen, um zu kooperieren und sich gemeinsam über Ideen auszutauschen. Und wir sind der Überzeugung, gerade bei dem Thema Innovation, geht es viel über Ideenaustausch und auch darum mal verrückte Dinge auszusprechen, und das passiert häufig spontan. Meiner Erfahrung nach funktioniert es ganz selten, dass man sagt, wir planen nächste Woche Freitag zwei Stunden ein Innovationsmeeting und da soll jede:r mal aussprechen, was ihm oder ihr in dem Moment einfällt. So entstehen keine Innovationen. Ich glaube dafür braucht es physische Präsenz von Menschen.
IM+io: Wie sieht Ihr Zeitplan aus? Wann rechnen Sie mit der Fertigstellung des IPAI?
TR: Die ersten Gebäude sollen 2027 bezugsfertig sein. Wir werden 2025 unseren Spatenstich haben. Aber man muss ganz klar sagen, 23 Hektar ist eine große Fläche und wir sehen zur Erschließung dieser mehrere Bauabschnitte vor, die wir über die nächsten Jahre stetig weiterentwickeln. Schon allein aus dem Grund, weil wir ein Innovation-Park sein möchten und nicht nur ein State-of-the-Art-Park. Wir passen uns hier permanent den aktuellen Entwicklungen an, auch den Entwicklungen unserer Member, der Wirtschaft und dem Bedarf der Unternehmen. Und gleichzeitig, ist die Challenge als Innovation-Park, nicht nur die Bedarfe zu decken, sondern trotzdem auch Sparringspartner zu sein und Ideengeber und so manchmal auch der Impulsgeber. Es gibt beispielsweise momentan Überlegungen für Smart Farming, also Digitalisierung in der Landwirtschaft und ein Startup-Innovation-Center. Außerdem planen wir darüber hinaus ein ganzheitliches Ökosystem mit Wohnen auf Zeit, Kindergarten, Restaurant und mit einem großen Marktplatz, der offen für die Gesellschaft sein soll. Damit das keine abgekapselte KI-Bubble wird, sondern ein Ort, an dem Menschen zusammentreffen.
IM+io: Warum fiel die Entscheidung auf Heilbronn als Standort?
TR: Heilbronn ist eine ganz besondere Stadt. Entscheidungswege sind kurz und man merkt die ganze Stadt zieht in eine Richtung. Das hat nicht nur mit den Unternehmen zu tun. Wir sind eine wirtschaftsstarke Region, mit einem großartigen, innovativen Mittelstand, mit vielen Hidden Champions, aber in Heilbronn tut sich seit vielen Jahren auch ganz viel in Richtung Bildung. Insbesondere auch durch die unterschiedlichen Initiativen, die durch die Dieter Schwarz Stiftung unterstützt und angetrieben werden. Mit der Hochschule Heilbronn, der TU München, der ETH Zürich, die jetzt mit einem eigenen Campus nach Heilbronn kommt. Das ist einfach ein Ökosystem auf einem kleinen Raum, das unglaublich fruchtbar ist. Die Gesamtvision der Stadt ist Europas Wissensstadt zu werden. Das geht vom Rathaus, über den Bildungscampus, bis hin zur Bevölkerung. Es gibt auch die sogenannten KI-Botschafter:innen, die jetzt von der Stadt ausgebildet werden, um das Verständnis und die Akzeptanz und das Wissen zu KI in der Bevölerung zu fördern und man merkt einfach diese Energie in Heilbronn und diese große Vision. IPAI ist nur ein Teil von diesem gesamten Ökosystem, was hier in Heilbronn entsteht. Und deswegen glaube ich ist Heilbronn genau der richtige Ort, um IPAI zu etablieren.
IM+io: Wie können wir sicherstellen, dass KI verantwortungsvoll und sicher eingesetzt wird? Und welchen Beitrag kann das IPAI dazu leisten?
TR: Das ist eine sehr schwierige Frage, weil ich glaube, jedes Unternehmen trägt da ein Stück Verantwortung, wie KI verwendet wird in den jeweiligen Anwendungsbereichen der Unternehmen. Was dazu beitragen kann, ist, dass wir bei der Community, die bei uns im IPAI entsteht, einen starken Fokus auf die Werte der Unternehmen legen. Wir haben intensive Gespräche, bis es zu einer Membership oder Partnership kommt, in denen wir überprüfen ob die Werte der Unternehmen zu unseren passen. Das ist für uns ganz wichtig. Sicherstellen ist aber natürlich ein sehr mächtiges Wort, also wir versuchen, unseren Beitrag dazu zu leisten, indem wir eben aus europäischen Werten getrieben, eine Plattform und Inhalte zur Verfügung stellen, die Unternehmen dazu befähigen, wirklich vertrauensvolle KI in die Anwendung zu bringen. Was für uns aus IPAI-Sicht noch ein großer Punkt ist, ist das Integrieren der Gesellschaft, deswegen auch das Besucherzentrum und der KI-Pavillon in der Innenstadt von Heilbronn, den wir im April zusammen mit der experimante eröffnet haben. Das Sicherstellen davon, wie KI eingesetzt wird, erfordert auch gleichzeitig ein Aufklären, was KI eigentlich ist und was KI eigentlich kann und auch die Hemmnis und die Sorgen zu nehmen, dass KI nicht immer gleich mit Weltuntergang zu tun hat, sondern ganz viele Chancen birgt.
IM+io: Welche zukünftigen Trends in der KI-Technologie sehen Sie und wie bereitet sich das IPAI darauf vor?
TR: Das ist keine einfache Frage, da wir dadruch, dass sich aktuell viele unterschiedliche Branchen und Industrien mit dem Thema KI beschäftigen, für jede unterschiedliche Trends zu beobachten sind und diese sich branchenabhängig entwickeln. Der aktuelle Trend bei großen Sprachmodellen wird voraussichtlich weitergehen und sich in einem nächsten Schritt in sogenannte General AIs weiterentwickeln, wo die Künstliche Intelligenz gar nicht mehr spezifisch auf ein Problem angelegt ist, sondern einfach alles lösen kann. Aber ich glaube, dass es bis dahin noch viele Zwischenschritte braucht. Wir als IPAI möchten die professionelle Spielwiese sein, um zu Erproben oder vielleicht auch Trendsetter werden zu können. Der Campus bietet viel Fläche, um Dinge einfach mal auszuprobieren und für genau diese Pionierarbeit, die gerade geleistet wird und geleistet werden muss, möchten wir der richtige Partner für die Unternehmen sein.