"Wenn Mitarbeiter aus den eigenen Reihen zum ,Unternehmer im Unternehmen´werden, entfalten sich vielfältige, neue Potenziale!"
Im Gespräch mit Scheer HR-Geschäftsführerin Rosemarie Clarner
Kurz und bündig:
Wenn Mitarbeiter aus den eigenen Reihen zum „Unternehmer im Unternehmen“ werden, entfalten sich Potenziale, die sich positiv auswirken, sowohl auf den wirtschaftlichen Erfolg als auch auf die Unternehmenskultur und die Attraktivität als Arbeitgeber, meint Scheer Personalchefin Rosemarie Clarner. Wichtig für den Unternehmenserfolg sei dabei, einen entsprechenden Innovationsprozess zu definieren, z.B. gesteuert von einem Innovationsmanager, über den jeder Mitarbeiter Ideen einbringen kann, die dann bewertet und priorisiert werden. Erfolgversprechend seien auch Modelle wie ein Innovation Contest als internem Pitch um Innovationskonzepte.
Wenn es darum geht, Innovationen im eigenen Unternehmen zu fördern, dann rückt das Thema Intrapreneurship zunehmend in den Fokus. Was kann und muss ein Unternehmen tun, um Mitarbeiter zu unterstützen, eigene Ideen für das Unternehmen zu entwickeln? Gibt es Risiken, wenn ein Unternehmen der Kreativität seiner Mitarbeiter größere Freiheit lässt? Rosemarie Clarner gibt dazu Einblicke aus der Praxis.
IM+io: Befürworter einer gezielten Förderung von Intrapreneurship sehen in ihr Garanten für Firmenwachstum, eine bessere Unternehmenskultur und eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber. Teilen Sie diese Erfahrungen?
RC: Absolut! Intrapreneure, also Mitarbeiter mit einer ausgeprägten unternehmerischen Denkweise beteiligen sich aktiv an der Gestaltung des Unternehmens, indem sie eigene Ideen zur Verbesserung und Weiterentwicklung beitragen und umsetzen. Wenn Mitarbeiter aus den eigenen Reihen zum „Unternehmer im Unternehmen“ werden, entfalten sich Potenziale, die sich positiv auswirken, sowohl auf den wirtschaftlichen Erfolg als auch auf die Unternehmenskultur und die Attraktivität als Arbeitgeber. Insofern ist es unabdingbar, Intrapreneurship im Unternehmen zu fördern. Vor allem in digitalen Branchen ist die Ausschöpfung des Innovationspotenzials heute von entscheidender Bedeutung.
IM+io: Wo liegen aus Ihrer Sicht die Leitplanken für der Ermutigung von Mitarbeitern zu diesem selbstständigem Handeln?
RC: Die Leitplanken für Intrapreneurship sollten Geschäftsmodell und Wirtschaftlichkeit sein. Eine Idee muss zum Geschäftsmodell eines Unternehmens passen oder dieses sinnvoll ergänzen. In jeder Innovation steckt auch ein Invest, der Businessplan sollte schon eine mögliche Monetarisierung aufzeigen.
Die beste Idee bringt nicht viel, wenn diese in der Praxis nicht umgesetzt werden kann und in der Folge nicht zündet. Wer hier eine falsche Strategie anwendet, verliert nicht nur wertvolle Zeit, sondern muss ebenfalls mit finanziellen Verlusten rechnen. Wird hingegen die richtige Strategie angewendet, kann aus einer einzelnen Idee schnell eine echte Grundlage für den langfristigen Erfolg erwachsen.
IM+io: Intrapreneure agieren meist nicht entlang der üblichen Wege eines Unternehmens, agieren sogar gezielt quer zu diesen. Birgt das nicht auch Gefahren für Unternehmen?
RC: Gefahren könnten dann entstehen, wenn man das Thema Innovation nicht fokussiert angeht. Es gibt zum Beispiel zahlreiche Techniken, mit denen man gezielt auf Innovationen zusteuern kann, statt abzuwarten, ob jemandem zufällig etwas einfällt. Strukturierte Innovation braucht Methoden, die funktionieren. Eine davon ist der „Design Thinking“ Prozess, der zum Beispiel am Hasso Plattner Institut gelehrt wird.
Insbesondere muss es klare Regeln in Bezug auf die Ausarbeitung von Ideen geben. Beispielsweise sollte die Entscheidung, ob eine Idee weiterverfolgt wird oder nicht, zeitnah und eindeutig im Unternehmen gefällt werden. Innovationen, die in einer Art Schwebezustand hängen, beeinträchtigen nicht nur die zukünftige Motivation der Mitarbeiter, sondern behindern häufig auch die Entwicklung neuer Konzepte und Geschäftsmodelle. Eine Entscheidungsvorlage in Form einer Grobkonzeption kann hier sehr hilfreich sein.
IM+io: Die Generationen X und Y prägen heute den Arbeitsmarkt. Ist die Förderung von Intrapreneurship eine Möglichkeit, Menschen besser an ein Unternehmen zu binden?
RC: Das Wertekonstrukt der Generationen X (1966-1980) und Y (1981-1995) ist durchaus unterschiedlich. Für die Generation X ist die Karriere ebenso wichtig wie eine ausgewogene Work-Life-Balance. Für die Generation Y ist wiederum wichtig, dass der Beruf Freude bereitet. Dabei dürfen die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben auch verschwimmen. Vergleichbar ist jedoch das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Individualismus, der Wunsch nach selbständigem Arbeiten sowie nach Selbstverwirklichung und Freiräumen bei der Arbeitsgestaltung. Dies bedeutet, dass für beide Generationen die Förderung von Intrapreneurship, also die Möglichkeit zu unternehmerischem Handeln um Ideen einbringen und umsetzen zu können, für die Bindung ans Unternehmen tatsächlich relevant ist.
IM+io: Gibt es konkrete Erfahrungen zu Entrepreneurship bei den Unternehmen der Scheer Gruppe?
RC: Entrepreneurship ist einer der 4 Eckpfeiler unserer Scheer Corporate Culture. Hier heißt es: „Wir sind ein visionäres Unternehmen mit tiefgehendem Verständnis für unser Geschäft und damit auch für innovative Technologien… Dabei nutzen wir unser profundes Wissen, innovative Werkzeuge und Konzepte. Die enge Zusammenarbeit mit anerkannten Forschungseinrichtungen befördern den kontinuierlichen Wissenstransfer. Unternehmerische Spielräume und Eigenverantwortung treiben uns an. Die Möglichkeit, sich an Entscheidungen zu beteiligen, verbunden mit viel Raum für Kreativität, machen Scheer zu einem attraktiven Arbeitgeber – sowohl für Young Professionals als auch für hochqualifizierte Fachkräfte“. Wir leben Entrepreneurship bei Scheer. Das zeigt sich auch darin, dass wir sowohl ein Innovation Board geschaffen haben als auch die Rolle eines „Head of Innovation Management“, der Ansprechpartner für neue Ideen ist. Interessante und vielversprechende Themen bringt er ins Innovation Board ein. Hier werden sie bewertet, priorisiert und gegebenenfalls weiterentwickelt.
IM+io: Make or buy? Ist es nicht einfacher, Innovation über den Kauf von Start-up Unternehmen einzurollen?
RC: Wir machen beides. Selbst Innovationen zu entwickeln, kann dabei wirkungsvoller sein, als Innovationen von extern einzukaufen, beispielsweise in Form von Start-ups. In den meisten Fällen ist es außerdem mit weniger Aufwand verbunden, die Ideen der eigenen Mitarbeiter für Innovationen zu nutzen, als mit externen Partnern zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus ist es motivierender für die Mitarbeiter, wenn sie einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Zahlreiche internationale Unternehmen nutzen allerdings auch die Möglichkeiten der Vernetzung für die Innovationsentwicklung. Statt internen Lösungen wird im Zuge des Innovationsmanagements immer öfter auf das Crowd-Sourcing gesetzt. Durch die Einbindung von Kunden und Testern aus externen Quellen lässt sich der kreative Input um ein Vielfaches erhöhen, was die Chance für Innovationen deutlich verbessert. Es ist sinnvoll, die Kooperation mit Partnern und das Nutzen der eigenen Ideen nicht als konkurrierende Konzepte zu betrachten, sondern beide Wege zu beschreiten.
IM+io: Die Förderung von Intrapreneurship erfordert auch eine veränderte Haltung des Management Teams. Was muss geschehen, damit dieser Veränderungsprozess funktioniert?
RC: Wichtig ist, dass das Top-Management die Innovationsfähigkeit des Unternehmens wirklich verbessern will und dies mit allen einhergehenden Konsequenzen. Angefangen beim eigenen Verhalten. Es genügt nicht, dass sich das Top-Management als „Moderator“ des Innovationsprozesses sieht. Es muss als Vorbild vorangehen und so die Innovationskultur vorleben. Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem Führungskräfte bis hin zur obersten Geschäftsführung kontinuierlich nach Möglichkeiten suchen, das Unternehmen auch für die nächsten 10 oder 20 Jahre fit für den Markt zu machen. Dann müssen sie auch für Ideen offen sein, die dem heutigen Geschäftsmodell widersprechen. Viele Unternehmen tun sich äußerst schwer, sich von der von Hierarchien geprägten Unternehmenskultur zu verabschieden und zu einer Innovationskultur zu gelangen, die Neues fördert. Wie diffizil das ist, hat der US-Ökonom mit Wiener Wurzeln, Peter F. Drucker, mit seinen Worten „culture eats strategy for breakfast“ auf den Punkt gebracht.
IM+io: Welche Ressourcen muss ein Unternehmen zur Verfügung stellen, damit Intrapreneurship möglich wird?
RC: Im Zuge der Entwicklung von neuen Ideen ist die Kreativität von Mitarbeitern eine der wichtigsten Ressourcen. So sind es häufig spontane Gedanken seitens der Mitarbeiter, die in der Praxis zu erfolgreichen Innovationen führen. Damit Ideen dieser Art überhaupt erst entstehen können, ist kreativer Freiraum eine wichtige aber nicht alleinige Grundvoraussetzung. Auch ein individualisiertes Arbeitsumfeld beflügelt häufig die Kreativität der Mitarbeiter. Weiterhin sind bei der Entwicklung und Ausarbeitung von Innovationen die Kommunikation und der Austausch zwischen Mitarbeitern und Führungskräften wichtig. Allerdings muss all dies in einem angemessenen Rahmen stattfinden, so dass das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens nicht gefährdet ist.
IM+io: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass nicht eine Situation entsteht, hier die Kreativen und dort diejenigen, die den verlässlichen Umsatz generieren?
RC: Es ist meines Erachtens sinnvoll, auf das Wissen und die Kreativität möglichst vieler Mitarbeiter zu setzen. Die Unternehmenskultur sollte es zulassen, dass möglichst viele Mitarbeiter gute Ideen haben dürfen, können und wollen. Wenn Mitarbeiter aus den eigenen Reihen zum „Unternehmer im Unternehmen“ werden, entfalten sich Potenziale, die sich auf vielen Ebenen positiv auf den Geschäftserfolg auswirken. Es gibt verschiedenen Maßnahmen hierfür. Eine Möglichkeit ist es, einen entsprechenden Innovationsprozess zu definieren, der von einem Innovationsmanager gesteuert wird und über den jeder Mitarbeiter Ideen einbringen kann, die dann bewertet und priorisiert werden. Hier kann über das Intranet ein entsprechendes Tool zur Verfügung gestellt werden, über das Mitarbeiter ihre Ideen einbringen können. Ein weiteres Beispiel kann ein Innovation Contest sein, ein interner Pitch um neue Ideen und Innovationskonzepte. Dies ist immer auch ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Denn die Botschaft eines solchen Pitches lautet: „Wir brauchen eure Ideen, denn wir sind überzeugt, dass sie uns einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und das Wachstum des Unternehmens sicherstellen.“ Auch in Mitarbeitergesprächen können Verbesserungspotenziale und Ansätze für Innovationen zum Ausdruck gebracht werden. Aus meiner Sicht stellt die Unternehmenskultur das wichtigste Element eines innovativen Unternehmens dar.
IM+io: Halten Sie das Thema Intrapreneurship für einen (vorübergehenden) Hype, oder wird es langfristig zum Bestandteil der strategischen Unternehmensführung werden?
RC: Meines Erachtens ist es für Unternehmen überlebensnotwendig, Intrapreneurship zu einem elementaren Bestandteil der strategischen Unternehmensführung zu machen. Nur mit der Hilfe von Innovationen können Unternehmen ihrem Betrieb entscheidende Impulse verleihen, die langfristig das Überleben auf dem hartumkämpften Markt sichern können.