Aus dem Elfenbeinturm in die Welt
Wenn Wissenschaftskommunikation politisch wird
Christian Humm, Universität des Saarlandes
(Titelbild: © AdobeStock | _273516159 | Thomas Heitz)
Kurz und Bündig
Schon immer hat sich Politik Rat bei der Wissenschaft geholt. Diese Politikberatung fand lange vor allem hinter verschlossenen Türen in Gremien statt. Durch den wachsenden Einfluss von Medien und Social Media, hat sich dies verändert. Politikberatung findet nun oftmals in der Öffentlichkeit statt. Gerade bei kontroversen Themen wird damit auch Wissenschaftskommunikation zu politischer Kommunikation. Deshalb ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass eine rein objektive und wertneutrale Beratung kaum möglich ist. Stattdessen sollte damit transparent und ehrlich umgegangen werden.
Traditionell fand wissenschaftliche Politikberatung hinter verschlossenen Türen statt. Dies hat sich in den letzten Jahren durch die Medialisierung von Wissenschaft und Politik stark verändert. Entsprechend findet auch Wissenschaftskommunikation nicht mehr in der isolierten Sphäre der Wissenschaft statt, sondern inmitten politischer und gesellschaftlicher Debatten. Wissenschaftskommunikation wird damit zu politischer Kommunikation. Aber was ist neutrale Wissenschaftskommunikation oder Politikberatung und was parteipolitische Lobbyarbeit? In welchem Maße sollten Wissenschaftler aktiv für politische Entscheidungen eintreten – oder sollten sie dies nicht tun?
Spätestens seit dem ersten „March for Science“ 2017, einer Reaktion auf die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten [1], wird wieder breiter darüber debattiert, welche Rolle Wissenschaft in Politik und Gesellschaft spielen soll. Klimakrise und Corona-Pandemie gaben dieser Debatte in den letzten Jahren zusätzlichen Auftrieb.
Ein zentraler Punkt dabei war und ist die Frage, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich aktiv in öffentlichen Debatten positionieren und für bestimmte Positionen – sei es für bestimmte wissenschaftsbasierte Politikentscheidungen oder auch für das Wissenschaftssystem an sich – Partei ergreifen sollen oder ob dies die wissenschaftliche Objektivität und Glaubwürdigkeit gefährden würde. Kurz gesagt, es geht um das Spannungsfeld zwischen „wertneutraler“ Beratung (advice) und „wertgeleiteter“ Interessenvertretung (advocacy), die bestimmte Handlungsoptionen empfiehlt.
Die Meinung der Bevölkerung in Deutschland hierzu ist gespalten: 2021 sprachen sich in einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage 50 Prozent der Befragten dafür aus, dass Wissenschaftler in politischen Entscheidungsprozessen zu Corona bestimmte Entscheidungen empfehlen sollten. Gleichzeitig antworteten 31 Prozent, dass Wissenschaftler keine Empfehlung geben, sondern nur Entscheidungsmöglichkeiten und ihre Konsequenzen aufzeigen sollten, und 18 Prozent forderten gar, dass nur Politiker über wissenschaftliche Erkenntnisse informieren sollten [2].