Schon Realität oder noch Vision?
Smart Glasses im klinischen Alltag
Eric Schnur, MARIS Healthcare GmbH
(Titelbild: © MARIS Healthcare GmbH)
Kurz und Bündig
MARIS Glass ist eine Kommunikationsplattform für Ärzte, welche moderne Datenbrillentechnik unterstützt. Die Behandlung des Patienten kann mithilfe dieser Technologie verbessert, beschleunigt und sicherer gemacht werden. Medizinische Fachexperten können sich ortsunabhängig über einen Datenbrillen tragenden Arzt audiovisuell in klinische Abläufe integrieren, ohne dabei vor Ort zu sein. Dies kann beispielsweise während Operationen oder im Rettungswagen geschehen.
Akuter Ärztemangel und der zeitliche Druck, der auf dem medizinischen Personal lastet, stellen deutsche Kliniken heutzutage vor große Herausforderungen. Die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein, gesetzliche Rahmenbedingungen müssen erfüllt werden und die Erlössicherheit steht dabei außer Frage. Der Spielraum, um Kosten zu reduzieren, ist minimal und die klinischen Abläufe nehmen an Bedeutung zu. Die Kliniken behelfen sich aktuell auch mit Honorarärzten oder setzen oftmals junge, teilweise unerfahrene Assistenzärzte einer enormen Verantwortung in der Patientenbetreuung aus, um die Lücken zu schließen. Aufgrund dessen spielen technologische Innovationen eine wichtige Rolle, um gerade Ärzte und Ärztinnen in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Dazu gehören neue Möglichkeiten der Prozessdokumentation und -optimierung sowie digitale Lösungen für einen schnellen und effizienten Kompetenzaustausch.
Die MARIS Healthcare GmbH hat sich auf den Gesundheitssektor spezialisiert und ist eines der führenden Unternehmen in den Bereichen mobile Sprachverarbeitung, medizinischer Dokumentation und Kommunikation. Im ehemaligen Mutterkonzern Marienhaus, einem der größten kirchlichen Gesundheitsträger in Deutschland, wurden in einem ersten Schritt die Abläufe und Prozesse im klinischen Alltag untersucht und passend dazu innovative Technologien evaluiert und geprüft. Neben den Abläufen in Kliniken wie der Grund- und Regelversorgung wurden auch entsprechende Prozesse in einem Universitätsklinikum untersucht. Schnell wurde klar, dass es eine effiziente Lösung braucht, die es dem medizinischen Fachexperten ermöglicht, Ärzte situationsbedingt zu unterstützen. Diese arbeiten direkt am Patienten und benötigen bei ihrer täglichen Arbeit das ein oder andere Mal den Rat und die Erfahrung von zum Beispiel Ober- und Chefärzten. Damit dieser Austausch direkt erfolgen kann, also während die Ärzte und Ärztinnen am Patienten arbeiten, benötigt man eine Handsfree Technologie.
Aus der Evaluierung der Prozesse heraus entstand mit MARIS Glass eine medizinische Kommunikationsplattform für Ärzte und Ärztinnen, welche moderne Datenbrillentechnik unterstützt. Mit MARIS Glass ist es dem Ober- oder Chefarzt auf Grund der Video- und Audioübertragung möglich, direkt vom Arbeitsplatz oder aus dem Homeoffice heraus eine genaue Beurteilung und schnelle Empfehlung zur Weiterbehandlung zu erteilen. Der behandelnde Arzt trägt die leichte und nicht einschränkende Datenbrille und blickt wie gewohnt auf den Patienten. In Echtzeit wird dieses Bild an den beratenden Fachexperten übertragen und kann durch Untersuchungsergebnisse wie Laborwerte angereichert werden. Zudem können Bilder und Videos situationsbedingt aufgezeichnet und archiviert werden. Und darüber hinaus kann der Facharzt durch Annotationen im Livebild des Datenbrillenträgers wichtige Informationen hinterlegen. Somit kann sich der behandelnde Arzt mit dem Experten wie im realen Leben besprechen und beraten, um zum Beispiel die Behandlung zu verbessern und zu beschleunigen. Eine Präsenz des medizinischen Experten ist somit nicht zwingend notwendig. Medizinisches Know-how kann direkt transferiert und kostbare Zeit eingespart werden.
MARIS Glass hilft auch in Pandemiezeiten, das Personal am Point of Care so zu reduzieren, dass das Infektionsrisiko bei der Visite oder auf den Isolierstationen für Ärzte und Pflegekräfte minimiert werden kann. Gerade an Orten wie der zentralen Notaufnahme (ZNA), im OP oder auf Stationen und der Intensivstation entstehen im Alltag häufig Situationen, in denen behandelnde Ärzte medizinische Experten zu Rate ziehen müssen. Diese sind meist nicht am gleichen Ort, nicht im gleichen Klinikgebäude oder am gleichen Klinikstandort, sondern möglicherweise auch zu Hause im Hintergrunddienst. Derzeit noch per Telefon zugeschaltet, müssen sie sich durch die Beschreibung des Arztes vor Ort ein Bild des Patienten machen, um eine Empfehlung zur Weiterbehandlung geben zu können, ohne dessen Ernährungs- und Allgemeinzustand (EZ/AZ) sowie die Motorik tatsächlich erfassen zu können.
Darüber hinaus werden immer mehr Krankenhausstandorte aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Klinikum zusammengelegt. Oft müssen dabei Chefärzte standortübergreifend eine Fachabteilungsverantwortung übernehmen. Auch hier unterstützt MARIS Glass. Gerade wenn zum Beispiel aus chirurgischer Sicht an mehreren Standorten operiert wird, kann der zuständige Chefarzt sich im Bedarfsfall in Absprache mit dem Operateur einfach hinzuschalten. Das spart wertvolle Zeit, die ansonsten für die Fahrt zum Standort und die wichtigen hygienischen Abläufe vor Betreten des OPs aufzuwenden ist.
Weitere Verbesserungspotenziale zeigen sich dabei auch in der Ausbildung von Medizinstudenten, die auf diese Weise die Möglichkeit haben, die medizinische Praxis ortsunabhängig kennenzulernen. Insbesondere seltene Krankheitsfälle oder besonders heikle Operationen werden in der praktischen Ausbildung nur punktuell behandelt. Mit MARIS Glass können diese Fälle einer breiten Masse von Studenten live zugänglich gemacht werden.
Auch in Rettungswägen kommt es oft zu spezifischen medizinischen Notfällen. Mit der Datenbrille und der innovativen Kommunikationsplattform ist es möglich, einen Fachexperten von überall schnell und ohne Zeitverlust hinzuzuziehen, um den Zustand des Notfallpatienten schneller beurteilen zu können. Sei es dabei der anfahrende Notarzt, der sich schon vorab ein Bild vom Patienten machen kann oder auch der Arzt in der aufnehmenden Klinik. Und das Potenzial dieser Technologie für klinische Prozesse ist damit bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
Gemeinsam arbeiten die MARIS Healthcare GmbH und das August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse daran, die Datenbrillentechnologie stetig weiterzuentwickeln. Bei der Entwicklung eines solchen Projekts spielt natürlich der Datenschutz eine zentrale Rolle. MARIS Glass ist daher fokussiert in der Klinikinfrastruktur als OnPremise-Variante installierbar. Die Zukunft immer im Blick, ist es jedoch auf Wunsch ebenfalls möglich einen Cloudbetrieb auf deutschen Servern zur Verfügung zu stellen.